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OGH vom 25.10.1994, 10ObS262/93

OGH vom 25.10.1994, 10ObS262/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Günter Schön (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Randus (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Vera D*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Arnulf Summer und Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Ausgleichszulage, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 5 Rs 68/93-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 33 Cgs 157/92a-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin (vom ) auf Ausgleichszulage (AZ) zur Invaliditätspension mit der Begründung ab, ihre Invaliditätspension von 3.662,50 S, ihre jugoslawische Rente von 1.143,90 S und das Nettoeinkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten von 5.663,70 S betrügen zusammen 10.470,10 S und überstiegen daher den geltenden Richtsatz von 9.317 S (um 1.153,10 S).

Das auf eine AZ zur Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab Antragstellung gerichtete Klagebegehren stützt sich darauf, daß die jugosl Rente der Klägerin nur 250 S 7.800 jugosl Dinar), die österreichische Pension ihres Ehegatten 3.415 S und seine jugosl Rente nur 200 S 7.000 jugosl Dinar) betrage. Deshalb stünde der Klägerin eine AZ von 1.789,50 S zu.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete ein, die Klägerin habe sich nach den Eintragungen im Reisepaß vom 1.10. bis und vom 15.5. bis in Jugoslawien aufgehalten. Die ihr durch die Post ausgezahlte (österreichische) Pension sei von ihr in der Zeit von November 1991 bis August 1992 nur zweimal persönlich in Empfang genommen worden. Es bestehe daher der Verdacht, daß sie sich auch während weiterer Zeiten nicht in Österreich aufgehalten habe.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin ab zur Invaliditätspension eine AZ im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und trug der Beklagten auf, ab bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 1.300 S monatlich zu erbringen.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen bezog die Klägerin von der Beklagten in den Jahren 1991 und 1992 eine monatliche Invaliditätspension von 3.521,60 S bzw 3.662,50 S brutto. In den Monaten Jänner bis Juni und August 1992 bezog sie eine jugosl Rente im Gegenwert von insgesamt 3.393,94 S oder durchschnittlich 484,85 S monatlich. Ihr Ehegatte erhielt von der Beklagten im Jahre 1992 eine monatliche Invaliditätspension von 3.315,70 S netto und von Dezember 1991 bis August 1992 eine jugosl Teilrente im Gegenwert von insgesamt 4.273,25 S oder durchschnittlich 474,80 S. Die Summe der maßgeblichen Einkünfte der Klägerin betrug in den Monaten Jänner bis Juni und August 1992 7.937,85 S. Die Höhe der jugosl Teilrente der Klägerin für Dezember 1991, Juli und September 1992 sowie Jänner 1993 und ihres Ehegatten von September 1992 bis Jänner 1993 sind dem Gericht nicht bekannt. Die Klägerin gab an, Ende 1992/Anfang 1993 ca 30.000 jugosl Dinar als jugosl Teilrente erhalten zu haben, was einem Gegenwert von etwa 450 S entspricht. Die Klägerin lebt seit etwa zwei Jahren wieder ständig in Österreich und hat jedenfalls seit November 1991 ihren ordentlichen Wohnsitz in B*****. In dieser Zeit verbrachte sie zwei- bis dreimal pro Jahr ca drei bis vier Wochen in Jugoslawien; die genauen Zeiten ihrer Aufenthalte können nicht festgestellt werden. Sie verbrachte dort ihre Urlaube und war im November 1991 für etwa drei bis vier Wochen wegen eines Todesfalles in der Familie dort. Bis Ende 1992 wurde ihr die Pension durch den Briefträger zuhause ausgezahlt, jedoch meist nicht in ihrer Wohnung im Erdgeschoß und nur zweimal an sie persönlich, die übrigen Male im im selben Haus gelegenen Cafe ihres Sohnes an ihren Ehegatten, ihren Sohn, ihre Schwiegertochter oder ihren Neffen.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes haben die (österreichische) Bruttopension der Klägerin, ihre jugosl Teilrente und die Nettopensionen ihres Ehegatten im ersten Halbjahr 1992 monatlich durchschnittlich 7.937,85 S betragen und seien damit um 1.379,15 S unter dem damaligen Richtsatz von 9.317 S gelegen. Da davon auszugehen sei, daß sich der Gegenwert der beiden jugosl Teilrenten im zweiten Halbjahr 1992 und im Jänner 1993 eher verringert habe, sei diese Differenz auch für diese Zeiträume anzunehmen. Durch die vorübergehenden Aufenthalte in Jugoslawien sei bei Bedachtnahme auf § 89 Abs 1 und Abs 2 ASVG kein Ruhen des Anspruchs auf AZ eingetreten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs als zulässig.

