OGH vom 24.03.2015, 8Ob21/15v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin G***** E*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, gegen die Antragsgegnerin T***** N*****, wegen Feststellung des Ruhens der Unterhaltspflicht, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 142/14b 8, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom , GZ 8 FAM 26/14d 5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist die Tochter der Antragsgegnerin. Mit Schriftsatz vom begehrte die Antragstellerin die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch ihrer Mutter ihr gegenüber ruhe. Zur Begründung führte sie aus, dass die Antragsgegnerin mit Übergabsvertrag von ihre Liegenschaft an deren Sohn übergeben habe. Mit diesem Übergabsvertrag sei der Antragsgegnerin ein umfangreiches Ausgedinge eingeräumt worden. Aufgrund des Ausgedinges ruhe ihre Unterhaltspflicht der Mutter gegenüber.
Über Auftrag des Erstgerichts, den Antrag durch Ergänzung von Angaben zum Feststellungsinteresse zu verbessern, führte die Antragstellerin aus, dass sie mit einem Regress nach dem Steiermärkischen Sozialhilferecht zu rechnen habe, weshalb die gerichtliche Feststellung des Ruhens des Unterhaltsanspruchs in ihrem Interesse liege. Über weiteren Auftrag des Erstgerichts, die gegen sie erhobene Regressforderung nach dem Stmk SHG zu bescheinigen, teilte die Antragstellerin mit, dass sich die Antragsgegnerin im 91. Lebensjahr befinde und in einem Pflegeheim untergebracht sei. Ihre Mutter sei nicht in der Lage, die auflaufenden Kosten selbst zu tragen. Nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilferechts sei sie deshalb verpflichtet, einen Regress zu leisten, soweit nach bürgerlichem Recht eine Unterhaltsverpflichtung bestehe. Mit ihrem Antrag begehre sie die Feststellung, dass ein Unterhaltsanspruch nicht bestehe, sodass im Fall ihrer Inanspruchnahme ein Ersatz nicht zu leisten sei.
Das Erstgericht wies den Feststellungsantrag ab. Im Außerstreitverfahren seien Auffassungsunterschiede über das Bestehen von Unterhaltspflichten zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten dann feststellungsfähig, wenn sich der Unterhaltsberechtigte konkreter, nicht titulierter bzw höherer Unterhaltsansprüche „berühme“, es aber unterlasse, für eine Titelschöpfung zu sorgen, und der Unterhaltspflichtige der Auffassung sei, zu keinen oder jedenfalls nicht zu weiteren Unterhaltsleistungen verpflichtet zu sein. Davon ausgehend habe die Antragstellerin kein Feststellungsinteresse, weil sie weder behauptet noch bescheinigt habe, dass die Unterhaltsberechtigte selbst oder der Sozialhilfeträger von ihr bereits Unterhalt bzw Aufwandsersatz gefordert habe.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Behauptete der Unterhaltsberechtigte keinen Anspruch, so stehe dem Unterhaltspflichtigen ein Feststellungsbegehren nicht zu. Im Anlassfall habe sich die Antragsgegnerin keines Rechts berühmt und dementsprechend keine konkreten Forderungen gegenüber der Antragstellerin erhoben. Eine aktuelle Gefährdung der Rechtsposition der Antragstellerin liege daher nicht vor. Ein potentieller Pflegeregress genüge zur Begründung des Feststellungsinteresses nicht, möge der Verwaltungsbehörde auch kein Ermessensspielraum zukommen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil es in der Steiermark eine größere Anzahl von Personen gebe, deren Elternteil sich in einem Pflegeheim befinde, der die Kosten dafür nicht selbst tragen könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, dem Feststellungsbegehren stattzugeben.
Die Antragsgegnerin hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber den Revisionsrekurs ausführen und eine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
2. Die (volljährige) Antragstellerin begehrte im Hinblick auf einen zu erwartenden Regress des Sozialhilfeträgers nach dem Steiermärkischen Sozialhilferecht die gerichtliche Feststellung des Ruhens ihrer Unterhaltspflicht, sodass sie im Fall der Inanspruchnahme durch den Sozialhilfeträger keinen Aufwandsersatz zu leisten habe.
Für gesetzliche Unterhaltsansprüche zwischen volljährigen Kindern und ihren Eltern ist zufolge § 101 AußStrG und § 114 JN nunmehr der außerstreitige Rechtsweg vorgesehen (1 Ob 4/08g).
3.1 Auch im Außerstreitverfahren ist ein Feststellungsbegehren nur dann zulässig, wenn das von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse als Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs vorliegt. Maßgeblich für die Beurteilung des rechtlichen Interesses ist das Ende des erstinstanzlichen Verfahrens (1 Ob 4/08g).
Allgemein schließt die Möglichkeit eines Leistungsbegehrens das Feststellungsinteresse dann aus, wenn der Erfolg des Leistungsbegehrens die Feststellung des ihr zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt (7 Ob 4/05x; 2 Ob 219/11m).
Bei der Feststellung von „Drittrechtsverhältnissen“ bzw von Rechtsverhältnissen mit der Zielsetzung, dass die Feststellung die rechtliche Beziehung zu Dritten beeinflussen soll, ist das rechtliche Interesse streng zu prüfen, weil das „Feststellungsurteil“ einem am Verfahren nicht beteiligten Dritten gegenüber grundsätzlich (mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung) keine Rechtskraftwirkung entfaltet. Das rechtliche Interesse wird aber dann anerkannt, wenn durch den möglichen Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht voll ausgeschöpft wird (7 Ob 176/13b mwN).
