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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.06.2024, RV/3300008/2023

Verständigung von der Einleitung des Strafverfahrens bei Zustellung mit dem Vermerk „Zustellung trotz Postsperre“ (§ 78 Abs. 2 IO)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Innsbruck 1 des Bundesfinanzgerichtes hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Josef Ungericht, den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli und die fachkundigen Laienrichter Mag. Anna Kasseroler und Dr. med.vet. Hubertus Koutny in Gegenwart der Schriftführerin Angelika Aichinger in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA X., ***RA X.-Adr***, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a und der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates I - 1 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer FV xxx, in der Sitzung vom zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Erkenntnis des Spruchsenates I - 1 als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde (in der Folge kurz: Spruchsenat) vom , Strafnummer/Geschäftszahl FV xxx, wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) schuldig erkannt, er habe im Bereich des Finanzamtes Österreich - Dienststelle Innsbruck, als Einzelunternehmer

a) vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen betreffend die Voranmeldungszeiträume November 2019 bis Dezember 2019, Jänner 2020 bis Dezember 2020, Jänner 2021 bis Dezember 2021 und Jänner 2022 bis Juni 2022 Verkürzungen an Umsatzsteuer (Zahllasten oder Gutschriften) in Höhe von € 2.480,97 (11-12/2019), € 16.125,28 (01-12/2020), € 15.151,06 (01-12/2021) und € 3.717,95 (01-06/2022) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

b) vorsätzlich Lohnsteuer für den Zeitraum (01-07/2021) in der Höhe von € 1.580,29, Dienstgeberbeiträge für den Zeitraum (01-07/2021) in der Höhe von € 729,51 und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum (01-07/2021) in der Höhe von € 76,71 nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt), und der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages nicht bekannt gegeben.

Der Beschuldigte habe hierdurch begangen

zu a): das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG

zu b): die Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG.

Er werde hierfür nach § 33 Abs. 5 iAd § 21 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von € 9.000,00, (in Worten EURO neuntausend), sowie gem. § 20 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat und gem. § 185 FinStrG zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens, wobei der Pauschalbetrag mit € 500,00 bestimmt wird, verurteilt.

Als Entscheidungsgründe hat der Spruchsenat angegeben:

"Aufgrund des durch geführten Beweisverfahrens und des Inhaltes des gesamten Finanzstrafaktes zur Straflistennummer FV-xxx, insbesondere der schriftlichen Stellungnahme des Amtsbeauftragten, der Rückstandsaufgliederung, des Prüfberichtes vom und des Strafregisterauszuges wird festgestellt:
Der Beschuldigte betrieb vom März 2010 bis Juni 2022 ein Gewerbe, mit dem er als selbständiger Gewerbetreibender tätig war. Das Gewerbe wurde ihm am entzogen. Die Bezeichnung, unter der er tätig wurde, lautete AA, (Auszug aus dem Gewerberegister, Internet-Auszug aus www.firmenabc.at, Auszug aus www.A..at)".
Über das Vermögen des Beschuldigten wurde beim Landesgericht Innsbruck zu zzz das Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss vom die Schließung des Unternehmens angeordnet (Ediktsdatei).
Aufgrund einer Meldung des zuständigen BV-Teams im Zusammenhang mit hohen Zahllasten aus den Umsatzsteuerveranlagungen 2020 und 2021 erfolgte eine nähere Überprüfung mit dem Ergebnis, dass der Beschuldigte ab Ende des Jahres 2019 laufend verspätete oder keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr einbrachte und zudem auch keine Umsatzsteuervorauszahlungen leistete. Die Meldung für die Monate November und Dezember 2019 erfolgte erst am , weiters nur eine teilweise Entrichtung. Die Umsatzsteuer 2019 wurde für diesen Zeitraum ein Betrag in Höhe von € 2.480,97 berücksichtigt. Für das Jahr 2020 wurde lediglich das 1. Quartal gemeldet. Im Jahre 2021 erfolgten weder Meldungen noch Vorauszahlungen. Die Meldung für den Zeitraum Jänner bis Juni 2022 erfolgte erst am , eine Entrichtung nicht. Diese Vorgehensweise erfolgte trotz des Umstandes, dass an den Beschuldigten laufend Erinnerungen zur Einreichung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen ergingen (im Akt erliegende Erinnerung). Unter der AB-Nr. xxx wurde beim Beschuldigten eine Lohnsteuerprüfung durchgeführt, und zwar am . Diese ergab, dass der Beschuldigte für den Zeitraum 01-07/2021 Lohnsteuer von € 1.580,29, Dienstgeberbeiträge für den Zeitraum 01-07/2021 von € 729,51 und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für den Zeitraum 01-07/2021 in Höhe von € 76,71 entgegen seiner Verpflichtung nicht spätestens am 5. Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt und der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt (auch) die Höhe der geschuldeten Beträge nicht bekannt gegeben hat (Prüfbericht vom ). Der Beschuldigte war für die Einhaltung der abgabenbehördlichen Vorschriften bei seinem Unternehmen zuständig und verantwortlich. Er hatte Kenntnis davon, dass sowohl Umsatzsteuervorauszahlungen und Umsatzsteuervoranmeldungen bis auf die Meldung und Abfuhr von Lohnabgaben fristgebunden ist. Ihm waren auch die Bezug habenden Fristen bekannt. Der Beschuldigte hielt es dabei nicht nur für möglich, sondern für gewiss, dass es durch sein Verhalten zu Abgabenverkürzungen kommt.

