OGH vom 25.05.2004, 11Os36/04
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pröstler-Zehetmaier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dipl. Ing. Wojtek (auch: Wojciech) Z***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 141/03m-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Wutzel zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Strafe aufgehoben und über den Angeklagten nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Bedachtnahme gemäß § 21 Abs 3 FinStrG auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ 11d Vr 7307/97, Hv 6161/97-151, eine Zusatzgeldstrafe von 60.000 (sechzigtausend) Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat, verhängt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dipl. Ing. Wojtek Z***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme gemäß § 21 Abs 3 und 4 FinStrG auf die Strafverfügung des Zollamtes Kittsee vom , AZ 321-2002/00151-001, nach § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Zusatzgeldstrafe von 60.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat, verurteilt. Nach den hier wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes bewirkte der Angeklagte in den Jahren 1984 bis 1991 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der E*****gmbH (im Folgenden: E*****-GmbH) durch diverse, in den Entscheidungsgründen detailliert dargelegte Malversationen Verkürzungen an Körperschafts- und Gewerbesteuer um zusammen 2,243.316 S 163.028,13 Euro) sowie an Kapitalertragssteuer um 3,033.194 S 220.430,80 Euro). Die diesen Abgabenverkürzungen zugrunde liegenden Nettoumsätze flossen als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Angeklagten zu, der diese nicht in seine Einkommensteuererklärungen aufnahm und solcherart vorsätzlich für die Jahre 1984 bis 1991 Einkommensteuerverkürzungen von insgesamt 3,974.578 S 288.843,85 Euro) bewirkte.
Zum Vorleben des Angeklagten hielten die Tatrichter fest, dass dieser für die als Verantwortlicher der E*****-GmbH bewirkten Verkürzungen an Körperschafts-, Gewerbe- und Kapitalertragssteuer vom Landesgericht für Strafsachen Wien am zur GZ 11d Vr 7307/97, Hv 6161/97-151 gemäß § 33 Abs 5 FinStrG zu einer Geldstrafe von 1,500.000 S 109.009,25 Euro; im Nichteinbringlichkeitsfall sechs Monate Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt und ihm darüber hinaus am vom Zollamt Kittsee (AZ 321-2002/00151-001) wegen des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG (zu ergänzen:) gemäß § 35 Abs 4 FinStrG eine Geldstrafe von 10 Euro auferlegt worden war.
Bei der Strafzumessung wertete das Erstgericht "die einschlägige Vorstrafe" als erschwerend, das umfassende, reumütige Geständnis, die lange Verfahrensdauer und das lange Zurückliegen der Tat als mildernd.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil aus Z 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.
Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) unter Bezugnahme auf die ursprünglich gemeinsame Führung der gegenständlichen Strafsache mit dem Verfahren AZ 11d Vr 7307/97, Hv 6161/97 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den Verlust des Anklagerechts behauptet, lässt sie nicht erkennen, aus welchem Grund die - vor Anberaumung der Hauptverhandlung über Antrag der Staatsanwaltschaft (S 3mmm f/I) von der zuständigen Untersuchungsrichterin (S 1/I) vorgenommene - Verfahrensausscheidung "nicht rechtswirksam zustande gekommen" sein soll, und verfehlt solcherart mangels Darlegung konkreter, aus ihrer Sicht nichtigkeitsbegründender Sachverhaltselemente die gebotene Ausrichtung am Prozessrecht (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10). Indem die Beschwerde unter unsubstantiiertem Hinweis auf Art 6 Abs 1 EMRK sowie eine Entscheidung des Deutschen Bundesverfassungsgerichtes ein "Verfahrenshindernis" der überlangen Verfahrensdauer behauptet, lässt sie eine von der aktuellen (österreichischen) Rechtslage ausgehende Argumentationskette und damit die logische Ableitung aus dem Gesetz vermissen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588-590). Nach österreichischen Recht stellt die - nicht vom Angeklagten oder seinem Verteidiger zu vertretende - überlange Verfahrensdauer kein Verfolgungshindernis, sondern einen Strafmilderungsgrund dar (§ 34 Abs 2 StGB).
