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OGH vom 10.02.1988, 9ObA24/88

OGH vom 10.02.1988, 9ObA24/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh und Franz Breit als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anna H***, Bedienerin, Judendorf-Straßengel, Fabriksstraße 34, vertreten durch Dr.Reinhard T***, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei A***, Stundentenunterstützungsverein, Wien 8., Pfeilgasse 3 a, vertreten durch Dr.Herbert Machatschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 27.971 brutto sA (Revisionsstreitwert S 27.038,87 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 1111/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 36 Cga 1032/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat ihre Revisionskosten selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom bis als Bedienerin beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis, auf welches kein Kollektivvertrag Anwendung fand, endete infolge Kündigung durch die beklagte Partei. Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin eine Abfertigung nach dem Arbeiterabfertigungsgesetz in Höhe von drei Monatsentgelten im Betrag von S 27.971 brutto sA. Die einen solchen Anspruch erst nach längerer Anwartschaftszeit gewährenden Bestimmungen des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes (HGHAngG) stünden ihrem Abfertigungsbegehren nicht entgegen, da sie als Stubenfrau bzw. Bedienerin im Studentenheim keine Leistungen für "Mitglieder des Hausstandes" der beklagten Partei erbracht habe. Ihr Arbeitsverhältnis sei vielmehr dem Mindestlohntarif des Einigungsamtes Graz für Arbeitnehmer, die nicht unter das HGHAngG fallen, jedoch bei Arbeitgebern, die keiner kollektivvertragsfähigen Körperschaft angehören, einschlägige Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten verrichten, unterlegen.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Da die Haupttätigkeit der Klägerin in den den Heimbewohnern zugewiesenen Zimmern erbracht worden sei, sei ihr Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des HGHAngG unterlegen, nach welchen ihr (noch) keine Abfertigungsansprüche zustünden.

Das Erstgericht sprach der Klägerin S 27.038,87 sA zu und wies das Mehrbegehren von S 932,13 sA ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Wochenarbeitszeit der Klägerin betrug 32,5 Stunden. Sie arbeitete unter Einhaltung einer halbstündigen Mittagspause täglich 6 1/2 Stunden von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Hauptsächlich war sie für die Reinigung der 28 Zimmer zuständig, wofür sie eine tägliche Arbeitszeit zwischen 3 und 4 1/2 Stunden aufzuwenden hatte. Ihre übrige Zeit verwendete sie für die Reinigung der Gemeinschaftsräumlichkeiten wie Teeküche, Speiseraum, Zeichensaal, Badezimmer, Duschen, Gänge und Stiegenhäuser.

Die Leistungen der beklagten Partei den Studenten gegenüber beinhaltete die Beistellung der Zimmer einschließlich der Beheizung und der Beleuchtung, der Gemeinschaftsräume wie eines Turnsaals, zweier Fernsehzimmer, eines Zeichensaals pro Stockwerk, eines Fotolabors und eines Musikzimmers. Außerdem wurde den Studenten die Bettwäsche beigestellt und sie hatten die Möglichkeit, zu kochen. Ansonsten wurden vom Heim weder Wasch-, Näh- noch Bügelarbeiten übernommen; eine Waschmaschine ist aber vorhanden. Für Mahlzeiten steht den Studenten eine Kantine zur Verfügung, in der sie gegen Bezahlung essen können.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das bloße Vorhandensein von bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen in Verbindung mit Einzelunterkünften noch keine Hauswirtschaft ausmache. Um vom Bestehen einer Hausgemeinschaft im Sinne der Anwendbarkeit des HGHAngG ausgehen zu können, hätte die beklagte Partei ähnliche Vorsorge wie in einem privaten Haushalt für die persönlichen und privaten Lebensbedürfnisse der Bewohner treffen müssen. Der Klägerin stehe daher eine Abfertigung nach dem Arbeiterabfertigungsgesetz zu, deren Höhe nach der Dienstvereinbarung zu ermitteln sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, daß das HGHAngG 1962 seinen Geltungsbereich gegenüber dem Hausgehilfengesetz 1920 erweitert habe. Durch die Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Hauswirtschaften, die von juristischen Personen für ihre Mitglieder oder Dritte geführt werden, sei die bisher vorgenommene Abgrenzung, wonach Hauswirtschaft gleichbedeutend mit Privatwirtschaft sei, nicht mehr anwendbar. Gemessen an den Leistungen, welche die beklagte Partei für die im Heim wohnhaften Studenten erbringe, handle es sich zwar nicht um eine Hauswirtschaft im engeren Sinn; die Studenten führten im Heim aber selbst Einzelhaushalte, für welche ihnen die beklagte Partei die Klägerin als Bedienerin zur Verfügung gestellt habe. Berücksichtige man, daß die Klägerin im Durchschnitt 3,75 Stunden, sohin mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit dazu verwende, um in den Zimmern der Studenten aufzuräumen, so sei sie mit dem überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit in den Einzelhaushalten der Studenten mit Haushaltsarbeiten beschäftigt gewesen. Ihr Arbeitsverhältnis sei daher den Bestimmungen des HGHAngG unterlegen, nach dessen § 17 ihr eine Abfertigung (außerordentliches Entgelt) erst nach 10 Dienstjahren zugestanden wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilug erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In ihrer Rechtsrüge macht die Revisionswerberin im wesentlichen geltend, daß die beklagte Partei keine Hauswirtschaft für die in ihrem Heim untergebrachten Studenten betreibe, sondern ihnen im Ergebnis lediglich Privatzimmer samt Putzdienst zur Verfügung stelle. Fehle es aber an einer Hauswirtschaft an sich, seien auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin die Bestimmungen des HGHAngG nicht anzuwenden gewesen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten:

