OGH vom 29.09.2010, 9ObA145/09b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten B*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) T***** AG, *****, und 2.) T*****Netz AG, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ArbVG (Streitwert 21.800 EUR), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 45/09d 30, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cga 132/07b 25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Revision der zweitbeklagten Partei Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben:
„1.) Der erstbeklagten Partei gegenüber wird festgestellt, dass für sämtliche Meister der Montageeinheiten der erstbeklagten Partei die bis zum laufende Betriebsübung, wonach für die zusätzlich zur Mitarbeit vor Ort bei der Montage zu verrichtende Baustellenorganisation und administration, insbesondere für das Erstellen der Bautagesberichte, ein pauschaliertes Entgelt in der Höhe einer Arbeitsstunde täglich zu verrechnen und auszubezahlen ist, zum Inhalt des jeweiligen individuellen Arbeitsvertrags der jeweiligen Meister der Montageeinheiten wurde, sodass die erstbeklagte Partei verpflichtet ist, diese Bezüge weiterhin als individuellen Entgeltsbestandteil an die jeweiligen Meister der Montageeinheiten auszubezahlen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.381,24 EUR (darin 563,54 EUR USt) anteilig bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 922,20 EUR (darin 153,70 EUR USt) anteilig bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
2.) Das Begehren, es werde der zweitbeklagten Partei gegenüber festgestellt, dass für sämtliche Meister der Montageeinheiten der beklagten Parteien die bis zum laufende Betriebsübung, wonach für die zusätzlich zur Mitarbeit vor Ort bei der Montage zu verrichtende Baustellenorganisation und administration, insbesondere für das Erstellen von Bautagesberichten, ein pauschaliertes Entgelt in der Höhe einer Arbeitsstunde täglich zu verrechnen und auszubezahlen ist, zum Inhalt des jeweiligen individuellen Arbeitsvertrags der jeweiligen Meister der Montageeinheiten wurde, sodass die beklagten Parteien verpflichtet sind, diese Bezüge weiterhin als individuellen Entgeltbestandteil an die jeweiligen Meister der Montageeinheiten auszubezahlen, wird abgewiesen .
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 922,20 EUR (darin 153,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 664,92 EUR (darin 110,82 EUR USt) anteilig bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 664,92 EUR (darin 110,82 EUR USt) anteilig bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Erstbeklagte ist die Konzernmutter des Konzerns „T*****“, die Zweitbeklagte ist als eine Konzerngesellschaft eine Tochtergesellschaft der Erstbeklagten. Die Erstbeklagte ist ein Stromversorgungsunternehmen und führte früher auch den Netzbetrieb (Errichtung, Erhaltung und Reparatur des Stromnetzes), musste diesen jedoch an die dafür gegründete Zweitbeklagte ausgliedern. Im Zuge dieser Ausgliederung schloss die Erstbeklagte mit ihren Angestellten, so auch mit den Meistern der Montageeinheiten, Änderungen der Arbeitsverträge ab, denen zufolge die Arbeitsverhältnisse nicht von der Erstbeklagten auf die Zweitbeklagte übergehen, sondern die betroffenen Personen des Netzbetriebs weiterhin Arbeitnehmer der Konzernmutter bleiben und der Zweitbeklagten dauernd überlassen werden sollten. Insbesondere hieß es in diesen Änderungen:
…
„...
3.) Änderung des Arbeitsvertrags in Anbetracht der Überlassung.
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, den persönlichen und sachlichen Weisungen der T*****Netz AG Folge zu leisten. Die T*****Netz AG darf jedoch keine Weisungen erteilen, die in das Rechtsverhältnis des Arbeitnehmers zur T***** (Anmerkung: Erstbeklagte) eingreifen. Die T*****Netz AG wird insbesondere die Aufbau und Ablauforganisation sowie die Prozessabläufe für den Übertragungs und Verteilernetzbetrieb vorgeben.
