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VfGH vom 14.06.1991, B418/90

VfGH vom 14.06.1991, B418/90

Sammlungsnummer

12739

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der Beitragspflicht nach dem GSVG bei bereits eingetretener Versorgung nach dem ASVG

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Nach den Verwaltungsakten war die 1927 geborene Beschwerdeführerin seit 1964 als Inhaberin eines Gewerbes zur fabriksmäßigen Erzeugung von Sensen, Forst-, Wald- und Schneidewerkzeugen, Preß- und Stanzerzeugnissen pensionsversichert. Ab unterlag sie als Dienstnehmerin ihres Ehegatten der Versicherungspflicht nach dem ASVG. Mit Wirkung vom legte sie die Gewerbeberechtigung zurück. Seit 1988 bezieht sie eine Alterspension nach dem ASVG. Am meldete sie dasselbe Gewerbe wieder an.

Mit Bescheid vom stellte die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft fest, daß gemäß § 25 GSVG die Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung für 1988 aufgrund des Einkommensteuerbescheides für 1985 32.200 S betrage. Dem Einspruch der Beschwerdeführerin, welche die Bemessung der Pensionsversicherungsbeiträge aufgrund der Mindestbeitragsgrundlage begehrte, weil sie eine neue Gewerbeberechtigung erworben habe, wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes keine Folge gegeben. Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage seien die Einkünfte des drittvorangegangenen Kalenderjahres heranzuziehen; daran ändere eine neue Gewerbeberechtigung nichts.

In der gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums gerügt und gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zur gewerblichen Sozialversicherung eingewendet:

"Das Wesen einer Versicherung besteht in der Übernahme eines dem Versicherten drohenden Risikos (Gschnitzer, SchR BT 130). Mit meinen Beitragsleistungen zur Pensionsversicherung nach dem GSVG will der Gesetzgeber meine Altersvorsorge absichern. §§130 und 132 GSVG gehen offensichtlich davon aus, daß nach Bestehen der Alterspension nach einer anderen Sozialversicherung ein Bedarf an einer Alterspension nach dem GSVG nicht mehr gegeben ist. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht hätte ich demnach allerdings auch aus der Leistungspflicht zur Pensionsversicherung nach dem GSVG auszuscheiden. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft kann von mir niemals, auch nach weiterer, jahrzehntelanger Beitragspflicht zur Pensionsversicherung für Leistungen in Anspruch genommen werden. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft trägt daher für meine Altersvorsorge kein wie immer geartetes Risiko, denn nach § 130 Abs 1 GSVG bzw. § 253 Abs 1 ASVG bzw. § 121 Abs 1 BSVG kann ein Anspruch auf eine Alterspension nach dem GSVG nicht mehr erworben werden. Es ist auch nicht möglich, daß durch Beitragszahlungen nach dem Anfall einer Alterspension unter Hinweis auf zwischenzeitig neu erworbene Versicherungszeiten eine bestehende Alterspension erhöht werden könnte."

Die Einbeziehung nicht anspruchsberechtigter Personen in die Pflichtversicherung nach dem GSVG sei daher unsachlich und ein unzulässiger Eigentumseingriff.

II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entspricht die Zusammenfassung der Angehörigen eines Berufsstandes zu einer Riskengemeinschaft dem Grundgedanken der Sozialversicherung, auch wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen nicht besteht. Schon im Erkenntnis VfSlg. 3670/1960, das die Finanzierung der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung durch Zuschläge zur Grundsteuer im Hinblick auf die unterschiedlichen Kreise von Grundsteuerzuschlagsschuldnern und Pflichtversicherten als kompetenzwidrig verwarf, räumte der Verfassungsgerichtshof ein, daß die Grundsätze der Vertragsversicherung nicht uneingeschränkt gelten können und es verfehlt wäre anzunehmen, der Grundsatz der Äquivalenz hätte auch für die Sozialversicherung zu gelten. In der Sozialversicherung trete der Versorgungsgedanke vielfach vor den Versicherungsgedanken. Wichtig sei jedoch, daß im Rahmen der Sozialversicherung jeder Versicherte einen Rechtsanspruch auf die im Gesetz vorgesehenen Leistungen hat, wobei es gleichgültig sei, ob er nach seinen persönlichen Verhältnissen der Sozialversicherung bedarf und ob er als "gutes Risiko" einen höheren Aufwand zu tragen habe als die "schlechten Risken".

