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OGH vom 27.01.1970, 8Ob257/69

OGH vom 27.01.1970, 8Ob257/69

Norm

ABGB § 46;

ABGB § 1247;

ABGB § 1435;

Kopf

SZ 43/16

Spruch

Die Rückforderung des Geleisteten ist ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des Geschäftszweckes gegen Treu und Glauben verhindert hat

(OLG Wien 6 R 175/69; LGZ Wien 17 Cg 337/68)

Text

Der Kläger begehrte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 53.650 S s A mit der Begründung, er und die Beklagte seien verlobt gewesen, er habe im Jahre 1966 für eine Wohnung einer gemeinnützigen Wohnbau- und Siedlungsgesellschaft den eingeklagten Betrag ausgegeben und die Wohnung sei im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat auf die Beklagte übertragen worden; die Verlobung sei jedoch dann ohne Verschulden des Klägers, und ohne daß er einen Grund dazu gegeben hätte, aufgelöst worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und ging hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus: Die Streitteile hätten sich am Weihnachtsabend 1965 verlobt. Im Jahre 1966 habe der Kläger von der "W" regGenmbH die Anwartschaft auf eine Wohnung erworben und hiefür am 20.650 S bezahlt. Am sei die Anwartschaft auf die Wohnung im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat auf die Beklagte übertragen worden, weil beide Teile nach der Hochzeit in der Wohnung wohnen sollten. Zu irgend einer Gegenleistung an den Kläger habe sich die Beklagte anläßlich der Übernahme der Rechte und Pflichten aus dem mit der Wohnungsgenossenschaft geschlossenen Vertrag nicht verpflichtet. Die Übertragung dieser Rechte und Pflichten und die weitere Bezahlung des Betrages von 33.000 S durch den Kläger, die er am für die Beklagte vorgenommen habe, sei also unentgeltlich erfolgt. Die Beklagte habe im Jahre 1962 im Tanzklub H einen gewissen Erwin K kennengelernt; im Laufe der Zeit hätten sich die beiden mit "Du" angesprochen. Da beide in nicht weit voneinander entfernten Büros in der Mariahilfer Straße beschäftigt gewesen seien, hätten sie sich nach Dienstschluß gelegentlich getroffen. An einem Sommertag des Jahres 1967 habe die Beklagte das Krapfenwaldbad besucht und sei dort K begegnet. Es sei nicht feststellbar, daß diese Begegnung verabredet gewesen sei und daß sich beide nachher bei einem Heurigen aufgehalten hätten, daß die Beklagte und K sich am nächsten Tag im Kombiwagen K's geküßt hätten und daß die Beklagte den Kläger am darauffolgenden Tag um Verzeihung gebeten habe. Einige Tage später habe die Beklagte auf dem Heimweg nach Dienstschluß K getroffen und sei in dessen Auto bis zum Espresso G gefahren. Dort hätten sich die beiden verabschiedet. Im Sommer oder Herbst 1967 sei die Beklagte mit K im Künstlerhaus-Kino gewesen. Nach der Vorstellung habe K die Beklagte im Auto nach Hause gebracht. Der Kläger habe später davon erfahren. Trotzdem sei das Verlöbnis fortgesetzt worden. In der Zeit vom 29. September bis habe der Kläger auf der Grazer Messe gearbeitet. Vorher habe zwischen dem Kläger und der Beklagten eine Aussprache stattgefunden, in der auch darüber, wann die Wohnung von der "W" übergeben werden würde, und über den Hochzeitstag gesprochen worden sei. Während des Aufenthaltes des Klägers in Graz habe die Beklagte in Begleitung einer Freundin Christine R einen Tanzabend im Volksgartencafe besucht. K sei dort nicht anwesend gewesen. Daß sich die Beklagte hauptsächlich in der Gesellschaft eines bestimmten unbekannten Mannes befunden und mit diesem zusammen das Lokal verlassen habe und noch einige Zeit mit ihm zusammengeblieben sei, habe nicht festgestellt werden können. Vielmehr sei die Beklagte mit Christine R gemeinsam weggegangen und von dieser im Auto heimgebracht worden. Nach der Rückkehr des Klägers aus Graz am habe er vom Besuch des Volksgartencafes durch die Beklagte und davon, daß sie mit einem anderen Mann weggegangen sei, erfahren. Am habe der Kläger der Beklagten erklärt, daß er das Verlöbnis beenden wolle.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus: Das Verhalten der Beklagten sei nicht als verlöbniswidrig aufzufassen. Der Kläger habe auch das Verlöbnis fortgesetzt, nachdem er von dem Kinobesuch der Beklagten mit K erfahren hatte. Die Beklagte habe also keine Ursache zum Rücktritt des Klägers vom Verlöbnis gegeben, der Kläger sei vielmehr grundlos vom Verlöbnis zurückgetreten. Daher sei der Klagsanspruch nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und gab dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus: Da der Kläger sein Begehren nicht ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt habe, sei zu prüfen gewesen, ob der Anspruch nach den §§ 46, 1247 oder 1435 ABGB gerechtfertigt sei. Auf § 46 ABGB könne sich der Kläger nicht stützen, weil ein verlöbniswidriges Verhalten der Beklagten oder andere Umstände, die eine gegrundete Ursache zum Rücktritt des Klägers vom Verlöbnis dargestellt hätten, nicht festgestellt worden seien. Die Bestimmung des § 1247 ABGB könne zur Stütze des Klagsanspruches nicht in Betracht kommen, weil eine Schenkungsabsicht des Klägers nicht festgestellt worden sei. Eine solche Absicht könne schon nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht angenommen werden, weil ein Anwartschaftsrecht auf die zukünftige Ehewohnung übertragen und zusätzlich ein Geldbetrag für diese zur Verfügung gestellt worden sei. Damit sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß der Bräutigam nach der Eheschließung seiner aus § 91 ABGB entspringenden Unterhaltspflicht, zu der auch die Pflicht zur Verschaffung einer Unterkunft gehöre, nachkommen könne und daß er selbst eine Unterkunft habe. Dies müsse vor allem im vorliegenden Fall gelten, weil es sich hier um verhältnismäßig hohe Beträge gehandelt habe, die unter Bedachtnahme auf die sozialen Verhältnisse der Streitteile weit über den Umfang gewöhnlicher Brautgeschenke hinausgegangen seien. Dagegen lägen die Voraussetzungen des § 1435 ABGB vor. Die Vorschriften der §§ 46 und 1435 ABGB stunden nicht in einem Verhältnis von lex speclialis zu lex generalis. Bereicherungsansprüche nach § 1435 ABGB könnten wohl nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Leistende den Eintritt des Leistungszweckes gegen Treu und Glauben verhindert habe. Wenn jedoch der Anlaß zur Lösung des Verlöbnisses ein Verhalten der Braut gewesen sei, das zumindest nicht gutgeheißen werden könne, dann könne von einer absichtlichen Verhinderung der Ehe wider Treu und Glauben nicht gesprochen werden. Nach den Feststellungen habe der Kläger die in der Klage genannten Geldbeträge - zumindest auch - im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung aufgewendet. Da es zu einer Eheschließung nicht gekommen sei, sei der Grund für seine Leistungen weggefallen. Daher sei der Kläger berechtigt, die aufgewendeten Geldbeträge zurückzuverlangen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte macht zunächst zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend, daß der Kläger seinen Anspruch ausdrücklich auf die Bestimmungen des § 1247 ABGB gestützt habe, sein Anspruch daher nur nach dieser Gesetzesstelle zu prüfen gewesen sei. Eine solche ausschließliche Geltendmachung eines Rechtsgrundes liegt aber, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht vor, mag der Kläger auch in der Klage den Wortlaut des § 1247 ABGB - teilweise - verwendet haben. Das Berufungsgericht hat daher den Anspruch des Klägers mit Recht nach allen möglichen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt (SZ 23/74).

