OGH vom 24.08.2017, 8ObA43/17g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. TarmannPrentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Timea Pap und Robert Hauser in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 18/17v18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Das Dienstverhältnis des Klägers, der bei der Beklagten als Straßenbahnfahrer im Vertragsbediensteten-verhältnis beschäftigt war, wurde gemäß § 42 Abs 2 der Wiener Vertragsbedienstetenordung (WVBO) mit Schreiben vom zum gekündigt. Grund dafür war eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung des Klägers nach § 207a Abs 3 StGB.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis mangels Verwirklichung eines gesetzlichen Kündigungsgrundes über den hinaus aufrecht sei.
Rechtliche Beurteilung
Das Klagebegehren blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Die außerordentliche Revision des Klägers ist nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesprochen wird.
1. Ob das Verhalten eines Vertragsbediensteten Vertrauensunwürdigkeit iSd § 42 Abs 2 WVBO begründet und ob die Weiterbeschäftigung dem Dienstgeber zumutbar wäre, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (ua 8 ObA 53/10t; 8 ObA 31/16s; 9 ObA 106/14z). Einzelfallentscheidungen kommt aber – abgesehen von Fällen einer hier nicht vorliegenden auffallenden Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz – keine die Revisionszulässigkeit begründende erhebliche Bedeutung zu (RISJustiz RS0105940 [T5, T 8, T 9]).
Während im Falle der Entlassung ein Sachverhalt verwirklicht sein muss, der seinem Gewichte nach die Weiterbeschäftigung des Vertragsbediensteten schlechthin unzumutbar erscheinen lässt, ist dies bei der Kündigung nicht erforderlich (RISJustiz RS0105940). Nach § 42 Abs 2 Z 5 WVBO 1995 ist die Gemeinde zur Kündigung berechtigt, wenn sich erweist, dass das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten mit dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes unvereinbar ist, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt.
Wenn die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen § 207a Abs 3 StGB ein Verhalten belegt, das unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen seines Berufs die Voraussetzungen des Kündigungsgrundes erfüllte, ist dies jedenfalls nicht unvertretbar (vgl dazu auch VwGH 2013/09/0128; 2007/09/0136 [Entlassung eines Beamten]).
2. Richtig ist, dass die Kündigung eines Vertragsbediensteten vom Arbeitgeber unverzüglich auszusprechen ist. Unbegründet langes Zuwarten mit dem Ausspruch der Kündigung führt zur Verwirkung des Kündigungsrechts (RISJustiz RS0028543; 8 ObA 62/13w).
Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können aber insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind (RISJustiz RS0029273; 8 ObA 57/13k). Davon sind die Vorinstanzen hier durchaus vertretbar ausgegangen.
Nachdem die Beklagte von der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers Kenntnis erlangt hatte, ist bis zur Absendung des Kündigungsschreibens etwas über ein Monat verstrichen. In diesem Zeitraum lagen die Weihnachtsfeiertage, es wurde eine Stellungnahme des zuständigen Betriebsleiters eingeholt, es erfolgte die Verständigung des Hauptausschusses der Personalvertretung (dem nach § 39 Abs 1 WPVG ein Antragsrecht zustand) mit Äußerungsfrist von zwei Wochen und schließlich die Genehmigung der Kündigung durch die Abteilungsleiterin.
Der Kläger war wegen des gegen ihn laufenden Strafverfahrens bereits seit Oktober 2014 dienstfrei gestellt. Mangels Aufhebung der Freistellung konnte er auch während der Dauer des internen Kündigungsverfahrens nicht darauf vertrauen, dass seine Verurteilung dienstrechtlich folgenlos bleiben würde. Hinzu kommt, dass auch eine zwölf Tage früher ausgesprochene Kündigung wegen des einzuhaltenden Kündigungstermins zum Monatsletzten (§ 43 Abs 2 WVBO) zu keiner früheren Beendigung des Dienstverhältnisses geführt hätte.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00043.17G.0824.000 |
Schlagworte: | 1 Generalabonnement,11 Arbeitsrechtssachen |
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