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OGH vom 05.12.2007, 16Ok5/07

OGH vom 05.12.2007, 16Ok5/07

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Johann Mraz und Dr. Erich Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerin M*****Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Partner Rechsanwälte KEG in Wien, wider die Antragsgegnerin S***** GmbH, *****, vertreten durch Gugerbauer & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Aufhebung oder Anpassung eines gerichtlichen Vergleichs) , über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 26 Kt 385/05-27, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die als Rekurs zu wertende Rekursbeantwortung der Bundeswettbewerbsbehörde wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Unwirksamkeit der von der Antragstellerin im Vergleich vom im Verfahren 26 Kt 441/00 übernommenen Verpflichtung festgestellt wird.

3. Die Kosten des Verfahrens hat jede Partei selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin ist Verlegerin der Tageszeitungen „Kronen Zeitung" und „KURIER", die bundeslandweise in unterschiedlichen Mutationsausgaben erscheinen. Die Antragstellerin nimmt alle technischen und kommerziellen Belange der „Tiroler Krone" und des „KURIER Tirol" wahr.

Die Antragsgegnerin ist Medieninhaberin der Tageszeitung „Tiroler Tageszeitung" und der seit täglich außer montags erscheinenden periodischen Druckschrift „Die NEUE Zeitung für Tirol" (im Folgenden: „NEUE").

Die nunmehrige Antragstellerin war Antragsgegnerin im Verfahren zu 26 Kt 441/00 (früher: 26 Kt 500, 501/99) über den Antrag der dortigen Antragstellerin, der nunmehrigen Antragsgegnerin. Dem ursprünglichen Verfahren wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung lag zunächst der Antrag zugrunde, Preisherabsetzungen für Abonnements der „Neuen Kronen Zeitung", der „Tiroler Krone" und des „KURIER" im Verbreitungsgebiet des Bundeslandes Tirol unter das Preisniveau vor dem zuletzt erfolgten Absenken der Preise zu verbieten. Die damalige Antragstellerin brachte vor, dass die Antragsgegnerin zu den vier größten, am österreichischen Leser- und Anzeigenmarkt für Tageszeitungen tätigen Unternehmensgruppen gehöre, die mit ihren durchschnittlichen Tagesauflagen mehr als 80 % der durchschnittlichen Tagesauflagen sämtlicher österreichischer Tageszeitungen erreichen. Die damalige Antragsgegnerin sei aber auch am Tageszeitungsmarkt des Bundeslandes Tirol beherrschend. Bezogen auf Tirol betrage die Reichweite der „Kronen Zeitung" 24,3 %, jene des „KURIER" 9,9 % und die der Tiroler Tageszeitung 61,7 %. Die Preise für Monatsabonnements der „Kronen Zeitung" seien in Tirol und Vorarlberg zuletzt auf ATS 99,-- gesenkt worden. In Wien, Niederösterreich und Burgenland sei der Preis für ein Monatsabonnement dieser Zeitung auf ATS 225,-- erhöht worden, in den sonstigen Verbreitungsgebieten betrage er ATS 208,-- und ATS 210,--. Ähnlich sei die Preissituation bei den KURIER-Abonnements mit ATS 225,-- in Wien, Niederösterreich und Burgenland, nur ATS 99,-- in Tirol und Vorarlberg sowie ATS 208,-- und ATS 210,-- in den übrigen Bundesländern. Ein Monatsabonnement der Tiroler Tageszeitung koste ATS 208,--, die Abonnementpreise der übrigen regionalen Zeitungen lägen in diesem Bereich. Die Abonnementpreise für „Krone" und „KURIER" in Tirol deckten nicht einmal die variablen Kosten. Die Antragsgegnerinnen betrieben eine gezielte Kampfpreisunterbietung, die nicht nur zu Verdrängungs-, sondern auch zu Disziplinierungszwecken eingesetzt ein Behinderungsmissbrauch sei. Die Verdrängungsstrategie und wettbewerbsfeindliche Absicht ergäben sich daraus, dass sich die Preisreduktion auf die Bundesländer Tirol und Vorarlberg beschränke, ungewöhnlich hoch sei und gleichzeitig in anderen Verbreitungsgebieten die Abo-Preise erhöht worden seien. Es werde darauf abgezielt, nach Verdrängung der Antragstellerin die Abo-Preise nach dem Muster von Wien wieder hinaufzusetzen und auch in Tirol eine Monopolrendite zu lukrieren.

Die nunmehrige Antragstellerin bestritt das Vorliegen einer marktbeherrschenden Position im Bundesland Tirol und eine Verdrängungsabsicht angesichts der beanstandeten Preissenkung sowie die fehlende Kostendeckung ihrer Abonnementpreise in Tirol. Sie berief sich im Wesentlichen darauf, dass diese Preisgestaltung das einzige Mittel sei, um die notwendigen Abonnement-Zahlen für die Etablierung eines eigenen Hauszustellungssytems zu erreichen.