Im Einzelnen setzt sich der strafbestimmende Wertbetrag wie folgt zusammen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
U 11-12/2019:
€ 2.480,97
U 01-12/2020:
€ 16.125,28
U 01-12/2021:
€ 15.151,06
U 01-06/2022:
€ 3.717,95
U gesamt:
€ 37.475,26


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lohnsteuer:
01-07/2022:
€ 1.580,29
Dienstgeberbeiträge:
01-07/2022:
€ 729,51
Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen:
01-07/2022:
€ 76,71
Lohnabgaben gesamt:
€ 2.386,51

Die Verständigung über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens wurde dem Beschuldigten nach erfolglosem Zustellversuch vom durch Hinterlegung zugestellt, die Stellungnahme des Amtsbeauftragten, auch angesichts des Vermerkes "Zustellung trotz Postsperre" nach erfolglosem Zustellversuch am ebenfalls durch Hinterlegung. Eine Behebung erfolgte nicht (Rückscheine zur Einleitung und Stellungnahme des Amtsbeauftragten).

Diese Feststellungen trifft der Senat aufgrund der eingangs angeführten Beweismittel. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind unbedenklich und konnten hinsichtlich der Zeiträume und der Höhe der strafbestimmenden Wertbeträge den Feststellungen zum Schuldspruch zugrunde gelegt werden.
Auf Grundlage des Beweisverfahrens besteht kein Zweifel, dass dem Beschuldigten bewusst war, welche Verpflichtungen er im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit auch in Bezug auf Abgaben/Steuern hat. Der Beschuldigte war mit Erkenntnis des Spruchsenates I beim Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde vom bereits wegen dem Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG verurteilt worden, eine weitere Strafverfügung des Finanzamtes Innsbruck betreffend den Beschuldigten datiert mit und hatte neben einer Verurteilung nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG wiederum das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als Hintergrund (Straflistennummern: xxx1, xxx2). Allein aufgrund dieser Verurteilungen kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Beschuldigte Verpflichtungen und Folgen von Verstößen kannte. Im Übrigen stellte der Beschuldigte das ihm vorgeworfene Fehlverhalten nicht in Abrede, sondern gestand dies - vertreten durch seinen Verteidiger - bei der Verhandlung am ausdrücklich zu.