Gemäß § 1 Abs 1 HGHAngG 1962 gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für das Dienstverhältnis von Dienstnehmern, die Arbeiten für die Hauswirtschaft des Dienstgebers oder für Mitglieder seines Hausstandes zu leisten haben, gleichgültig, ob sie in die Hausgemeinschaft aufgenommen sind oder nicht. Gemäß § 1 Abs 4 leg cit macht es bei Anwendung des Gesetzes keinen Unterschied, ob die Hauswirtschaft von einer physischen Person oder von einer juristischen Person für deren Mitglieder oder dritte Personen geführt wird. Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ist durch die gegenüber dem vorher geltenden Hausgehilfengesetz 1920 vorgenommene Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Hauswirtschaften, die von juristischen Personen für ihre Mitglieder oder dritte Personen geführt werden, die bisherige Abgrenzung, wonach Hauswirtschaft gleichbedeutend mit Privatwirtschaft sei (vgl. Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte 66 ff; Arb. 7.438), nicht mehr anwendbar (vgl. VwGH Slg. A 11.249 mwH). Der Gesetzgeber wollte auch die bei juristischen Personen, deren Hauswirtschaft in manchen Fällen, zumindest mittelbar, deren Erwerbstätigkeit fördert, tätigen Arbeitnehmern, welche die gleichen Arbeiten wie bei natürlichen Personen beschäftigte Hausgehilfen verrichten, wie etwa Reinigungsfrauen, in den Schutz des Gesetzes einbeziehen (Arb. 10.430 = SZ 57/190 mwH). Abgesehen von den in § 1 Abs 5 HGHAngG vorgesehenen Ausnahmen besteht die einzige Einschränkung darin, daß das Gesetz auf Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern juristischer Personen dann nicht anzuwenden ist, wenn diese durch Kollektivvertrag geregelt sind. Für die Unterordnung eines Arbeitsverhältnisses unter das HGHAngG ist daher entscheidend, welche Tätigkeiten die juristische Person ausübt und ob diese oder allenfalls der Teilbereich, in dem der Arbeitnehmer tätig ist, gleiche oder ähnliche Aufgaben zu erfüllen hat, wie sie in privaten Haushalten anfallen (Arb. 10.430 = SZ 57/190).

Ausgehend von der typischen Erscheinungsform der Hauswirtschaft als Vorsorge für die privaten und persönlichen Lebensbedürfnisse, wie sie sich auch bei von physischen Personen geführten Haushalten ergibt, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Reinigungsfrauen, Stubenmädchen oder Bedienerinnen Tätigkeiten verrichten, die im Rahmen einer Hauswirtschaft erbracht werden können. Vergleicht man nun die Vorsorge der beklagen Partei für ihre Heimbewohner in ihrer Gesamtheit mit jener eines privaten Haushalts, ergibt sich kein essentieller Unterschied. Die Tätigkeit der beklagten Partei beschränkt sich nicht auf die bloße Beherbergung der Studenten, sondern sie stellt den Heimbewohnern im wesentlichen alle Möglicheiten zur Verfügung, die sie in einem Privathaushalt auch wahrnehmen können. Neben der Beistellung der Zimmer und der Bettwäsche gibt es auch eigene Koch- und Waschgelegenheiten. Die weiters vorhandenen Gemeinschaftsräume, wie Badezimmer, Teeküche, Speiseraum, Fernsehküche, Musikzimmer udgl. können vom Aufgabenbereich der beklagten Partei nicht losgelöst und isoliert gesehen werden, da es auch in privaten Haushalten einerseits Gemeinschaftsräume und andererseits Räume zur individuellen Benützung gibt. Auch wenn die beklagte Partei selbst keinen alle Tätigkeiten umfassenden Haushalt führt, werden die Heimbewohner durch ihre Tätigkeit jedenfalls in die Lage versetzt, ihrerseits einen der unmittelbaren Befriedigung ihrer Lebensbedürfnisse dienenden Haushalt zu führen. Soweit ihnen die beklagte Partei dazu die Dienste der Klägerin zu Verfügung stellte

(vgl. VwGH Slg. A 11.249), bedeutet es keinen Unterschied, ob die Klägerin nur für einen Haushalt oder für eine größere Anzahl von im Heim der beklagten Partei geführter Hauswirtschaften gleichzeitig tätig wurde (vgl. Arb. 10.430 = SZ 57/190). Verrichtet aber ein Arbeitnehmer für eine juristische Person Arbeiten, die dann, wenn sie in einem privaten Haushalt verrichtet worden wären, das Arbeitsverhältnis dem HGHAngG unterstellen würde, besteht diesbezüglich kein Kollektivvertrag und liegt - wie hier - auch keine Ausnahme gemäß § 1 Abs 5 HGHAngG vor, dann fällt das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes und ist gemäß § 1 Abs 3 Z 4 ArbAbfG vom Geltungsbereich des Arbeiterabfertigungsgesetzes ausgenommen. Daraus ergibt sich aber die fehlende Berechtigung des Klagebegehrens. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 40 ZPO begründet.