OGH vom 05.09.2001, 9ObA138/01m

OGH vom 05.09.2001, 9ObA138/01m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Harald H*****, Koch, derzeit arbeitslos, *****, vertreten durch Dr. Werner Borns, Rechtsanwalt in Gänserndorf, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alix Frank, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 738.066,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 8/01g-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cga 43/00f-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil mit der Maßgabe bestätigt, dass es anstelle des Ausspruches über die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung zu lauten hat:

"Festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen trotz der Kündigungserklärung des Klägers vom über den hinaus fortbesteht."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.017,78 (darin S 3.669,63 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die vom Kläger selbst ausgesprochene Kündigung unter einem anfechtbaren Willensmangel zustandegekommen ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Auch eine Dienstnehmerkündigung kann als einseitige

empfangsbedürftige Willenserklärung, wenn Willensmängel behauptet

werden, wie jedes andere Rechtsgeschäft nach den allgemeinen Regeln

angefochten werden (9 ObA 205/99h = ecolex 2000, 139 ((Mazal)), DRdA

2000, 293 ((Rummel)) = ZAS 2000/153 ((Gerlach)), weil die

Bestimmungen der §§ 869 bis 875 ABGB auf "sonstige

Willenserklärungen, welche einer anderen Person gegenüber abzugeben

sind", also insbesondere auf einseitige Rechtsgestaltungserklärungen,

entsprechend Anwendung finden (stRsp RIS-Justiz RS0028513, zuletzt 9

ObA 205/99h). Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Drohung mit einem

Übel, durch dessen an sich erlaubte Zufügung der Drohende sein

Interesse wahrt, im Allgemeinen nicht widerrechtlich. Die

Rechtswidrigkeit ist aber zu bejahen, wenn die Drohung als Mittel zur

Herbeiführung eines Erfolges dient, auf den der Drohende keinen

Anspruch hatte oder wenn Mittel und Zweck für sich betrachtet zwar

rechtmäßig sind, aber das Mittel zur Erreichung gerade dieses Zweckes

nicht angemessen ist. Entscheidend ist also, ob die Drohung nach Treu

und Glauben bzw nach der Auffassung aller billig und gerecht

Denkenden als angemessenes Mittel zur Erreichung des angestrebten

Zweckes zu werten ist oder ob der Drohende einen Anspruch auf

Erreichung gerade dieses Zweckes hatte (9 ObA 205/99h mwN).

Kündigt daher der Arbeitnehmer das Dienstverhältnis unter dem Eindruck der Ankündigung des Arbeitgebers, ihn zu entlassen, kommt es entscheidend darauf an, ob für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe

für deren Ausspruch gegeben waren (9 ObA 205/99h, 8 ObA 2/99y = Arb

11.888 = WBl 1999/368 ua). Schon nach dem eigenen Vorbringen (AS 13),

über welches die Feststellungen diesbezüglich nicht hinausgehen, verfügte die beklagte Arbeitgeberin lediglich über die nicht näher konkretisierte Information, dass der Kläger in einem Betrieb der O*****, wo er in der Kantine als Koch arbeitete, zwei Frauen, mit denen er in beruflichem Kontakt stand, in Form von "Telefonterror" belästigt und ihnen beim persönlichen Aufeinandertreffen Szenen gemacht habe. Diese Information stammte vom Obmann des Zentralbetriebsrates der O*****, bei welcher die Beklagte einige Kantinen betrieb. Die beklagte Partei fand es vor dem Gespräch mit dem Kläger, in welchem diesem die Entlassung angedroht wurde, nicht für notwendig, diese vagen Informationen auch nur einigermaßen konkretisieren zu lassen. Sie konfrontierte den Kläger daher auch nur mit unbestimmten und für diesen auch nicht ohne weiteres verifizierbaren oder widerlegbaren Vorwürfen. Eine Konkretisierung erfolgte lediglich dadurch, dass der Kläger selbst die Auseinandersetzungen mit seiner früheren Freundin, welche das Verhältnis nicht fortsetzen wollte, schilderte. Da jedoch die beklagte Partei auf einer Entlassung beharrte, blieb im Unklaren, inwieweit auch in diesem Zusammenhang noch weitere Vorwürfe gegen ihn erhoben würden. Die Drohung mit der Entlassung führte daher für den Kläger wie für jeden anderen in seiner Lage zu einer Zwangssituation, weil die ihm eingeräumte eintägige Überlegungsfrist mangels Konkretisierung der Vorwürfe keine ausreichende Möglichkeit bot, diese auf ihren Gehalt hin zu prüfen. Die vom Kläger selbst zugestandenen und hier festgestellten Auseinandersetzungen mit seiner ehemaligen Freundin konnten der beklagten Partei nicht für die Annahme eines plausiblen Entlassungsgrundes dienen. Wenngleich die frühere Freundin des Klägers die fünf festgestellten Anrufe, bei denen der Kläger von ihr eine Erklärung für die Beendigung ihres Verhältnisses verlangte, begreiflich als Belästigung empfunden hatte, lag darin - auch für die Beklagte erkennbar - keine sexuelle Belästigung oder ein sonstiger Entlassungsgrund im Sinne des § 82 GewO.

Die vom Kläger - für andere Personen hörbar - geäußerten Vorwürfe gegenüber seiner früheren Freundin "Wenn du Charakter hättest, würdest du zum Billa einkaufen gehen; ich möchte dich hier nicht mehr sehen" oder "Was bildest du dir ein, ich habe mich wegen dir scheiden lassen und jetzt stehe ich so da", sind wie vom Berufungsgericht zutreffend beurteilt, keine groben Ehrenbeleidigungen im Sinne des § 82 lit g GewO, erster Tatbestand. Um diesen Entlassungsgrund zu verwirklichen, müsste die Äußerung objektiv geeignet sein, im erheblichen Maße ehrverletzend zu wirken, dh den Umständen nach, unter welchen sie erfolgt, von einem Menschen mit normalem Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden (RIS-Justiz RS0029827). Da somit die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung nicht über plausible und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch verfügte, ging ihre diesbezügliche Drohung über das Maß des Erlaubten hinaus und war daher widerrechtlich.

Aus Anlass der Revision war jedoch der Spruch des Berufungsurteils im Sinne der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0039019) zu korrigieren. Danach hat nämlich das Urteil nicht auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Erklärung, sondern auf Feststellung des aufrechten Bestehens des betroffenen Rechtsverhältnisses zu lauten. Das Gericht hat ein Klagebegehren seinem Sinngehalt nach zu verstehen und erforderlichenfalls von Amts wegen den Urteilsspruch dem tatsächlichen Begehren des Klägers anzupassen (ständige Rechtsprechung RdW 1997, 593, ÖBl 1991, 90, SZ 61/242; 1 Ob 239/97x uva). Wohl ist das - im Revisionsverfahren noch relevante - Urteilsbegehren "Die vom Kläger inhaltlich des Schreibens vom erklärte Kündigung dessen Dienstverhältnisses mit der geklagten Partei ist unwirksam" nicht völlig eindeutig, doch geht aus dem Vorbringen (AS 3 und 5) ausreichend klar hervor, dass der Kläger seine Kündigungserklärung wegen eines Willensmangels anficht und deshalb die Feststellung des Fortbestandes seines Arbeitsverhältnisses begehrt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 Abs 1 ZPO.