Der Beschuldigte erschien zu dieser Verhandlung am nicht. Er ließ sich dahingehend von seinem Verteidiger "entschuldigen", dass er aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung wegen eine Fußfessel trage. Dieser Umstand steht jedoch einem Erscheinen des Beschuldigten zu einem solchen Verhandlungstermin keineswegs entgegen, wobei anzumerken ist, dass die Ladung am dem Beschuldigten bereits mit (persönlich) zugestellt worden war. Sohin war in seiner Abwesenheit die Verhandlung durchzuführen.

Bei der Strafzumessung war mildernd das Geständnis zu berücksichtigen, als erschwerend der längere Deliktszeitraum und zwei einschlägige Vorstrafen. In Abwägung dieser Strafzumessungsgründe sowie unter Berücksichtigung des Schuld- und Unrechtsgehaltes der Taten ist eine Geldstrafe in der Höhe von € 9.000,00 bei einem Strafrahmen von (rund) € 7.600,00 bis € 76.100,00 angemessen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit war eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Die Verpflichtung zum Kostenersatz ist eine Folge des Schuldspruches und in der bezogenen Gesetzesstelle begründet."

2. Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom mit folgendem Inhalt:

"1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a) FinStrG und der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a) FinStrG zu einer Geldstrafe von EUR 9.000,00, im Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 1 Monat verurteilt.

Der Spruchsenat führt in seiner Begründung aus, dass die Verständigung über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens dem Beschuldigten nach erfolglosen Zustellversuchen am durch Hinterlegung zugestellt wurde, wobei die Stellungnahme des Amtsbeauftragten angesichts des Vermerks "Zustellung trotz Postsperre" nach erfolgtem Zustellversuch ebenso durch Hinterlegung erfolgt sei."

2. Der Beschwerdeführer wurde aber dadurch in den elementaren Verfahrensrechten nach § 83 FinStrG verletzt.

Gemäß § 83 FinStrG ist von der Einleitung des Strafverfahrens der Verdächtige unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen. Eine solche Verständigung muss demnach ordnungsgemäß zugestellt werden.

Es wurde im Rahmen der Verhandlung vom vorgebracht, dass eine Hinterlegung aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers nicht mehr möglich war.
Tatsächlich wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers zu zzz mit Wirkung vom das Insolvenzverfahren eröffnet.

Es mag sein, dass, so wie der Spruchsenat festgestellt hat, eine "Zustellung trotz Postsperre" verfügt war. Keinesfalls reicht jedoch diesfalls eine normale Hinterlegungsanzeige.

Für den Beschwerdeführer war kein Unterschied zu erkennen, ob eine Zustellung trotz Postsperre, oder eine "normale" Zustellung vorgenommen werden sollte. Eine zusätzliche Information des Zustellers, ob die Hinterlegung trotz bestehender Postsperre erfolgt ist oder nicht, ist der Hinterlegungsanzeige nicht zu entnehmen. Dies wäre aber angesichts der eindeutigen Judikatur entscheidungswesentlich (UFS FSRV/0027-W/13; ; )).

Sinn der Postsperre gem. § 78 IO ist es, dem Masseverwalter, dem das Verfügungsrecht während des Konkurses anstelle des Eigentümers über das zur Konkursmasse gehörende Vermögen zukommt, keine wichtigen Hinweise, die sich aus der eingehenden Post entnommen werden könnten, vorzuenthalten, insbesondere nicht solche, die bisher noch unbekannte Vermögensrechte des Gemeinschuldners oder Verfügungen desselben über solche betreffen. Es hätte daher eines Hinweises an den Beschwerdeführer bedurft, dass die Hinterlegung trotz Postsperre vorgenommen wurde, da er ansonsten davon auszugehen hätte, dass eine Zustellung überhaupt nicht wirksam möglich ist bzw. an den Insolvenzverwalter erfolgt.

Mit anderen Worten: Dann, wenn eine Zustellung trotz Postsperre verfügt wird, ist auch eine Hinterlegung möglich, jedoch muss auf der Hinterlegungsanzeige ausdrücklich vermerkt werden, dass die "Hinterlegung trotz Postsperre" erfolgte. Dies ist gegenständlich nicht geschehen, sodass insoweit die vorgenommene Hinterlegung unwirksam war und das Verfahren gegen den Beschwerdeführer iSd § 83 Abs. 2 FinStrG nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde.