Nach der rechtlichen Beurteilung der zweiten Instanz hätte das Erstgericht die Höhe der gebührenden AZ im Urteil ziffernmäßig anführen und spruchmäßig über die Höhe der monatlichen AZ für den gesamten Zeitraum vom bis zum Schluß der Verhandlung und weiterhin absprechen müssen. Deshalb seien die Anspruchsvoraussetzungen für jeden Monat genau festzustellen. Diese Feststellungen dürften nicht dem Versicherungsträger übertragen werden. Es fehlten auch Feststellungen über die Höhe der Invaliditätspension des Ehegatten und der jugosl Teilrente der Klägerin im Dezember 1991 sowie über die Höhe der jugosl Teilrenten beider Ehegatten seit August 1992. Sollte zum Schluß der Verhandlung und in naher Zukunft die Höhe des Nettoeinkommens nicht eruierbar sein, wäre die AZ nur in form eines Vorschusses zu gewähren. Der Bezug der AZ sei an den Inlandsaufenthalt des Anspruchsberechtigten gebunden. Deshalb seien die Ruhensbestimmungen nicht analog anzuwenden. Die AZ falle immer dann weg, wenn sich der Anspruchsberechtigte im Ausland aufhalte, und zwar unabhängig von der Dauer des Aufenthalts. Auch dazu seien genaue Feststellungen erforderlich. Da der Inlandsaufenthalt Anspruchsvoraussetzung für die AZ sei, sei die Klägerin diesbezüglich beweispflichtig.

Die Klägerin bekämpft den Aufhebungsbeschluß mit Rekurs. Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die Beklagte erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 45 Abs 4 und § 46 Abs 3 ASGG zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß sich die Entscheidung des Gerichtes über den AZ-Anspruch auf den gesamten Zeitraum bis zum Schluß der Verhandlung zu erstrecken und Sachverhaltsänderungen bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen hat, entspricht der Rsp des erkennenden Senates (SSV-NF 2/131; 6/18).

Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß das Gericht dann, wenn es dem auf Zahlung einer AZ gerichteten Klagebegehren stattgibt, die Rechtsstreitigkeit - abgesehen von der noch zu nennenden Ausnahme - nicht nach § 89 Abs 2 ASGG erledigen darf. Besteht nämlich zwischen den Tatsachen, von denen der Grund des Anspruches abhängt, und den Tatsachen, nach denen sich die Höhe des Anspruches richtet, kein Unterschied, hängt also der Anspruchsgrund unmittelbar und untrennbar mit der Anspruchshöhe zusammen, was im allgemeinen beim Anspruch auf AZ zutrifft, dann kann ohne Feststellung der Anspruchshöhe nicht gesagt werden, ob der Anspruch dem Grunde nach besteht. Eine Rechtsstreitigkeit über eine Ausgleichszulage kann aber dann nach § 89 Abs 2 ASGG erledigt werden, wenn nur strittig ist, ob sich der Pensionsberechtigte im Inland aufhält (SSV-NF 4/1).

Es entspricht auch der Rsp des erkennenden Senates, daß die pauschale Feststellung der Höhe des Pensionsbezuges in einem bestimmten (Kalender)Jahr den notwendigen Bestimmtheitserfordernissen