Den Verjährung reklamierenden Erwägungen ist zunächst zu entgegnen, dass sich eine solche grundsätzlich nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht richtet (12 Os 87/01, ÖJZ-LSK 2002/275). Der Günstigkeitsvergleich des § 4 Abs 2 FinStrG ist diesbezüglich also nicht vorzunehmen, weil sich diese Bestimmung (nur) auf die Strafe, nicht aber auf die Verjährungsregelungen bezieht (VwGH 86/02/0171 verst Senat, JBl 1988, 738; VfGH B 284/78, VfSlg 9382 [jeweils zur - bezogen auf § 4 Abs 2 FinStrG - kongruenten Norm des § 1 Abs 2 VStG]). Eine zur Zeit der Entscheidung außer Kraft getretene Verjährungsbestimmung ist demgemäß nur dann von Bedeutung, wenn die Verjährung - was hier nicht der Fall ist - noch unter deren Geltung eingetreten ist (12 Os 87/01, ÖJZ-LSK 2002/275; 12 Os 41/02, ÖstZB 2003/41). Hinsichtlich der von der Beschwerde geäußerten, auf eine Antragstellung nach Art 89 Abs 2 B-VG abzielenden verfassungsrechtlichen Bedenken genügt der Hinweis, dass der VfGH die diesbezüglich inhaltsgleiche Gesetzeslage nach dem VStG für verfassungskonform erklärt hat (B 284/78, VfSlg 9382). Konsumtion als straflose Nachtat im Verhältnis zu den der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom , AZ 11d Vr 7307/97, Hv 6161/97, zugrunde liegenden strafbaren Handlungen einwendend (inhaltlich Z 9 lit a), vernachlässigt die Beschwerde den Urteilssachverhalt, der als Verantwortlicher der E*****-GmbH begangene steuerliche Malversationen des Beschwerdeführers umfasst, wogegen die nunmehr angefochtene Entscheidung Verletzungen dessen persönlicher Einkommensteuerpflicht beinhaltet. Die in Rede stehenden strafbaren Handlungen beziehen sich somit einerseits auf differente Rechtssubjekte und sind andererseits inhaltlich durch wesentliche manipulative Etappen, nämlich die jeweilige Übertragung der steuerlich nicht deklarierten Umsätze der E*****-GmbH in die Vermögenssphäre des Beschwerdeführers voneinander getrennt, womit den gegenständlichen keineswegs (reiner) Deckungscharakter zukommt. Es sei daher nur der Vollständigkeit halber festgehalten, dass nicht Konsumtion, sondern echte (Real-)Konkurrenz vorliegt, wenn die Hinterziehung verschiedener aus einer bestimmten Tätigkeit resultierender Abgaben in unterschiedlichen Begehungsweisen bewirkt wird (SSt 52/61; 15 Os 130/96).
Zutreffend ist hingegen der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), die angefochtene Entscheidung verletze die Bestimmung des § 21 Abs 3 FinStrG. Treffen nämlich - wie hier - deren Voraussetzungen, isoliert betrachtet, auf mehrere - nicht ihrerseits zueinander im Verhältnis des § 21 Abs 3 FinStrG stehende - Verurteilungen zu, ist nach bereits gefestigter Judikatur des Obersten Gerichtshofes (nur) auf die tatnächste Bedacht zu nehmen (12 Os 10/00; 13 Os 161/01; 14 Os 32/02). Da das Erstgericht demgegenüber das (tatfernere) Straferkenntnis des Zollamtes Kittsee (US 4, ON 41) heranzog (US 2) und demzufolge die (finanz-)strafgerichtliche Vorverurteilung - trotz zutreffender Feststellung der Bedachtnahmevoraussetzungen (US 3) - als erschwerend wertete (US 8), beurteilte es eine für die Strafbemessung entscheidende Tatsache offenbar unrichtig iS des zweiten Falles des § 281 Abs 1 Z 11 StPO (14 Os 108, 109/95, ÖJZ 1996/44; 13 Os 68/02; 15 Os 129/03, ÖJZ-LSK 2004/89). Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde im Umfang der Anfechtung aus Z 11 stattzugeben und das bekämpfte Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hat, im Strafausspruch aufzuheben.
Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO war die Strafe neu zu bemessen. Hiebei war kein Faktum erschwerend, während die Umstände, dass der Beschwerdeführer ein reumütiges Geständnis abgelegt (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und das Verfahren aus nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Gründen unverhältnismäßig lange gedauert (§ 34 Abs 2 StGB) hat, als mildernd zu werten waren.
Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB ist dem Beschwerdeführer nicht zugute zu halten, weil die nach den Taten gezeigte (überdies auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende) Delinquenz (US 4) der Annahme seitherigen Wohlverhaltens entgegensteht.
Im Hinblick auf die innerhalb eines Zeitraumes von acht Jahren erfolgte, laufende Tatwiederholung, die angesichts der darin manifesten repetitiven Kriminalität nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 23 Abs 2 FinStrG iVm § 32 Abs 2 und 3 StGB) für die Gewichtung der Strafzumessungschuld bedeutsam ist (Dorazil/Harbich FinStrG § 21 E 13), kann nur aufgrund des gesetzlichen Verschlimmerungsverbots (§ 290 Abs 2 StPO) keine höhere als die vom Erstgericht ausgemessene, im Bereich von (nur) rund 10 % des gesetzlichen Strafrahmes (§ 33 Abs 5 FinStrG) gelegene Geldstrafe ausgesprochen werden.
Die Gewährung bedingter Strafnachsicht verbietet sich mit Rücksicht auf die trotz einer Verurteilung zu einer äußerst empfindlichen Geldstrafe wegen § 33 Abs 1 FinStrG (US 3) während eines anhängigen Finanzstrafverfahrens gesetzte finanzstrafrechtliche Delinquenz (US 4) schon aus spezialpräventiven Erwägungen.
Der Ausspruch der Ersatzfreiheitsstrafe fußt auf § 20 FinStrG. Mit seiner Berufung war der Beschwerdeführer auf die Strafneufestsetzung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.