(2) Der Arbeitnehmer wird von der Netzgesellschaft nur im Bereich des Bundeslandes ***** eingesetzt werden, es sei denn, zwischen ihm und der T*****Netz AG wird eine andere Vereinbarung getroffen. Die Verpflichtung zu Dienstreisen im üblichen Ausmaß bleibt davon unberührt.
(3) ...
(4) …
(5) Erklärungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsvertrags bleiben der T***** vorbehalten.
(6) Im Übrigen bleiben die bisherigen Vereinbarungen zwischen der T***** und dem Arbeitnehmer aufrecht, soweit sie nicht mit den hiermit getroffenen Vereinbarungen in Widerspruch stehen.“
Die Gehälter einschließlich Aufwandsentschädigung wurden weiterhin von der Erstbeklagten zur Auszahlung gebracht, nachdem ihr die Zweitbeklagte die zur Berechnung der Gehälter bzw Aufwandsentschädigungen notwendigen Daten mitgeteilt hatte. Die entsprechenden Personalkosten werden der Erstbeklagten von der Zweitbeklagten ersetzt. Die Erstbeklagte hat unter anderem auch eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 94 Z 72 GewO 1994, doch spielt die Überlassung von Arbeitskräften im Betrieb der Erstbeklagten eine untergeordnete Rolle, eine Überlassung von Arbeitskräften außerhalb der Konzernfamilie findet mit Ausnahme von ein bis zwei Arbeitnehmern nicht statt. Insgesamt werden etwa 550 bis 570 Arbeitnehmer von der Erstbeklagten beschäftigt und der Zweitbeklagten, sowie eine Handvoll Arbeitnehmer weiteren Unternehmen im Konzern überlassen. Bis 1997 war der Dienstort der Meister der Montageeinheiten I***** gewesen, in weiterer Folge wurden diese nach T***** übersiedelt. Dort waren sie bis zum stationiert, wobei sie Montagearbeiten auf verschiedenen Baustellen in ***** erbrachten. Seit 1974 (ein genauerer Zeitpunkt ist nicht feststellbar) wurde den Meistern der Montageeinheiten eine „Schreibstunde“ zugestanden. Mit dieser sollten die von den Meistern der Montageeinheiten neben ihrer Tätigkeit auf der Baustelle außerhalb der Normalarbeitszeit auch zum Teil von zu Hause aus zu erbringenden Verwaltungstätigkeiten, wie diverse Tätigkeiten im Rahmen der Baustellenorganisation und administration, insbesondere auch jene des Erstellens der Bautagesberichte, abgegolten werden. Diese „Schreibstunde“ wurde als Überstunde ohne Zuschlag verrechnet, wobei sie entweder ausbezahlt oder in Zeit abgegolten wurde. Diese „Schreibstunde“ wurde von den Meistern der Montageeinheiten in unterschiedlichem Ausmaß in Anspruch genommen (weitere Feststellungen sind hierzu nicht möglich). Die Erstbeklagte zahlte den jeweiligen Meistern der Montageeinheiten die ganze Zeit über bis die „Schreibstunden“ aus bzw gewährte entsprechenden Zeitausgleich, und zwar unabhängig von der konkreten Arbeitszeitregelung, sofern der jeweilige Montagemeister an einem Tag, an dem er gearbeitet hatte, diese „Schreibstunde“ geltend gemacht hatte, und zwar ohne jegliche Kontrolle, welche konkreten Tätigkeiten dieser „Schreibstunde“ zugrunde gelegen waren bzw wann und wo sie erbracht worden waren. Auch wurde nie auf eine Freiwilligkeit, Unverbindlichkeit oder jederzeitige Widerruflichkeit dieser Zahlungen bzw Abgeltungen in Zeitausgleich hingewiesen.
Im Rahmen der vorerwähnten Umstrukturierung wurde ab der Stützpunkt T***** der Montageeinheiten aufgelassen, die Meister der Montageeinheiten wurden einer der sieben Regionalstellen (*****) fix zugeteilt. Seitdem sind sie für mehr Mitarbeiter als zuvor verantwortlich, können sich aber mit zur Verfügung gestellten Laptops vor Ort in das Netz der Beklagten einloggen. Seit diesem Zeitpunkt sind die Meister der Montageeinheiten weniger im operativen Bereich und mehr im Verwaltungsbereich tätig, wobei aber das genaue Ausmaß der Tätigkeitsänderungen nicht festgestellt werden kann.
