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OGH vom 15.06.1989, 8Ob26/89

OGH vom 15.06.1989, 8Ob26/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Petrag und Dr. Graf als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Rudolf H***, Geschäftsführer, Rosenau 18, 4600 Wels, infolge Revisionsrekurses des Masseverwalters Dr. Erich D***, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom , GZ. 2 R 79/89-251, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom , GZ. S 36/84-238, abgeändert und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zugelassen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Äußerung des Gemeinschuldners zum Rekurs des Masseverwalters wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Gemeinschuldner beantragte beim Konkursgericht am (ON 236) die Aufhebung der Postsperre gemäß § 78 Abs. 2 KO, weil seit der Konkurseröffnung bald fünf Jahre vergangen seien und nach wie vor vom Masseverwalter sämtliche Poststücke, nämlich persönliche Briefe, gerichtliche Ladungen, Rechnungen, Traueranzeigen usw. geöffnet und mitunter verspätet an ihn weitergeleitet werden; die gegenwärtige Praxis sei wegen ständiger Verletzung des Briefgeheimnisses nicht mehr zu rechtfertigen. Der Masseverwalter sprach sich gegen die Bewilligung dieses Antrages aus, weil ihm nur bei Aufrechterhaltung der Postsperre m. o.w. regelmäßig für das Konkursverfahren relevante Postsendungen zur Kenntnis gelangten. Beispielhaft führte er an, im Jahr 1986 sei ihm nur durch die Postsperre bekannt geworden, daß der Gemeinschuldner ein Beratungshonorar von S 60.000 eingenommen habe, und erst am habe er durch einen Bescheid der P*** der Angestellten in Erfahrung gebracht, daß der Gemeinschuldner eine Pension beziehe.

Das Konkursgericht wies den Antrag des Gemeinschuldners unter Hinweis auf die in der Äußerung des Masseverwalters dargelegten entgegenstehenden Gründe ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Gemeinschuldners Folge und hob die Postsperre auf. Es bewertete den Wert des Beschwerdegegenstandes zwischen S 15.000 und S 300.000 und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Zweck der im § 78 Abs. 2 KO normierten Postsperre sei es, die Konkursmasse und damit die Konkursgläubiger schädigende Verfügungen des Gemeinschuldners im Wege von Postsendungen zu entdecken oder zu verhindern. Besondere Bedeutung komme dieser Anordnung daher vor allem in der ersten Zeit nach der Konkurseröffnung zu, später "könne" der Zweck der Postsperre etwa durch Benützung einer Deckadresse umgangen oder, weil mit Fortschreiten des Verfahrens die Gefahr von Nachteilen für die Gläubiger abnehme, gemindert werden. Die Schutzfunktion der Postsperre sei sodann gegen die Interessen des Gemeinschuldners an der Unverletzlichkeit des - durch Art. 10 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger iVm Art. 149 B-VG verfassungsmäßig