3.2 Im Anlassfall handelt es sich um einen „negativen“ Feststellungsantrag. Mit einem solchen Antrag wird die Feststellung angestrebt, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis zum Antragsgegner nicht besteht, dass das vom Antragsgegner behauptete Recht nicht besteht oder dass diesem das behauptete Recht nicht zusteht.
Die dargestellten Grundsätze zum rechtlichen Interesse sind wegen des identen Rechtsschutzziels - sinngemäß auch im Verfahren über einen negativen Feststellungsantrag anzuwenden. Dies bedeutet, dass ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts vor allem dann anerkannt wird, wenn der Beklagte (Antragsgegner) sich des dem Kläger (Antragsteller) zustehenden Rechts, oder aber sich eines eigenen Rechts gegenüber dem Antragsteller berühmt und Zweifel darüber möglich sind (vgl 9 ObA 56/09i). Dies bedeutet aber auch, dass die mögliche (künftige) Geltendmachung eines Leistungsanspruchs durch die Gegenseite oder durch einen Dritten, der sich auf die Rechtsposition der Gegenseite beruft, einem negativen Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse nimmt, wenn durch die möglichen Einwendungen im Verfahren über den Leistungsstreit der Feststellungsanspruch voll ausgeschöpft wird. Kann also der Antragsteller im Leistungsverfahren alles das erreichen, was er mit der negativen Feststellungsklage bezweckt, fehlt ihm das notwendigerweise über den Leistungsstreit hinausgehende Feststellungsinteresse, wenn ihm ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen (7 Ob 176/13b mwN). Das besondere, über den Leistungsstreit hinausgehende Feststellungsinteresse muss vom Antragsteller behauptet und bewiesen werden (9 ObA 35/08z; 7 Ob 176/13b; vgl auch 2 Ob 219/11m).
4.1 Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann nicht allgemein gesagt werden, das Feststellungsinteresse würde bereits daran scheitern, dass die Antragstellerin die Erhebung einer konkreten Regressforderung nicht bescheinigt habe. Wird von der Antragstellerin das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen für einen zu erwartenden Regress durch den Sozialhilfeträger und für ihre Inanspruchnahme als Unterhaltspflichtige schlüssig dargetan, so ist wie hier die erste Hürde für das Feststellungsbegehren an sich überschritten. Das von der Antragstellerin erwähnte nachträgliche Schreiben des Sozialhilfeträgers vom könnte im vorliegenden Verfahren allerdings nicht mehr berücksichtigt werden.
4.2 Damit kann das Feststellungsinteresse jedoch noch nicht bejaht werden. Vielmehr kommt es darauf an, welche Einwendungsmöglichkeiten der Antragstellerin im (hier verwaltungsbehördlichen) Leistungsverfahren offen stehen.
Nach Ansicht des VfGH (G 93/2012, V 60/2012 zu der hier maßgebenden früheren Fassung des § 28 Z 2 lit a Stmk SHG [mit Wirksamkeit vom wurde die Aufwandsersatzpflicht des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem Sozialhilfeträger durch LGBl 2014/64 iVm der VO 2014/81 zur Stmk SHG DVO beseitigt]) ist die Frage, ob dem Grunde nach eine zivilrechtliche Unterhaltspflicht zwischen Elternteil und Kind besteht, durch die Verwaltungsbehörde von Amts wegen zu prüfen, also als Vorfrage zu entscheiden.
Damit hat die Antragstellerin die rechtliche Möglichkeit, das von ihr behauptete Ruhen der Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin in einem allfälligen verwaltungsbehördlichen Verfahren geltend zu machen. Dass aufgrund der in einem solchen Verfahren (für Leistungszeiträume vor ) möglichen Einwendungen das Feststellungsbegehren im Anlassverfahren noch nicht voll ausgeschöpft ist, hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Damit hat sie ein über den Leistungsstreit hinausgehendes rechtliches Interesse an der hier begehrten Feststellung weder behauptet noch bewiesen.
4.3 Der Anlassfall unterscheidet sich auch wesentlich von dem der Entscheidung 1 Ob 4/08g zugrunde liegenden Sachverhalt. Im Vergleichsfall ist der Sozialhilfeträger schon vor Einbringung des Feststellungsantrags an die dortige Antragstellerin mit dem Hinweis herangetreten, dass diese nach den Bestimmungen des ABGB gegenüber ihrer Mutter unterhaltspflichtig und daher gemäß dem anwendbaren Sozialhilfegesetz im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht und Leistungsfähigkeit zum Ersatz der geleisteten Sozialhilfebeiträge verpflichtet sei. Weiters hat die Antragstellerin anders als jene im Vergleichsverfahren - hier auch nicht etwa behauptet, dass sich die Antragsgegnerin eines Unterhaltsanspruchs ihr gegenüber „berühmt“ habe.
5. Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen haben die Vorinstanzen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses zu Recht verneint. Da im Revisionsrekurs, in dem die relevanten Fragen nicht angesprochen werden, keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Ein Kostenersatz nach Billigkeit kommt nicht in Betracht (vgl 1 Ob 57/11f).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00021.15V.0324.000