OGH vom 09.11.2000, 8Ob232/00a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter im Konkurs über das Vermögen des Johann G*****, geb. am *****, Unternehmer, *****, vertreten durch Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, über den Revisionsrekurs des Masseverwalters Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in Schärding, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 148/00y-133, womit über Rekurs des (ehemaligen) Gemeinschuldners der Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom , GZ 17 S 42/97-120, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Antrag des Rekurswerbers auf Zuspruch von Rekurskosten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
In der Tagsatzung vom wurde der Verteilungsentwurf des Masseverwalters, wonach die den Konkursgläubigern aus der Verwertung des Vermögens des Gemeinschuldners zukommende Quote 0,38 % beträgt, rechtskräftig genehmigt.
In eben dieser Tagsatzung wurde der vom Gemeinschuldner vorgelegte Zahlungsplan, der eine binnen 14 Tagen ab Annahme zu zahlende Quote von 2,5 % vorsah, angenommen. Mit Beschluss vom wurde dieser Zahlungsplan gerichtlich bestätigt.
Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wurde der Konkurs mit dem (unangefochten in Rechtskraft erwachsenen) Beschluss des Erstgerichtes vom aufgehoben und der Masseverwalter mit Rechtskraft dieses Beschlusses seines Amtes enthoben.
Anschließend teilte der (ehemalige) Masseverwalter mit, dass er die Quote von 2,88 % (Anmerkung: 0,38 % aus der Verwertung des Vermögens, 2,5 % aus dem Zahlungsplan) zur Ausschüttung gebracht habe.
Am beantragte der (ehemalige) Masseverwalter beim Konkursgericht die Einleitung eines Nachtragsverteilungsverfahrens gemäß § 138 KO. Am sei ihm wegen der damals noch wirksamen Postsperre ein an den Gemeinschuldner adressiertes Schreiben der O***** AG betreffend die Lebensversicherung des Gemeinschuldners zugekommen, mit dem der Ablauf der Erlebensversicherung am und die Auszahlung der Versicherungsleistung von S 877.746,-
angekündigt worden sei. Dieses Vermögen sei dem Masseverwalter bis dahin nicht bekannt gewesen; seine nachträgliche Entdeckung rechtfertige die Einleitung einer Nachtragsverteilung.
Mit Beschluss vom leitete das Erstgericht gemäß § 138 KO das Nachtragsverteilungsverfahren über einen Auszahlungsbetrag bei der O*****AG zur Nr. 349450/023-200 ein und ermächtigte den Masseverwalter, die Lebensversicherung einzuziehen und an die Gläubiger auszuschütten.
Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl der Gemeinschuldner als auch dessen Ehegattin Rekurs. Mit der Begründung, sie seien vor der Entscheidung nicht angehört worden, machten sie die Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens geltend. Im Falle ihrer Anhörung hätten sie glaubhaft machen können, dass der fällig gewordene Auszahlungsbetrag nicht dem Gemeinschuldner als Versicherungsnehmer sondern dessen Ehegattin zustehe. Im Rahmen eines notariellen Ehevertragsaufhebungsvertrages sei auf die Lebensversicherung Bezug genommen worden; dabei sei mündlich vereinbart worden, dass die Ehegattin jedenfalls bezugsberechtigt sein sollte. Diese habe in der Folge auch die Versicherungsprämien gezahlt.
Das Rekursgericht wies den Rekurs der Ehegattin des Gemeinschuldners zurück. Hingegen gab es dem Rekurs des Gemeinschuldners Folge und änderte den angefochtenen Beschluss iS der Zurückweisung des Antrags des ehemaligen Masseverwalters auf Einleitung eines Nachtragsverteilungsverfahrens ab; es sprach aus, dass der davon betroffene Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Nachtragsverteilung nach § 138 Abs 2 KO einen Schlussverteilungsentwurf vorsehe, auf dessen Grundlage das nachträglich hervorgekommene Vermögen zu verteilen sei. Nach Bartsch/Pollak (Konkursverfahren3, Anm 1 zu § 138 KO) sei eine Nachtragsverteilung nur nach einer Konkursaufhebung nach § 139 Abs 1 KO zulässig. Es könne hier auf sich beruhen, ob die Anwendbarkeit des § 138 KO tatsächlich so rigoros einzuschränken sei; hier gehe es um eine Konkursaufhebung sui generis, nämlich um die Aufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans. Auf den Zahlungsplan seien - soweit nichts anderes angeordnet sei - nach § 193 Abs 1 KO die Bestimmungen über den Zwangsausgleich anzuwenden. Das System des Zwangsausgleichsrechts schließe aber die teilweise Wiederaufnahme des aufgehobenen Konkursverfahrens zur Durchführung einer Nachtragsverteilung faktisch aus. Die Gläubigerautonomie decke das (fahrlässige) Verschweigen von Vermögenswerten durch den Gemeinschuldner dermaßen ab, dass ein durch Abstimmung zustande gekommener Ausgleich nicht ohne weiteres durch nachträgliches Auftauchen von Vermögenswerten in Frage gestellt werden könne. Nur eine Verurteilung des Gemeinschuldners wegen betrügerischer Krida führe gemäß § 158 KO zur Nichtigkeit des Ausgleichs; eine solche Verurteilung sei aber hier nicht erfolgt. Für die teilweise Wiederaufnahme des aufgehobenen Konkursverfahrens zur Durchführung einer Nachtragsverteilung nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans bestehe keine gesetzliche Handhabe.
