OGH 11.10.2007, 8ObA39/07d
Rechtssätze
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Normen | |
RS0014539 | Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung kann, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeiternehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden. Eine solche Bindung muss dann insbesondere auch gegenüber jenen Arbeitnehmern angenommen werden, die erst später eingestellt werden; auch sie akzeptieren durch den Abschluss ihrer Arbeitsverträge die im Betrieb herrschende Übung als Grundlage ihrer Arbeitsverhältnisse und können daher mit Grund davon ausgehen, dass vom Arbeitgeber regelmäßig und allgemein gewährte Vergünstigungen in gleicher Weise und unter den gleichen Voraussetzungen wie alle anderen vergleichbaren Arbeitskollegen auch ihnen zukommen werden. |
Normen | |
RS0014543 | Wenn der Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer eine betriebliche Übung begründet, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, wird diese Übung durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge. |
Norm | G über die Errichtung einer bgld LWK §26 |
RS0114722 | Träger der beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung wie die Landwirtschaftskammern haben keine Kompetenz, die Dienstverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern durch einseitigen hoheitlichen Akt, d.h. durch Satzungen (Verordnungen) oder Bescheide zu regeln. Das Verhältnis zwischen Selbstverwaltungskörpern und ihrem Personal ist nicht Gegenstand der Selbstverwaltung. Eine verfassungskonforme Interpretation der gesetzlichen Bestimmungen, die die Aufstellung von Dienst- und Bezugsordnungen etc anordnen, muss deshalb notwendigerweise zum Ergebnis kommen, dass diese "Ordnungen" als solche gegenüber den Dienstnehmern keinen normativen Charakter haben. Für die Beziehungen zwischen beiden Parteien steht ausschließlich die privatrechtliche Ebene, also der Dienstvertrag, zur Verfügung. Eine rechtliche Bindung besteht nur auf Grund und nach dem Inhalt des Vertrags. Dienstordnungen, Bezugsordnungen etc sind mangels einer materiellen Gesetzgebungskompetenz nur Vertragsschablonen, die erst durch vertragliche Unterwerfung Geltung zwischen den Parteien des Dienstverhältnisses erlangen. |
Norm | |
RS0014489 | Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs auf Grund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften. Hiebei darf der Kollektivbezug der Verpflichtung des Arbeitgebers, dem zu unterstellen ist, dass er die betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen auch gleich behandeln wollte, nicht übersehen werden. Es ist daher nur objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften. Ob jeder einzelne Arbeitnehmer darauf vertraut hat, ist nicht zu prüfen. |
Normen | |
RS0014154 | Eine regelmäßige gewährte Zuwendung, mit welcher der Arbeitnehmer rechnen kann, verliert dann den Charakter der Freiwilligkeit und begründet einen Anspruch auf Zahlung, wenn mangels ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Zuwendung ein Entgeltanspruch als stillschweigend vereinbart oder nach Ortsgebrauch als bestehend angenommen werden kann (4 Ob 60/75; SZ 48/135 = Arb 9427 mwN). Entscheidend ist, was der Partner bei sorgfältiger Würdigung dem Erklärungsverhalten entnehmen kann, welchen Eindruck die Arbeitnehmer von dem schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mussten, nicht aber das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers (Arb 9430; SZ 46/9; MietSlg 24080; ZAS 1967,139 uva). |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Eugen P*****, vertreten durch Hajek & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, wider die beklagte Partei Pensionsfonds der B*****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen 8.529,87 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 156/06d-17 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach den Feststellungen wurden die Ruhegenüsse der Pensionisten der B***** bis über Jahrzehnte hinweg immer auf der Basis eines genau definierten Aktivbezugs der Bezugsordnung erhöht. In der Pensionsordnung selbst, die ebenso wie die Bezugsordnung als Vertragsschablone gilt, die durch einzelarbeitsvertragliche Unterwerfung Geltung erlangte (RIS-Justiz RS0114722; 9 ObA 214/00m), ist die Pensionsanpassung nicht geregelt.
Die darauf beruhende Beurteilung der Vorinstanzen, die einseitige Änderung der Pensionsberechnung durch die Beklagte, die ab den Ruhegenuss des Klägers nur mehr im Ausmaß der Pensionserhöhungen im öffentlichen Dienst erhöhte, greife in unzulässiger Weise in eine betriebliche Übung ein, ist zumindest vertretbar: Die Frage, ob der Arbeitgeber durch die regelmäßige, vorbehaltslose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit der Arbeitnehmer eine Betriebsübung begründete, die zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge wurde, kann stets nur anhand der konkreten Umstände begründet werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht vorliegt (9 ObA 165/05p; 9 ObA 70/04s; siehe auch die ebenfalls den Kläger betreffende, auf andere Bezugszeiträume bezogene Entscheidung 9 ObA 126/04a).
Bei dem Argument, es stehe fest, dass sich die Beklagte auch in der Vergangenheit immer an den Pensionserhöhungen im öffentlichen Dienst orientiert habe, übersieht die Revision, dass entscheidend ist, was der Partner bei sorgfältiger Würdigung des Erklärungsverhaltens entnehmen kann, welchen Eindruck also die Arbeitnehmer von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften (RIS-Justiz RS0014489; RS0014154). Aus dieser Sicht stand die Anpassung entsprechend der jeweiligen Anpassung der Aktivbezüge im Vordergrund, nicht aber die Tatsache, dass sich die vorgenommenen Anpassungen nach den historisch bedingten, jedenfalls bis zur Änderung der Pensionsberechnung nicht offen gelegten Motiven der Beklagten an den Pensionserhöhungen im öffentlichen Dienst orientierten.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ARD 5879/7/2008 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2007:008OBA00039.07D.1011.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAD-98000