OGH vom 20.11.2019, 17Ob18/19z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Musger und Priv.Doz. Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Nebersdorf, gegen die beklagte Partei Mag. B*****, Rechtsanwältin, *****, wegen 279.197 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 70/18p24, womit das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom , GZ 2 Cg 11/18d18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird, soweit er nicht hinsichtlich der Teilforderungen von insgesamt 3.480,52 EUR in Rechtskraft erwachsen ist, im Übrigen aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klageabweisende Urteil des Erstgerichts im Ausmaß von 279.197 EUR sA einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.113,26 EUR (hierin enthalten 1.064,71 EUR USt und 5.725 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs und des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Güssing vom wurde über das Vermögen der Klägerin das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Am selben Tag eröffnete das Bezirksgericht Güssing über das Vermögen des Gatten der Klägerin ebenfalls das Schuldenregulierungsverfahren; Insolvenzverwalterin war auch dort die Beklagte. Die beiden Insolvenzverfahren wurden in der Folge verbunden.
Bei Eröffnung der Insolvenzverfahren waren die Klägerin und ihr Gatte jeweils zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft, die mit einem Pfandrecht der ***** (im Folgenden: Bank) bis zum Höchstbetrag von 1.400.000 EUR belastet war. Die Bank meldete im Insolvenzverfahren der Klägerin – als dort einzige Insolvenzgläubigerin – eine Forderung von (zuletzt) 549.675,26 EUR an, die die Insolvenzverwalterin letztlich zur Gänze anerkannte.
Die Liegenschaft wurde im Jahr 2014 von der Insolvenzverwalterin um 177.600 EUR (inklusive USt) veräußert; das Inventar wurde um 16.800 EUR (inklusive USt) mitveräußert. Mit Beschluss vom wurde der absonderungsberechtigten Bank der Veräußerungserlös nach Abzug der Sondermassekosten von insgesamt 51.702,31 EUR, daher 142.697,69 EUR zugewiesen.
Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erklärte die Bank gegenüber der Klägerin, auf die Geltendmachung ihrer restlichen fälligen und titulierten Forderung zu verzichten, wenn die Klägerin im Gegenzug bestätige, dass damit sämtliche ihr gegenüber geltend gemachten Ansprüche als endgültig erledigt angesehen werden könnten. Die Klägerin stimmte diesem Vorgehen grundsätzlich zu, verlangte aber den Verzicht der Bank auf sämtliche Forderungen gegen sie. Diesem Vorschlag stimmte die Bank am zu.
Die begehrt nach Klageausdehnung und rechtskräftiger Zurückweisung eines Teilbetrags von 3.480,52 EUR sA durch das Berufungsgericht Schadenersatz in Höhe von 279.197 EUR sA. Die Beklagte habe die von der einzigen Insolvenzgläubigerin angemeldete Forderung nicht sorgfältig geprüft. Hätte sie das getan, hätte sie erkannt, dass diese Forderung bereits getilgt gewesen sei. Die Liegenschaftshälfte der Klägerin hätte folglich gar nicht verkauft werden dürfen. Durch die Veräußerung sei der Klägerin daher ein Schaden in Höhe des halben Liegenschaftswerts (262.997 EUR) entstanden. Die Beklagte habe außerdem die Abwicklung zweier Wasserschäden auf der von ihr verwalteten Liegenschaft unterlassen. Aufgrund der dadurch entstandenen Wertminderung der Liegenschaft sei der Klägerin ein Schaden von insgesamt 100.000 EUR entstanden. Außerdem habe die Beklagte die Liegenschaftshälfte der Klägerin inklusive USt verkauft, obwohl die Klägerin als Verbraucherin dazu nicht berechtigt gewesen sei. Bei richtiger Vorgangsweise hätte die Beklagte die USt von 16.200 EUR nicht abführen müssen, sodass der Masse bzw der Klägerin ein um 16.200 EUR höherer Betrag zur Verfügung gestanden wäre.
Die wendete insbesondere ein, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation, weil einen allenfalls höheren Kaufpreis nicht sie lukriert hätte, sondern die Bank im Rahmen der Sondermasseverteilung.