Hinsichtlich der „Schreibstunden“ errichteten der Montageleiter der Zweitbeklagten sowie ein Prokurist der Erstbeklagten ein Schriftstück folgenden Inhalts:
„Aufgrund der neuen Organisation ist die Schreibstunde bei den Montagemeistern nicht mehr erforderlich und es gilt folgende Vorgangsweise:
Durch die Versetzung zu den dezentralen Montage/Service Teams haben die Parteien einen festen Dienstort in der Region, in der sie hauptsächlich eingesetzt werden. Für die Erledigung administrativer Tätigkeiten steht ein Notebook und ein Handy zur Verfügung. Es wird den Montagemeistern ein Platz mit Netzwerkanschluss in dem jeweiligen Stützpunkt zur Verfügung gestellt, sodass die administrativen Arbeiten soweit sie nicht ohnehin vor Ort bzw vorzugsweise im Bauwagen erledigt werden können im (nächstgelegenen) Stützpunkt gemacht werden können. In einzelnen Sonderfällen können diese Tätigkeiten auch von zu Hause erledigt werden. Die administrativen Tätigkeiten sind im Rahmen der Normalarbeitszeit bzw des Gleitzeitrahmens nach jeweiligem Aufwand durchzuführen und zu verrechnen.“ Weder der Betriebsrat noch die betroffenen Montagemeister stimmten dem Entfall der „Schreibstunden“ zu.
Mit seiner Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG begehrt der bei der Erstbeklagten eingerichtete Angestelltenbetriebsrat die aus dem Spruch (1) hervorgehende Feststellung hinsichtlich beider Beklagter. Anlässlich der Ausgliederung des Netzbetriebs sei eine Betriebsvereinbarung gemäß § 62b Abs 2 zweiter Satz ArbVG geschlossen worden, sodass die Aktivlegitimation auch hinsichtlich der Zweitbeklagten bestehe.
Durch die vorbehaltslose langjährige Gewährung der „Schreibstunden“, deren konkreter Nachweis nie verlangt worden sei, sei eine Betriebsübung entstanden, die den Montagemeistern einen den Arbeitsvertrag ergänzenden individuellen Entgeltanspruch gegenüber der Erstbeklagten einräume. Die einseitige Einstellung dieser Zahlungen bzw der Gewährung von Zeitausgleich widerspreche daher den Arbeitsverträgen der Montagemeister. Insbesondere sei keine Änderung im Rahmen der Arbeitsleistungen eingetreten, sodass auch keine sachliche Rechtfertigung für eine Einschränkung vorliege.
Die Haftung der Zweitbeklagten gründete der Kläger darauf, dass die Abschaffung der „Schreibstunden“ im Einvernehmen zwischen Erst und Zweitbeklagter erfolgt sei, dieses „Zusammenwirken“ rechtfertige die Inanspruchnahme beider Beklagter zur ungeteilten Hand. Darüber hinaus liege aber auch eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des AÜG vor, sodass die Zweitbeklagte auch im Rahmen ihrer Bürgschaftsverpflichtung nach § 14 AÜG für die von der Erstbeklagten verweigerten Lohnauszahlungen hafte.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens: Die „Schreibstunden“ seien nur für konkrete, über das normale Arbeitsausmaß hinausgehende Leistungen gewährt worden. Diese Mehrarbeiten haben sich dadurch ergeben, dass die Montagemeister früher wesentlich mehr Baustellenbesuche absolvieren haben müssen und dabei nicht ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt haben, vor Ort die administrativen Angelegenheiten zu erledigen. Mit der Zuteilung zu den Regionalstellen sei jedoch eine entsprechende Vereinfachung der Arbeiten vonstatten gegangen, die Montagemeister könnten sich mit den ihnen zur Verfügung gestellten Laptops jederzeit sowohl bei den Regionalstellen als auch teilweise vor Ort einloggen, ohne dass eine über die normale Arbeitszeit hinausgehende Leistung erforderlich sei.