Da die Ehefrau des Gemeinschuldners in ihrem Rekurs beantragt habe, den Auszahlungsbetrag aus der Lebensversicherung an sie auszuzahlen, sei auch ihre Rekurslegitimation zu untersuchen. Diese wäre nur dann zu bejahen, wenn der angefochtene Beschluss unmittelbar in ihre Recht eingegriffen hätte. Dazu bringe sie in ihrem Rechtsmittel vor, dass sie die Begünstigte aus dem Lebensversicherungsvertrag sei. Zum Nachweis dieser Behauptung beantrage sie ihre Einvernahme, aber auch die Einsichtnahme in Urkunden. Aufgrund dieser Urkunden sei nachstehender Sachverhalt festzustellen:
Der Gemeinschuldner und seine Gattin haben am vor einem Notar einen Ehevertrag mit wechselseitigem Testament mit der Wirkung einer allgemeinen Gütergemeinschaft unter Lebenden und auf den Todesfall errichtet. Die in Rede stehende Lebensversicherung wurde vom Gemeinschuldner als Versicherungsnehmer 1978 abgeschlossen. Versichert wurden sowohl der Versicherungsnehmer als auch dessen Ehefrau. Als bezugsberechtigt wurde für den Erlebensfall (Fälligkeit ) der Versicherungsnehmer, im Ablebensfall der überlebende Versicherte bestimmt. Mit Notariatsakt vom wurde die im Ehevertrag vom vereinbarte Gütergemeinschaft unter Lebenden von den Eheleuten einvernehmlich zur Gänze aufgehoben. Auf die in Rede stehende Lebensversicherung wurde in diesem Vertrag nicht Bezug genommen.
Daraus schloss das Rekursgericht, dass die Versicherungssumme im Erlebensfall an den Gemeinschuldner auszuzahlen sei, sodass der Anspruch auf die Versicherungsleistung in die Konkursmasse falle. Die im Rekurs behauptete mündliche Vereinbarung, wonach die Ehegattin des Gemeinschuldners bezugsberechtigt sei, sei rechtlich irrelevant, weil von den beiden Notariatsakten abweichende mündliche Vereinbarungen notariatsaktpflichtig gewesen wären (§ 1 Abs 1 lit a und b NZwG). Dass der Erlebensfall erst nach Aufhebung des Konkurses eingetreten sei, sei unerheblich, weil schon vorher ein Anspruch auf das angesparte Guthaben bestanden habe.
Da somit die Ehegattin des Gemeinschuldners keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung bescheinigen habe können, sei ihr Rechtsmittel mangels Rekurslegitimation zurückzuweisen.
Der Revisionsrekurs gegen die Entscheidung über das Rechtsmittel des Gemeinschuldners sei zuzulassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den hier zu entscheidenden Rechtsfragen fehle. Es gebe auch Argumente für die Richtigkeit des erstgerichtlichen Standpunkts.
Gegen die dem Rekurs des Gemeinschuldners stattgebende Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Masseverwalters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den erstgerichtlichen Beschluss wiederherzustellen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
Vorweg ist die Legitimation des Masseverwalters zum Antrag auf Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens und zur Erhebung des vorliegenden Revisionsrekurses zu erörtern:
Da der Masseverwalter vom Erstgericht mit Rechtskraft des Beschlusses über die Aufhebung des Konkurses seines Amtes enthoben wurde, befand er sich, als er die Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens beantragte, nicht mehr in seiner Funktion. Dieser Umstand stand aber der Erlassung des angefochtenen Beschlusses nicht im Wege, weil § 138 Abs 2 KO die Nachtragsverteilung im Falle der Ermittlung von zur Konkursmasse gehörendem Vermögen nach Aufhebung des Konkurses nicht von einem Antrag abhängig macht. Auch wenn man daher den Antrag des (ehemaligen) Masseverwalters als bloße Anregung auffasst, ändert dies nichts daran, dass damit - da auf diese Weise zur Konkursmasse gehöriges, aber bisher nicht bekanntes Vermögen aufgezeigt wurde - die Grundlage für die Erlassung des angefochtenen Beschlusses geschaffen wurde.
Mit der Bewilligung der Nachtragsverteilung ist der frühere Masseverwalter neuerlich zur Amtsausübung einzuberufen (Bartsch/Pollak, Konkursverfahren, I3 Anm 11 zu § 138 KO; Petschek/Reimer/Schiemer, Insolvenzrecht 637). Dies ist hier mit der vom Erstgericht ausgesprochenen Ermächtigung des bisherigen Masseverwalters, die Lebensversicherung einzuziehen und an die Gläubiger auszuschütten, erfolgt. Seit der Erlassung des angefochtenen Beschlusses befand sich der Masseverwalter daher wieder in Funktion, sodass er - seiner Aufgabe entsprechend, für die Ermittlung, Sicherstellung, Einbringung und Verwertung der Konkursmasse zu sorgen (Petschek/Reimer/Schiemer, aaO, 158) - zum Rekurs gegen die angefochtene Entscheidung legitimiert ist.
