OGH vom 08.08.2007, 9ObA24/07f

OGH vom 08.08.2007, 9ObA24/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Albert K*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Josef Lechner und andere, Rechtsanwälte in Steyr, wegen EUR 39.425,-- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 86/06f-29, womit das Urteil des Landesgerichts Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cga 334/05s-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Arbeitsrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Am hatte der Beklagte als berechtigter Lenker des Kraftfahrzeugs Porsche 911 Carrera 4 Turbo Coupé, polizeiliches Kennzeichen *****, einen Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung. Halterin und Zulassungsbesitzerin des Fahrzeugs war die A***** Handelsvertretungsgesellschaft mbH mit dem Sitz in *****, *****. Dieses Fahrzeug war bei der Klägerin kaskoversichert. Die Klägerin leistete aus dem Versicherungsfall an die A***** Handelsvertretungs GmbH als Versicherungsnehmerin eine Zahlung in Höhe von EUR 39.425,--. Die Ehefrau des Beklagten, Gertrude K*****, ist handelsrechtliche Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der A***** Handelsvertretungs GmbH. Der Beklagte ist Angestellter der Gesellschaft und übt die Funktion eines Prokuristen aus.

Der Beklagte fuhr zur Unfallszeit auf der B 140 im Freilandgebiet von Richtung G***** kommend in Richtung S*****. Im Unfallszeitpunkt regnete es, die Fahrbahnoberfläche war nass. Der Beklagte hielt in Annäherung an die spätere Unfallstelle eine gesicherte Mindestgeschwindigkeit von 135 km/h ein. Bedingt durch die deutlich überhöhte Geschwindigkeit auf der regennassen Fahrbahn, die Spurrillen bis ca 8 mm Tiefe aufwies, und begünstigt durch die gegenüber den Vorderrädern um ca 3 mm geringere - wenn auch noch im gesetzlichen Rahmen befindliche - Profiltiefe an den Hinterrädern kam es durch „Aquaplaning" zu einem Schleudervorgang, bei welchem das Heck des Fahrzeugs ausbrach. Das Fahrzeug kam von der Fahrbahn ab, stieß gegen einen Leitpflock, schlitterte über die Leitschiene, kollidierte mit einem Strommast und kam letztlich wieder auf der Fahrbahn zum Stillstand. Dabei entstand am Fahrzeug wirtschaftlicher Totalschaden. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Unfallsereignis durch einen technischen Defekt am Fahrzeug mitverursacht wurde. Das Fahrzeug wies an sich eine typenscheingerechte Bereifung auf, und zwar an den Vorderrädern Reifen mit der Dimension 225/40 ZR 18 N4 „Pirelli" mit einer Profiltiefe von ca 5 bis 6 mm, auf der Hinterachse Reifen der Dimension 285/30 ZR 18 N4 „Pirelli" mit einer Profiltiefe um ca 3 mm. Die Reifen wiesen keine Vorschäden auf. Der Beklagte befährt die Unfallstrecke ca zweimal wöchentlich und hatte am Unfallstag einen dienstlichen Termin im Büro in Steyr, zu welchem er rasch gelangen wollte. Als Arbeitnehmer der Haltergesellschaft verdiente er im Jahr 2004 monatlich brutto EUR 3.250,-- und im Jahr 2005 EUR 3.389,81 (einschließlich Sachbezügen).

Der Beklagte bewohnt gemeinsam mit seiner Gattin, der Alleingesellschafterin der Arbeitgebergesellschaft, ein Einfamilienhaus in ***** , welches auch als Sitz der GmbH dient. Zwar handelt es sich formell nur um einen „Nebenwohnsitz", doch hält sich der Beklagte dort ständig auf.

Mit ihrer auf § 67 Abs 1 iVm § 61 VersVG gestützten Klage begehrt die Klägerin auf Grund eingetretener Legalzession vom Beklagten die Zahlung des an die Versicherungsnehmerin geleisteten Schadensbetrags. Der Unfall sei auf keinen technischen Defekt zurückzuführen, sondern auf grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten. Dieser habe mit 150 km/h auf der regennassen Fahrbahn eine sowohl absolut als auch relativ unzulässige Fahrgeschwindigkeit eingehalten, zumal ihm auf Grund seiner früheren Fahrten die in der Fahrbahn vorhandenen Spurrillen bekannt sein hätten müssen. Im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Profiltiefe der Reifen sei es zu der vom Kläger unschwer vorhersehbaren Schleuderbewegung infolge Aquaplaning gekommen.