Er war daher im elementaren Verfahrensrecht, insbesondere seiner ausreichenden Vorbereitung, beschnitten.

Das durchgeführte Verfahren leidet daher an einem einer Nichtigkeit gleichzuhaltenden Verfahrensmangel, da es insbesondere die Grundsätze des fair trial nach Art. 6 EMRK außer Acht lässt, indem eben, trotz gesetzlichen Gebotes, die Verständigung von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht im Sinn des § 83 Abs. 2 FinStrG erfolgte."

Beantragt wurde, das Bundesfinanzgericht "wolle in Stattgebung dieser Beschwerde das angefochtene Erkenntnis aufheben und das Finanzstrafverfahren einstellen."

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Absehen von der Verhandlung

Nach § 160 Abs. 2 lit. a FinStrG kann das Bundesfinanzgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt hat. Ein solcher Antrag kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Explizit festgehalten wird, dass eine mündliche Verhandlung von keiner Partei beantragt wurde.

Will also ein Beschwerdeführer sicherstellen, dass in seiner Sache auf jeden Fall eine mündliche Verhandlung stattfindet, muss er eine solche bereits in der Beschwerde beantragen. Ein späterer Antrag ist nicht wirksam (vgl. Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 160, I. Kommentar zu § 160 [Rz 3]).

Da im vorliegenden Beschwerdefall ausschließlich die Rechtsfrage zu klären ist, ob eine "Zustellung trotz Postsperre" ordnungsgemäß erfolgt ist, eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Da weder die objektive noch die subjektive Tatseite der bestraften Finanzvergehen bekämpft wurden, auch der Senat keinen Zweifel an der Vollendung der Finanzvergehen hat, war allein die in der Beschwerde aufgeworfene Frage zu klären, ob die Einleitung des Finanzstrafverfahrens bzw. die Verständigung des Bf. darüber ordnungsgemäß erfolgt ist oder dem Beschuldigten seine nach Art. 6 EMRK zustehenden Parteienrechte beschnitten wurden.

2. Rechtslage und rechtliche Beurteilung

§ 78 Abs. 2 der Insolvenzordnung (IO) war bis zur Umbenennung der Konkursordnung, RGBl. Nr. 337/1914, in Insolvenzordnung durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 - IRÄG 2010, BGBl. I Nr. 29/2010, wortgleich in § 78 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) enthalten.

§ 78 Abs. 2 Insolvenzordnung (IO) lautet: "Das Gericht hat zugleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Post- und Telegraphendienststellen, die nach Lage der Wohnung und der Betriebsstätte in Betracht kommen, von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu benachrichtigen. Solange es keinen gegenteiligen Beschluß faßt, haben diese Stellen dem Insolvenzverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Schuldner auszufolgen wären. Das gilt nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind."

Das Gesetz regelt im § 78 Abs 2 Satz 3 IO eine Ausnahme von der Postsperre. Demnach sind gerichtliche oder sonstige amtliche Briefsendungen, welche mit der Post befördert werden, an den Schuldner auszuhändigen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind. Die Behörde hat nach § 5 ZustG bereits in der Zustellverfügung die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben aufzunehmen, wozu auch der Vermerk "Zustellung trotz Postsperre" zählt (Fasching/Konecny2 ErgBd § 5 ZustG Rz 8). Der Vermerk ist für das Zustellorgan deutlich ersichtlich an der Sendung, regelmäßig bei den Angaben zum Empfänger anzubringen (Konecny, Insolvenzgesetze, Rz 71).