Die Zweitbeklagte bestritt darüber hinaus, dass sie in irgendeiner Weise für die „Schreibstunden“ hafte, zumal sie der Erstbeklagten gegenüber keine Weisungen erteilen könne und die Lohnverrechnung und auszahlung ausschließlich Sache der Erstbeklagten als Arbeitgeberin der Montagemeister sei. Von einem „Zusammenwirken“ könne daher keine Rede sein. Die Bestimmungen des AÜG, insbesondere § 14 AÜG, seien auf die Zweitbeklagte nicht anzuwenden, weil eine Überlassung im Konzern (§ 1 Abs 2 Z 5 AÜG) vorliege und die Überlassung nicht zum Betriebszweck der Erstbeklagten gehöre. Die Überlassung erfolge auch nicht reglementiert iSd § 1 Abs 3 AÜG.
Die Zweitbeklagte bestritt im Revisionsverfahren nicht mehr die auf § 62b Abs 2 ArbVG gestützte Aktivlegitimation des klagenden Betriebsrats.
Das Erstgericht gab, ausgehend von den eingangs gerafft wiedergegebenen Feststellungen, dem Klagebegehren hinsichtlich beider Beklagter Folge. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass durch die jahrelange vorbehaltlose Gewährung der „Schreibstunden“ an die Montagemeister eine Betriebsübung entstanden sei, die zum Inhalt der Einzelverträge geworden und daher nicht mehr widerruflich sei. Die Haftung der Zweitbeklagten begründete das Erstgericht damit, dass diese bei der Einschränkung der „Schreibstunden“ mit der Erstbeklagten zusammengewirkt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es teilte dessen Rechtsauffassung sowohl hinsichtlich der Betriebsübung als auch der Mithaftung der Zweitbeklagten durch deren Zusammenwirkung bei der Einstellung der Auszahlung der „Schreibstunden“. Überdies stützte es die Mithaftung der Zweitbeklagten auch auf § 14 AÜG. Die Zweitbeklagte könne sich nicht auf das Konzernprivileg berufen, zumal die Erstbeklagte auch über eine Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes der Arbeitskräfteüberlassung verfüge. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig ist, weil zur Frage der Haftung der Zweitbeklagten als Bürgin/Ausfallsbürgin bzw Mitschuldnerin nach dem AÜG im Hinblick auf § 1 Abs 2 Z 5 und Abs 3 AÜG in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten würden und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung beider Beklagter aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage hinsichtlich beider Beklagter abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, diejenige der Zweitbeklagten auch berechtigt.
Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die beklagten Parteien die auf § 62b Abs 2 zweiter Satz ArbVG gestützte Legitimation des klagenden Betriebsrats hinsichtlich der Zweitbeklagten nicht mehr bestreiten, sodass eine diesbezügliche Prüfung zu unterbleiben hat.
1.) Zur Entstehung einer Betriebsübung:
Das Berufungsgericht hat das Entstehen der Betriebsübung „Schreibstunde“ zutreffend bejaht. Es kann daher diesbezüglich auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist zu diesem Punkt auszuführen:
Den Revisionswerberinnen ist zwar dahin beizupflichten, dass die mangelnde Kontrolle der Arbeitszeiten der Montagemeister allein noch keine Betriebsübung zu begründen vermag. Die Beklagten übersehen jedoch die weitere Feststellung, dass die Meister der Montageeinheiten nunmehr für mehr Mitarbeiter verantwortlich sind als früher und dass eine Feststellung zum Ausmaß der Tätigkeitsverschiebung nicht getroffen werden kann. Unstrittig ist, dass die Meister der Montageeinheiten zwar „mehr im Verwaltungsbereich“ tätig sind, aber nach wie vor auch operative Tätigkeiten an Baustellen zu verrichten haben, während derer die Verwaltungstätigkeiten nicht durchgeführt werden können. Inhaltlich stellten sich die „Schreibstunden“ als Pauschalabgeltung dar, die im Falle der Geltendmachung durch entsprechende Entlohnung oder Zeitausgleich entrichtet wurde. Allein durch die Verschiebung des Tätigkeitsschwergewichts ist aber nicht der Beweis erbracht, dass die Tätigkeiten, die eine nicht im Einzelnen feststellbare Mehrarbeit gebracht haben, zur Gänze weggefallen sind. Es ist daher vom aufrechten Bestand der die Individualverträge ergänzenden Betriebsübung auszugehen und somit an der Verpflichtung der Erstbeklagten festzuhalten, auch weiterhin die „Schreibstunden“ zu honorieren.