Zu dem - vom Erstgericht amtswegig erörterten - „Familienprivileg" im Sinn des § 67 Abs 2 VersVG führte die Klägerin aus, dass dieses schon mangels gemeinsamer Haushaltsführung nicht in Betracht komme.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er räumte letztlich die Möglichkeit ein, mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h unterwegs gewesen zu sein, doch liege darin keine grobe Fahrlässigkeit, zumal die Fahrbahn nicht mehr nass, sondern nur feucht gewesen sei. Die Schadenswahrscheinlichkeit sei daher auch als gering einzuschätzen gewesen. Die Reifen haben den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen. Mangels groben Verschuldens komme daher schon nach dem VersVG kein Regress in Betracht. Allenfalls sei der Beklagte als „Versicherungsnehmer" zu qualifizieren (AS 91). Selbst im Fall eines zulässigen Regresses müsse sich die Klägerin die Bestimmungen des DHG entgegenhalten lassen:

Da das Verhalten des Beklagten äußerstenfalls als „minderer Grad des Versehens" zu werten sei, komme die 6-monatige Verfallsfrist des § 6 DHG zu tragen. Gemäß § 2 DHG sei ein allfälliger Ersatzanspruch zu mäßigen. Der Beklagte habe im Jahr 2004 EUR 3.250,-- und im Jahr 2005 EUR 3.389,81 monatlich brutto verdient. Als Angestellter der Versicherungsnehmerin müsse er jährlich 35.000 bis 40.000 km zurücklegen, sodass seine Fahrtätigkeit als schadensgeneigt zu beurteilen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gestützt auf die Vorentscheidung 7 Ob 2058/96i erachtete es eine analoge Anwendung des § 67 Abs 2 VersVG als angebracht. Die Gattin des Beklagten sei Alleingesellschafterin und alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin der A***** Handelsvertretungs GmbH, deren Sitz sich am gemeinsamen Wohnort der Ehegatten befinde. Es bestehe „völlige wirtschaftliche Identität zwischen dem personellen Substrat der kaskoversicherten Kapitalgesellschaft und dem Schadensverursacher".

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Wenngleich der zu 7 Ob 2058/96i beurteilte Sachverhalt von dem hier zugrunde liegenden abweiche, so sei der Entscheidung dennoch der Grundsatz zu entnehmen, dass das Vorliegen einer wirtschaftlichen Identität zwischen der schädigenden GmbH und den Gesellschaftern als Versicherungsnehmern einen Regress des Versicherers unmöglich mache. Dies müsse bei umgekehrter Konstellation ebenso gelten, weshalb im gegenständlichen Fall von einem Einschluss der Sachersatzinteressen der Alleingesellschafterin in die durch die GmbH abgeschlossene KFZ-Kaskoversicherung auszugehen sei. Durch einen Regress des Versicherers gegen den Beklagten als Ehemann der Alleingesellschafterin würde nicht eine von der Versicherungsnehmerin - wirtschaftlich betrachtet - unabhängige Person, sondern der mit deren Alleingesellschafterin in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehemann, und somit gleichzeitig diese selbst getroffen. Durch den Ausschluss des Forderungsübergangs nach § 67 Abs 2 VersVG habe der Gesetzgeber verhindern wollen, dass durch den Regress wirtschaftlich gesehen der Versicherungsnehmer selbst getroffen werde. Weil sich eine solche wirtschaftliche Abhängigkeit im Einzelfall nur schwer ermitteln lasse, stelle das Gesetz auf Verhältnisse ab, womit derartige Zustände nach der allgemeinen Lebenserfahrung typischerweise verknüpft sind. Nach ihrem Wortlaut beziehe sich diese Regelung zwar ausschließlich auf mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige. Familienangehörige eines vom Versicherungsnehmer verschiedenen Versicherten seien vom Wortlaut nicht umfasst, obwohl sich dessen Interessenlage mit jener des Versicherungsnehmers decke. Es sei daher von einer symstemwidrigen Lücke auszugehen und der Regressausschluss des § 67 Abs 2 VersVG analog anzuwenden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil es zur Frage des Regresses gegen einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Angehörigen des Alleingesellschafters einer GmbH, die Versicherungsnehmerin einer KFZ-Kaskoversicherung sei, keine Rechtsprechung des OGH gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist im Umfang des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Steht gemäß § 67 Abs 1 VersVG dem Versicherungsnehmer ein Schadenersatzanspruch gegen einen Dritten zu, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. Richtet sich gemäß § 67 Abs 2 VersVG der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen, so ist der Übergang ausgeschlossen; der Anspruch geht jedoch über, wenn der Angehörige den Schaden vorsätzlich verursacht hat.