Ist der Kreis der Versicherungs- und damit Beitragspflichtigen aber sachlich abgegrenzt, so kommt es nicht darauf an, wie groß die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch ist. So hatte der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 3723/1960 über die Beschwerde eines 68jährigen Gewerbetreibenden zu entscheiden, der aus der Pensionsversicherung der Angestellten eine Rente von monatlich nur 722,30 S bezog, sodaß die (damals bestehende) Grenze für die Ausnahme von der Versicherungspflicht nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz (in Höhe von 750 S monatlich für Verheiratete) nicht erreicht war. Der Gerichtshof sah die Abgrenzung der Pflichtversicherten nach der Berufsangehörigkeit als sachlich und das Mindestmaß des Rentenbezuges von 750 S für die Ausnahme von der Versicherungspflicht nach den damals gegebenen Lebensverhältnissen nicht als willkürlich an und sprach aus, daß es in einer Riskengemeinschaft in Kauf genommen werden müsse, wenn es "in manchen Fällen trotz bestehender Versicherungspflicht wegen der Verschiedenheit der Lebensverhältnisse, z.B. wegen des Lebensalters, zu keinem Rentenanfall kommt".

Im Erkenntnis VfSlg. 4714/1964 folgerte der Gerichtshof aus dem Gemeinschaftsgedanken der Sozialversicherung ferner, daß eine Person, die mehreren Berufsgruppen angehöre, auch sozialversicherungsrechtlich jeder dieser Berufsgruppen zugeordnet werden könne, und die sich hieraus ergebende Doppelversicherung verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Deshalb blieb die Beschwerde einer Gewerbetreibenden, die eine Pension aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG bezog und aus diesem Grund nach § 8 Abs 1 Z 1 lita ASVG in der Krankenversicherung (teil)versichert war, gegen ihre Einbeziehung in die Meisterkrankenkasse erfolglos. Es sei nicht zu prüfen, ob ihre Behauptung, daraus keine über die Leistungen der Krankenversicherung der Pensionisten hinausgehenden Leistungen erwarten zu können, zutreffe.

Diese Auffassung zum Problem der Mehrfachversicherung behielt der Gerichtshof in der Folge stets bei. So hat er im Erkenntnis VfSlg. 4801/1964 den Grundsatz des § 45 Abs 2 ASVG, daß bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer die Versicherungspflicht begründender Beschäftigungen in jedem einzelnen Beschäftigungsverhältnis die Höchstbeitragsgrundlage zu berücksichtigen sei, mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, die Höhe der Beiträge auch ohne direkte Relation zu den Versicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherten verschieden hoch festzusetzen, für unbedenklich erachtet: Die erhöhte Leistungsfähigkeit ergebe sich aus einem mehrfachen versicherungspflichtigen Einkommen (als Geschäftsführer der einen und Prokurist der anderen Gesellschaft); außerdem gebührten Barauslagen aus jeder der in Betracht kommenden Krankenversicherungen und gelte bei Überschreiten der Höchstbeitragsgrundlage bei gleichzeitigem Bestand weiterer versicherungspflichtiger Verhältnisse in der Pensionsversicherung auf Antrag der Mehrbetrag als Beitrag zur Höherversicherung. Denselben Standpunkt nahm der Gerichtshof in VfSlg. 6181/1970 zur Mehrfachversicherung in der Krankenversicherung nach dem Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (einer Postbediensteten und Witwe eines Sicherheitswachebeamten) ein. In VfSlg. 6947/1972 (zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer) hat er ihn auch auf Regelungen bezogen, durch die - wie es damals hieß - im Rahmen des für einen bestimmten Berufsstand geltenden Sonderrechts in einer der Sozialversicherung vergleichbaren Weise Vorsorge für die wirtschaftliche Sicherheit der Standesangehörigen getroffen wird. Zur Beitragsleistung auch Standesangehörige heranzuziehen, deren wirtschaftliche Situation eine solche Vorsorge überflüssig erscheinen läßt, würde nach dem Gedanken der Riskengemeinschaft selbst dann nicht unsachlich sein, wenn sie - was aber gar nicht der Fall sei - bei weiterhin gesicherter Existenz ohne jede Beitragsminderung von Leistungsansprüchen ganz oder zum Teil ausgeschlossen wären.

