OGH vom 15.12.2015, 8ObA42/15g

OGH vom 15.12.2015, 8ObA42/15g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und ADir. Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen 399,20 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 27/15k 12, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 32 Cga 106/14b 8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 225,07 EUR (darin 37,51 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit bei der Beklagten als Bühnentechniker beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt der Kollektivvertrag des Theatererhalterverbandes der österreichischen Bundesländer und Städte für die Beschäftigten der Technik und der Verwaltung zur Anwendung.

Bühnentechniker sind meistens Facharbeiter, die eine verantwortliche Tätigkeit auf der Bühne verrichten. Sie führen kleinere Reparaturarbeiten durch, größere Reparaturen übernimmt die Werkstätte. Die Beklagte stellt mittlerweile nur Bühnentechniker mit Berufsausbildung als Schlosser, Tischler oder Elektriker ein. Der Kläger hat eine Lehre zum Tischler abgeschlossen. Während einer Vorstellung sorgen die Bühnentechniker dafür, dass die benötigten Kulissen während der Probe und während der Aufführung vorhanden sind. Die dafür erforderlichen Utensilien werden von den Bühnentechnikern manipuliert und stehen während der Vorstellung für das Publikum nicht sichtbar am Rand der Bühne.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit:

„ Sehr geehrter [Kläger],

entsprechend Ihrer Tätigkeit als Lagerverwalter werden Sie wegen erhöhter Verantwortung von der Lohngruppe H/4 in die Lohngruppe G/2 umgestuft. Diese Vorrückung gilt mit . Ausgehend von diesem Datum errechnet sich der neue Vorrückungsstichtag zum jeweils 1. September.“

Grund für die Umstufung des Klägers war, dass er auch die Verantwortung für das (räumlich getrennte) Lager übernahm, in dem in neun weiteren Magazinen ebenfalls Kulissen gelagert werden. Der Lagerverwalter bereitet die benötigten Kulissen vor. Er ist für die Zusammenstellung der Utensilien für eine bestimmte Produktion, für die Verstauung dieser Utensilien am Lastwagen und für den Transport vom Lager zum Bühneneingang verantwortlich. Der Kläger ist circa zu 70 % im Lager beschäftigt und zu 30 % auf der Bühne als Bühnentechniker eingesetzt.