Von diesen möglichen Rechtsgrunden hat das Berufungsgericht die §§ 46 und 1247 ABGB mit Recht ausgeschaltet. Die erstgenannte Gesetzesstelle kommt vor allem deshalb nicht in Betracht, weil nach ihr unter gewissen Voraussetzungen ein Schadenersatz verlangt werden kann, unter welchen Begriff der Anspruch des Klägers nicht fällt, § 1247 ABGB deshalb nicht, weil das Erstgericht wohl die unentgeltliche Bezahlung der für den Erwerb der Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit der "W" erforderlichen Beträge, aber keine Schenkungsabsicht des Klägers festgestellt hat und das Berufungsgericht diese Feststellung (im Hinblick auf die tieferstehend erwähnten, im Zusammenhang damit über den Zweck der Zuwendung gemachten Ausführungen - zutreffend) mit der Begründung übernommen hat, die vom Kläger bezahlten Beträge gingen unter Bedachtnahme auf die sozialen Verhältnisse der Streitteile - diese ergeben sich schon aus den Berufsbezeichnungen des Klägers als Vertreters und der Beklagten als Angestellten, sodaß weitere Feststellungen darüber nicht erforderlich waren - weit über den Umfang gewöhnlicher Brautgeschenke hinaus. Wenn auch die Beklagte als Siegerin in der ersten Instanz diese Feststellung, daß eine Schenkungsabsicht nicht vorgelegen habe, nicht bekämpfen konnte, ist ihr die Anfechtung in der Revision verwehrt, weil sich das Berufungsgericht mit dieser Feststellung auseinandergesetzt hat. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgesprochen hat, ist nicht jedes unentgeltliche Rechtsgeschäft eine Schenkung. Wenn das Berufungsgericht im Zusammenhange damit sagt, mit der Bezahlung dieser Geldbeträge sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, daß der Bräutigam (Kläger) nach der Eheschließung seiner aus § 91 ABGB entspringenden Unterhaltspflicht, zu der auch die Pflicht zur Verschaffung einer Unterkunft gehöre, nachkommen könne, und daß er selbst eine Unterkunft habe, dann sagt das Berufungsgericht damit nichts anderes, als das Erstgericht mit den Worten, daß die Zahlungen im Hinblick auf die beabsichtigte Heirat erfolgt seien, weil beide Teile nach der Hochzeit in der zu erbauenden Wohnung hätten wohnen wollen, ausgedrückt hat. Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß das Berufungsgericht über die Feststellungen des Erstgerichtes hinausgegangen sei, so daß die Rüge der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht berechtigt ist.

