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OGH vom 29.04.2009, 9ObA18/09a

OGH vom 29.04.2009, 9ObA18/09a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig sowie die fachkundigen Laienrichter Sabine Glanz und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Laszlo K*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 24.000 EUR netto sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 69/08h-32, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 11 Cga 86/07t-25, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt wird, dass das Zwischenurteil des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betrieb zunächst 13 Jahre lang eine Tankstelle der Beklagten in Enns, die im Dezember 2003 geschlossen wurde. In der Folge führte er eine A*****-Tankstelle in M*****. Zwischen den Parteien wurde zunächst am ein Vertrag über die Führung dieser Tankstelle abgeschlossen, mit Wirksamkeit ab ein weiterer Vertrag mit erhöhten Mindestpachtzinsen. Der Tankstellenunternehmensvertrag lautet auszugsweise:

„IV. Tankstellenspezifische Bestimmungen

1. Allgemeines

Der TSU soll, ohne zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet und ohne mit der Zuführung von Kunden betraut zu sein, die Tankstelle als selbstständiger Unternehmer aufgrund einer eigenen Gewerbeberechtigung eigenverantwortlich betreiben. Der Verkauf von Treibstoffen und Heizöl extra leicht erfolgt im Agenturverhältnis, demnach im Namen und für Rechnung der O*****. Schmierstoffe und verwandte Mineralölerzeugnisse (wie Bremsflüssigkeit) aus dem Angebot der O***** werden vom TSU als Eigenhändler, demnach im eigenen Namen und für eigene Rechnung vertrieben. Gleiches gilt auch für Pflegemittel, welche der TSU zur Wahrung eines einheitlichen Warensortiments an den Tankstellen der O***** führen soll und bei den von ihr empfohlenen Lieferanten beziehen kann, sowie auch für Dienstleistungen, wie Wagenpflege, Ölwechsel, etc. Schmierstoffe werden vom TSU ausschließlich bei der O***** bezogen. Der Verkauf anderer als der über O***** bezogenen Schmierstoffe an der Tankstelle ist unzulässig.

Der TSU wird die Tankstelle innerhalb der zulässigen Öffnungszeiten offenhalten. O***** stimmt bis auf weiteres einer Einschränkung der Tankstellenöffnungszeiten wie folgt zu:

Montag-Samstag 06.00-22.00 Uhr

Sonn- und Feiertag 07.00-21.00 Uhr

[...]

2. Verkauf von Agenturwaren

Der TSU übernimmt den Verkauf von Treibstoffen und Heizöl extra leicht im Namen und für Rechnung der O***** [...]

Um den Absatz der Tankstelle im beiderseitigen Interesse zu fördern befolgt der TSU beim Verkauf von Treibstoffen an der Tankstelle die Verkaufsrichtlinien von O*****, die den von O***** gesammelten Erfahrungen entsprechen, und erkennt diese ausdrücklich als verbindlich an. Bekleidungsvorschriften seitens der O***** sind einzuhalten. Es steht O***** frei, unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten jeweils zum Quartalsende (31. 3., 30. 6., 30. 9., 31. 12.) den Betrieb der Tankstelle von Bedienung auf Selbstbedienung oder umgekehrt umzustellen.

Insbesondere wird unter Bedienung der Kunden Folgendes verstanden:

-) Der an der Tankstelle eingetroffene Kunde ist in einer angemessenen, der jeweiligen Auslastung der Tankstelle entsprechenden Frist bei seinem Fahrzeug zu begrüßen und nach seinen Wünschen zu fragen.

-) Sollte es erforderlich sein, wird der Kunde höflich an den richtigen Tankplatz eingewiesen und anschließend sein Fahrzeug gemäß den geäußerten Wünschen betankt. [...]

-) Während des Tankvorgangs wird dem Kunden höflich die Reinigung der Frontscheibe, Fahrzeugbeleuchtung und der Heckscheibe, Kontrolle des Motorölstands und des Waschwassers sowie Kontrolle des Reifendrucks aktiv angeboten und ohne weitere Kosten für den Kunden durchgeführt. Festgestellte Mängel sind dem Kunden mitzuteilen.

-) Sofern eine Mängelbehebung möglich ist und diese allenfalls die Ergänzung von entgeltpflichtigen Betriebsmittel erforderlich macht, ist dem Kunden ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten.