Mit einstweiliger Verfügung vom wurde der damaligen Antragsgegnerin verboten, Preisherabsetzungen von Abonnements der „Neuen Kronen Zeitung" bzw der „Tiroler Krone" bzw des „KURIER" für das Verbreitungsgebiet des Bundeslandes Tirol durchzuführen oder anzukündigen, wenn dadurch die Differenz zu den Abonnementpreisen der „Neuen Kronen Zeitung" bzw des „KURIER" in den anderen Bundesländern 27 % übersteigt. Das Kartellgericht ging von der Annahme einer marktbeherrschenden Stellung der damaligen Antragsgegnerin zwar nicht am Tiroler, aber am gesamten inländischen Tageszeitungsmarkt sowie einer - als Marktmachttransfer gewerteten - missbräuchlichen Preissenkungsaktion für „Krone" und „KURIER" im Bundesland Tirol aus. Das Erstgericht hielt eine Gesamtkostendeckung für nicht bescheinigt, verwarf das Argument der Erweiterung des Hauszustellungssystems und schloss schließlich auf das Bestehen einer Verdrängungsabsicht bei Durchführung der Preissenkungsaktion der damaligen Antragsgegnerin.

Das Kartellobergericht hob diese einstweilige Verfügung mit Beschluss vom , 16 Ok 6/00, mit der Begründung auf, dass nicht antragskonform entschieden worden sei. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass das Erstgericht den Markt zutreffend sachlich und örtlich mit dem Tageszeitungsmarkt im Bundesland Tirol abgegrenzt habe. Auf einem Markt könne es durchaus mehrere Unternehmen geben, die eine marktbeherrschende Stellung innehätten. Da der damaligen Antragsgegnerin in Tirol ein Marktanteil von über 30 % zukomme, habe diese zu bescheinigen, dass sie keine marktbeherrschende Stellung besitze. Dieser Beweis könne nicht einfach dadurch erbracht werden, dass ein anderer Unternehmer einen größeren Marktanteil habe. Es werde insbesondere auf die Finanzkraft der Antragsgegnerin und darauf Bedacht zu nehmen sein, dass diese über die ihr österreichweit zur Verfügung stehenden Mittel unmittelbar verfügen könne. Angesichts des Umstandes, dass die Antragsgegnerin die Abonnementpreise im örtlich relevanten Markt um mehr als die Hälfte gesenkt habe, während sie diese in anderen Bundesländern nicht ganz unbeträchtlich erhöht habe, sei der Antragstellerin der prima-facie-Beweis gelungen, dass die Gesamtkosten im räumlich relevanten Markt nicht gedeckt seien. Es werde im fortgesetzten Verfahren Sache der Antragsgegnerin sein zu entscheiden, ob sie eine Gegenbescheinigung erbringen wolle, ansonsten sei bei bescheinigter Verdrängungsabsicht von einem abzustellenden Missbrauch auszugehen.

Vor diesem Hintergrund wurde das Verfahren am in erster Instanz durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne des infolge der oberstgerichtlichen Entscheidung geänderten (Haupt- und Eventual-)Antrages beendet (26 Kt [500, 501/99], 441/00-37). Der Vergleich lautet:

„1) Die Zweitantragsgegnerin verpflichtet sich, die Durchführung oder Ankündigung von Preisherabsetzungen der Abonnements der „Neuen Kronen Zeitung" bzw der „Tiroler Krone" bzw des „KURIER" für das Verbreitungsgebiet des Bundeslandes Tirol zu unterlassen, wenn dadurch die Differenz zu den Preisen entsprechend den Abonnements der „Neuen Kronen Zeitung" bzw des „KURIER" in Wien 27 % übersteigt.

Davon ausgenommen sind drei Monate nicht überschreitende Werbeaktionen, nicht aber Kettenverträge über Aktionsabonnements.

2) Maßgebliche Veränderungen der Marktverhältnisse oder der Judikatur berechtigen die Zweitantragsgegnerin, beim Kartellgericht oder der sonst für die Kartellangelegenheiten zuständigen Behörde die Entbindung von der unter Punkt 1) eingegangenen Verpflichtung oder deren Anpassung zu begehren oder diese Umstände als Oppositionsgrund gemäß § 35 EO geltend zu machen.

3) Mit diesem Vergleich sind sämtliche im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Ansprüche bereinigt.

4) Die Rahmengebühr wird von beiden Teilen je zur Hälfte übernommen."

