VfGH vom 10.03.1993, b371/92
Sammlungsnummer
13325
Leitsatz
Aufhebung eines Grunderwerbsteuer wegen Tausches von Miteigentumsanteilen vorschreibenden Bescheides; gleichheitswidrige Gesetzesauslegung durch Versagung der Anwendung des Befreiungstatbestandes des § 3 Abs 2 GrEStG 1987 für die flächenmäßige Aufteilung einer wirtschaftlichen Einheit
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau waren zu je 192/738 Miteigentümer der Liegenschaft EZ 2975 Grundbuch Aigen, bestehend aus dem Grundstück 282/49 Garten, und schlossen am mit den beiden übrigen Miteigentümern (zu je 177/738 Anteilen) einen Vertrag über die Aufteilung des gemeinsamen Grundstücks im Wert der jeweiligen Anteile derart, daß diesen je zur Hälfte ein neu gebildetes Grundstück 282/74 zufiel, während dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau je zur Hälfte der Rest des Grundstücks 282/49 verblieb.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion wurde dem Beschwerdeführer wegen des darin liegenden Tausches von Miteigentumsanteilen Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Die angestrebte Befreiung nach § 3 Abs 2 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) 1987 setze die flächenmäßige Aufteilung einer wirtschaftlichen Einheit voraus. Nach § 1 Abs 2 Bewertungsgesetz seien die Bestimmungen über die Einheitsbewertung auch im Grunderwerbsteuerrecht maßgeblich. Die Abgabenbehörde sei an die im Bewertungsverfahren getroffenen Feststellungen des Lagefinanzamtes gebunden. Nach den Einheitswertbescheiden seien im Zeitpunkt des Abschlusses des Realteilungsvertrages bereits zwei wirtschaftliche Einheiten (nämlich Wohnungseigentum des jeweiligen Ehepaares) vorhanden gewesen. Die Teilung mehrerer wirtschaftlicher Einheiten sei aber keine Teilung eines Grundstücks der Fläche nach, sondern eine Vermögensauseinandersetzung, die nicht von der Grunderwerbsteuer befreit sei.
Gegen diese Vorschreibung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums gerügt wird. Das Gesetz sei willkürlich angewendet und es sei ihm ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden.
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Nach § 1 Abs 1 Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. 309, unterliegen die dort genannten Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, soweit sie sich auf (inländische) Grundstücke beziehen.
§ 3 Abs 2 GrEStG 1987 enthält folgende Ausnahme von der Besteuerung:
"Wird ein Grundstück, das mehreren Miteigentümern gehört, von diesen der Fläche nach geteilt, so wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Wert des Teilgrundstückes, das der einzelne Erwerber erhält, dem Bruchteil entspricht, mit dem er am gesamten zu verteilenden Grundstück beteiligt ist."
Unter Grundstücken im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zu verstehen (§2 Abs 1 Satz 1). Bezieht sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke, die zu einer wirtschaftlichen Einheit gehören, so werden diese Grundstücke als ein Grundstück behandelt (§2 Abs 3 Satz 1), bezieht er sich auf einen oder mehrere Teile eines Grundstücks, so werden diese Teile als ein Grundstück behandelt (§2 Abs 3 Satz 2).
Der Befreiungstatbestand des § 3 Abs 2 fand sich unter der Rubrik "Umwandlung von gemeinschaftlichem Eigentum in Flächeneigentum" nahezu wörtlich gleichlautend schon in § 7 Abs 1 GrEStG 1940. Er sollte jene Härte beseitigen, die darin liegt, daß bei letztlich gleichbleibender Berechtigung - statt Quoteneigentum nunmehr Flächeneigentum - Steuer anfällt (Boruttau-Klein, Das Grunderwerbsteuergesetz, 1940, 227 iVm 219).
Im GrEStG 1955 erhielt der Tatbestand die Überschrift "Teilung eines Grundstückes der Fläche nach", was in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (556 BlgNR 7.GP) so motiviert ist:
"Die derzeitige Überschrift zu dieser Bestimmung hat vielfach zu der Ansicht Anlaß gegeben, daß die Begünstigung des § 7 auch bei Teilung mehrerer Grundstücke anzuwenden ist. Um jeden Zweifel auszuschließen, daß mit dieser Gesetzesstelle nur die Teilung eines Grundstückes (einer wirtschaftlichen Einheit) im Sinne des § 2 GrEStG, nicht aber einer Mehrheit von Grundstücken (wirtschaftlichen Einheiten) begünstigt werden soll, wurde die Überschrift in 'Teilung eines Grundstückes der Fläche nach' geändert."
Der Text des § 7 Abs 1 GrEStG 1955, der den Inhalt des Gesetzes ungeachtet geringfügiger sprachlicher Änderungen in der Sache unverändert gelassen hat (VwSlg. 3108/1964 F), wurde seinerseits unverändert in das GrEStG 1987 übernommen. Es ist daher davon auszugehen, daß die Regelung keinerlei inhaltliche Änderung erfahren hat.
2. Gegenstand eines grunderwerbsteuerpflichtigen oder von der Grunderwerbsteuer befreiten Rechtsvorganges kann ein Grundstück (§2 Abs 1, allenfalls - was hier nicht in Betracht kommt - auch ein ihm gleichgestelltes Objekt nach § 2 Abs 2) oder Grundstücksteil (§2 Abs 3 Satz 2) oder aber eine wirtschaftliche Einheit aus mehreren Grundstücken sein (§2 Abs 3 Satz 1). Das Erfordernis der wirtschaftlichen Einheit ist für den Fall angeordnet, daß sich ein Rechtsvorgang auf mehrere Grundstücke bezieht.