Der Systematik der Vorentscheidungen folgend soll zunächst auf dieses „Familienprivileg" eingegangen werden. Nach der Rechtsprechung (stellvertretend für viele: 7 Ob 289/03f = SZ 2004/4) hat § 67 Abs 2 VersVG einen doppelten Normzweck: Zum einen soll verhindert werden, dass durch den Regress gegen den Angehörigen der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen wird; es soll vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer am Ende den Schaden doch aus eigener Tasche bezahlen muss. Zweitens soll generell der Familienfrieden erhalten werden, der gestört würde, wenn Streitigkeiten über die Verantwortung der Schadenszufügung ausgetragen werden müssten. Da sich die wirtschaftliche Abhängigkeit in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger im Einzelfall nicht leicht mit genügender Sicherheit bejahen oder verneinen lässt, musste das Gesetz Lebensverhältnisse herausgreifen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit verknüpft sind (7 Ob 319/63 = ZVR 1964/160).

Die Vorinstanzen meinen nun, dass eine vom Gesetzgeber ungewollte Regelungslücke dort besteht, wo Versicherungsnehmer nicht der Angehörige des Schädigers, sondern eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, deren Alleingesellschafter der Familienangehörige des Schädigers ist. Hiezu berufen sich die Vorinstanzen auf die Entscheidung 7 Ob 2058/96i (= VersRdSch 1997/436). Dort ging es darum, dass Ehegatten je zur Hälfte Eigentümer eines feuerversicherten Hauses waren. Die Ehegatten (der Mann zu 25 %, die Frau zu 75 %) waren auch Gesellschafter einer GmbH, deren Geschäftsführer der Mann war. Diese betrieb im Erdgeschoss des Hauses ein Installationsunternehmen. Der Geschäftsführer verursachte im Rahmen des Betriebes mit einer Winkelschleifmaschine fahrlässig einen Brand, der Schäden am Haus anrichtete. Der Versicherer entschädigte die Ehegatten als Hauseigentümer und begehrte von der GmbH unter Berufung auf § 67 VersVG die Begleichung der auf sie übergegangenen Forderung. Der Oberste Gerichtshof lehnte in der vorgenannten Entscheidung den Regress mit der Begründung ab, dass zwischen den Hauseigentümern als Versicherungsnehmern und der beklagten Gesellschaft volle wirtschaftliche Identität bestanden habe. Durch den Regress des Versicherers würde nicht eine vom Versicherungsnehmer unabhängige juristische Person, sondern nur dieser selbst getroffen. Dies stehe nicht im Einklang mit dem Sinn des Regressverbots nach § 67 Abs 2 VersVG.

Abgesehen davon, dass sich die Schlüsse aus dem damals beurteilten Sachverhalt nicht ohne weiteres auf den nunmehr vorliegenden übertragen lassen, hat der 7. Senat in einer späteren Entscheidung über einen Regress nach § 67 Abs 1 VersVG (7 Ob 34/99x) darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass jemand Mehrheitsgesellschafter und daher „wirtschaftlicher Eigentümer" einer GmbH ist, nichts daran ändert, dass jedenfalls verschiedene Rechtssubjekte vorliegen.

Auch der BGH steht in seiner Rechtsprechung zum vergleichbaren § 67 II VVG einer Ausdehnung des Familienprivilegs auf Angehörige eines Alleingesellschafters einer GmbH eindeutig ablehnend gegenüber. Seinem Urteil vom , IV ZR 33/93 (= NJW 1994, 585 = ZVR 1994, 347) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Klägerin war ein Versicherungsunternehmen. Bei ihr hatte eine Einpersonen-GmbH für den ihr gehörenden Pkw eine Kasko-Fahrzeugversicherung abgeschlossen. Alleingesellschafter der GmbH war der Vater der Beklagten. Diese verursachte am Steuer des kaskoversicherten Pkw einen Verkehrsunfall. Die Kaskovericherung ersetzte der GmbH den Fahrzeugschaden und ging mit Regress gegen die Lenkerin vor. In den Entscheidungsgründen heißt es ua: „Die GmbH ist eine juristische Person des Privatrechts; sie hat als solche selbständig ihre Rechte und Pflichten (§ 13 I GmbHG). Eigentum der Gesellschaft ist deshalb nicht Eigentum der Gesellschafter, auch nicht des Alleingesellschafters. Die von der Gesellschaft für das in ihrem Eigentum stehende Fahrzeug vorgenommene Fahrzeugversicherung deckt somit deren Eigentümerinteresse an der Erhaltung des Fahrzeugs. Dagegen ist ein solches Eigentümerinteresse in der Person des Gesellschafters nicht gegeben; er stellt sich insoweit - wie andere zur Nutzung des Fahrzeugs berechtigte Nichteigentümer - gegenüber der Gesellschaft als Dritter dar. Dadurch unterscheidet sich seine Rechtsstellung von derjenigen eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft, dem ein Eigentümerinteresse an der Erhaltung der im Gesamthandseigentum stehenden Sachen zukommt (BGH, VersR 1964, 479). .......