Bei den zum Abschluss des gerichtlichen Vergleichs vom führenden Gesprächen vor Gericht gaben die Vertreter der damaligen Antragsgegnerin zu erkennen, dass es ihnen widerstrebe, eine einseitige Verpflichtung zu übernehmen und dass sie es „gerne sähen", wenn auch die damalige Antragstellerin eine entsprechende Verpflichtung übernähme. Da dies aber nicht Gegenstand des Missbrauchsaufsichtsverfahrens war und alle Beteiligten davon ausgingen, dass dem Antrag in der geänderten Fassung stattzugeben sein würde, erklärten sie sich schließlich mit der in Punkt 1) des Vergleichs übernommenen Verpflichtung einverstanden. Die Vereinbarung in Punkt 2) sollte lediglich die Möglichkeit eines Abänderungsantrages nach § 35 Abs 5 KartG 1988 ersetzen, weil zweifelhaft erschien, ob ein solcher Abänderungsantrag (analog) auch im Vergleichsfall möglich wäre. Keinesfalls sollte ein bloßer Wettbewerbsverstoß der Gegenseite zu einem Aufhebungs- oder Abänderungsantrag berechtigen. Aus diesem Grund wurde statt der Wendung „maßgebliche Umstände" im Sinne des § 35 Abs 5 KartG 1988 die Formulierung „maßgebliche Veränderungen der Marktverhältnisse" gewählt.

Zwischen den Vertretern der Parteien bestand bei Abschluss des Vergleichs kein - einander zum Ausdruck gebrachtes oder unausgesprochenes - Einvernehmen darüber, dass das Recht, nach Punkt 2) des Vergleichs die Aufhebung oder Abänderung der im Vergleich übernommenen Verpflichtung zu beantragen, der damaligen Antragsgegnerin auch dann zustehen sollte, wenn die damalige Antragstellerin ihrerseits Preise, insbesondere jener der Tiroler Tageszeitung, (mehr oder weniger stark) reduzieren sollte.

Die Reichweiten und verkauften Auflagen der Tageszeitungen der Verfahrensparteien nahmen im Bundesland Tirol (Ost- und Nordtirol) seit dem Abschluss des Vergleichs laut Media Analyse folgende Entwicklung:

Verkaufte Auflagen

Zeitpunkt Tiroler Tiroler Kurier Die NEUE

Tageszeitung Krone Tirol

Mo-Sa Mo-Sa Mo-Sa Di-Sa

1. Quartal 2001 90.060 41.009 6.198

2. Quartal 2001 89.390 40.540 5.689

4. Quartal 2002 91.801 43.260 4.401

4. Quartal 2003 92.886 44.994 4.101

4. Quartal 2004 89.702 47.502 3.880 7.915

3. Quartal 2005 88.962 47.993 4.117 8.666

4. Quartal 2005 89.154 47.284 3.649 8.779

Reichweite in Tirol in %

Zeitpunkt Tiroler Tiroler Kurier NEUE

Tageszeitung Krone Tirol

Juni 2001 61,7 24,3 9,9

Media 2001 61,4 32,3 6,6

Media 2002 62,1 30,2 5,7

Media 2003 61,7 31,4 4,2

Media 2004 59,5 33,1 4,8

Regio Print-

Juni 2005 55

Media 2005 56 32,6 6,5 9,7

Die Media Analyse weist für Tirol folgende Leserzahlen pro Ausgabe aus:

2005 2004

KURIER 37.000 27.000

Kronen Zeitung 186.000 187.000

Die NEUE 55.000

Tiroler Tageszeitung 318.000 336.000

Die Media Analyse weist für Tirol folgende Leserzahlen pro Wochenendausgabe aus:

2005 2004

KURIER (Sonntag) 74.000 49.000

Kronen Zeitung (Sonntag) 289.000 255.000

Die NEUE (Sonntag) 92.000

Tiroler Tageszeitung (Samstag) 362.000 360.000

Die NEUE erscheint seit im sogenannten Kleinformat der Kronen Zeitung, wie diese auch am Sonntag, nicht aber am Montag. Mit der Positionierung der NEUEn als „moderne Boulevardzeitung " verfolgt die Antragsgegnerin eine „Zwei-Marken-Strategie ". Sie sollte mit Aufmachung und Inhalt primär jüngere Lesergruppen (im Alter zwischen 20 und 30 Jahren) ansprechen, die noch keine ausgeprägte Tageszeitungsaffinität hatten. Es gelang der NEUEn auch diese Zielgruppe zu erreichen. Zwei Drittel der Leser sind zwischen 14 und 49 Jahre alt. Vor dem Erscheinen der NEUEn bediente die „Kronen Zeitung " im Wesentlichen als einzige den Tiroler „Boulevard".