garantierten - Briefgeheimnisses abzuwägen. Die vom Masseverwalter für die Aufrechterhaltung der Postsperre angeführten Umstände seien letztlich nicht überzeugend. Da dem Gemeinschuldner seit nahezu drei Jahren kein ähnliches Einkommen wie das genannte Beratungshonorar nachzuweisen gewesen sei, lasse sich annehmen, er habe entweder keine derartigen Einkünfte mehr erzielen können oder aber Mittel und Wege gefunden, solche Einnahmen trotz Postsperre zu verschleiern. Die Gefahr, daß der Gemeinschuldner weitere Pensionsbezüge geheim halten könnte, bestünde kaum, weil nicht anzunehmen sei, daß er in absehbarer Zeit in den Genuß einer weiteren Pension oder eines ähnlichen Einkommens gelangen könnte. Selbst wenn nicht übersehen werde, daß der Gemeinschuldner nach einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wels vom verdächtigt wird, der H***-Werke, Maschinenbau und Bestecke Gesellschaft mbH & Co als deren Geschäftsführer 20,8 Millionen S entzogen und diese Beträge für sich vereinnahmt oder zu privaten Finanzierungen verwendet zu haben, die im Konkurs über das Vermögen dieser Gesellschaft (S 31/84 des Kreisgerichtes Wels) verhängte Postsperre natürlich auch diesen Aspekt im Auge habe und sohin bloß an den Geschäftsführer persönlich adressierte Schriftstücke nur im Rahmen der vorliegenden Postsperre erfaßt werden könnten, rechtfertige dies nicht mehr die Aufrechterhaltung der Postsperre. Der Masseverwalter habe nämlich unbeschadet des Briefgeheimnisses die gesamte an den Gemeinschuldner adressierte Post zu öffnen und zu lesen, so daß die Postsperre weit über die Konkursmasse hinausgreife, da - zumindest in der jüngeren Zeit - keineswegs alle dem Masseverwalter übergebenen Postsendungen das Konkursvermögen beträfen. Nur für die Zeit unmittelbar nach der Konkurseröffnung seien regelmäßig gewichtige Gründe dafür anzunehmen, daß die die Persönlichkeitsrechte des Gemeinschuldners erheblich tangierende Maßnahme der Postsperre über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten sei. Für die Zulassung weiterer Anfechtung spreche schon der Umstand, daß zur Frage der Aufhebung der Postsperre Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zur Verfügung stehe.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung vom Masseverwalter erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil über die konkursrechtliche Rechtsfrage der Voraussetzungen für die - vor einer rechtskräftigen Konkursaufhebung mögliche - Aufhebung der Postsperre im Sinne des § 78 Abs. 2 KO keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt; er ist auch berechtigt.

Zwar ist dem Revisionsrekurs darin nicht zu folgen, daß der Rekurs des Gemeinschuldners gegen die Abweisung seines Antrags auf Aufhebung der Postsperre gar nicht zulässig gewesen sei. Durch die Postsperre wird der Gemeinschuldner - kraft gesetzlicher Anordnung - jedenfalls in seinem Recht auf Wahrung seiner Privatsphäre (des Briefgeheimnisses) verletzt, so daß er sowohl zum Antrag auf Aufhebung dieser Postsperre im Sinne des § 78 Abs. 2 KO schon vor rechtskräftiger Konkursaufhebung, als auch sodann zu einem Rechtsmittel gegen die Abweisung eines derartigen Antrages berechtigt ist (vgl. SZ 45/106; SZ 43/51; EvBl. 1968/165 uva.). Gemäß § 78 Abs. 2 KO hat das Gericht zugleich mit der Konkurseröffnung die Post- und Telegraphendienststellen, die Flugplätze, Bahnhöfe und Schiffsstationen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte (des Gemeinschuldners) in Betracht kommen, von der Konkurseröffnung zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluß faßt, haben diese Stellen dem Masseverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Gemeinschuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind.

Gemäß § 78 Abs. 3 KO darf der Masseverwalter die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Konkursverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden. Ansonsten hat der Masseverwalter dem Gemeinschuldner Einsicht in die an diesen gerichteten Mitteilungen zu gewähren und ihm die Sendungen, die die Masse nicht berühren, unverzüglich auszufolgen.

