OGH vom 01.07.2002, 16Ok5/02
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Birgit Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Gerhard Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Thomas Lachs in der Kartellrechtssache der Antragstellerin und gefährdeten Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Oliver Koch, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin und Gegnerin der gefährdeten Partei C***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Gugerbauer & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und einstweiliger Verfügung, über den Rekurs der Antragstellerin und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom , GZ 26 Kt 215, 216/01-18, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin betreibt als Tochtergesellschaft eines international tätigen Konzerns in Österreich zwei Kinocenter, eines in 1030 Wien mit 10 Sälen und ein weiteres in Wr. Neustadt, mit 8 Kinosälen. Sie kooperiert mit 7 - 8 Filmverleihgesellschaften und steht in einer ständigen Geschäftsbeziehung mit dem Filmverleih der Antragsgegnerin. Von ihr bezog sie im Jahr 2000 rund 17 % der gespielten Filme. Tochtergesellschaften der Antragsgegnerin betreiben 10 Cineplex-Kinos mit insgesamt 93 Kinosälen und 12 traditionelle Kinos mit insgesamt 35 Kinosälen. Von der Gruppe der Antragsgegnerin werden weitere 67 Kinosäle betreut. Insgesamt gibt es in Österreich derzeit rund 210 Kinos mit rund 545 Kinosälen. Im Filmverleih sind in Österreich rund 12 Gesellschaften tätig. Der Marktanteil der Antragsgegnerin betrug 1998 11,6 %. Veränderungen konnten nicht festgestellt werden.
Die Filmverleihverträge zwischen den Kinos und den Verleihgesellschaften unterliegen regelmäßig den "Filmbezugsbedingungen für öffentliche Aufführungen", die zwischen dem Fachverband der Audiovisions- und Filmindustrie Österreich und dem Fachverband der Lichtspieltheater und Audiovisionsveranstalter vereinbart wurden. Zufolge Punkt I.2. dieser Bedingungen kommt eine Vereinbarung über den Verleih von Filmen dann zustande, wenn ein Lichtspieltheater einem Verleiher in schriftlicher Form die Absicht bekannt gibt, einen Film zu mieten, und dies der Verleiher nicht binnen 3 Wochen nach Erhalt schriftlich ablehnt. In der Praxis wird von diesen Bedingungen insofern abgewichen, als die Verleihfirma die Bestellung bestätigt und dem Kinobetreiber spätestens 3 bis 4 Wochen vor Filmstart mitteilt, ob ihm eine Kopie zur Verfügung gestellt wird und zu welchen Konditionen. Es entspricht nicht dem Handelsbrauch, Filmbestellungen von Kinobetreibern mehr als drei Wochen lang nicht zu bearbeiten. Zwischen den Parteien dieses Verfahrens war und ist es üblich, Filme ab der Bekanntgabe des Starttermines - etwa 2 bis 6 Wochen vor dem Filmstart - telefonisch zu bestellen. Der Antragsgegnerin stehen für Erfolg versprechende Filme üblicherweise 50 bis 80 Filmkopien zur Verfügung, für mittlere etwa 25 bis 30 und für kleinere Filme 5 bis 10 Kopien. Es ist ihr nicht möglich, alle österreichischen Kinobetreiber auf deren Bestellung mit einer Filmkopie des bestellten Filmes zu versorgen, um so weniger zum jeweiligen österreichischen Starttermin. So kam es auch schon zwischen den Parteien dieses Verfahrens mitunter dazu, dass Buchungen abgelehnt wurden. Die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Startkopien auf die bestellenden Kinos erfolgt nicht nach dem zeitlichen Kriterium des Einlangens der Bestellung, sondern hängt vom bisherigen Umsatz des jeweiligen Kinos in einer bestimmten Zeit ab. Ferner wird auf regionale Gesichtspunkte (Standorte, Umfeld, Verkehrsanbindung, Ausstattung/Service und Programmgestaltung) abgestellt. Das Verleihentgelt ist vom Umsatz abhängig. Es bemisst sich zwischen 40 und 50,1 % der Einspielergebnisse abzüglich Abgaben. Es variiert teilweise auch nach der Spieldauer. 