Der Einzelverkaufspreis der NEUEn beträgt 0,50 EUR, der Einzelverkaufspreis der Tiroler Tageszeitung und der Tiroler Krone beträgt jeweils 0,90 EUR. Das Abonnement der NEUEn (6 Tage/Woche) kostet monatlich 10,00 EUR, jenes der Tiroler Krone (7 Tage/Woche) 14,40 EUR und jenes der Tiroler Tageszeitung (6 Tage/Woche) 17,00 EUR. Umgelegt auf sechs Tage ergibt sich rechnerisch für die Tiroler Krone ein Abonnementpreis von 12,34 EUR.

Die Tiroler Krone und die NEUE weisen einen unterschiedlichen Seitenumfang aus. Die NEUE hatte 2004 durchschnittlich um rund 43 % weniger Seiten als die Tiroler Krone. Dabei traten auch beim redaktionellen Teil Unterschiede von bis zu mehr als 50 % auf. Die Tiroler Krone wird überdies einmal wöchentlich ohne Aufpreis mit der Beilage „Krone Bunt" verkauft.

Nach dem Verbot der zwingenden Koppelung der Einschaltungen von Anzeigen im Anzeigenteil der Tiroler Tageszeitung und der NEUEn durch das OLG Wien (26 Kt 479/04-11) sind nun die Anzeigen auch gesondert buchbar. Die Anzeigenkombination „Top Tirol" wird aber weiterhin angeboten und mit Hinweis auf den unschlagbaren Preis und die geringeren Reichweiten von „Krone" und „KURIER" beworben. Für Inserate in Anzeigenteilen sind folgende Millimeterpreise zu zahlen (unstrittig):

Top Tirol: 4,39 EUR

Tiroler Tageszeitung: 4,27 EUR

Die NEUE: 0,38 EUR

Die Antragsstellerin erwirtschaftet insgesamt (österreichweit) ein Werbevolumen von EUR 254,971 Mio, mit der Kronen Zeitung EUR 141,468 Mio, mit dem KURIER 47,267 Mio; die Tiroler Tageszeitung kommt hingegen gesamt auf ein Werbevolumen von EUR 30,535 Mio.

Nunmehr beantragt die Antragstellerin unter Berufung auf Punkt 2) des Vergleichs die Entbindung von der unter Punkt 1) eingegangenen Verpflichtung, hilfsweise die Anpassung dieser Verpflichtung durch Erhöhung des vergleichsweise festgesetzten Prozentsatzes von 27 auf 50. Sie brachte vor, es sei ein Ausstiegsszenario diskutiert worden, das darauf abgestellt gewesen sei, dass die „Tiroler Tageszeitung" ihrerseits als übermächtige Marktbeherrscherin beginne, Preise massiv herabzusetzen. Dieses habe auch eine Änderung der Marktverhältnisse erfassen sollen. Auf ihrer Seite sei dabei vorwiegend an eine aggressive Preisgestaltung durch die „Tiroler Tageszeitung" gedacht worden, weniger daran, dass sich die Marktverhältnisse durch den Auftritt eines neuen Mitbewerbers ändern könnten. Die Marktverhältnisse hätten sich nunmehr signifikant geändert, seit die Antragsgegnerin die seit täglich außer an Montagen erscheinende Tageszeitung „Die NEUE " herausgebe, die alle Sparten der Berichterstattung einer Tageszeitung abdecke. Die NEUE sei in ihrer äußeren Aufmachung und ihrer inhaltlichen Zusammensetzung als Konkurrenzblatt zur „Tiroler Krone" gestaltet und spreche den selben Leserkreis an. Sie sei sowohl im Einzelverkauf als auch im Abonnement deutlich billiger als die „Tiroler Tageszeitung" und die „Tiroler Krone". Zwischen „Tiroler Tageszeitung" und „NEUEr" sei ein Inseratenverbund („Top Tirol") geschaffen worden, der es ermögliche, ein und dasselbe Inserat in beiden Zeitungen zu einem nur marginalen Aufpreis zum bisherigen Anzeigenpreis der „Tiroler Tageszeitung" zu veröffentlichen. Nach dem Vergleichsabschluss bis Ende 2005 sei die Reichweite der Blätter der Antragsgegnerin gestiegen. Die „NEUE" sei vom Start weg die drittstärkste Zeitung in Tirol gewesen. Die Antragsstellerin stehe einer völlig veränderten Wettbewerbssituation gegenüber.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags und wendete ein, dass die Aufnahme der Klausel betreffend der Änderung der Marktverhältnisse in den Vergleich nur erfolgt sei, weil die damalige Antragsgegnerin dies aus internen Gründen gewünscht habe. Eine Erörterung der Klausel dahin, dass diese für den Fall eines Preisdumpings der „Tiroler Tageszeitung" gelten solle, habe nicht stattgefunden. Die Marktverhältnisse hätten sich seit dem Vertragsabschluss auch nicht maßgeblich geändert. Der Markteintritt eines neuen Produkts könne allein noch keine maßgebliche Änderung bewirken. Eine signifikante Änderung der Marktmacht der Antragstellerin sei weder am regionalen Tageszeitungsmarkt (Tirol) noch am nationalen Tageszeitungsmarkt eingetreten. Veränderungen der Marktanteile im Bereich von 2 %, wie sie für die Zeitungen der Verfahrensparteien zu verzeichnen seien, seien als normal anzusehen. Weder aus der Einführung der Anzeigenkombination „Top Tirol" noch aus der Anzeigen- und Vertriebsgestaltung der Tiroler Tageszeitung und der NEUEn lasse sich eine maßgebliche Änderung der Marktverhältnisse ableiten. Die Antragsstellerin sei nach wie vor in der Lage, die in den östlichen Bundesländern erzielte Monopolrendite am regionalen Tageszeitungsmarkt Tirol einzusetzen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde wies darauf hin, dass der Vergleich die Wirkung habe, den Preiswettbewerb zwischen den Parteien zu beschränken . Es sei nicht Ziel einer Wettbewerbsaufsicht, auf hochkonzentrierten Märkten Preisniveaus festzuschreiben. Eine Aufhebung oder Abänderung des Vergleichs sei geboten, wenn das durch den Vergleich verbotene Verhalten nicht mehr als missbräuchlich zu qualifizieren wäre. Durch die Neueinführung der NEUEn seien generell die Preise für Presseprodukte in Tirol in Bewegung gekommen und sei der Marktpreis für Abonnements und Werbeeinschaltungen abgesunken. Da zwischen den Regionen (Wien-Tirol) große Preis- und Einkommensunterschiede bestehen, erscheine die im Vergleich festgelegte Abweichungsmarge von 27 % zu gering. Die Antragsgegnerin habe seit dem Jahr 2001 ihre Position am Tiroler Medienmarkt in vielfältiger Weise festigen und stärken können.