Die Postsperre gilt (nach § 78 Abs 2 letzter Satz IO) nicht für die mit der Post beförderten gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, sofern sie mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz der Postsperre hinweisenden amtlichen Vermerk versehen sind (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 13, II. Anordnungen iSd § 13 Abs 1 ZustG [Rz 4])

Die Sperre iSd § 78 Abs. 2 IO (vormals § 78 Abs. 2 KO) gebietet das Gesetz zwingend für jedes Insolvenzverfahren, doch darf jede einzelne dieser Sperren gänzlich oder zum Teil (etwa die Postsperre hinsichtlich gewöhnlicher Briefe oder wegen einzelner gerichtlicher Ladungen) durch das Insolvenzgericht früher aufgehoben werden. Bei aufrechter Sperre sind alle an den Schuldner gerichteten Sendungen der Post an seiner Statt dem Insolvenzverwalter auszufolgen, ohne dass das Postorgan einen Unterschied zwischen Geschäfts- und Privatsendungen machen dürfte und ohne dass es darauf ankäme, ob die Sendung am Wohnort des Schuldners einläuft oder an einem anderen Ort. Die Postsperre greift über die Insolvenzmasse hinaus, da nicht alle Postsendungen des Schuldners zur Insolvenzmasse gehören bzw. diese betreffen. Die Sperre bezieht sich nur auf die Postsendungen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Postvorschriften dem Schuldner auszufolgen wären, es kommt somit nur auf die Anschrift, nicht ihren Inhalt an (Hinweis , WBl 1989, 352; ).

Solange eine Postsperre gemäß § 78 Abs. 2 IO besteht, haben die Postdienststellen dem Insolvenzverwalter alle Sendungen auszuhändigen, die sonst dem Schuldner auszufolgen wären.

Der Insolvenzverwalter darf die ihm ausgehändigten Sendungen öffnen. Er hat gerichtliche und sonstige amtliche Schriftstücke, die die Masse nicht berühren, mit einem auf die Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens hinweisenden Vermerk zurückzusenden (§ 78 Abs 3 Satz 1 und 2 IO). Bei nicht die Masse berührenden Sendungen erfolgt durch die Bekanntgabe an den Masseverwalter keine rechtswirksame Zustellung. Es ist vielmehr die Übermittlung an den Gemeinschuldner neuerlich, diesmal allerdings mit einem auf die Zulässigkeit der Zustellung trotz Postsperre hinweisenden Vermerk (§ 78 Abs 2 letzter Satz IO) zu veranlassen (Hinweis ; ).

Die Postsperre iSd § 78 IO zählt zu den anderslautenden Anordnungen iSd § 13 Abs. 1 ZustG (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 13, II. Anordnungen iSd § 13 Abs 1 ZustG [Rz 4]). Greift die Postsperre, hat die Zustellung an den Insovenzverwalter als Empfänger zu erfolgen, der in einem solchen Fall zum "Empfänger" im rechtstechnischen Sinn wird (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 1092). Die Postsperre bezieht sich nicht nur auf Sendungen, die das Insolvenzverfahren betreffen, weil das Gesetz dem Zustellorgan nicht die Prüfung zumutet, ob Sendungen die Masse berühren. Solcherart ist für Sendungen jeder Art eine im Hinblick auf die Abgabestelle des Gemeinschuldners nach § 17 (iVm § 21) ZustG vorgenommene Hinterlegung unzulässig und entfaltet nicht die (in § 17 Abs. 3 ZustG vorgesehene) Zustellwirkung. Betrifft die Sendung nicht die Insolvenzmasse, hat die - gegebenenfalls nach Zurückstellung durch den Insolvenzverwalter - zu erfolgende Zustellung an den Gemeinschuldner als Empfänger der Sendung zu erfolgen, wobei aber ein amtlicher Vermerk iSd § 78 Abs. 2 KO unverzichtbar ist, wonach trotz der Postsperre die Zustellung zulässig ist. Nur für eine diesen Vermerk tragende Sendung ist die Hinterlegung iSd § 17 (iVm § 21) ZustG zulässig, wenn die Sendung dem Gemeinschuldner nicht an seiner Abgabestelle zugestellt werden kann (vgl. ).