2.) Zur behaupteten Mithaftung der Zweitbeklagten durch „Zusammenwirken“:
Der Kläger macht damit wohl einen schadenersatzrechtlichen Anspruch geltend. Entgegen der Interpretation der Vorinstanzen gibt das vom Montageleiter der Zweitbeklagten mit dem Prokuristen der Erstbeklagten verfasste Schreiben aber keinen Anlass zur Annahme einer Anstiftung, die Erstbeklagte möge künftig entgegen einer vorhandenen Verpflichtung den Lohnbestandteil „Schreibstunde“ nicht mehr auszahlen. Das zitierte Schreiben gibt lediglich die Meinung der betreffenden Personen wieder, dass durch die fixe Zuteilung der Meister der Montageeinheiten zu Regionalstellen eine Arbeitserleichterung und verkürzung eingetreten sei. Da aber, wie festgestellt (und aufgrund der festgestellten Konzernstruktur wohl auch evident) die Zweitbeklagte der Erstbeklagten keinerlei Weisungen betreffend Lohnabrechnung und auszahlung erteilen konnte, bleiben das behauptete „Zusammenwirken“ und die darauf gegründete Haftung im Dunkeln. Auch wurde weder dargetan noch festgestellt, dass die Zweitbeklagte der Erstbeklagten unvollständige oder unrichtige Lohnverrechnungsunterlagen zur Verfügung gestellt hätte. Auf das bloße „Zusammenwirken“ kann daher das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Zweitbeklagten nicht erfolgreich gestützt werden.
3.) Zur Anwendung des AÜG, insbesondere dessen § 14, im Verhältnis zur Zweitbeklagten:
Gemäß § 1 Abs 2 Z 5 AÜG ist die Überlassung von Arbeitskräften zwischen Konzernunternehmen innerhalb eines Konzerns iSd § 15 des AktG 1965, BGBl Nr 98, und des § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl Nr 58/1906, vom Geltungsbereich der Abschnitte II bis IV dieses Gesetzes (Anm: dies sind die §§ 5 bis 22) ausgenommen, soferne der Sitz und der Betriebsstandort beider Konzernunternehmen innerhalb des EWR liegt und die Überlassung nicht zum Betriebszweck des überlassenden Unternehmens gehört; gemäß § 1 Abs 3 AÜG ist der Abschnitt III (§§ 10 bis 14) dieses Bundesgesetzes nur auf die reglementierte Überlassung von Arbeitskräften (§ 94 Z 72 GewO 1994, BGBl Nr 194) anzuwenden. Nach § 94 Z 72 GewO 1994 zählt die Überlassung von Arbeitskräften zu den reglementierten Gewerben. Gemäß § 135 Abs 2 Z 4 GewO 1994 gilt die Überlassung von Arbeitskräften zwischen Konzernunternehmen innerhalb eines Konzerns iSd § 15 des AktG 1965, BGBl Nr 98 und des § 115 des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl Nr 58/1906, nicht als reglementiertes Gewerbe gemäß § 94 Z 72 GewO 1994, sofern die Überlassung nicht zum Betriebszweck des überlassenden Unternehmens gehört.