Zugleich hat der Verfassungsgerichtshof es jedoch in einer Reihe von Erkenntnissen auch als sachlich gerechtfertigt erkannt, daß Personen, die anderweitig versicherungspflichtig sind oder eine Versorgung durch ein anderes System der sozialen Sicherheit dienstrechtlicher oder sozialrechtlicher Art genießen, von der Versicherungspflicht nach dem GSVG ausgenommen werden (VfSlg. 3733/1960, 4331/1962, 5204/1966 und 6015/1969), eine solche Ausnahme aber bei sonstiger privater oder öffentlicher Versorgung (etwa als Kriegsopfer: VfSlg. 4331/1962 oder als Angehöriger eines öffentlich-rechtlichen Bediensteten: VfSlg. 6015/1969) nicht Platz greift, selbst wenn es in manchen Fällen zu keinem Rentenanfall kommt (VfSlg. 6015/1969). Im Sinne dieser Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis 7047/1973 die Beschwerde einer deutschen Staatsangehörigen und Eigentümerin eines Gutes in Niederösterreich mit der Begründung abgewiesen, das Bauern-Pensionsversicherungsgesetz grenze die Riskengemeinschaft in sachlicher Weise danach ab, ob jemand einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb selbst führe oder für sich führen lasse, auch wenn es nicht berücksichtige, ob er seinen Unterhalt ganz oder zumindest zu einem beachtlichen Teil aus diesem Betrieb bestreite. Auch die Beschwerdeführerin gehöre zu dieser Personengruppe, es sei "nicht von vornherein gänzlich ausgeschlossen, daß sie in den Genuß einer Pension kommen kann", und selbst wenn diese ihre Behauptung zutreffen sollte, wäre dies keineswegs der Regelfall.

2. § 3 Abs 1 Z 7 GSPVG hatte Personen, die aus einer Pensionsversicherung nach dem ASVG oder nach dem Notarversicherungsgesetz eine Rente aus dem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit über eine gewisse Mindestgrenze hinaus beziehen, von der Pflichtversicherung ausgenommen. Die bereits genannte, unverändert gebliebene Grenze von 750 S für die Annahme einer anderweitigen ausreichenden Versorgung Verheirateter fand der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 7330/1974 aufgrund geänderter Lebensverhältnisse schon für 1967 als zu gering und daher nicht mehr sachlich. (Die durch die Aufhebung der Ausnahme bewirkte Verfassungswidrigkeit im Verhältnis zu nicht Verheirateten führte zur Beseitigung der ganzen Z 7 des § 3 Abs 1 im Erkenntnis VfSlg. 7394/1974). Gleichfalls wegen Nichtanpassung der Grenze wurde mit VfSlg. 7844/1976 die Z 6 des § 3 Abs 1 GSPVG, welche Personen von der Versicherungspflicht ausnahm, denen aufgrund einer Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder ähnlichen privatrechtlichen Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse zusteht oder die einen solchen Ruhegenuß beziehen, als verfassungswidrig aufgehoben. Infolgedessen nahm nun die Z 5 der genannten Gesetzesstelle nur Personen von der Pflichtversicherung aus, die der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem ASVG unterliegen. Die Aufhebung der anderen Ausnahmen durch den Verfassungsgerichtshof hatte in bezug auf die Z 5 eine Rechtslage herbeigeführt, die im Erkenntnis VfSlg. 8533/1979 unter Bezugnahme auf den Prüfungsbeschluß wie folgt geschildert ist:

"Der Gerichtshof hat vorläufig angenommen, daß in dieser Bestimmung die Subsidiarität der Selbständigen-Pensionsversicherung zum Ausdruck gebracht wird: wer schon aus einer Pflichtversicherung nach dem ASVG eine Versorgung zu erwarten habe, solle nicht auch noch der Versicherungspflicht nach dem GSPVG unterliegen. Dieser Grundsatz sei in der früheren Fassung des Gesetzes folgerichtig zu Ende geführt gewesen, da nach § 3 Z. 7 auch Bezieher einer Pension nach dem ASVG und nach Z. 6 auch Bezieher eines Ruhe- und Versorgungsgenusses aus dem öffentlichen Dienst ausgenommen waren, wenn ihr Bezug eine gewisse, ursprünglich (wegen der Orientierung an den Richtsätzen für die Ausgleichszulage) die Versorgung tatsächlich gewährleistende Höhe erreichte. Der Wegfall der Ausnahmevorschriften scheine nun aber einen gleichheitswidrigen Zustand herbeigeführt zu haben."

Die deshalb entstandenen Bedenken wegen der verbliebenen Z 5 habe der Prüfungsbeschluß im einzelnen so umschrieben:

"Die Aufhebung der Z. 7 des § 3 GSPVG habe bei Weitergeltung der Z. 5 die Folge, daß ein schon nach dem ASVG Pflichtversicherter zwar während der Dauer seiner Erwerbstätigkeit von der Versicherungspflicht nach dem GSPVG ausgenommen sei, nach deren Beendigung aber trotz des nunmehrigen Bezuges einer Pension (gleich welcher Höhe) versicherungspflichtig werde. Es scheine aber sachlich nicht gerechtfertigt zu sein, bereits anderwärts pflichtversicherte Personen wegen der bloß in Aussicht stehenden Versorgung für die Zeit des Alters von der Versicherung auszunehmen (§3 Z. 5), Pensionsbezieher aber der Versicherung zu unterwerfen (§2). Ein Größenschluß scheine vielmehr zu gebieten, daß die eingetretene Versorgung umso mehr berücksichtigt werde, als schon die bloße Erwartung einer Versorgung dazu ausreicht."

Diese Bedenken hätten nicht zerstreut werden können: Die entstandene Ungleichbehandlung von anderwärts pflichtversicherten Personen und Pensionsbeziehern seien ebensowenig zu rechtfertigen wie die Ungleichbehandlung von privatwirtschaftlich Tätigen und öffentlich Bediensteten. Der Verfassungsgerichtshof gelangte daher zur Aufhebung der präjudiziellen Vorschriften über die Versicherungspflicht. Dieses Schicksal teilte auch das mittlerweile in Kraft getretene GSVG (VfSlg. 8657/1979).

Der Gesetzgeber sah sich allerdings nicht zu einer Anpassung der Geringfügigkeitsgrenzen für die Ausnahme von Pensionsbeziehern von der Pflichtversicherung, sondern zu einer Neuregelung des gesamten Problems der Mehrfachversicherung veranlaßt, deren wesentlichen Inhalt die Erläuterungen zur Regierungsvorlage für die 2. GSVG-Novelle, BGBl. 531/1979 (93 BlgNR 15.GP), wie folgt beschreiben:

"... wurde weitgehend Übereinstimmung darüber erzielt, von dem in den Ausnahmeregelungen des GSVG und des BSVG zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Subsidiarität für den Bereich der Pensionsversicherung abzugehen und bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer Erwerbstätigkeiten die Pflichtversicherung in allen in Betracht kommenden gesetzlichen Pensionsversicherungen eintreten zu lassen, und zwar insoweit, als die Summe der in den einzelnen Erwerbstätigkeiten erzielten Beitragsgrundlagen einen der jeweils in Betracht kommenden Höchstbeitragsgrundlage entsprechenden Betrag nicht übersteigt. Eine derartige Regelung entspräche jenen Grundsätzen, wie sie seit jeher schon innerhalb der einzelnen Pensionsversicherungen in Geltung stehen, und bietet dem Versicherten Gewähr dafür, daß der spätere Pensionsanspruch seinen Umfang nach ein Äquivalent für die gesamten im Arbeitsleben erzielten Einkünfte darstellt. Im übrigen würde dieses Vorhaben dem Grundgedanken der Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit der einzelnen Pensionsversicherungen in bezug auf die Durchführung der Versicherung gerecht. Schließlich wurde im Zuge der Beratungen nach einem Weg gesucht, der der Vollziehung die geringste Belastung auferlegt und in dem Härtefälle weitgehend ausgeschlossen werden können.

...

Der erste Schritt für die in Aussicht genommene Maßnahme ist die Aufhebung aller in den Pensionsversicherungen nach dem GSVG und dem BSVG in Geltung stehenden Ausnahmebestimmungen für den Fall einer gleichzeitigen Ausübung mehrerer Erwerbstätigkeiten, sodaß bei Zutreffen dieser Voraussetzungen Pflichtversicherung in jeder der in Betracht kommenden Pensionsversicherungen und damit auch Beitragspflicht besteht, und zwar auch dann, wenn daneben noch eine Beschäftigung in einem öffentlich-rechtlichen oder unkündbaren privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Anwartschaft auf Ruhe- oder Versorgungsgenuß bestehen sollte.

Kernstück der Neuregelung bildet der Vorschlag über eine starre Zuordnung der gleichzeitig in mehreren gesetzlichen Pensionsversicherungen erworbenen Beitragsmonate zu einer einzigen Pensionsversicherung in der Reihenfolge ASVG - GSVG - BSVG, und zwar unabhängig von der Höhe der Beitragsgrundlagen. Besteht daher gleichzeitig Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem GSVG oder BSVG, so soll ein Versicherungsmonat nur in der Pensionsversicherung nach dem ASVG erworben werden, auch wenn in der selbständigen Erwerbstätigkeit höhere Einkünfte erzielt worden sind. In diesem Versicherungsmonat ist allerdings die Summe der Beitragsgrundlagen bis zur Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG zu berücksichtigen.

Übersteigt die Summe der Beitragsgrundlagen die Höchstbeitragsgrundlage jener für die Zuordnung in Betracht kommenden gesetzlichen Pensionsversicherung, so wird dem Versicherten die Möglichkeit eröffnet, die von ihm entrichteten, auf den Überschreitungsbetrag entfallenden Beiträge zurückzufordern, sofern er bis 30. Juni des folgenden Kalenderjahres einen bezüglichen Antrag stellt. Zuständig ist der Versicherungsträger jener gesetzlichen Pensionsversicherung, deren Beitragsgrundlagen nach der Zuordnungsregel nicht zur Gänze Berücksichtigung gefunden haben. Unterläßt der Versicherte eine Antragstellung, so werden ihm die auf den Überschreitungsbetrag entfallenden Beiträge nach Eintritt des Versicherungsfalles rückerstattet.

Wenngleich im Rahmen der Beratungen des Arbeitskreises dieser Lösung letzten Endes der Vorzug gegeben wurde, so wäre doch darauf hinzuweisen, daß die im Rahmen der Vollziehung anfallende Mehrbelastung nicht auf alle Versicherungsträger der in Betracht kommenden gesetzlichen Pensionsversicherungen gleichmäßig verteilt wird. Die starre Zuordnung bringt es mit sich, daß die in Betracht kommenden Versicherungsträger nach dem ASVG mit Beitragsrückerstattungen niemals, der Versicherungsträger nach dem BSVG in jedem Falle zum Zuge kommt.