Soweit der Beschuldigte einwendet, es "hätte daher eines Hinweises an den Beschwerdeführer bedurft, dass die Hinterlegung trotz Postsperre vorgenommen wurde, da er ansonsten davon auszugehen hätte, dass eine Zustellung überhaupt nicht wirksam möglich ist bzw. an den Insolvenzverwalter erfolgt. Mit anderen Worten: Dann, wenn eine Zustellung trotz Postsperre verfügt wird, ist auch eine Hinterlegung möglich, jedoch muss auf der Hinterlegungsanzeige ausdrücklich vermerkt werden, dass die "Hinterlegung trotz Postsperre" erfolgte. Dies ist gegenständlich nicht geschehen, sodass insoweit die vorgenommene Hinterlegung unwirksam war und das Verfahren gegen den Beschwerdeführer iSd § 83 Abs. 2 FinStrG nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde.", ist festzuhalten, dass Sendungen, die das Insolvenzverfahren betreffen, ohne den Hinweis "Zustellung trotz Postsperre" gar nicht an den Beschuldigten gelangen können, da sie an den Insolvenzverwalter weitergeleitet bzw. zugestellt werden.

Die Postsperre ist von der Post bzw. anderen Zustelldiensten zu beachten und für diese gedacht. Sie sind aufgrund des vom zuständigen Organwalter/von der zuständigen Organwalterin angebrachten Vermerks "Zustellung trotz Postsperre" aufgefordert, die Sendungen trotz Postsperre an den Schuldner persönlich zuzustellen und nicht an den Insolvenzverwalter.

Erst wenn eine Postsendung mit dem Vermerk "Zustellung trotz Postsperre" an den Zusteller übermittelt wird, besteht bei anhängigem Insolvenzverfahren und Bestellung eines Insolvenzverwalters überhaupt erst die Möglichkeit, auch direkt an den Beschuldigten zuzustellen. Allein diese Tatsache und nicht auch ein weiterer Hinweis "Zustellung trotz Postsperre" auf der Hinterlegungsanzeige reicht für eine ordnungsgemäße Hinterlegung im Falle der vorübergehenden Abwesenheit aus. Soweit in der Beschwerde davon abweichend vorgebracht wird, dass ein solcher Hinweis auf der Hinterlegungsanzeige "aber angesichts der eindeutigen Judikatur entscheidungswesentlich" wäre, ist darauf hinzuweisen, dass diese Auffassung in der in der Beschwerde angeführten Judikatur nicht bestätigt wird. Ein vom Verteidiger bzw. vom Beschuldigten geforderter ausdrücklicher Vermerk auf der Hinterlegungsanzeige, dass die "Hinterlegung trotz Postsperre" zugestellt werden soll, ist im Gesetz nicht gefordert. Der Hinweis "Hinterlegung trotz Postsperre" betrifft die gerichtlichen oder sonstigen amtlichen Briefsendungen, nicht die Hinterlegungsanzeigen.

Allein die Tatsache, dass eine Hinterlegungsanzeige in das Hausbrieffach eingelegt wurde, belegt schon, dass eine "Zustellung trotz Postsperre" direkt an den Beschuldigten erfolgen darf, da sonst die Sendung an den Insolvenzverwalter weiterzuleiten gewesen wäre.

Es wurde von der belangten Behörde die "Zustellung trotz Postsperre" mit dem entsprechenden Vermerk (§ 78 Abs. 2 letzter Satz IO) veranlasst und damit dem Gesetz Genüge getan. Eine weitere Voraussetzung eines Hinweises in der Hinterlegungsanzeige in Form einer "Zustellung trotz Postsperre" ist im Gesetz nicht gefordert.

Der Senat kam daher zur Überzeugung, dass eine Erledigung der Finanzstrafbehörde, die mit dem Vermerk "Zustellung trotz Postsperre" an den Beschuldigten persönlich versendet wird, nicht auf die Kenntnis des Beschuldigten über einen Vermerk "Zustellung trotz Postsperre" ankommt, sondern ob der Zusteller der Anweisung "Zustellung trotz Postsperre" nachkommt. Daher ist von einer ordnungsgemäßen Verständigung von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens oder der Stellungnahme des Amtsbeauftragten an den Spruchsenat auszugehen, sodass hier keine Verletzung von Parteienrechten oder von Grundsätzen des fair trial nach Art. 6 EMRK vorliegt. Das Finanzstrafverfahren wurde ordnungsgemäß eingeleitet.