65 % des Gesamtumsatzes eines Films werden in den ersten drei bis vier Wochen nach der Erstaufführung getätigt. Der durchschnittliche Erlös des Filmverleihs pro Karte beträgt S 35,-- bis S 38,--. In Österreich laufen pro Jahr etwa 5 bis 6 sogenannte "Blockbuster" mit Besucherzahlen über 300.000. Die erfolgreichsten Filme der letzten Jahre waren "Der Schuh des Manitu" mit 1,587.520 Besuchern, "Titanic" mit 1,389.000, "Der König der Löwen" mit 1,164.000, "Jurassic Park" mit 750.000, "Independence Day" mit 720.595, "Forrest Gump" mit 720.000 und "Familie Feuerstein" mit 712.000 Besuchern. Der hier maßgebliche Film "Chocolat" wurde seitens der Antragsgegnerin und des deutschen Verleihgebers ursprünglich auf nur 60.000 bis 80.000 Besucher eingeschätzt; er kam aber letztlich auf 225.000 Besucher. Für Österreich wurden vom deutschen Verleihgeber statt der zunächst vorgesehenen 30 letztlich nur 20 Startkopien zur Verfügung gestellt. Der Film, für den der Kinostart mit festgelegt war, konnte für Österreich ausschließlich über die Antragsgegnerin gebucht werden. Am bekundete die Antragstellerin erstmals gegenüber der Antragsgegnerin ihr Interesse an einer Buchung dieses Filmes für das Wiener Kino. Für das Kino in Wr. Neustadt war der Film nicht vorgesehen, weil die Antragstellerin davon ausging, dass in Wr. Neustadt nicht das entsprechende Zielpublikum vorhanden wäre. Als der Geschäftsführer der Antragstellerin am mangels Rückäußerung der Antragsgegnerin neuerlich nachfragte, wurde ihm mitgeteilt, dass ihm nur bei gleichzeitiger Buchung auch für das Kino in Wr. Neustadt eine Startkopie zur Verfügung gestellt werde. Er war damit nicht einverstanden und bot stattdessen an, für Wr. Neustadt "Sugar and Spice", eine Teenie-Komödie, zu buchen. Dass nur eine unzureichende Anzahl von Startkopien zur Verfügung stehe, wurde ihm nicht mitgeteilt. Da keine Einigung erzielt werden konnte, fand sich der Geschäftsführer der Antragstellerin letztlich - unmittelbar vor dem Kinostart, am 12. 3. - bereit, doch auf die Bedingungen der Antragsgegnerin einzugehen und je eine Startkopie von Chocolat sowohl für Wien als auch für Wr. Neustadt zu buchen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin bereits alle 20 ihr zur Verfügung gestellten Startkopien vergeben. Der Antragstellerin wurde nur mitgeteilt, dass sie weder für Wien, noch für Wr. Neustadt eine Startkopie erhalten werde. In Wien wurden Startkopien des Films Chocolat letztlich ausschließlich in den zur Gruppe der Antragsgegnerin gehörenden Kinos gespielt. Außer der Antragstellerin und einem weiteren Kinobetreiber bestand in Wien auch kein Interesse anderer Kinobetreiber an einer Buchung dieses Films. Seit den Problemen bei der Buchung des Films Chocolat gab es keine weiteren Störungen der Geschäftsbeziehung zwischen den Streitparteien.
Die Antragstellerin begehrt zur Sicherung ihres Anspruches gegen die Antragsgegnerin auf Abstellen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, der Antragsgegnerin ab sofort und bis zur Rechtskraft der über den Untersagungsantrag ergehenden Entscheidung die Verweigerung einer Belieferung von ordnungsgemäß bestellten Filmen, an denen sie ein ausschließliches Verwertungsrecht für Österreich besitzt, sowie die bloß gemeinsame Belieferung der Kinocenter in Wien und Wr. Neustadt zu untersagen
Sie stützte sich im Wesentlichen drauf, dass sie durch die Verweigerung der Belieferung mit dem Film erhebliche Umsatzeinbußen erlitten habe. Die zur Gruppe der Antragsgegnerin gehörenden Kinos seien nicht zu Paketbuchungen verpflichtet. Das Verhalten der Antragsgegnerin stelle einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne eines Koppelungsgeschäftes und der Abschlussverweigerung dar.