Der Kläger begehrt die Zahlung von der Höhe nach unstrittigen Gehaltsdifferenzen für die Monate September bis Dezember 2012. Er sei bis einschließlich in der Lohn /Gehaltsgruppe (im Folgenden nur mehr: Lohngruppe) H, Stufe 4 (nach sechs Jahren) eingereiht worden. Mit sei er entsprechend seiner mit erhöhter Verantwortung verbundenen Tätigkeit als Lagerverwalter von der Lohngruppe H/4 in die Lohngruppe G umgereiht worden. Dort sei er aber unrichtig lediglich in die Stufe 2 (nach zwei Jahren) eingestuft worden. Die jeweils erreichte Stufe innerhalb der vorherigen Lohngruppe sei jedoch bei einem Wechsel in eine höhere Lohngruppe gemäß § 32 Abs 4 KV linear, daher unter Berücksichtigung der tatsächlichen Beschäftigungsjahre, zu übernehmen. Ab September 2012 wäre der Kläger daher richtig in die Lohngruppe G/4 (nach sechs Jahren) einzustufen gewesen.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Kollektivvertragsparteien gemäß § 32 Abs 4 KV und infolge der dazu vorgenommenen authentischen Interpretation vom Aufsaugungsprinzip ausgingen. Ein Arbeitnehmer habe bei einem Lohngruppenwechsel daher wie bei praktisch allen Kollektivverträgen nur das nächsthöhere Gehalt zu erhalten. Der Begriff der „anzurechnenden Beschäftigungsjahre“ gemäß § 32 Abs 4 Satz 1 KV sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass er nur die in derselben Lohngruppe zurückgelegten Beschäftigungszeiten umfasse. Dies ergebe sich auch aus den §§ 27 und 28 KV. Die vom Kläger gewünschte „lineare“ Einreihung hätte zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der über längere Zeit als einfacher Techniker oder Hausarbeiter beschäftigt gewesen sei, bei einem Wechsel in eine höhere Lohngruppe ein viel höheres Gehalt bekäme als ein Fachmann, der von Beginn an als solcher eingestellt worden sei. Bei dem vom Kläger angestrebten gruppenübergreifenden Begriffsverständnis würde das Zeitvorrückungssystem im Ergebnis weitgehend zu einer bloßen Lebensaltervorrückung mutieren. Jüngere Arbeitnehmer, die relativ früh leistungsabhängige Aufstiege schaffen, wären gegenüber älteren Arbeitnehmern mit späteren Aufstiegen benachteiligt, sodass es zu einer verpönten rechtswidrigen Altersdiskriminierung Jüngerer käme. Das Klagebegehren sei auch deshalb verfehlt, weil durch die Übernahme der Lagerverwaltung keine Verpflichtung zur Umstufung des Klägers in die Lohngruppe G bestanden hätte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei einer objektiven Auslegung des § 32 Abs 4 KV ergebe sich, dass mit den in dieser Bestimmung genannten „anzurechnenden Beschäftigungsjahren“ jene Zeiten gemeint seien, die gemäß § 4 Abs 4 und 5 KV als Vordienstzeiten anzurechnen seien und die tatsächlich im Betrieb verbracht wurden, ohne dass es darauf ankäme, in welcher Lohngruppe diese Zeiten zurückgelegt wurden. Diese Auslegung finde ihre Stütze auch in § 7 Abs 4 KV, wonach selbst für eine bloß vertretungsweise Verwendung von mehr als drei Tagen in einer höheren Lohngruppe Anspruch auf Entlohnung nach der linear entsprechenden Lohnstufe der Lohngruppe des Vertretenen bestehe. Dies müsse um so mehr für dauernd umgereihte Arbeitnehmer gelten.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge und billigte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichts. § 4 Abs 4 KV regle die Frage der Dienstzeitenanrechnung bereits nach dem Wortlaut eindeutig. Diese Bestimmung schränke wie auch § 4 Abs 5 KV die Anrechnung von Vordienstzeiten nicht auf jene Zeiten ein, die der Arbeitnehmer in der jeweiligen Lohngruppe zurückgelegt habe. § 32 Abs 4 KV verweise ausdrücklich auf diese „gemäß KV … anzurechnenden Beschäftigungsjahre“. Eine Ausnahme sei nur für freiwillige oder einzelvertraglich gewährte Vorrückungen vorgesehen. Dass es in diesen Fällen zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers durch Einreihung in eine höhere Lohngruppe kommen könnte, sei durch die in § 32 Abs 4 KV angeordnete Aufrechterhaltung der bisherigen Entgeltansprüche berücksichtigt worden. Folgte man der Ansicht der Beklagten, so käme es regelmäßig zu einer Schlechterstellung aus Anlass einer Höherreihung in eine neue Lohngruppe.

Mit den §§ 27 und 28 KV beabsichtigten die Kollektivvertragsparteien offensichtlich, ungelernte Arbeiter der Lohngruppen I und F letztendlich den gelernten Arbeitern der Lohngruppen H und E gleichzustellen, sobald sie eine zweijährige Dienstzeit in der niedrigeren Lohngruppe hinter sich gebracht haben. Auch die Lohngruppen F und I enthielten jedoch 22 Stufen, was nach der Rechtsansicht der Beklagten nicht erforderlich wäre. Seien jedoch Vordienstzeiten iSd § 4 KV unabhängig von der jeweiligen Lohngruppe anzurechnen, so ergäben auch diese Regelungen Sinn.

Eine verpönte mittelbare Diskriminierung wegen des Alters liege nicht vor. Grundsätzlich dürfe man davon ausgehen, dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung und damit mit einer höheren Qualifikation für die Tätigkeit einhergehe. Eine derartige Berufserfahrung könne aber nicht nur im Kernbereich der jeweiligen Lohngruppentätigkeit erworben werden. Anhaltspunkte, die geeignet wären, ernstliche Zweifel an der Eignung dieses Kriteriums zu wecken, seien nicht ersichtlich.

Die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei freiwillig umgereiht worden, finde in den Feststellungen keine Grundlage.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision im Hinblick auf das eindeutige Auslegungsergebnis der hier anzuwendenden Bestimmungen des Kollektivvertrags nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt.

Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Zurück , hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil der Auslegung von Kollektivverträgen regelmäßig von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (RIS Justiz RS0109942 [T6]) eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (RIS Justiz RS0042819; RS0109942). Dies ist auch hier der Fall. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die hier zu behandelnde Umreihung des Klägers am erfolgte unstrittig nach Inkrafttreten der hier wesentlichen und auslegungsbedürftigen Bestimmung des § 32 Abs 4 KV mit .

2. Anders als in der erst jüngst zum auch hier anwendbaren Kollektivvertrag ergangenen Entscheidung 9 ObA 75/15i wurde der Kläger im Anlassfall nach den Verfahrensergebnissen nicht bloß freiwillig von der Beklagten in die höhere Gehaltsstufe G eingereiht. Dem hält die Beklagte in der Revision entgegen, dass der Kläger nach der Umreihung gleichwertige Tätigkeiten wie zuvor ausübte: damit weicht sie jedoch von den Feststellungen ab, wonach die nach der Umreihung ausgeübten Tätigkeiten mit einem erhöhten Verantwortungsbereich verbunden waren, sodass der Kläger deshalb in die höhere Lohngruppe G nach § 28 KV einzureihen war. Auch mit ihren weiteren Ausführungen, dass der Kläger keine der in der Lohngruppe G 2 genannten Tätigkeiten ausübe zeigt die Beklagte keine Unrichtigkeit der Ausführungen der Vorinstanzen auf, weil der Kläger nicht in diese Lohngruppe umgereiht wurde.

3. Der Auslegung des § 32 Abs 4 KV durch die Vorinstanzen hält die Revisionswerberin auch in der Revision zusammengefasst entgegen, dass bei einem Wechsel der Beschäftigungsgruppe (gemeint: Lohn /Gehaltsgruppe) das im Verhältnis zum bisher verdienten „nächsthöhere Gehalt“ der neuen Lohngruppe zustehe. Der Arbeitnehmer bleibe auf diesem neuen Bezug aber so lange „stehen“, bis er die Berufsaltersstufen in der neuen Lohngruppe erreicht habe. Als „anzurechnende Beschäftigungsjahre“ gemäß § 32 Abs 4 Satz 1 KV seien daher nur die in derselben Lohngruppe zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu betrachten. Dem kommt keine Berechtigung zu.

4. Nach ständiger Rechtsprechung hat die Auslegung normativer Bestimmungen eines Kollektivvertrags objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen (RIS Justiz RS0010088). Dabei ist in erster Linie der Wortsinn auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0010089). Im Zweifel ist zu unterstellen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (RIS Justiz RS0008828; RS0008897).

5.1 Die Höhe der Entlohnung der Arbeitnehmer der Beklagten ergibt sich gemäß § 21 Abs 1 KV aus dem „Lohnrechtlichen Teil“ des Kollektivvertrags. Die in diesem Teil des Kollektivvertrags enthaltene Regelung des § 32 KV lautet auszugsweise:

„ LOHNRECHTLICHER TEIL

§ 32 Grundsätzliches, Wechsel in neue Lohn /Gehaltsgruppe

1. Die Lohn und Gehaltsansätze sowie die Zulagenordnung enthalten lediglich die kollektivvertragliche Mindestentlohnung. Günstigere Vereinbarungen sind möglich.

4. Die Einreihung in eine höhere neue Lohn /Gehaltsgruppe hat entsprechend den gemäß KV oder BV anzurechnenden Beschäftigungsjahren zu erfolgen. Darüber hinaus freiwillig oder einzelvertraglich gewährte Vorrückungen sind nicht zu berücksichtigen. Kommt es daher nach dieser Bestimmung zu einem zusätzlichen Entgelt, ist es bei künftigen Vorrückungen in der gleichen Lohn /Gehaltsgruppe aufrecht zu erhalten, und zwar zu den bisherigen Bedingungen (zB gegebenenfalls auch Einbeziehung in Sonderzahlungen bzw Valorisierung, wenn dies bisher so behandelt wurde).