In der gegenständlichen Neuregelung findet auch das Bemühen Ausdruck, Härtefällen soweit wie möglich zu begegnen. In erster Linie sollen selbständig Erwerbstätige, die glaubhaft machen, daß sie bereits auf Grund einer unselbständigen Erwerbstätigkeit Entgelt über der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage beziehen, zunächst keine Beiträge zu entrichten haben. Stellt sich nach Ablauf eines Kalenderjahres heraus, daß die ursprüngliche Annahme den Tatsachen entsprochen hat, so soll in diesen Fällen überhaupt eine Befreiung von der Beitragspflicht eintreten. Diese im § 35 a vorgeschlagene Regelung kommt einem Verlangen der zuständigen gesetzlichen beruflichen Vertretung entgegen und verhindert es, daß der Versicherte zunächst Beiträge zu entrichten hat, obgleich die begründete Annahme gegeben ist, daß diese Beiträge später rückzuerstatten sind. ..."

Im Bereich der Krankenversicherung führte der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Mehrfachversicherung nach ASVG und B-KUVG fort und verneinte im Erkenntnis VfSlg. 9753/1983 eine Gleichheitswidrigkeit im Verhältnis unselbständig Erwerbstätiger (Mehrfachversicherung) und selbständig Erwerbstätiger (Subsidiarität der Krankenversicherung nach GSVG, FSVG, BSVG), weil bei den Selbständigen bis heute ein Widerstand gegen die Einbeziehung in das System der Sozialversicherung zu erkennen sei und der Gleichheitssatz keine einheitliche Regelung für alle Sozialversicherten verlange. Der Gesetzgeber nimmt aber auch bei den Selbständigen auf ausländische Pflichtversicherungen zulässigerweise nicht unter allen Umständen Rücksicht, sodaß es auch insoweit zu einer Mehrfachversicherung kommen kann (VfSlg. 9758/1983). (Zur mehrfachen Altersversorgung von Ärzten vgl. z.B. jüngst B363/90 vom ).

3. Durch die geschilderte, von der Rechtsprechung ausgelöste Entwicklung haben sich die maßgebenden Vorschriften gegenüber der in der früheren Rechtsprechung beurteilten Rechtslage insgesamt erheblich geändert. Beim Zusammentreffen von Versicherungspflichten nach ASVG und GSVG bleibt die Versicherungspflicht nunmehr in beiden Systemen bestehen, doch gelten Beitragszeiten nur in der Pensionsversicherung nach dem ASVG als erworben (§§127a GSVG, 244a ASVG); soweit die Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG überschritten wird, sind die Beiträge sogar zurückzuerstatten (§127b GSVG). Demgegenüber hindert der Bezug einer Alterspension nach dem ASVG die Versicherungspflicht nach GSVG auch dann nicht, wenn die Versorgung durch diese Pension ohnehin ausreichend sichergestellt ist. Insoweit ist daher die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin des vorliegenden Verfahrens mit jener des Beschwerdeführers zu VfSlg. 3723/1960, der durch das System der sozialen Sicherung noch unzureichend versorgt war, nicht zu vergleichen. Daß die Wiederaufnahme des Gewerbes nach Erlangung einer Alterspension nach dem ASVG neuerlich eine Versicherungspflicht nach dem GSVG auslöst, entspricht nunmehr in den Auswirkungen der erstmaligen Aufnahme einer versicherungspflichtigen gewerblichen Tätigkeit.