Die Antragsgegnerin beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Es habe sonst im Rahmen der Geschäftsbeziehung der Parteien keinerlei nennenswerte Differenzen gegeben. Die Antragstellerin habe von sich aus stets eine Startkopie nicht nur für das Wiener Kino, sondern zeitgleich auch in ihrem Kino in Wr. Neustadt verlangt. Davon sei bei der internen Vorplanung der Antragsgegnerin ausgegangen worden, zumal Wr. Neustadt ein überregionales Zentrum mit großem Einzugsbereich sei und bei einem österreichweiten Filmstart nicht ausgelassen werden könne. In Wr. Neustadt verfüge aber nur die Antragstellerin über ein für Premieren geeignetes Kino. Es habe mehrere Telefongespräche gegeben, in denen seitens der Antragsgegnerin auf ihr Interesse an einer Aufführung in Wr. Neustadt hingewiesen worden sei. In der Zwischenzeit habe aber der Verleihpartner der Antragsgegnerin, die Anzahl der für den österreichischen Markt vorgesehenen Startkopien von 30 auf 20 herabgesetzt. Als die Antragstellerin schließlich Startkopien für Wien und Wr. Neustadt bestellen wollte, seien sämtliche 20 Kopien bereits verbindlich an andere Kinobetreiber zugesagt gewesen. Es habe keinerlei Absicht bestanden, die Antragstellerin zu diskriminieren. Es müsse eine breite Streuung neuer Filme über das ganze Bundesgebiet und nicht nur in Wien erfolgen. Nur durch eine Verkettung von Zufällen sei es zu einer Störung der bis dahin ausgezeichneten Zusammenarbeit gekommen. Beim Film Chocolat habe es sich auch keineswegs um einen sogenannten "Blockbuster" gehandelt, weshalb er auch keinen eigenständigen Produktmarkt gebildet habe. Es habe eine Vielzahl vergleichbarer Filme gegeben.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Das Bescheinigungsverfahrens habe keine im Verhältnis zu Abnehmern (oder Lieferanten) überragende Marktstellung ergeben. Diese liege nur dann vor, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen seien, etwa wenn es zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft komme, weil für die Abnehmer auf dem relevanten Markt keine alternativen Bezugsmöglichkeiten bestünden. Zwar habe die Antragstellerin, soweit die Antragsgegnerin die ausschließlichen Verwertungsrechte für Österreich an den von ihr verliehenen Filmen habe, keine Ausweichmöglichkeit, wenn ihr die Antragsgegnerin die Lieferung eines solchen Filmes verweigere. Dass der Kinobetreiber auf die Belieferung - hier: mit einem bestimmten Film - angewiesen sei, weil es sonst zu massiven Umsatzeinbußen oder zum Verlust eines erheblichen Teils der Kundschaft käme, treffe aber nur auf besonders erfolgversprechende Erstaufführungen zu (unter Berufung auf ). Der Film Chocolat sei branchenintern vor seinem Start in Österreich keineswegs als besonders erfolgversprechend im Sinne von umsatzstark eingeschätzt worden. Daher sei ungeachtet des Prestiges und der künstlerischen Qualität dies kein Film gewesen, der eine Abhängigkeit des Kinobetreibers vom Filmverleih im Sinne relativer Marktbeherrschung hätten begründen können. Daran vermöge auch der Umstand, dass die Antragsgegnerin der wichtigste Verleihpartner der Antragstellerin ist, nichts zu ändern. Habe diese doch nicht generell die Lieferung verweigert. Dass es keinen anderen in der Umsatzstärke vergleichbaren Filme gegeben hätte, auf die die Antragstellerin hätte ausweichen können, sei nicht behauptet worden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragstellerin und gefährdeten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, dem Sicherungsbegehren stattzugeben, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Antragsgegnerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die von der Antragstellerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens liegt nicht vor. Die Antragstellerin rügt im Wesentlichen, dass es den Parteienvertretern im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen wäre, den Geschäftsführer der Beklagten zu befragen und die Parteien wegen des Unterbleibens einer weiteren Verhandlung auch kein weiteres Vorbringen hätten erstatten können. Es wäre eine ausreichende Anzahl an Startkopien des Films vorgelegen. Die Verteilung sei nicht sachgerecht erfolgt. Die weitere Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten hätte einen Widerspruch zwischen seiner Aussage und jener des Geschäftsführers der Antragstellerin aufzudecken vermocht. Eine nochmalige kontradiktorische Vernehmung der Parteien sei unumgänglich gewesen. Um welchen Widerspruch es hier jedoch gehen soll, zeigt die Antragstellerin nicht auf.