Das wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Da die Klägerin die angemeldete, von der Beklagten letztlich anerkannte Insolvenzforderung nicht bestritten habe, könne sie im nunmehrigen Verfahren nicht mehr einwenden, sie habe der Bank diesen Betrag nicht geschuldet. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Klägerin durch die beiden Wasserschäden ein Schaden von insgesamt 100.000 EUR entstanden sei und sich der aus dem Verkauf der Liegenschaft lukrierte Betrag durch Nichtabführung der USt um 16.200 EUR erhöht hätte, wäre der sich daraus ergebende Mehrbetrag von insgesamt 116.200 EUR nicht ausreichend gewesen, um den jedenfalls bestehenden Restforderungsbetrag der Bank vollständig abzudecken. Es wäre daher keinesfalls zu einer Auszahlung an die Klägerin gekommen, bestenfalls hätte sich die an die Bank zu zahlende Restschuld entsprechend vermindert. Dadurch, dass die Bank nach dem Insolvenzverfahren auf sämtliche weitere Forderungen verzichtet habe, sei insofern kein Schaden im Vermögen der Klägerin eingetreten, sodass bereits nach ihrem eigenen Vorbringen die Forderung nicht zu Recht bestehen könne.
Das wies das Klagebegehren im Umfang von 3.480,52 EUR sA (unbekämpft) zurück. Im Übrigen, also im Umfang von restlichen 279.197 EUR sA, hob es das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Das Klagebegehren sei unschlüssig geblieben, weil die Klägerin 100.000 EUR weniger einklage als die Summe der von ihr im Einzelnen angeführten Forderungen. Es könne auch nicht von einem offenkundigen Schreibfehler ausgegangen werden, weil die Klägerin an anderer Stelle die einzelnen Schadenspositionen unter Außerachtlassung der Wasserschäden darstelle. Diese Unschlüssigkeit werde das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit der Klägerin zu erörtern haben.
Durch die ohne Bestreitung durch den Schuldner erfolgte Feststellung einer Forderung im Konkurs werde ein Entscheidungssurrogat geschaffen, weshalb die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht erfolgreich behaupten könne, die angemeldete Forderung sei (im hier relevanten Umfang) zu Unrecht festgestellt worden.
Bei auf § 81 Abs 3 IO gestützten Schadenersatzansprüchen müsse zur Beurteilung der Aktivlegitimation unterschieden werden, ob Einzel- oder Gemeinschaftsschäden vorlägen. Gemeinschaftsschäden entstünden ua durch die Beschädigung von Massegegenständen oder die unterpreisige Veräußerung von Massevermögen. Davon zu unterscheiden seien Einzelschäden, die nur einen einzelnen Geschädigten beträfen. Ein solcher Einzelschaden liege beim Schuldner einerseits dann vor, wenn die Insolvenzmasse nach Hinzurechnung des Entgangs durch die pflichtwidrige Handlung zur Abdeckung aller Schulden und der Kosten des Verfahrens ausreichte und damit noch ein dem Schuldner zuzuweisender Rest bliebe, und andererseits bei Verfügung des Insolvenzverwalters über insolvenzfreies Vermögen. Daraus folge, dass die Klägerin grundsätzlich Gemeinschaftsschäden geltend mache. Unter umfassender Auseinandersetzung mit Lehre und Judikatur ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Schuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht berechtigt sei, einen Gemeinschaftsschaden gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Der Ersatz solcher Schäden sei über eine Nachtragsverteilung gemäß § 138 IO zu lösen. Eine solche Durchsetzung scheide hier jedoch aus, weil das Insolvenzverfahren nach § 123a IO aufgehoben worden sei, weshalb die Schuldnerin die behaupteten Gemeinschaftsschäden sehr wohl im Klageweg geltend machen könne.
Das Berufungsgericht ließ den Rekurs zur Frage der Geltendmachung von Gemeinschaftsschäden durch den früheren Insolvenzschuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu.
Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der der Beklagten mit dem erkennbaren Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils im Umfang der Abweisung des (restlichen) Begehrens von 279.197 EUR sA.
Die Klägerin beantragt in ihrer , dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts und .