Der Kläger macht ferner geltend, die Bestimmungen des § 1435 ABGB hätten nicht zur Anwendung kommen können, weil sie im Verhältnis zu den §§ 46, 1247 ABGB als lex generalis anzusehen seien und weil sie nur die Rückforderung einer Leistung, die auf Grund einer bestehenden Verpflichtung erbracht worden sei, zum Gegenstand hätten. Beides ist nicht richtig. Die §§ 46, 1247 und 1435 ABGB regeln jeweils verschiedene Tatbestände und geben verschiedene Ansprüche; §§ 46 und 1247 ABGB stehen also zu § 1435 ABGB nicht im Verhältnis einer lex specialis zu einer lex generalis (1 Ob 119/69). Es trifft aber auch nicht zu, daß ein Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB nur dann besteht, wenn die Leistung auf Grund einer bestehenden Verpflichtung (als "wahre Schuldigkeit", wie das Gesetz sagt), erbracht worden ist; ein solcher Anspruch besteht vielmehr auch dann, wenn jemand dem anderen ohne Abschluß eines Vertrages etwas geleistet hat (Wilburg in Klang Komm[2], VI zu §§ 1431 bis 1437 ABGB, VIII E 3, 469 oben, 8 Ob 109/69). Richtig ist zwar, daß eine Rückforderung dann ausgeschlossen ist, wenn der Leistende den Eintritt des Geschäftszweckes gegen Treu und Glauben verhindert hat. Wenn dies zwar - anders als im § 815 DBGB - im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen ist, kann dieser Grundsatz ebenso wie im Falle einer vereitelten Bedingung auch für das österreichische Recht als Grundsatz gelten (Wilburg, Klang[2] VI, VIII F, 5 b, 471 oben). Ein solches Verhalten kann dem Kläger aber nicht zur Last gelegt werden. Aus den Feststellungen der Untergerichte geht hervor, daß es zwischen den Streitteilen während des von Weihnachten 1965 bis Oktober 1968 dauernden Verlöbnisses mehrmals zu allerdings nicht sehr bedeutenden Unstimmigkeiten gekommen ist. Der Anlaß zur Auflösung des Verlöbnisses durch den Kläger war dann der Umstand, daß die Beklagte während einer kurzen, berufsbedingten Abwesenheit des Klägers von Wien allein in ein Tanzlokal gegangen ist. Wenn auch nach den untergerichtlichen Feststellungen nicht bewiesen werden konnte, daß sich die Beklagte dort hauptsächlich in Gesellschaft eines bestimmten unbekannten Mannes aufgehalten und mit diesem zusammen das Tanzlokal verlassen hat, war der Kläger nach einer ihm von Freuden zugekommenen und daher nicht von vornherein unglaubwürdigen Mitteilung doch dieser Meinung. War der Kläger aber subjektiv von einer Verlöbnisuntreue der Beklagten überzeugt, kann die durch ihn erfolgte Auflösung des Verlöbnisses nicht, als wider Treu und Glauben erfolgt, angesehen werden.

Das Berufungsgericht hat daher den Rückforderungsanspruch des Klägers nach § 1435 ABGB mit Recht bejaht und der Revision der Beklagten war keine Folge zu geben.