5. Der ausgelernte Veranstaltungstechniker, mit Lehrabschlussprüfung, ist in die Lohngruppe H einzustufen und nach 2jähriger Berufserfahrung ist er in die Lohngruppe G umzustufen.“

5.2 Zu § 32 Abs 4 Satz 3 und 4 KV haben die Kollektivvertragsparteien folgende Kommentierung verfasst:

„ Kommentierung

Erläuterung zu Abs 4 zweiter und dritter Satz :

Bei der Neueinstufung werden freiwillige einzelvertraglich gewährte Biennien oder vergleichbare Maßnahmen nicht berücksichtigt. Die bisherige Entgelthöhe bleibt jedenfalls gewahrt bis mit zukünftigen Vorrückungen die entsprechende kollektivvertragliche Einstufung erreicht wird (Aufsaugungsprinzip).“

6.1 Nach dem vor allem maßgeblichen Wortlaut des § 32 Abs 4 Satz 1 KV kommt es für die Einreihung in eine höhere Lohngruppe daher lediglich auf die nach dem Kollektivvertrag auf eine Betriebsvereinbarung haben sich die Parteien im Verfahren nicht berufen anzurechnenden Beschäftigungsjahre an.

6.2 Eine Regelung über eine solche Anrechnung enthält der KV nur in seinem § 4, in dem allerdings nicht von „Beschäftigungsjahren“, sondern von Dienstzeiten die Rede ist. Diese Bestimmung lautet auszugsweise:

„§ 4 … Dienstzeitanrechnung

4. Spielt für einen Anspruch eines Dienstnehmers die Dienstzeit eine Rolle, so sind ihm, wenn er vor dem Eintritt in das Theaterunternehmen nachweislich in einem Theaterunternehmen oder Veranstaltungsbetrieb als Dienstnehmer tätig war, diese Zeiten als Vordienstzeiten auf das Lohnschema für die Lohn /Gehaltsgruppe voll anzurechnen.

5. Militärische Dienstleistungen und Zivildienst, die im gleichen Theaterunternehmen zur Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit geführt haben, sind zur tatsächlichen Dienstzeit im Theaterunternehmen hinzuzurechnen.

…“

Der Begriff der Dienstzeiten wird in dieser Bestimmung daher als Vor dienstzeiten verstanden.

Diese Bestimmung kann daher zwar nicht unmittelbar zur Interpretation von § 32 Abs 4 KV herangezogen werden. In ihr wird allerdings nicht nach der Art der Tätigkeit, sondern nur nach der Art des Betriebs, in dem diese Tätigkeit verrichtet wurde, differenziert. Vordienstzeiten, die in einem Theaterunternehmen oder Veranstaltungsbetrieb absolviert wurden, sind daher bei der Einstufung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sie aus einer Tätigkeit der Lohngruppe, in die nunmehr die Einstufung erfolgen soll, resultieren. Dies würde aber, folgte man der Auslegung der Beklagten, zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern führen, die bei verschiedenen Theaterunternehmen Dienstzeiten in unterschiedlichen Lohngruppen erworben haben und solchen, die durchgehend bei einem Dienstgeber beschäftigt waren.

6.3 Der Begriff der „Beschäftigungsjahre“ wird tatsächlich nur in § 32 Abs 4 KV verwendet und nicht näher definiert. Da Beschäftigung allgemein als Synonym für Berufstätigkeit verwendet wird und in der Regelung selbst nicht nach der Art der Tätigkeit differenziert wird, ist zunächst nach dem Wortlaut von einer umfassenden Bedeutung im Sinn aller bei einem Unternehmen zurückgelegte Dienstzeiten auszugehen.

Bei einer Betrachtung der Bestimmungen des Kollektivvertrags im Zusammenhang (RIS Justiz RS0010089) ergibt sich, dass Zeiten der Beschäftigung ganz allgemein mit mehreren Begriffen, nämlich Dienstzeiten (§ 5 Abs 3, § 24 Abs 3, § 26 Abs 1, § 27, § 28 KV), Dienstjahre (§ 5 Abs 7, § 24 Abs 1, 2, § 34 KV) und Jahre der „Berufserfahrung“ (§ 32 Abs 5 KV) ausgedrückt werden. Dabei umfasst der Begriff Dienstzeit sowohl Vordienstzeiten als auch bei der Beklagten zurückgelegte Zeiten. Der Begriff „Beschäftigungsjahre“ lässt daher auch in Zusammenschau mit ähnlichen im Kollektivvertrag verwendeten Begriffen für sich allein keine Deutung als Zeiten der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit zu.