Im vorliegenden Fall kann nicht strittig sein, dass ein Konzern vorliegt und die beklagten Gesellschaften zueinander im Verhältnis des § 15 Abs 2 AktG stehen.
Zentrale Frage für die Anwendung des § 1 Abs 2 Z 5 AÜG bzw § 1 Abs 3 AÜG ist daher, ob der Betriebszweck der Erstbeklagten, deren Angestellte an die Zweitbeklagte überlassen wurden, in der Überlassung von Arbeitskräften liegt. Das Vorhandensein einer entsprechenden Gewerbeberechtigung könnte zwar ein Indiz dafür sein, doch kann dieses Formalkriterium für eine abschließende Beurteilung nicht genügen, ohne auch die Umstände des konkreten Falls in Betracht zu ziehen.
In der Literatur ist umstritten, wann Überlassungen zum Betriebszweck zu rechnen sind. Jabornegg (Arbeitsvertragsrecht im Konzern, DRdA 2002, 118, 121) nimmt dies schon dann an, wenn für eine nicht ganz unbedeutende Anzahl von Arbeitnehmern im Konzernbereich kein eigener Arbeitsplatz existiert und diese daher nur zum Zwecke der Überlassung an andere Konzernunternehmen beschäftigt werden. Nach Kreil (Arbeitsverhältnisse im Konzern 89 f) kommt es darauf an, ob Arbeitskräfte eines Konzernunternehmens fortgesetzt, regelmäßig und in erheblichem Ausmaß an andere Unternehmen überlassen werden. Mazal (Eine Arbeitnehmerin ist Aushilfskraft in mehreren Konzernunternehmen, DRdA 1989, 216 f) stellt darauf ab, ob die überlassende Konzernunternehmung Überlassungen auch an Beschäftiger vornimmt, die außerhalb des Konzernverbundes stehen. Nach Schima (Arbeitskräfteüberlassung und Konzernprivileg, insbesondere bei grenzüberschreitender Überlassung, RdW 1992, 114 f) kommt es darauf an, dass der Anteil der überlassenen Arbeitskräfte im Vergleich zur Gesamtbelegschaft unbedeutend ist. Nach Geppert (AÜG 29) und Schindler (ZellKomm § 1 AÜG Rz 28) ist der Betriebszweck des konzernangehörigen Unternehmens dann die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die Überlassung in Erwerbsabsicht betrieben wird, und zwar auch dann, wenn sie nicht das vorwiegende Geschäftsfeld ist. Sacherer/Schwarz (AÜG 2 , 89) und Tomandl (Arbeitskräfteüberlassung, 54 f) sehen die Konzernleihe dann als privilegiert an, wenn die Überlassung nur vereinzelt aus besonderen Anlassfällen und im Rahmen der wirtschaftlichen Kooperation zwischen Konzernunternehmen mit eigenem fachlichem Aufgabenbereich erfolgt.
Ohne dass es hier einer abschließenden Stellungnahme bedarf, ist den Meinungen von Sacherer/Schwarz und Tomandl zuzubilligen, dass sie den Intentionen des Gesetzgebers, die besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten innerhalb eines Konzerns zu berücksichtigen (EBRV 450 BlgNR 17. GP, 16), am nächsten kommen. Insbesondere sollte die Einräumung einer ausreichenden Flexibilisierung bei der Abdeckung auftretender Personalengpässe im Konzernbereich dazu gehören (Tomandl aaO 54). Ein Überschreiten der der privilegierten „Konzernleihe“ gezogenen Grenzen wird aber dann zu verneinen sein, wenn Arbeitskräfte im Zuge von Ausgliederungen an das ausgegliederte Unternehmen überlassen werden, um einen Arbeitgeberwechsel zu vermeiden ( Sacherer/Schwarz , Arbeitskräfteüberlassungsgesetz 2 89; Tomandl aaO 54; Kreil, Arbeitsverhältnisse im Konzern, 90). Auch Gahleitner (Arbeitskräfteüberlassung und Betriebsübergang DRdA 1994, 380, 386) sieht die Überlassung dann nicht zum Betriebszweck des überlassenden Unternehmens im Konzern gehörend an, wenn die Überlassung von Arbeitskräften vor allem im Interesse der Arbeitnehmer vereinbart wird und das überlassende Unternehmen im Vergleich zum ex lege Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber keinen wirtschaftlichen Vorteil daraus zieht.