Der Bundeskartellanwalt nahm an den Erörterungs- und Beweisaufnahmetagsatzungen teil, ohne seinerseits Sachvorbringen zu erstatten.

Das Erstgericht wies sowohl den Haupt- als auch den Eventualantrag ab. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht - soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung - davon aus, dass die von der Antragstellerin im Vergleich übernommene Verpflichtung nur unter jenen Voraussetzungen abgeändert oder aufgehoben werden könnten, die gemäß § 35 Abs 5 KartG 1988 auch zu einer Abänderung oder Aufhebung eines gerichtlichen Abstellungsauftrags im Rahmen der Missbrauchsaufsicht führen hätten können. Die Neubeurteilung einer titulierten Verpflichtung wegen „geänderter Verhältnisse" komme nur bei nachträglicher Änderung von Umständen in Betracht, die für das Bestehen des Anspruchs oder der angeordneten Rechtsfolgen, rechtserheblich seien. Eine Aufhebung einer Abstellungsverpflichtung setze daher im Falle eines Marktmissbrauchs den Wegfall bzw die Änderung der seinerzeit angenommen Tatbestandsvoraussetzungen der marktbeherrschenden Stellung und/oder des missbräuchlichen Verhaltens aufgrund nachträglich geänderter Umstände voraus. Der im Vergleich enthaltene Begriff „Marktverhältnisse" sei den unter den Missbrauchstatbestand „maßgeblichen Umständen" iSd § 35 Abs 5 KartG 1988 gleichzusetzen. Auch nach der Markteinführung eines neuen Produkts gelte für die Antragstellerin nach wie vor die gesetzliche Marktbeherrschungsvermutung. Der Marktauftritt eines neuen, auch gezielt zu Konkurrenzzwecken gestalteten Produkts eines ebenfalls beherrschenden Mitbewerbers, rechtfertige per se, ohne dass es noch zu einer für den Tatbestand der Marktbeherrschung relevanten Veränderung der Verhältnisse (Marktanteile) gekommen sei, keineswegs Preissenkungen der Antragstellerin, die weiterhin als Unterkostenverkäufe zu qualifizieren wären.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin wegen Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag den Beschluss dahin abzuändern, dass die Unwirksamkeit der von der Antragstellerin im Vergleich vom im Verfahren 26 Kt 441/00 übernommenen Verpflichtung festgestellt wird.

Die Antragsgegnerin beantragte, dem Rekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Die Bundeswettbewerbsbehörde erstattete zum Rekurs der Antragstellerin eine „Rekursbeantwortung" dahin, dass sie die Begehren für berechtigt halte, weil auch im Falle einer aggressiven Wettbewerbsstrategie die Aufhebung des Vergleichs gerechtfertigt sei und sich Preise am Pressemarkt frei von Parteienvereinbarungen bilden sollten.