Diese - vormals im § 77 Abs. 2 (alt) KO geregelten - Sperren gebietet das Gesetz zwingend für jedes Konkursverfahren; sie treten allerdings nicht von selbst als Folge der Konkurseröffnung ein, sondern wirken erst von der Verständigung an. Mangels Widerrufs durch das Gericht dauern die Sperren bis zur Rechtskraft des Konkursaufhebungsbeschlusses fort. Doch darf jede einzelne dieser Sperren gänzlich oder - soweit es die Einrichtungen der betreffenden Behörden zulassen - zum Teil (etwa die Postsperre hinsichtlich gewöhnlicher Briefe oder wegen einzelner gerichtlicher Ladungen) durch das Konkursgericht früher aufgehoben, dann aber auch nach dessen pflichtgemäßem Ermessen erforderlichenfalls neuerlich wieder verfügt werden (Bartsch-Pollak KO3 I 372). Während sich also der Gemeinschuldner der Post nach Belieben bedienen kann, sind alle an ihn gerichteten Sendungen der Post an seiner Statt dem Masseverwalter auszufolgen, ohne daß das Postorgan einen Unterschied zwischen Geschäfts- und Privatsendungen machen dürfte und ohne daß es darauf ankäme, ob die Sendung am Wohnort des Gemeinschuldners einläuft oder an einem anderen Ort. Auch postlagernde und chiffrierte Briefe werden von der Postsperre betroffen, wenn sie sonst dem Gemeinschuldner auszufolgende Sendungen wären; diesen Umstand hat allerdings der Masseverwalter der Postbehörde nachzuweisen. Die Postsperre greift über die Konkursmasse hinaus, da nicht alle Postsendungen des Gemeinschuldners zum Konkursvermögen gehören bzw. dieses betreffen (Bartsch-Pollak aaO 372 f.). Die Sperre bezieht sich nur auf die Postsendungen, die außerhalb des Konkursverfahrens nach den Postvorschriften dem Gemeinschuldner auszufolgen wären, es kommt somit nur auf die Anschrift, nicht ihren Inhalt an. Der Masseverwalter hat kraft seines Amtes diese Sendungen anstelle des Gemeinschuldners anzunehmen oder zurückzuweisen. Nimmt er die Sendung an, so hat er das Recht und die Pflicht, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Er darf darum ungeachtet des Briefgeheimnisses die Briefe eröffnen und lesen. Der Gemeinschuldner hat an den Masseverwalter den Anspruch auf die Gewährung der Einsicht in alle diese Sendungen und auf die Ausfolgung jener, die die Masse nicht berühren (Bartsch-Pollak aaO). Diese Maßregel hat den Zweck, zu verhindern, daß der Gemeinschuldner einlangende Post- oder Frachtstücke seinen Gläubigern entziehe oder diesbezüglich sonstige, dieselben schädigende Verfügungen treffe. Diese Maßregel ist aber aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist, das Konkursverfahren also sich in einer Lage befindet, in der das ganze Massevermögen bereits ermittelt ist und der Gemeinschuldner keine die Gläubiger (und damit die Masse) schädigenden Handlungen mehr setzen kann (Lehmann, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsrecht 501).

Zutreffend weist der Masseverwalter im Revisionsrekurs darauf hin, daß die Postsperre nicht nur gegen Malversationen des Gemeinschuldners wirken, sondern darüber hinaus auch dazu dienen soll, daß der Masseverwalter seinen Pflichten und Verantwortlichkeiten nach § 81 KO und seinen Befugnissen nach § 83 KO nachkommen und die Geschäftsführung gemäß § 114 KO ausüben kann. Nach Aufhebung der Postsperre wäre auch die Kenntnisnahme des Masseverwalters von einem Vermögenserwerb des Gemeinschuldners während des Konkurses im Sinne des § 1 Abs. 1 KO, von nicht schuldbefreienden Zahlungen an den Gemeinschuldner im Sinne des § 3 Abs. 2 KO, aber auch von gemäß § 6 KO unzulässigen Klagen gegen den Gemeinschuldner erschwert oder verhindert. Auch die soeben dargestellten Umstände und nicht nur die vom Masseverwalter in seiner Äußerung zum Antrag des Gemeinschuldners bekannt gegebenen, für die Masse schädlichen Aktivitäten (bzw. Verschweigungen) des Gemeinschuldners rechtfertigen die Aufechterhaltung der Postsperre, wenn die oben dargelegten Zwecke dieser gesetzlichen Maßnahme noch nicht erschöpft sind. Es muß dem Masseverwalter beigepflichtet werden, daß die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung der Postsperre nicht deshalb als zwecklos in Frage gestellt werden darf, weil der Gemeinschuldner ohnedies bereits die Postsperre umgehende oder paralysierende Auswege gefunden hat, dem Masseverwalter für den Konkurs wichtige Informationen vorzuenthalten.

Der von den Vorinstanzen der Entscheidung zugrundegelegte Sachverhalt bietet keine Veranlassung, den gesetzlichen Sicherungszweck der Postsperre bereits als erschöpft anzusehen, so daß für eine vorzeitige Aufhebung dieser Sicherungsmaßnahme keine Veranlassung gefunden werden kann. In Stattgebung des Revisionsrekurses des Masseverwalters und Abänderung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz ist daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Mangels Zweiseitigkeit des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens ist die unzulässige Äußerung des Gemeinschuldners zum Revisionsrekurs des Masseverwalters zurückzuweisen.