7. Betrachtet man wie von der Revisionswerberin gefordert die Bestimmung des § 32 Abs 4 KV in ihrer Gesamtheit, lässt sich daraus für die von ihr gewünschte Auslegung ebenfalls nichts gewinnen:

7.1 § 32 Abs 4 Satz 1 KV regelt den Fall der Einreihung in eine höhere Lohngruppe, der in der Regel dann erfolgt, wenn sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert oder sonstige Einreihungsvoraussetzungen nach dem Kollektivvertrag erfüllt sind.

§ 32 Abs 4 Satz 2 KV bezieht sich hingegen nicht auf die Einreihung in eine höhere Lohngruppe, sondern auf freiwillig oder einzelvertraglich gewährte -Vorrückungen. Dass mit dem nur in § 32 Abs 4 KV verwendeten Begriff „Vorrückung“ keine Höherreihung in eine höhere Lohngruppe gemeint ist, ergibt sich aus § 32 Abs 4 Satz 3 KV, der von „Vorrückungen in der gleichen Lohn /Gehaltsgruppe“ spricht.

7.2 Zu § 32 Abs 4 KV liegt eine Kommentierung der Kollektivvertragsparteien vor. Eine solche Kommentierung ist nach der Rechtsprechung als authentische Interpretation dieser Regelungen anzusehen (RIS Justiz RS0008905). Authentische Interpretationen durch die Kollektivvertragsparteien treten nicht neben die üblichen Interpretationsmethoden, sondern stellen unter der hier gegebenen Voraussetzung der ordnungsgemäßen Kundmachung einen Akt der Rechtssetzung dar und entfalten somit Normwirkung (RIS Justiz RS0050921 ua).

Die Kommentierung erfolgt ausdrücklich nur zu § 32 Abs 4 Satz 2 und 3 KV, nicht zu § 32 Abs 4 Satz 1 KV, bezieht sich daher nicht auf den Regelfall der Einreihung in eine höhere Lohngruppe. Sie hält fest, dass bei „Neueinstufungen“ freiwillige einzelvertraglich gewährte Biennien oder vergleichbare Maßnahmen daher Vorrückungen iSd § 32 Abs 4 Satz 2 KV nicht zu berücksichtigen sind. Jedoch bleibt die bisherige Entgelthöhe gewahrt, bis mit zukünftigen daher in der nunmehr höheren Lohngruppe erfolgenden Vorrückungen die entsprechende kollektivvertragliche Einstufung erreicht wird.

Damit erfolgt eine Klarstellung dahingehend, dass freiwillige Mehrleistungen zwar bei Vorrückungen innerhalb derselben Lohngruppe erhalten bleiben, bei einer Einreihung in eine höhere Lohngruppe dagegen dem Aufsaugungsprinzip unterliegen.

7.3 Für die Höherreihung nach der ausgeübten Tätigkeit fehlt dagegen eine solche Regelung. Selbst bei Zugrundelegung der Auslegung der Beklagten würde eine analoge Anwendung dieses Prinzips zu unsachlichen Ergebnissen führen.

Freiwillig gewährte oder einzelvertraglich vereinbarte Vorrückungen führen nämlich regelmäßig zum Bezug eines überkollektivvertraglichen Entgelts. Dieses ist zwar bei einer Einreihung in eine höhere Lohngruppe gemäß § 32 Abs 4 Satz 3 KV aufrecht zu erhalten. Soweit aber der Arbeitnehmer im Umfang der überkollektivvertraglichen Bezahlung ein im Vergleich zum neuen Mindestentgelt nach der Einreihung in eine höhere Lohngruppe zusätzliches Entgelt bezieht, soll dieses gemäß § 32 Abs 4 Satz 3 KV der Aufsaugungsregel unterliegen, bis der Arbeitnehmer durch zukünftige Vorrückungen ein im Vergleich zum bisher gewährten höheres kollektivvertragliches Mindestentgelt erreicht.

Dagegen führt eine nach den Bestimmungen des Kollektivvertrags zwingende Einreihung in eine höhere Lohngruppe gemäß § 32 Abs 4 Satz 1 KV nicht zu einem zusätzlichen Entgelt (iSd § 32 Abs 4 Satz 3 KV), sondern lediglich zu einem kollektivvertraglichen Mindestentgelt in einer höheren Lohngruppe. Wäre die von der Beklagten begehrte Auslegung des § 32 Abs 4 Satz 1 KV zutreffend, wonach die Aufsaugungsregel des § 32 Abs 4 Satz 3 KV auch in diesem Fall greifen würde, so würde etwa im Fall des Klägers der in der Lohngruppe G erreichte Bezug „stehen bleiben“, bis er auch in dieser Lohngruppe sechs Dienstjahre erreicht hätte. Wäre er in der niedrigeren Lohngruppe H verblieben, wäre sein dortiger Bezug indes alle zwei Jahre weiter gestiegen.