Bezogen auf den konkreten Fall bedeutet dies Folgendes:
Entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl § 1 Abs 6 des Tiroler Elektrizitätsgesetzes 2003 TEG) war die Erstbeklagte als vertikal integriertes Elektrizitätsunternehmen verpflichtet, den Betrieb des Verteiler und Übertragungsnetzes hinsichtlich Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt einem unabhängigen Netzbetreiber zu übertragen (s insb § 38 Abs 2, § 40 Abs 3 und § 73 Abs 7 TEG 2003 idF LGBl Nr 83/2005). Die Gründung der Zweitbeklagten als selbständige Gesellschaft und die Übertragung des Netzbetriebs auf diese war somit eine gesetzliche Notwendigkeit. Die im Einvernehmen mit den betroffenen Arbeitnehmern, insbesondere den Meistern der Montageeinheiten, vorgenommene Änderung der Arbeitsverträge, der zufolge sie Arbeitnehmer der Erstbeklagten bleiben und von dieser an die Zweitbeklagte wegen der notwendigen Ausgliederung überlassen werden, ist eine Konzernüberlassung infolge Ausgliederung, wie zuvor aufgezeigt, und entspringt daher nicht dem Betriebszweck der überlassenden Erstbeklagten und zielt insbesondere auch nicht darauf ab, entweder die Regeln des § 3 AVRAG oder des AÜG zu umgehen (vgl Gahleitner aaO).
Die vom Kläger erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, dass die Erstbeklagte verpflichtet sei, der Zweitbeklagten auch künftig entsprechendes Personal zur Verfügung zu stellen, ist als unzulässige Neuerung unbeachtlich.
Allein der Umstand, dass sich die Erstbeklagte im Besitz einer Gewerbeberechtigung nach § 94 Z 72 GewO 1994 befindet, kann daher unter den vorgenannten Prämissen nicht zur Annahme führen, dass die konkrete Überlassung der Meister der Montageeinheiten dem Betriebszweck der Erstbeklagten entsprach. Damit können sich die Beklagten auf das Konzernprivileg des § 1 Abs 2 Z 5 AÜG und die Ausnahme des § 135 Abs 2 Z 4 GewO 1994 berufen. Daraus folgt, dass § 14 AÜG (auch kraft § 1 Abs 3 AÜG) nicht zur Anwendung kommen kann.
Zusammenfassend fehlt es daher an einem Rechtsgrund, die Zweitbeklagte in die vom Feststellungsbegehren beabsichtigte Haftung miteinzubeziehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf § 41 iVm § 50 ZPO. Im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG gelten wie schon vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über den Kostenersatz ( Neumayr in ZellKomm § 58 ASGG Rz 1; 9 ObA 24/09h). Der Kläger hat daher durchgehend Anspruch auf vollen Kostenersatz gegenüber der unterliegenden Erstbeklagten, der sich mit der Hälfte der gegenüber beiden Beklagten aufgewendeten Kosten bemisst. Im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war zu berücksichtigen, dass die Schriftsätze ON 11 und ON 21 weder nach § 257 Abs 3 ZPO zulässig waren noch vom Gericht aufgetragen wurden, sodass diese nur nach TP 2 RATG zu honorieren sind (RIS Justiz RS0121828). Die Zweitbeklagte hat gegenüber dem Kläger Anspruch auf vollen Kostenersatz, der sich ebenfalls mit der Hälfte der von beiden Beklagten aufgewendeten Kosten bemisst. Für das Verfahren erster Instanz konnten Kosten aber nicht zuerkannt werden, da solche von der Zweitbeklagten nicht verzeichnet wurden.