Auch bei der sogenannten Einmann-GmbH, bei der sich alle Geschäftsanteile in einer Hand befinden, ist stets zwischen der Gesellschaft als selbständigem Rechtssubjekt und deren Eigentum einerseits und dem Gesellschafter und dessen Eigentum andererseits zu unterscheiden. Die Konzentration der Geschäftsanteile in einer Hand lässt die rechtliche Zuordnung des Eigentums unberührt. Deshalb kommt dem Alleingesellschafter ein Eigentümerinteresse an der versicherten Sache nicht zu. Das ist die Folge der von ihm herbeigeführten Trennung zwischen seinem Vermögen und dem der Gesellschaft. Sie kann durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht aufgehoben werden . ....

Diese rechtliche Einordnung führt auch nicht dazu, dass der Alleingesellschafter einer GmbH - bewirkt er er selbst den Eintritt des Versicherungsfalls - bei Leistung des Versicherers an die Gesellschaft stets dem Rückgriff des Versicherers ausgesetzt wäre. Handelt er selbst weder grob fahrlässig nocht vorsätzlich, greift auch zu seinen Gunsten die Vorschrift des § 15 I AKB ein. (-Anm: Für den österr. Rechtsbereich besteht mit Art 10 AKKB eine vergleichbare Regelung, s. unten!-).....

Kommt dem Vater der Beklagten mithin die Rechtsstellung eines in der von der Gesellschaft genommenen Fahrzeugversicherung (Mit-)Versicherten nicht zu, ist der Übergang des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen die Beklagte auf die Klägerin auch nicht gemäß § 67 II VVG ausgeschlossen."

Diesen Erwägungen ist beizupflichten. Aber auch weitere Überlegungen lassen die Annahme einer Gesetzeslücke und damit die analoge Ausdehnung des „Familienprivilegs" auf einen Schädiger, der nicht Angehöriger des Versichernungsnehmers, sondern eines Alleingesellschafters der Versicherungsnehmer-Gesellschaft ist, zweifelhaft erscheinen. Zum einen ergeben sich erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn der Angehörige nicht Allein- sondern nur Anteilsgesellschafter ist. Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Betroffenheit würde es immer einer Einzelfallprüfung bedürfen, die gerade vermieden werden soll (vgl ZVR 1964/160). Selbst bei einer Eingrenzung auf einen Alleingesellschafter wäre das Ergebnis ein oft unvorhersehbares oder zufälliges, weil Geschäftsanteile an einer GmbH bekanntlich veräußerbar sind. Dazu kommt auch ein rechtliches Ungleichgewicht: Der Kaskoversicherer müsste sich das auf einen Alleingesellschafter einer GmbH ausgedehnte Familienprivileg eines - sogar grob fahrlässig handelnden - Schädigers, somit dessen Haftungsfreiheit, entgegenhalten lassen, hätte aber andererseits das volle Prämien-Einbringlichkeitsrisiko, weil in der Regel nur der Versicherungsnehmer, in diesem Fall die Gesellschaft, als Vertragspartner haftet, ein Durchgriff auf den Alleingesellschafter aber nicht möglich ist.

Der Senat vertritt daher die Meinung, dass, weil der Alleingesellschafter einer GmbH ein von der Gesellschaft verschiedenes Rechtssubjekt ist, - ohne besondere Vereinbarung - die Begünstigung des § 67 Abs 2 VersVG nicht gilt, wenn Versicherungsnehmerin einer Kaskoversicherung eine GmbH ist und der Schädiger im Angehörigenverhältnis zum (Allein)Gesellschafter dieser GmbH steht.