7.4 Aus § 32 KV lässt sich daher gerade nicht ableiten, dass mit den „anrechenbaren Beschäftigungsjahren“ nur Tätigkeiten in der konkreten Lohngruppe gemeint sind.

8. Auch eine systematische Betrachtungsweise führt zu keinem anderen Auslegungsergebnis.

8.1 Während die Kollektivvertragsparteien differenzieren, wenn sie etwa in § 4 Abs 4 KV von „ Vor dienstzeiten“ und in den §§ 27 Lohngruppe E, 28 Lohngruppen G und H von „Dienstzeiten“ in einer bestimmten Lohngruppe sprechen, findet sich eine solche Differenzierung in § 32 Abs 4 Satz 1 KV nicht. Dagegen wird in § 32 Abs 5 KV die Einstufung in eine höhere Lohngruppe von der Zurücklegung bestimmter Zeiten in einer bestimmten Lohngruppe abhängig gemacht. Demgegenüber geht § 32 Abs 4 Satz 1 KV wie ausgeführt von einem umfassenden Begriff der Beschäftigungszeiten aus, der auch die in § 4 Abs 4 KV genannten Vordienstzeiten umfasst.

8.2 Die Revisionswerberin stellt nicht in Frage, dass § 7 Abs 4 KV für den Vertretungsfall eine Einreihung des Vertreters in der linear entsprechenden Lohnstufe der Lohngruppe des Vertretenen anordnet, wenn die Vertretung länger als drei Tage dauert. Daraus hat schon das Erstgericht zutreffend die Schlussfolgerung gezogen, dass ein bloß vertretungsweise in einer höheren Lohngruppe tätiger Arbeitnehmer entlohnungsmäßig nicht schlechter gestellt werden soll, als ein dauernd in eine höhere Lohngruppe umgereihter Arbeitnehmer. Diese Bestimmung stellt sich entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin daher nicht als Ausnahmefall der Einstufung in eine höhere Lohngruppe dar, sondern steht im Einklang mit der allgemeinen Einreihungsregel in § 32 Abs 4 Satz 1 KV.

8.3 Richtig hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass unter Zugrundelegung der Auslegung der Beklagten nicht nachvollziehbar wäre, wieso die Lohngruppen F und I, die nach zweijähriger Dienstzeit wieder verlassen werden, 22 Lohnstufen aufweisen. Auch Leitungsfunktionen, die in der Regel erst nach einer gewissen Berufserfahrung erreicht werden, weisen ebenfalls 22 Stufen auf. Die 22. Stufe setzt 42 Dienstjahre voraus.

9. Richtig hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass mit der Berufserfahrung in der Regel eine höhere Qualifikation für eine Tätigkeit einhergeht und eine solche Berufserfahrung nicht nur im Kernbereich der jeweiligen Lohngruppentätigkeit erworben wird. Wenn nach der hier vertretenen Auslegung die Kollektivvertragsparteien für die Anrechnung der Vordienstzeiten ausdrücklich in § 4 Abs 4 KV und für die Beschäftigungsjahre in § 32 KV Erfahrung im Theaterbetrieb unabhängig von der konkreten Tätigkeit als ausreichend ansehen, stellt dies entgegen den Ausführungen in der Revision keine Berücksichtigung „jedweder“ Berufserfahrung dar.

Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht davon aus, dass in der Regel das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht und anderes nur dann gilt, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür geliefert werden, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters bei der Entgeltpolitik gerechtfertigt ist (C 17/05, Cadman , Rn 34 ff ua). Dem darauf beruhenden Argument des Berufungsgerichts, dass die Beklagte im konkreten Fall keine solchen Anhaltspunkte aufgezeigt hat, setzt die Revisionswerberin wiederum lediglich die schon im Berufungsverfahren aufgestellten Argumente entgegen ohne allerdings aufzuzeigen, aus welchen Gründen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts unzutreffend wäre. Insofern ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS Justiz RS0043603 [T9] ua).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00042.15G.1215.000