Der Senat hat vorerst verfahrensrechtlich erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. § 90 Z 3 lit b KartG 2005 bestimmt für am anhängige Verfahren, dass Verfahren auf Abstellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§ 35 KartG 1988) nach dem KartG 2005 fortzusetzen sind. Soweit es um Anträge auf Abstellung des Missbrauchs geht, sind diese als Anträge nach § 26 KartG 2005 zu behandeln.

Die Antragstellerin hat sich in dem am eingebrachten Antrag auf den Vergleich und die damals noch maßgebliche Bestimmung des § 35 Abs 5 KartG 1988 gestützt. Eine spezielle Überleitungsbestimmung dafür besteht nicht, sodass in diesem zufolge § 90 Z 3 lit b KartG 2005 fortzusetzenden Verfahren nunmehr die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des KartG 2005 zur Anwendung kommen.

2. Die als „Rekursbeantwortung" bezeichnete Äußerung der Bundeswettbewerbsbehörde, die als Amtspartei iSd § 2 Abs 1 Z 4 AußStrG Parteistellung auch dann hat, wenn sie nicht Antragstellerin ist (§ 40 KartG 2005), zum Rekurs der Antragstellerin, in der sie inhaltlich das Begehren der Rekurswerberin unterstützt und sich daher in Wahrheit gegen die erstinstanzliche Entscheidung wendet, ist als Rekurs aufzufassen (vgl 16 Ok 12/02). Sie ist wegen Verspätung (Zustellung - Postaufgabe „Rekursbeantwortung" ) zurückzuweisen .

In der Sache selbst ist der Rekurs der Antragstellerin berechtigt.

Nach § 35 Abs 1 KartG 1988 hatte das Kartellgericht auf Antrag den beteiligten Unternehmern aufzutragen, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung abzustellen. Nach Abs 5 dieser Bestimmung konnte das Kartellgericht auf Antrag einer Partei den Auftrag ändern oder aufheben, wenn sich die maßgeblichen Umstände nach Erteilung des Auftrags ändern.

Einer der Bereiche für einen Abstellungsauftrag stand im Zusammenhang mit dem Verkauf unter dem Einstandspreis (§ 35 Abs 1 Z 5 KartG 1988). Die im Missbrauchsverfahren im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs erfolgte Festsetzung der maximalen Preisdifferenz von 27 % zwischen dem im übrigen Bundesgebiet verlangten Verkaufspreis und jenem in Tirol führte zur Beendigung des Verfahrens, in dem grundsätzlich auch ein Auftrag nach § 35 Abs 1 Z 5 KartG 1988 betreffend das Verbot des Verkaufes unter dem Einstandspreis hätte ergehen können. Auf diesen Umstand wurde das Begehren der Antragstellerin nach § 35 Abs 5 KartG 1988 gegründet.

Das Kartellgericht ist grundsätzlich dort zuständig und hat das Kartellverfahren anzuwenden, wo dies im Kartellgesetz, im Wettbewerbsgesetz oder den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen vorgesehen ist, insbesondere zur Entscheidung über die im KartG vorgesehen Anträge (vgl Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, 41; Primus/Ginner in Petsch/Urlesberger/Vartian, Kartellgesetz § 58 Rz 7; vgl zum Außerstreitgesetz § 1 Abs 2 AußStrG,Fucik/Kloiber AußStrG [2005] Vor § 1 Rz 2; Rechberger AußStrG § 1 Rz 2). § 35 Abs 5 KartG bezieht sich zwar grundsätzlich nur auf gerichtliche Aufträge; so wie im Unterhaltsrecht ist aber auch hier davon auszugehen, dass bei einer vergleichsweisen Einigung über eine gesetzliche Verpflichtung statt der gerichtlichen Festlegung auch eine gerichtliche „Anpassung" bei geänderten Umständen erfolgen konnte (RIS-Justiz RS0019018 mwN zuletzt 2 Ob 237/06a; RIS-Justiz RS0047529 mwN zuletzt 7 Ob 143/05p). Das Ergebnis ist naturgemäß keine Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs, sondern - nach Wegfall des Vergleichs - noch allenfalls eine Auflage.