Bereits aus der Entscheidung des Kartellobergerichts vom zu 16 Ok 1/96 (= SZ 69/47; RIS-Justiz RS0081662) ist abzuleiten, dass grundsätzlich auch in Kartellrechtssachen im Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nur "parate" Bescheinigungsmittel herangezogen werden können. Die Frage, ob angebotene Bescheinigungsmittel parat sind, ist jeweils nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles zu beurteilen. Die Vorladung von Zeugen und die Beischaffung von Akten und Urkunden ist dann zulässig, wenn dadurch keine dem Sinn und Zweck der im konkreten Fall beantragten EV widersprechende Verzögerung eintritt. Die Erstreckung der Tagsatzung zwecks Vorladung der nicht erschienenen Zeugen ist unzulässig (RIS-Justiz RS005246 mzwN). Eine Auskunftsperson, die nicht zum Gericht kommen kann, ist regelmäßig kein parates Bescheinigungsmittel (vgl RIS-Justiz RS0005289).
Hier musste nun (auch ein Antrag der Antragstellerin lag vor) die zur ergänzenden Befragung des Geschäftsführers durch die Parteienvertreter erstreckte Verhandlung wegen der Verhinderung des Geschäftsführers abberaumt werden. Bereits davor war einmal eine Verlegung der Tagsatzung erfolgt. Das Erstgericht kündigte den Parteien an, nunmehr ohne weitere Verhandlung über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Eine Reaktion der Parteien erfolgte nicht. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ergänzende Befragung durch die Parteienvertreter noch als parates Bescheinigungsmittel anzusehen gewesen wäre.
Dass das Erstgericht die von ihm selbst bereits durchgeführte Parteieneinvernahme berücksichtigt hat, rügt die Antragstellerin als solches nicht. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass eine Beteiligung der Parteienvertreter im Bescheinigungsverfahren im Rahmen eines Provisorialverfahrens nicht zwingend vorgesehen ist (vgl RIS-Justiz RS0040289 mzwN). Soweit die Antragstellerin ausführt, dass das Verfahren deshalb mangelhaft wäre, weil sie durch die überraschende schriftliche Entscheidung an der Erstattung eines weiteren Vorbringens gehindert gewesen sei, ist ihr schon entgegenzuhalten, dass das Erstgericht den Parteien sogar ankündigte, nunmehr ohne weitere Verhandlung über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Insgesamt liegt eine Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens nicht vor.
Gleiches gilt auch für die behauptete Aktenwidrigkeit. Die Behauptungen, dass es keinen an Umsatzstärke vergleichbaren Film gegeben hätte, wurden nicht aufgestellt. Die Behauptung, dass sich die Antragstellerin selbst entschloss, weniger umsatzstarke Filme zu buchen, hat einen anderen Inhalt, weil dieser Entschluss auf verschiedene Umstände zurückzuführen sein kann.
Aber auch mit ihrer Rechtsrüge vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen.
Die Antragstellerin stützt ihr Unterlassungsbegehren auf einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch die Antragsgegnerin.
Vorweg ist daher zu beurteilen, ob diese tatsächlich als marktbeherrschend im Sinne des § 34 KartG zu betrachten ist. Als sachlich relevanter Markt sind nach dem anzuwendenden Bedarfsmarktkonzept nur solche Erzeugnisse und Dienstleistungen einzubeziehen sind, die aus Sicht des durchschnittlichen Nachfragers als gegeneinander austauschbar angesehen werden, also marktgleichwertig sind (Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 85; Reich-Rohrwig/Zehetner Kartellrecht I E 2 = ÖBl 1993, 124, ÖBl 1994, 66). Im Einzelfall können Produkte allein auf Grund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage oder ihres Verwendungszwecks einen besonderen Markt bilden, was insbesondere dann gilt, wenn sich für sie Verbraucherpräferenzen gebildet haben (so die Bagatellbekanntmachung der Kommission, zitiert bei Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht³ § 16 Rz 42).
