zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 07.12.1993, 10ObS244/93

OGH vom 07.12.1993, 10ObS244/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Herbert Vesely (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr.Albin G*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Pils, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Rs 84/93-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 14 Cgs 1051/92-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger studierte in den Jahren 1968 bis 1972 an einer österreichischen Hochschule Rechtswissenschaften und erwarb den akademischen Grad eines Dr.jur. Anschließend trat er zunächst als Vertragsbediensteter in den Verwaltungsdienst beim Amt einer Landesregierung, wo er nunmehr als Landesbeamter eine Abteilung leitet. Von Jänner 1976 bis September 1990 war er auch als Vertragslehrer der Entlohnungsgruppe l 1 an einer Akademie für Sozialarbeit beschäftigt. Er unterrichtete wöchentlich drei bis vier Stunden Studenten des ersten und zweiten Semesters im Gegenstand Rechtskunde. Auf Grund dieser Nebenbeschäftigung war er in der Pflichtversicherung nach dem ASVG versichert und gehörte zur Pensionsversicherung der Angestellten. Infolge seines seit bestehenden psychosomatischen Zustandes ist der Kläger für eine "konkrete Lehrtätigkeit sowie für eine damit eng verwandte Tätigkeit nicht mehr geeignet". Da sich die Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf derartige Tätigkeiten bezieht, ist er zB in seinem Hauptberuf als Verwaltungsjurist weiterhin dienstfähig.

Mit Bescheid vom wies die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Antrag des Klägers vom auf Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit ab.

Das Erstgericht wies das auf Leistung dieser Pension ab gerichtete Klagebegehren ab. Ein Versicherter, der wie der Kläger während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag in mehreren erlernten Berufen tätig gewesen sei, gelte nur dann als berufsunfähig, wenn seine Arbeitsfähigkeit in jedem dieser Berufe auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall, weil er als Jurist beim Amt einer Landesregierung voll arbeitsfähig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, in der dieser unrichtige rechtliche Beurteilung geltend machte, nicht Folge.

Übe ein Dienstnehmer nebeneinander mehrere zu verschiedenen Berufsgruppen gehörende Angestelltentätigkeiten aus, wodurch mehrere Pflichtversicherungsverhältnisse begründet würden, erscheine es widersinnig, seine Berufsunfähigkeit anzunehmen, wenn seine Arbeitsfähigkeit noch für Tätigkeiten einer dieser Berufsgruppen ausreiche. Der Kläger habe zwar nicht zwei Angestelltentätigkeiten nebeneinander ausgeübt. Seine ihm weiterhin mögliche Beamtentätigkeit und seine ihm nicht mehr mögliche Lehrtätigkeit seien aber vornehmlich durch die Verwertung juristischen Fachwissens charakterisiert. Die Lehrtätigkeit sei im insoweit einheitlich zu sehenden Erwerbsleben lediglich als Nebentätigkeit zu werten. Daß der Kläger sein juristisches Fachwissen im Vergleich zu gesunden Versicherten nicht mehr auch (nebenbei) als Lehrer verwerten könne, mache ihn noch nicht berufsunfähig. Ua aus (dem im vorliegenden Fall noch anzuwendenden, durch § 551 Abs 1 ASVG idF SRÄG 1993 [51.ASVGNov] BGBl 335 mit aufgehobenen) § 273 Abs 3 ASVG, der von der Rsp so verstanden werde, daß die Unfähigkeit zur Ausübung einer mit oder neben der Haupttätigkeit verrichteten Nebentätigkeit nur dann zur Berufsunfähigkeit führe, wenn beide Tätigkeiten so verbunden seien, daß sie auf dem Arbeitsmarkt nur zusammen gefragt werden, was beim Kläger nicht der Fall sei, ergebe sich im Größenschluß, daß die Unfähigkeit zu entsprechend zu wertenden Nebentätigkeiten nach § 273 Abs 1 ASVG nicht anders zu beurteilen sei.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das Berufungsurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Als berufsunfähig gilt nach § 273 Abs 1 ASVG der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlich oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines ... gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.

Voraussetzung für die Einreihung des Klägers als Vertragslehrers in die Entlohnungsgruppe l 1 war nach § 40 Abs 2 VBG 1948 BGBl 86 idgF die Erfüllung der für die Verwendung als Lehrer an Akademien für Sozialarbeit im Unterrichtsgegenstand Rechtskunde vorgeschriebenen Ernennungserfordernisse iS des § 202 BDG 1979 und der Anlage 1 zu diesem Gesetz sowie der hiezu ergangenen Übergangsregelungen. Z 23.5 dieser Anlage nennt als Ernennungserfordernisse a) eine dem Unterrichtsgegenstand entsprechende abgeschlossene Hochschulbildung iS des § 35 Allgemeines Hochschul-StudienG und b) eine vierjährige einschlägige Berufspraxis, wovon höchstens zwei Jahre durch eine vor Abschluß des Hochschulstudiums liegende Berufspraxis im Sozialbereich, die zur Hälfte angerechnet wird, ersetzt werden können. Letzteres ist eine Ausnahme vom Grundsatz des § 202 Abs 1 BDG 1979, daß eine Berufspraxis, die im Zusammenhang mit einer abgeschlossenen schulmäßigen Ausbildung oder einer sonstigen Berufsausbildung für Lehrer vorgeschrieben ist, nach Abschluß der vorgeschriebenen Ausbildung zurückzulegen ist.

Ein Lehrer, der an Akademien für Sozialarbeit nur den Unterrichtsgegenstand Rechtskunde unterrichtet, benötigt also eine diesem Gegenstand entsprechende abgeschlossene Hochschulausbildung, die idR ein rechtswissenschaftliches Studium sein wird, und eine vierjährige einschlägige, also regelmäßig juristische Berufspraxis, aber keine pädagogische Ausbildung oder Berufspraxis.

Insbesondere dann, wenn jemand - wie der Kläger - neben seinem juristischen Hauptberuf nur diesen einen Unterrichtsgegenstand unterrichtet, wobei das Ausmaß seiner Lehrverpflichtung wöchentlich nur drei bis vier Unterrichtsstunden beträgt, gehört er auch hinsichtlich seiner Nebenbeschäftigung nicht der Berufsgruppe der Lehrer an, sondern der der Juristen. Diese Berufsgruppe besteht aus Personen, die eine rechtswissenschaftliche Hochschulbildung absolviert haben und durch diese und eine juristische Berufspraxis über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die ihnen die Ausübung vieler Juristenberufe, darunter auch die Erteilung des Rechtskundeunterrichtes an Akademien für Sozialarbeit und des Unterrichtes in ähnlichen Gegenständen an anderen Anstalten, ermöglicht.

Ein Jurist gilt daher erst dann als berufsunfähig iS des § 273 Abs 1 ASVG, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines Gesundheitszustandes auf weniger als die Hälfte eines gesunden Versicherten dieser Berufsgruppe herabgesunken ist. Deshalb könnte zB ein in einem anderen juristischen Beruf nicht mehr arbeitsfähiger, aber noch als Rechtskundelehrer einsetzbarer Versicherter auf diese Tätigkeit verwiesen werden. Umgekehrt kann aber auch ein als Rechtskundelehrer nicht mehr arbeitsfähiger Jurist auf seiner Arbeitsfähigkeit entsprechende andere Juristenberufe verwiesen werden.

Da sich die Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur auf eine konkrete Lehrtätigkeit und eine damit eng verwandte Tätigkeit beschränkt, ist seine Verweisung auf andere Juristenberufe zulässig. Er gilt daher nicht als berufsunfähig iS des § 273 Abs 1 ASVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.