Im Außerstreitverfahren genügt es, wenn der Antrag „hinreichend" erkennen lässt, worauf er gerichtet ist (vgl Sole, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, 104; Mair in Petsche/Urlesberger/Vartian KartG § 36 Rz 21; Hoffer Kartellgesetz, 262). Unter diesem Aspekt ist der vorliegende Antrag als Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs zu prüfen . Diese Möglichkeit besteht ja allgemein in Fällen, in denen Verbindlichkeiten aus dem Vergleich nicht wirksam sind, dies aber von der Gegenseite bestritten wird (vgl etwa RIS-Justiz RS0000936; MGA ZPO16 § 228 E 12 ff mwN etwa EvBl 1992/196; vgl zur umfassenden Feststellungsbefugnis für den gesamten Bereich des KartG Solé, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, 301).

Eine Überleitung von auf § 35 Abs 5 KartG 1988 gestützten Verfahren wurde zwar in der Überleitungsbestimmungen nicht ausdrücklich vorgesehen; es ist aber auch nicht deren Einstellung angeordnet. Derartige Verfahren sind daher im Rahmen der allgemeinen Verfahrensbestimmungen im Sinne des § 90 Z 3 KartG 2005 fortzusetzen.

Unter dem Rekursgrund eines Verfahrensmangels wegen „verfehlter Feststellungen" bekämpft nun die Antragstellerin die Feststellung, die Vereinbarung in Punkt 2. sollte lediglich die Möglichkeit eines Abänderungsantrages nach § 35 Abs 5 KartG 1988 ersetzen und vermeint, dies sei in dieser Form in keiner Weise durch den Sachverhalt gedeckt. Sie macht eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend.

Diese vom Erstgericht getroffene Feststellung ist das Ergebnis der Würdigung verschiedener Aussagen sowie von vorgelegten Urkunden, insbesondere einer Aktennotiz der Antragstellerin. Die Erforschung der wahren Absicht der Parteien ist eine Beweisfrage, wenn wie im vorliegenden Fall auch andere Beweismittel als die Urkunde (der Vergleichstext) herangezogen werden (RIS-Justiz RS0043369 mwN etwa zuletzt 6 Ob 61/05x).

Die Antragstellerin versucht mit ihren Ausführungen demnach, durch Anfechtung der Beweiswürdigung die Tatsachengrundlage abzuändern. Dies ist im kartellgerichtlichen Verfahren unzulässig (RIS-Justiz RS0119972 mwN 16 Ok 23/04). Soweit die bekämpfte Tatsachenfeststellung eine Schlussfolgerung aus Tatsachen ist, könnte sie nur soweit überprüft werden, als diese den Denkgesetzen - oder allenfalls auch der allgemeinen Lebenserfahrung - widerspräche, weil eine derartige Überprüfung in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fiele (16 Ok 23/04). Davon kann aber hier keine Rede sein. Das Erstgericht hat schlüssig und nachvollziehbar anhand der Parteienaussage, der Erinnerung der Vorsitzenden des Vorprozesses sowie der vorgelegten Urkunden seine diesbezüglichen Feststellungen begründet.

Was nun den konkreten Inhalt des Vergleichs vom betrifft, so geht es darum, ob - wie von der Antragstellerin behauptet - seither „maßgebliche Veränderungen der Marktverhältnisse" tatsächlich eingetreten sind .

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin sind auch beim gerichtlichen Vergleich die Auslegungsregeln des § 914 ABGB heranzuziehen (vgl RIS-Justiz RS0023319 mwN etwa 2 Ob 237/06a; RIS-Justiz RS0017943 mwN etwa 7 Ob 155/04a uva).

Bei der Auslegung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei ist aber nicht stehen zu bleiben, sondern es ist der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915 mwN zuletzt 8 Ob 163/06p). Für die Beurteilung der „Absicht" der Parteien im Sinne des § 914 ABGB kommt es auch auf den Zweck der Regelung an, den beide Teile redlicherweise objektiv unterstellen mussten (OGH 3 Ob 125/05m; RIS-Justiz RS0113932 mwN etwa 4 Ob 67/07t).

Das Erstgericht hat unter Berücksichtigung dieser Erwägungen die von den Parteien vereinbarte Umstandsklausel dahingehend ausgelegt, dass die Parteien eine § 35 Abs 5 KartG 1988 entsprechende Regelung schaffen wollten und der Begriff der „Marktverhältnisse" daher den für den Missbrauchstatbestand „maßgeblichen Umstände" und deren Änderung iSd § 35 Abs 5 KartG 1988 gleichzusetzen ist.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Erstgericht vor allem mit der Frage auseinander gesetzt, inwieweit eine Änderung der Marktanteile und der Annahme einer Beherrschung seit dem Vergleichsabschluss am eingetreten ist.