3. Strafbemessung

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters.

§ 23 Abs. 2 FinStrG: Bei der Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob es dem Täter darauf angekommen ist, sich oder einem Verband, als dessen Entscheidungsträger er gehandelt hat, durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Eine wiederkehrende Begehung liegt vor, wenn der Täter bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat bestraft worden ist. Ebenso ist bei der Bemessung der Strafe darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

§ 23 Abs. 3 FinStrG: Bei Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

§ 23 Abs. 4 FinStrG: Bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem Wertbetrag richtet, hat die Bemessung der Geldstrafe mit mindestens einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe zu erfolgen. Die Bemessung einer diesen Betrag unterschreitenden Geldstrafe aus besonderen Gründen ist zulässig, wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt.

§ 33 Abs. 5 FinStrG: Die Abgabenhinterziehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. Dieser umfasst nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht. Neben der Geldstrafe ist nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu vier Jahren zu erkennen.

§ 49 Abs. 2 FinStrG: Die Finanzordnungswidrigkeit wird mit einer Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages oder der geltend gemachten Abgabengutschrift beträgt.

Hat ein Täter wie im gegenständlichen Fall durch mehrere selbständige Taten mehrere Finanzvergehen derselben und auch verschiedener Art begangen, ist gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG dabei auf eine einzige Geldstrafe zu erkennen, wobei die Summe der sich aus den strafbestimmenden Wertbeträgen ergebenden Strafdrohungen maßgeblich ist.

Gemäß der Bestimmung des § 23 FinStrG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters, wobei Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sind.

Der Spruchsenat hat bei der Strafbemessung als mildernd das Geständnis berücksichtigt, als erschwerend den längeren Deliktszeitraum und zwei einschlägige Vorstrafen.

Der Erschwerungsgrund des längeren Deliktszeitraumes wird durch den Erschwerungsgrund des wiederholten Tatentschlusses ersetzt.

Aus dem Akt oder aus der Beschwerde ergeben sich keine weiteren Milderungsgründe.

Bei unveränderten weiteren Strafbemessungsgründen gab es angesichts der zwei einschlägigen Vorstrafen keine Veranlassung, eine Reduzierung der Geld- oder Ersatzfreiheitsstrafe vorzunehmen, zumal vor allem generalpräventive Erwägungen dagegensprechen. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Kostenentscheidung

Die Verfahrenskosten in unveränderter Höhe von € 500,00 gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 festzusetzen ist.

5. Zahlungsaufforderung:

Die Geldstrafe und die Kosten des Finanzstrafverfahrens werden gemäß § 171 Abs. 1 und § 185 Abs. 4 FinStrG mit Ablauf eines Monates nach Rechtskraft dieser Entscheidung fällig und sind auf das Straf-Konto der Finanzstrafbehörde (Bankverbindung: BAWAG P.S.K., IBAN: AT09 0100 0000 0550 4374, BIC BUNDATWW, Anmerkung: Strafkontonummer: xxx) zu entrichten, widrigenfalls Zwangsvollstreckung durchgeführt und bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe vollzogen werden müsste. Ein Ansuchen um eine allfällige Zahlungserleichterung (z.B. Ratenzahlung oder Stundung) wäre bei der Finanzstrafbehörde (per Fax an die Nr. 050 233 595 2104 oder postalisch an das Amt für Betrugsbekämpfung, Postfach 252, 1000 Wien, Team Einhebung und Einbringung Finanzstrafen Bereich Finanzstrafsachen) einzubringen.

6. Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolgen einer "Zustellung trotz Postsperre" ergeben sich aus dem Gesetz, sodass insoweit keine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3300008.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at