Der Beklagte berief sich auch darauf, „mitversichert" zu sein. Da ein entsprechender Individualvertrag nicht erwiesen ist, kommt für eine solche Annahme nur die zum Vertragsinhalt gewordene Bestimmung des Art 10 AKKB in Frage. Danach findet § 67 VersVG gegenüber dem berechtigten Lenker nur dann Anwendung, wenn auch einem Versicherungsnehmer (als Fahrzeuglenker) bei gleichem Sachverhalt Leistungsfreiheit einzuwenden gewesen wäre. Als berechtigte Lenker gelten Personen, die mit Willen des Versicherungsnehmers oder des über das Fahrzeug Verfügungsberechtigten das Fahrzeug lenken. Gemäß § 61 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Regressbeschränkungen wie die in Art 10 AKKB genannte werden von der Rechtsprechung (7 Ob 44/98s; 7 Ob 289/03f; 7 Ob 125/06t ua) als partielle Mitversicherung des ansonsten regresspflichtigen Schädigers beurteilt. Im vorliegenden Fall könnte sich daher der Beklagte auf Art 10 AKKB und eine daraus folgende partielle Mitversicherung nur insoweit berufen, als sein Verhalten nicht grob, sondern nur leicht fahrlässig gewesen wäre.

Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Würdigung aller Umstände des konkreten Falls auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Sie setzt eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus, die sich über die alltäglich vorkommenden Fahrlässigkeitshandlungen erheblich und ungewöhnlich hinaushebt, wobei der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar ist. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Verstoß gegen das normale Handeln auffallend ist und der Vorwurf in höherem Maß gerechtfertigt ist. Im Bereich des Versicherungsvertragsrechts wird grobe Fahrlässigkeit dann bejaht, wenn schon einfachste naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen wurden, die jedermann einleuchten mussten (2 Ob 154/06w unter Zitat von RIS-Justiz RS0030272; RS0031127; RS0080371). Pflichtverletzungen, welche das gewöhnliche Ausmaß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens erheblich übersteigen, bedeuten ein grobes Verschulden. Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelfall abhängig sein kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen und die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (RIS-Justiz RS0080275). Richtig ist zwar, dass in der Judikatur in Einzelfällen das Einhalten einer hohen Geschwindigkeit nur im Zusammentreffen mit anderen groben Aufmerksamkeitsfehlern gewertet wurde und die bloße Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, beispielsweise im Ortsgebiet, für sich allein keine grobe Fahrlässigkeit begründete (RIS-Justiz RS0080484). Der gegen den Beklagten zu richtende Vorwurf lässt sich hier aber nicht auf eine nicht ins Gewicht fallende, bloße Geschwindigkeitsüberschreitung reduzieren. Der Beklagte hat nämlich mit seinem Fahrzeug nicht nur die bei optimalen Fahrbahn- und Sichtverhältnissen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mehr als ein Drittel überschritten, sondern auch eine besonders ins Gewicht fallende Überschreitung der relativ zulässigen Fahrgeschwindigkeit zu verantworten (vgl 7 Ob 121/03z). In der vorliegenden Situation war für den Beklagten wie für jedermann leicht erkennbar, dass das Einhalten einer derart hohen Geschwindigkeit auf nasser Fahrbahn bei anhaltendem Regen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Aquaplaning führen könnte, was letztlich auch die Schadensursache war.

Zusammenfassend unterliegt der Beklagte auf Grund seines grob fahrlässigen Verhaltens grundsätzlich dem Regress nach § 67 Abs 1 VersVG. Ist der berechtigte Lenker allerdings Dienstnehmer des kaskoversicherten Versicherungsnehmers, so unterliegt der auf den Versicherer übergegangene Schadenersatzanspruch den Beschränkungen nach § 2 DHG (RIS-Justiz RS0054674). Einen derartigen Mäßigungseinwand hat der Beklagte auch erhoben. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit verbietet zwar eine Anwendung der kürzeren Präklusivfrist des § 6 DHG, schließt jedoch die Anwendung des Mäßigungsrechts nach § 2 DHG nicht aus (RIS-Justiz RS0054738 [T3]). Dabei könnte sowohl das Einkommen des Klägers ( - es wurden zwar Brutto-, aber keine Nettobeträge festgestellt - ) als auch die vom Beklagten behauptete, im Dienste der Arbeitgeberin (= Versicherungsnehmerin) zurückgelegte hohe Jahreskilometerleistung (bei der Beurteilung einer schadensgeneigten Tätigkeit) eine Rolle spielen. Zur abschließenden Beurteilung bedarf es daher noch entsprechender Erörterungen mit den Parteien und Ergänzungen der Feststellungen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.