OGH vom 28.06.2017, 9ObA2/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller und Mag. Matthias Schachner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** R*****, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** AG, *****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 2.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 46/16p-24, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten die Kriterien der Belästigung iSd § 7d Abs 2 BEinstG oder einer Benachteiligung infolge einer Beschwerde iSd § 7i Abs 2 BEinstG erfüllt, ist einzelfallbezogen und begründet, von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0044088 [T50], zuletzt 9 ObA 167/13v). Das ist auch hier in Bezug auf die drei von der Klägerin erhobenen Vorwürfe nicht der Fall:
1. Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten als Zustellerin beschäftigt, zählt seit 2011 zum Kreis der begünstigten Behinderten und befand sich im Jahr 2013 seit durchgehend – und in jenem Jahr zum fünften Mal – im Krankenstand. Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom mit, dass in Anbetracht ihrer massiven Krankenstände die baldige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit fraglich und beabsichtigt sei, bei Nichtänderung des Krankenstandsverhaltens einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beim Bundessozialamt einzubringen.
Selbst wenn ein Zusammenhang mit den Beschwerden der Klägerin über die Größe ihres Zustellrayons bestehen sollte, wäre für sie nichts gewonnen. Das Benachteiligungsverbot des § 7i Abs 2 BEinstG ist den §§ 13 und 27 GlBG nachgebildet (Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 7i BEinstG Rz 4). Zu diesen Bestimmungen wurde bereits zu 9 ObA 113/11z ausgesprochen, dass nicht jede kausale Reaktion des Arbeitgebers auf die Geltendmachung von Abwehransprüchen zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebots eine verbotene Viktimisierungshandlung darstellt. Es müssen Umstände vorliegen, in denen sich der dem Benachteiligungsverbot zugrunde liegende Gedanke des Schutzes vor Repressalien oder einer Viktimisierung des Arbeitnehmers widerspiegelt. Die Klägerin meint, mit dem Schreiben der Beklagten vom iSd § 7i Abs 2 BEinstG „anders benachteiligt“ worden zu sein, weil die Bestimmung auch Benachteiligungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen und damit auch Handlungen erfasse, die dem Ansehen einer Person schaden würden, deren Wertschätzung im Betrieb herabsetzten oder Diffamierungshandlungen darstellten. Wenn die Vorinstanzen hier derartiges in jenem Schreiben nicht erkennen konnten und – schon im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Zustimmung des Behindertenausschusses zu einer Kündigung – das Schreiben der Beklagten nicht als unzulässige Druckausübung sahen, ist dies vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.
Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang auch das Vorliegen einer Belästigung iSd § 7d BEinstG verneint, wenn sie im Schreiben vom keine als unerwünscht, unangebracht oder anstößig zu qualifizierende Verhaltensweise der Beklagten erkennen konnten und es nicht als ausreichend dafür geeignet erachteten, für die Klägerin ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld iSd § 7d Abs 2 BEinstG zu schaffen. Ein Korrekturbedarf besteht dazu nicht.
2. Die Klägerin sieht den Tatbestand der Belästigung auch dadurch verwirklicht, dass die Beklagte im Parallelverfahren, in dem die Klägerin ua Überstundenentgelt einklagte, vorbrachte, das von der Klägerin beklagte hohe Arbeitsausmaß könne nicht auf ihre behauptete Behinderung, sondern müsse auf mangelnden Fleiß zurückzuführen sein.
Es ist vertretbar, wenn die Vorinstanzen in der Äußerung lediglich ein im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zulässiges Prozessvorbringen der Beklagten sahen, mit dem dem Vorbringen der Klägerin, die Bewältigung der ihr übertragenen Aufgaben sei in der Normalarbeitszeit nicht möglich gewesen, entgegnet werden sollte. Daneben kann dahingestellt bleiben, ob die Äußerung schon jenes Mindestmaß an Intensität einer belästigenden Verhaltensweise erreicht hat, das für die Verletzung der Würde der betroffenen Person iSd § 7d Abs 2 Z 1 BEinstG erforderlich ist (s 9 ObA 21/12x mwN).
Ein Sachverhalt, der jenen der Entscheidungen 9 ObA 118/11k (E-Mail mit pornografischem Inhalt) oder 8 ObA 8/09y (Beleidigung einer Blinden als „Depperte“ uä) vergleichbar wäre, liegt nicht vor. Im Rahmen der Entscheidung 9 ObA 118/11k fehlten insbesondere Feststellungen zum Vorbringen, dass im Zuge eines Schlichtungsgesprächs vor dem Bundessozialamt getätigte Äußerungen belästigend gewesen seien.
3. Die Vorinstanzen konnten auch keine Benachteiligung der Klägerin darin sehen, dass ihr im Parallelverfahren im Zuge von Vergleichsgesprächen die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses angeboten wurde. In dieser Beurteilung liegt keine Abweichung von der Rechtsprechung, wurde doch schon in der Entscheidung 9 ObA 113/11z festgehalten, dass eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses dann dem Benachteiligungsverbot widersprechen könnte, wenn sie Ergebnis einer unzulässigen Druckausübung durch den Arbeitgeber ist, nicht aber, wenn sie Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung des Arbeitnehmers ist. Anhaltspunkte für eine unzulässige Druckausübung auf die (anwaltlich vertretene) Klägerin sind den Feststellungen nicht zu entnehmen, zumal sie das Vergleichsanbot auch nicht akzeptierte. Zutreffend wies das Berufungsgericht auch darauf hin, dass das Recht der Beklagten, das Dienstverhältnis der Klägerin zu kündigen, überdies durch das Erfordernis der Zustimmung des Behindertenausschusses (§ 8 BEinstG) begrenzt ist. Der von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeregten Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens ist daher nicht näherzutreten.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00002.17K.0628.000 |
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