Das Erstgericht kam anhand der getroffenen Feststellungen zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin weiterhin über eine marktbeherrschende Stellung mit Reichweiten von insgesamt mehr als 50 % auf dem inländischen Markt käuflicher Tageszeitungen und Reichweiten von insgesamt knapp über 30 % auf dem entsprechenden regionalen Markt des Bundeslandes Tirol sowie einen Anteil von mehr als 50 % an den an österreichische Tageszeitungen vergebenen Werbeaufträgen verfügt. Für die Antragstellerin gilt daher nach wie vor die gesetzliche Marktbeherrschungsvermutung (nunmehr § 4 Abs 2 Z 1 KartG 2005). Insoweit macht es auch keinen Unterschied, dass die Antragsgegnerin ihre Marktposition noch weiter ausbauen konnte. Dies beseitigt keineswegs die marktbeherrschende Stellung der Antragstellerin; es kann auf einem relevanten Markt durchaus mehrere Unternehmen geben, die eine marktbeherrschende Stellung innehaben (16 Ok 6/00). Eine Änderung der maßgeblichen Marktverhältnisse iS einer Änderung der marktbeherrschenden Stellung aufgrund nachträglich geänderter Umstände ist also nicht erfolgt .

Auch wenn die Antragstellerin weiterhin über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, doch hängt die allein entscheidende Frage , ob sich seit dem Abschluss des Vergleichs die Marktverhältnisse so maßgeblich verändert haben, dass die Vergleichsgrundlagen , die die Parteien bei ihrem Rechtsgeschäft als gegeben angenommen haben, weggefallen sind , nicht allein von den Marktanteilen ab.

Der Begriff der Marktverhältnisse ist ein objektiver. Bestimmende Parameter sind neben der Anzahl der Marktteilnehmer, deren Eigenschaften und Marktanteile jedenfalls auch Art und Umfang der zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Markt angebotenen Produkte oder Dienstleistungen sowie deren Eigenschaften, zu denen vor allem der Preis zählt. Alle aufgezählten Parameter beeinflussen die Entscheidungen der Marktteilnehmer; verändern sich daher die Parameter, bleibt dies auch nicht ohne Einfluss auf das Marktverhalten und damit die Marktverhältnisse.

Von einer maßgeblichen Änderung der Marktverhältnisse ist daher nicht nur dann zu sprechen, wenn sich die Marktanteile von Anbietern wesentlich verändern, sondern auch dann, wenn neue Produkte auf dem Markt platziert werden, die geeignet sind, das Nachfrageverhalten der Marktgegenseite zu verändern , und die Reaktionen von Mitbewerbern erfordern können.

Durch die Markteinführung der „NEUEn" im Jahr 2004 hat die Antragsgegnerin nach Inhalt und Format ein direktes Konkurrenzprodukt im Segment „Boulevardzeitung" zu einem Produkt der Antragstellerin platziert, das noch dazu deutlich billiger ist als die vergleichbare Zeitung der Mitbewerberin. Sie hat damit die zuvor auf dem Markt erhältliche Produktpalette erweitert und zugleich einen Preiskampf gegenüber ihrer Mitbewerberin eröffnet. Unter diesen Umständen haben sich die Marktverhältnisse - auch bei weitgehend gleichbleibenden Marktanteilen auf Anbieterseite - maßgeblich geändert , und die Bedingung im Sinne von Punkt 2 des Vergleichs , eine Aufhebung der Selbstverpflichtung der Antragstellerin zu bewirken, ist erfüllt : Um auf die veränderte Marktsituation reagieren zu können, bedarf es der - allein durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkten - unternehmerischen Handlungsfreiheit der Antragstellerin. Dass auch unter den nunmehr geänderten Rahmenbedingungen eine höhere Preissenkung als 27 % für Produkte der Antragstellerin marktmissbräuchlich wäre, hat die Antragsgegnerin nicht vorgebracht.

Es war daher dem Antragsbegehren in dem Sinne stattzugeben, dass die Unwirksamkeit der Verpflichtungen der Antragstellerin aus dem Vergleich festgestellt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 KartG 2005. Danach tritt eine Kostenersatzpflicht der unterliegenden Partei nur so weit ein, als die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung mutwillig war. Als mutwillige Rechtsverfolgung wäre es anzusehen, wenn die Antragsgegnerin sich der Unrichtigkeit ihres Standpunkts bewusst wäre oder wenn sie mit dem Verfahren ausschließlich nicht von der Rechtsordnung geschützte Zwecke verfolgt (Solè, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, 179; Petsche/Urlesberger/Vartian KartG § 41 Rz 7; Hoffer Kartellgesetz, 283 f jeweils mwN). Eine mutwillige Rechtsverfolgung in diesem Sinne liegt schon deshalb nicht vor, weil die eingetretenen Veränderungen ja nicht die „Marktbeherrschung" als solche betroffen haben, und im Hinblick auf die unklare Rechtslage die Antragsgegnerin die Rechtsverfolgung nicht von vornherein für aussichtslos halten musste.