Der im Erkenntnis VfSlg. 8533/1979 aus einem Vergleich zwischen der Behandlung bereits anderwärts Pflichtversicherter und der Lage von Pensionsbeziehern gewonnene Schluß, Pensionisten dürften nicht in die Pflichtversicherung einbezogen werden, weil sie bereits versorgt seien, läßt sich folglich nicht mehr ziehen. Da die Selbständigen-Pensionsversicherung gegenüber der Versicherung nach dem ASVG nicht mehr subsidiär ist, sondern beide Versicherungen nebeneinander bestehen und nur eine Überbelastung mehrfach Beitragspflichtiger vermieden wird, erübrigt sich eine besondere Bedachtnahme auf Pensionsbezieher, die nur für die wiederaufgenommene Beschäftigung Beiträge entrichten und keiner mehrfachen Belastung unterliegen. Sie sind auch von Leistungen aus der Versicherung, zu der sie wegen der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit beitragen, nicht etwa von vornherein (durch das Gesetz) ausgeschlossen. Zwar läßt § 132 Abs 2 GSVG einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension aus dieser Pensionsversicherung nach Anfall einer Alterspension in einer anderen Versicherung nicht entstehen; dem Erwerb einer (weiteren) Alterspension (nach dem GSVG) stünde aber nur der aufrechte Fortbestand einer (weiteren) Pflichtversicherung im Wege, nicht die bereits zuerkannte Alterspension (nach dem ASVG). Auch die Beschwerdeführerin hat mithin grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Leistungen aus der sie neuerlich treffenden Pensionsversicherung. Daß sie vielleicht doch keine Leistung aus dieser Versicherung mehr erhalten wird, könnte nur daran liegen, daß sie die neue laufende Wartezeit für den Anfall der Pensionsversicherung nicht mehr zustande bringt. Im Ergebnis ist die Lage damit also doch keine andere als die zu VfSlg. 3723/1960 beurteilte. Im übrigen kommen auch Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes in Betracht (§120 Abs 2 lita und c sowie Abs 3 Z 1 litb oder § 148a GSVG).

Daß diesmal nicht die Einführung der Versicherungspflicht für die betreffende Berufsgruppe eine solche Lage schafft, sondern die Neugestaltung der Mehrfachversicherung, die mehrere Pflichtversicherungen, statt sie nebeneinander auf mehrere Pensionen hin laufen zu lassen, in einer Versicherung bündelt und die Versicherungszeiten durch Gewährung der ersten Pension "verbraucht", rechtfertigt angesichts der Grundlinien der bisherigen Rechtsprechung keine von VfSlg. 3723/1960 abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung. Es macht die Beitragspflicht für die Wiederaufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nicht unsachlich, wenn die durch das System der Sozialversicherung vorgesehene Versorgung bereits eingetreten ist und die Aussicht auf weitere Leistungen - wie für den Beschwerdefall behauptet - eher theoretisch bleibt. Dem Sozialversicherungsrecht ist der Gedanke, daß der Eintritt des Versicherungsfalles die Beitragspflicht aus einer an sich versicherungspflichtigen Tätigkeit beendet oder bei Wiederaufnahme einer solchen Tätigkeit nicht wieder aufleben läßt, nicht eigen.

Der Verfassungsgerichtshof teilt daher die Bedenken der Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Bestimmungen über die Versicherungspflicht nicht. Solche Bedenken ergeben sich auch nicht aus § 100 Abs 2 ASVG, wonach ein Anspruch auf eine laufende Leistung mit dem Anfall eines Anspruches auf eine andere laufende Leistung erlischt. Selbst wenn diese Bestimmung auf das Erlangen einer zweiten Alterspension (gleich welcher Höhe) anwendbar sein sollte, könnten sich Bedenken nur gegen § 100 Abs 2 ASVG selbst richten, nicht gegen die hier allein präjudizielle Versicherungspflicht weiterbeschäftigter Pensionsbezieher.

Anhaltspunkte für eine andere Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sich nicht ergeben. Insbesondere ist es keine Verfassungsfrage, ob für die Bemessung der Beiträge trotz Unterbrechung der gewerblichen Tätigkeit die Einkünfte des drittvorangegangenen Jahres zugrundezulegen sind oder die Mindestbeitragsgrundlage maßgeblich ist.

Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).