In der Sache selbst ist der vom Rekursgericht vorgenommenen Gleichsetzung von Zwangsausgleich und Zahlungsplan entgegenzuhalten, dass sich letzterer vom Zwangsausgleich darin unterscheidet, dass gemäß § 193 Abs 2 KO vor seiner Annahme zwingend das Vermögen des Schuldners verwertet werden muss: Der Verwertungserlös des Vermögens ist unabhängig vom Zahlungsplan an die Gläubiger zu verteilen; diese erhalten neben den im Zahlungsplan vorgesehenen Leistungen eine separate Sonderzahlung (EvBl 2000/36). Anders als beim Zwangsausgleich findet daher eine Schlussverteilung statt. Da die Auswirkung der Ermittlung bisher nicht bekannten Konkursvermögens nicht den Inhalt des Zahlungsplans, wohl aber die (dessen Voraussetzung darstellende) Schlussverteilung betrifft, kann daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes aus dem System des Zwangsausgleichs nicht geschlossen werden, dass im Falle des Konkursaufhebung nach Bestätigung des Zahlungsplans im Falle der Ermittlung bisher nicht bekannten Konkursvermögens eine Nachtragsverteilung nicht in Betracht kommt.
Die in der Rekursentscheidung zitierte Auffassung von Bartsch/Pollak (aaO, Anm 1 zu § 138 KO), wonach eine Nachtragsverteilung iS § 138 KO nach der Konkursaufhebung nur stattfinden könne, wenn die Konkursbeendigung auf Grund der Ausschüttung der Masse erfolgt sei, steht im Falle der hier erfolgten Aufhebung des Konkurses nach § 196 Abs 1 KO einer Nachtragsverteilung nicht entgegen, weil ja - wie gezeigt - auch dieser Art der Konkursaufhebung eine Schlussverteilung vorausgeht. Dass Bartsch/Pollak in diesem Zusammenhang nur die Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO erwähnen, ändert daran nichts, weil ja die im hier interessierenden Zusammenhang gleich zu behandelnde Aufhebung des Konkurses nach § 196 Abs 1 KO erst durch die Konkursordnungsnovelle 1993 (BGBl Nr. 974/1993) geschaffen wurde. Die Frage, ob die von Bartsch/Pollak vertretene Meinung über die dargestellte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 138 KO überhaupt zu billigen ist (zum Meinungsstand vgl die insoweit nicht veröffentlichte Entscheidung 3 Ob 94/95) braucht hier daher nicht geprüft zu werden.
Auch § 193 Abs 1 KO, der normiert, dass für den Zahlungsplan - soweit nichts anderes angeordnet ist - die Bestimmungen über den Zwangsausgleich gelten, steht der Bejahung der Möglichkeit der Nachtragsverteilung im Falle der Aufhebung des Konkurses nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplans nicht entgegen. Im hier interessierenden Zusammenhang geht es nicht um den Zahlungsplan als solchen, sondern darum, dass die ihm vorangehende Schlussverteilung möglicherweise unvollständig geblieben ist. Die für diesen Fall bestehende Regelung des § 138 KO wird daher durch § 193 Abs 1 KO nicht verdrängt.
Auch im Falle der Aufhebung des Konkurses nach § 196 Abs 1 KO hat daher bei Vorliegen der in § 138 Abs 2 KO genannten Voraussetzungen eine Nachtragsverteilung stattzufinden (so offenbar auch Deixler-Hübner, Privatkonkurs**2 Rz 141).
Dass der Anspruch auf die in Rede stehende Versicherungsleistung zur Konkursmasse gehört, hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Rekursentscheidung, wonach die behauptete mündliche Zusatzvereinbarung zum Notariatsakt vom (im Falle ihres Bestehens) im Hinblick auf § 1 Abs 1 lit a und b NZwG unwirksam wäre und ein vertraglicher Anspruch der Ehegattin des Gemeinschuldners auf den Auszahlungsbetrag nicht bescheinigt ist, kann verwiesen werden. Ebenso zutreffend ist die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, dass ungeachtet der Tatsache, dass die Fälligkeit des Auszahlungsbetrages erst nach der Konkursaufhebung eintrat, schon vor der Aufhebung des Konkurses ein Anspruch auf das angesparte Guthaben bestand.
Da somit die Voraussetzungen des § 138 Abs 2 KO gegeben sind, war in Stattgebung des Revisionsrekurses die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.
Gemäß § 173 Abs 1 KO findet im Konkursverfahren ein Kostenersatz nicht statt; dies gilt auch für die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (RIS-Justiz RS0065227; zuletzt 8 Ob 347/99h).