Jedenfalls im ursprünglichen Text des GrEStG war der Begriff des Grundstücks im Sinne des deutschen bürgerlichen Rechts zu verstehen, nach dem jedes Grundstück im Grundbuch eine besondere Stelle erhält ("Grundbuchsblatt", § 3 Grundbuchsordnung, RGBl. 139/1897 idF RGBl. I 1073/1935). Diesem Begriff entspräche die im österreichischen Grundbuchsrecht als "Grundbuchskörper" bezeichnete rechtliche Einheit (§3 Grundbuchsgesetz, BGBl. 39/1955), die ihrerseits aus einem oder mehreren Grundstücken (Parzellen) bestehen kann (§5 Allgemeines Grundbuchsanlegungsgesetz, BGBl. 2/1930), welche im Grenz- oder Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet sind (§7a Vermessungsgesetz, BGBl. 306/1968 idF 238/1975). Ob unter Grundstück im Sinne des GrEStG folglich der Grundbuchskörper als Einheit des Liegenschaftsrechts oder doch das Grundstück (die Parzelle) im Sinne des Katasterrechts als technische Einheit auch des Grundbuchsrechts zu verstehen ist, muß hier allerdings nicht geklärt werden. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich nicht nur um einen einzelnen Grundbuchskörper, sondern zugleich um eine einzige Parzelle. Es kann also vom Wortlaut des Gesetzes her nicht bezweifelt werden, daß es sich um ein Grundstück im Sinne des § 2 Abs 1 Satz 1 GrEStG handelt, sodaß es auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit, wie sie in § 2 Abs 3 Satz 1 für die einheitliche grunderwerbsteuerliche Behandlung eines auf mehrere Grundstücke bezogenen Vorganges gefordert wird, nicht ankommt.
Eine den Wortlaut des Gesetzes berichtigende Auslegung verbietet sich aber schon aus verfassungsrechtlichen Gründen. Es ist nämlich kein vernünftiger Grund erkennbar, der es rechtfertigen könnte, die bloße Umwandlung gemeinschaftlichen Eigentums an einer (nur nach ideellen Quoten zuzuordnenden) sachenrechtlichen Einheit dann grunderwerbsteuerlich zu begünstigen, wenn damit zugleich eine wirtschaftliche Einheit zerteilt wird, die Begünstigung aber zu versagen, wenn die Auflösung der rechtlichen Einheit die Eigentumsverhältnisse bloß mit der bereits erfolgten wirtschaftlichen Trennung in Übereinstimmung bringt. Weder aus der erklärten Zielsetzung des historischen Gesetzgebers noch aus dem Blickwinkel anderer denkbarer Zwecke der in Rede stehenden Begünstigung läßt sich eine solche Differenzierung ableiten und auch andere, von außen hinzutretende Gründe können sie nicht erklären. Eine solche Regelung hätte daher vor dem aus dem Gleichheitssatz fließenden Sachlichkeitsgebot keinen Bestand. Das Erfordernis der wirtschaftlichen Einheit als des einheitsstiftenden Merkmals, das die Zusammenfassung mehrerer Grundstücke zu einem einheitlichen grunderwerbsteuerlichen Vorgang - also regelmäßig zu Besteuerungszwecken - rechtfertigt und es andererseits - was die Befreiungsbestimmung anlangt - zugleich erlauben mag, den der Teilung eines Grundstücks durch die Miteigentümer entsprechenden wechselseitigen Austausch der Anteilsrechte an mehreren zusammengehörigen Grundstücken von bloßen Vermögensauseinandersetzungen zu unterscheiden, darf daher nicht auf die flächenmäßige Teilung der maßgeblichen (grundbücherlichen und vermessungsrechtlichen) Einheit selbst übertragen werden.
Das von der belangten Behörde zitierte grundlegende Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofs vom , Zl. 680, 681/63 (= VwSlg. 3108/1964 F) betrifft einen Realteilungsvertrag über drei Grundbuchskörper und spricht unter Hinweis auf § 2 Abs 3 GrEStG aus, daß "die körperliche Teilung eines Grundkomplexes, der nach dem Bewertungsrecht in mehrere wirtschaftliche Einheiten zerfällt, nicht mehr nach § 7 Abs 1 GrEStG begünstigt sein" kann. Wenn aus dieser - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Rechtsprechung in der Folge die Unanwendbarkeit der Befreiungsbestimmung auch bei Realteilung einzelner Grundstücke abgeleitet worden sein sollte (der Sachverhalt in VwGH Zl. 1178/66 vom und Zl. 1753/74 vom ist diesbezüglich unklar und die übrigen von der Behörde genannten Entscheidungen betreffen Fälle mit zumindest mehreren Parzellen), könnte der Verfassungsgerichtshof dem aus den genannten Gründen nicht folgen. Die für die Auseinandersetzung in bezug auf mehrere Grundstücke entwickelte Rechtsprechung läßt sich jedenfalls auf die Teilung eines Grundbuchskörpers nicht übertragen, der aus einem einzigen Grundstück besteht (wobei - wie ausgeführt - offengelassen werden muß, ob es auf die Parzelle oder - wenigstens im Regelfall - auf den Grundbuchskörper ankommt).
Vielmehr hat die Behörde dem Gesetz mit ihrer Auslegung fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und daher den Beschwerdeführer nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und - angesichts der bei verfassungskonformer Auslegung denkunmöglichen Steuervorschreibung - auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Der Bescheid ist aufzuheben (§19 Abs 4 VerfGG).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.