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass das Klagebegehren unschlüssig (unbestimmt) ist, weil die einzelnen von der Klägerin dargelegten Einzelpositionen in Summe den (letztlich) eingeklagten Betrag deutlich übersteigen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist aber ein Pauschalbetrag entsprechend aufzugliedern, um den Bestimmtheitserfordernissen des § 226 ZPO gerecht zu werden. Es geht nämlich nicht an, die Aufteilung des Pauschalbetrags auf einzelne Rechtsverhältnisse dem Gericht zu überlassen. Ohne eine solche Aufschlüsselung wäre es nicht möglich, den Umfang der Rechtskraft einer Teilabweisung des Zahlungsbegehrens zu bestimmen und damit die Frage zu beantworten, über welche der eingeklagten Forderungen ganz oder teilweise endgültig abgesprochen wurde. Nur wenn eine solche Aufgliederung erfolgt, kann in einem Folgeprozess die der Zulässigkeit einer weiteren Sachentscheidung allenfalls entgegenstehende materielle Rechtskraft der früheren Entscheidung beurteilt werden (
RS0031014 [T15, T 17, T 20, T 22, T 23, T 31, T 35]).
2. Eine solche von Amts wegen wahrzunehmende Unschlüssigkeit des Klagebegehrens darf grundsätzlich nicht zu dessen sofortiger Abweisung ohne vorherigen Verbesserungsversuch führen (
RS0037166, RS0000263). Eine Erörterung dieser Unschlüssigkeit ist allerdings dann entbehrlich, wenn jede einzelne (mögliche) Teilforderung materiell unberechtigt ist und das Klagebegehren unabhängig davon, aus welchen Teilbeträgen es sich tatsächlich zusammensetzt, jedenfalls zur Gänze abzuweisen ist. Das ist hier der Fall:
2.1. Die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin, die die letztlich festgestellte Insolvenzforderung nicht bestritten hat, im nunmehrigen Prozess nicht mehr erfolgversprechend behaupten kann, die Beklagte habe die Forderung nicht ausreichend sorgfältig geprüft und diese sei daher zu Unrecht festgestellt worden.
2.2. Soweit die Klägerin einen Vermögensschaden von insgesamt 116.200 EUR durch die beiden Wasserschäden und die Abführung von USt aus dem Kaufpreis geltend macht, behauptet sie, wie der erkennende Senat bereits jüngst in der – das Parallelverfahren des Ehemannes der Klägerin gegen die Beklagte betreffenden – Entscheidung 17 Ob 16/19f ausgesprochen hat, in Wahrheit einen Einzelschaden, den allerdings nicht sie erlitten hat, sondern die Bank. Damit wäre aber auch nur die Bank legitimiert gewesen, allfällige Schadenersatzansprüche gegen die Insolvenzverwalterin geltend zu machen, sofern diese einen Mindererlös der Sondermasse schuldhaft verursacht haben sollte (vgl 8 Ob 37/03d, 8 Ob 48/05z ua; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert§ 81, 81a KO Rz 30). Allein der Umstand, dass die Bank nach Beendigung des Insolvenzverfahrens
– somit nach umfassender Verwertung der klägerischen Vermögenswerte – auf die (weitere) Geltendmachung ihrer Restforderung gegenüber der Klägerin verzichtet hat, begründet nicht deren Aktivlegitimation zur Geltendmachung des Einzelschadens der Bank. Weder aus dem klägerischen Vorbringen noch aus dem Inhalt der nach
RS0121557 heranzuziehenden Urkunden ist nämlich auch nur ansatzweise ableitbar, dass eine allfällige von der Beklagten schuldhaft verursachte Wertminderung der Sondermasse, die zu einem Forderungsausfall der Bank geführt haben könnte, Thema der Einigung war. Der Verzicht der Bank umfasste nur die weitere (wirtschaftlich offensichtlich aussichtslose) Geltendmachung der Restforderung gegenüber der nun vermögenslosen Klägerin. Aus dieser Einigung ergibt sich aber nicht, dass die Bank zugunsten der Klägerin (auch) auf die Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte wegen einer von ihr verschuldeten Minderung des Erlöses aus der Sondermasse verzichtet oder der Klägerin gar entsprechende Schadenersatzansprüche gegenüber der Beklagten abgetreten hätte.
3. Da also das (nach Zurückweisung eines Teilbetrags von 3.480,52 EUR sA durch das Berufungsgericht) verbleibende Klagebegehren von 279.197 EUR sA infolge Unschlüssigkeit abweisungsreif ist, ist dem Rekurs Folge zu geben und in der Sache selbst im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils in diesem Umfang als Teilurteil zu erkennen.
4. Da das gesamte Klagebegehren (einschließlich des vom Berufungsgericht zurückgewiesenen Teils) unberechtigt war, hat es im Ergebnis bei der Kostenentscheidung des Erstgerichts zu bleiben. Hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren beruht die Kostenentscheidung auf § 41, 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0170OB00018.19Z.1120.000 |
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