nicht gerecht wird, zumal der AZ-Anspruch für jeden einzelnen Monat zu prüfen ist. In einem solchen Fall sind daher Feststellungen über die Höhe der anderweitigen Einkünfte für jeden Monat des fraglichen Zeitraumes erforderlich (SSV-NF 6/18). Bezieht ein Pensionsberechtigter aber Einkünfte aus (auch) unselbständiger Erwerbstätigkeit oder diesen gleichgestellte Einkünfte, deren Höhe erst nach Ablauf eines größeren Zeitraumes sinnvoll und verläßlich festgestellt werden kann, so ist der Träger der Pensionsversicherung berechtigt und verpflichtet, die AZ zunächst als Vorschuß zu erbringen. Der Pensionsberechtigte, der oder dessen Ehegatte Einkünfte in unterschiedlicher Höhe bezieht, hat dies dem Träger der Pensionsversicherung zu melden, um diesem Gelegenheit zu geben, die AZ zunächst als Vorschuß zu gewähren. Einer solchen Meldung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die ansonsten meldepflichtige Tatsache dem Versicherungsträger auf Grund seiner amtlichen Tätigkeit allgemein bekannt ist. Das trifft etwa für jugosl Pensionen wegen der dort herrschenden Inflation zu (SSV-NF 5/4).

Da die Klägerin und ihr Ehegatte im hier strittigen Zeitraum ab von einem jugosl (serbischen) Versicherungsträger Pensionen in unterschiedlicher Höhe bezogen - für den Anspruch auf AZ sind nicht die in Jugoslawien ausgezahlten Dinarbeträge, sondern deren Gegenwert in Schilling maßgebend (SSV-NF 5/4) - könnte daher die Beklagte grundsätzlich iS der E SSV-NF 4/1 zur Zahlung von Vorschüssen auf die AZ verurteilt werden. Dies allerdings nur für die Zukunft, nicht aber für Monate, für die jugosl Teilleistungen bereits ausgezahlt und deren Höhe im Schillinggegenwert daher festgestellt werden kann.

Im vorliegenden Fall ist aber auch strittig, ob und in welchen Zeiträumen sich die Pensionsberechtigte seit im Inland oder in Jugoslawien aufgehalten hat.

Nach § 292 Abs 1 ASVG hat die Pensionsberechtigte Anspruch auf eine AZ zur Pension, solange sie sich im Inland aufhält. Dabei handelt es sich um eine vom erkennenden Senat schon einmal als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnete allgemeine Voraussetzung dieser Zulage (SSV-NF 6/78).

Ob sich jemand im Inland aufhält, bestimmt sich nur nach seiner körperlichen Anwesenheit und - anders als etwa beim Wohnsitz - nicht durch ein Willenselement (sa Fasching, ZPR2 Rz 274; Mayr in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 66 JN).

Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß es für den Anspruch auf AZ darauf ankommt, ob und wie lang sich die Pensionsberechtigte in den einzelnen Kalendermonaten, für die dieser Anspruch strittig ist, tatsächlich in Österreich aufgehalten hat. Beim Inlandsaufenthalt handelt es sich um eine allgemeine Voraussetzung des Anspruchs auf AZ; nach § 87 Abs 1 ASGG sind daher diesbezüglich sämtliche notwendig erscheinenden Beweise von Amts wegen aufzunehmen. Nach der allgemeinen Beweislastregel, nach der jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt (zuletzt Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 11 vor § 266 mwN), hier also auch des Inlandsaufenthaltes, liegt aber das Risiko einer diesbezüglichen Nichtfeststellbarkeit (objektive Beweislast) (Rechberger aaO Rz 10) bei der klagenden Pensionsberechtigten.

Bei § 89 Abs 1 Z 3 ASVG handelt es sich um eine Ruhensbestimmung, beim Inlandsaufenthalt iS des § 292 Abs 1 ASVG hingegen um eine allgemeine Voraussetzung des Anspruchs auf AZ. Eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 89 Abs 2 leg cit, nach der das Ruhen von Pensionsansprüchen aus der Pensionsversicherung nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle nicht eintritt, wenn der Auslandsaufenthalt in einem Kalenderjahr nicht zwei Monate überschreitet, auf den AZ-Anspruch ist daher nicht möglich. Nach § 295 Abs 1 ASVG sind zwar, soweit im ASVG nichts anderes bestimmt ist, auf die AZ die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes über die Pensionen aus der Pensionsversicherung anzuwenden. § 296 Abs 2 ASVG bestimmt jedoch ausdrücklich, daß der Anspruch auf AZ mit dem Ende des Monates endet, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch wegfallen.

Der Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß des Berufungsgerichtes ist daher samt seiner Begründung aufrechtzuerhalten. Im fortgesetzten Verfahren werden auch die Voraussetzungen des § 293 Abs 4 ASVG zu erörtern sein.

Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Rekurskosten beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.