Auf das Vorliegen einer der sich im Wesentlichen aus den Marktanteilen oder dem Fehlen des Wettbewerbs oder der überragenden Marktstellung abgeleiteten Tatbestände für die Marktbeherrschung im Sinne des § 34 Abs 1 und Abs 1a KartG hat sich die Antragstellerin nicht berufen. Als marktbeherrschend gilt aber nach § 34 Abs 2 KartG auch ein Unternehmer, der im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten eine überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere dann vor, wenn die Abnehmer zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind. Das kann etwa dadurch begründet sein, dass ein Handelsunternehmer von der Belieferung mit einem bestimmten Warensortiment abhängig ist ( = SZ 70/173 = ÖBl 1998, 36; ähnlich = ÖBl-LS 2000/116; Gugerbauer, Kommentar zum Kartellgesetz2 Rz 15 zu § 34). Es kommt auf die Ausweichmöglichkeiten an, also inwieweit für die Abnehmer (oder Lieferanten) auf dem relevanten Markt alternative Bezugs-(oder Absatz-)möglichkeiten bestehen (Gugerbauer aaO Rz 14; Koppensteiner, aaO § 12 Rz 32). Die Antragsgegnerin hat nach dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt unter den 12 Filmverleihern in Österreich einen Marktanteil von 11, 6 %. Die ausschließlichen Verwertungsrechte (für Österreich) konnten überhaupt nur hinsichtlich des hier maßgeblichen Films "Chocolat" nachgewiesen werden. Nur hinsichtlich dieses Films hatte die Klägerin also keine Ausweichmöglichkeit. In Ansehung dieses Films ist die Beklagte Monopolistin. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in seiner Entscheidung vom 4 Ob 214/97t (= SZ 70/173 = ÖBl 1998, 36) eine Abschlussverpflichtung von Filmverleihern bejaht. Damals wurde aber von einem wesentlich höheren Marktanteil von ca 25 % ausgegangen und angenommen, dass die damals Beklagte Monopolist bei vielen gutgehenden Filmen war. Dies konnte aber hier derzeit nicht bescheinigt werden. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es insgesamt für die Antragstellerin auf dem Markt des Filmverleihs an alternativen Bezugsmöglichkeiten gemangelt hätte. Ausgehend vom allgemeinen Markt der Filmverleiher kann hierauf die Annahme einer Beherrschung im Sinne des § 34 Abs 2 KartG nicht gegründet werden. Bei der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4 Ob 114/00v (= ÖBl-LS 2000/116) war für die Annahme der Abschlussverpflichtung wesentlich, dass es sich um "erfolgversprechende Erstaufführungen" handelt, die zugleich mit dem Verlust erheblicher, für die Aufrechterhaltung des Kinobetriebs bereits einkalkulierter Einnahmen verbunden sind. Dies wurde als schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteil im Sinn des § 34 Abs 2 KartG, zu deren Vermeidung die betroffenen Betreiber auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind, beurteilt. Kartellrechtlich geht diese Entscheidung im Ergebnis davon aus, dass im Einzelfall Produkte allein auf Grund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage oder ihres Verwendungszwecks einen besonderen Markt bilden können, insbesondere, wenn sich für sie Verbraucherpräferenzen gebildet haben (s oben). Entscheidend sind dabei hier nicht die Präferenzen einzelner Endverbraucher - für die jeweils der gewählte Film kaum zu ersetzen ist-, sondern die objektive (vgl Barfuß/Wollmann/Tahedl aaO, 87) Einschätzung der Abnehmer der Filmverleiher- der konkreten Kinobetreiber. Deren Beurteilung wird freilich von der Einschätzung der jeweils relevanten Zielgruppe der Kinobesucher geprägt sein. Das hier nur nachgewiesene Monopol an einem einzigen Film kann nur dann zur Marktbeherrschung im Sinne des § 34 KartG führen, wenn dieser Film nach der objektiven Einschätzung wirtschaftlich nicht substituierbar ist, sei es wegen der besonderen allgemeinen Umsatzerwartungen, der Bedeutung für die eigene Marketingstrategie oder des besonderen Images. Dazu liegen aber weder ein konkretes Vorbringen noch Feststellungen vor.
Im Ergebnis konnte daher die Antragstellerin im Bescheinigungsverfahren die "Beherrschung" eines "Marktes" nicht nachweisen, sodass sich ein Eingehen auf die einen solchen Markt voraussetzenden Missbrauchsfragen erübrigt.
Das Erstgericht hat den Sicherungsantrag daher zu Recht abgewiesen. Zur Klarstellung sei noch bemerkt, dass hiemit über die Frage, inwieweit der Antragstellerin etwa aus der Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten Schadenersatzansprüche zustehen oder überhaupt ein Vertrag als zustandegekommen anzusehen ist, nicht abgesprochen wurde.