3. Vergütung für Agenturware

Als Entgelt für den Vertrieb von Agenturwaren erhält der TSU für verkaufte oder im Eigenverbrauch bezogenen Treibstoffe und Heizöl extra leicht eine Vergütung, die im Rahmen der branchenüblichen Tankstellenvergütung von der O***** jeweils in angemessener Weise festgesetzt wird. 50 % der Vergütungen entfallen auf verwaltende Tätigkeiten, wie Tagesabrechnung (ca. 15 %), Steuerberater, Bankwege, Buchungsbelege aufbereiten für Buchhaltung (ca. 29 %), Treibstoffmankokontrolle (ca. 1 %), Ölabscheiderkontrolle (ca. 1 %), Zapfsäulenkontrolle (ca. 1 %), Gespräche mit Gebietsleitern (ca. 2 %), Mängelmeldungen u. Behebung bei Zapfsäulen u.ä. (ca. 1 %).

Bei Führung der Tankstelle als Bedienungstankstelle erhält der TSU folgende Vergütung bei Verkauf von Treibstoff und Heizöl:

für Vergaserkraftstoffe und Dieselkraftstoff bis zu einer verkauften Kalenderjahresmenge

a) von 1 Mio Liter Euro 38,50 je 1.000 Liter

b) für darüber hinausgehende Mengen Euro 14,50 je 1.000 Liter

für Heizöl extra leicht Euro 17,00 je 1.000 Liter

[...]

4. Eigenhandel

Sonstiges Waren- und Leistungsangebot

Alle anderen an der Tankstelle verkauften Waren, ausgenommen Agenturwaren, werden vom TSU in seinem Namen und auf seine Rechnung verkauft. Dies gilt auch für Dienstleistungen, die von ihm an der Tankstelle erbracht werden.

Der TSU verpflichtet sich, ausschließlich Schmierstoffe und verwandte Spezialitäten (Bremsflüssigkeit, Frostschutz, Scheibenklar etc.) der Marke „O*****" bzw. „C*****" zu verkaufen und zu verwenden. Sofern einzelne Produkte nicht vertreten sind, verpflichtet sich der TSU, Produkte der Marke „O*****" zu verwenden.

Der Einkaufspreis dafür richtet sich nach der dem TSU zur Kenntnis gebrachten Preisliste, die von O***** laufend den Marktgegebenheiten angepasst werden kann.

Der TSU wird einen angemessenen Vorrat an Schmierstoffen und Spezialitäten auf Lager halten und seinen Kunden entsprechend den von O***** gegebenen technischen Richtlinien weiterverkaufen.

Der Verkauf der von O***** vertriebenen Produkten hat ausschließlich unter den von O***** vorgeschriebenen Bezeichnungen, Verpackungen und zu den in diesem Vertrag geregelten Bedingungen zu erfolgen. Mangels anderer schriftlicher Vereinbarung sind die Waren vom TSU bei Übernahme zu bezahlen (ohne Skonto). Dem TSU empfohlene Endverbraucherpreise sind unverbindlich, jedoch dürfen etwaige behördlich festgesetzte Höchstpreise von ihm nicht überschritten werden.

[...]

Der TSU wird sein Warenangebot auf das bei vergleichbaren Tankstellen der O***** übliche Sortiment ausrichten und die diesbezüglichen Richtlinien der O***** beachten.

V. Nebenbetriebsspezifische Bestimmungen

1. Allgemeines

1. Shop

2. Autowaschbetrieb

O***** gibt und der TSU nimmt von ihr die oben genannten Betriebe samt Inventar in Pacht. Es besteht Betriebspflicht.

2. Pachtzins

Der TSU hat für Nebenbetriebsnettoumsätze, das sind vom Kunden vereinnahmte Entgelte abzüglich Mehrwertsteuer, ausgenommen mit jenen Waren, die der TSU direkt von O***** bezieht, einen umsatzabhängigen Monatspachtzins wie folgt zu entrichten:

Shopumsätze 10 % vom Umsatz

Lose (Brief-, Rubbellose udgl) 2 % vom Umsatz

Waschgeschäft- s. Zusatzvereinbarung Waschgeräte Bürstenwaschanlage oder Lanzenwaschanlage 60 % vom Umsatz

Gastronomieumsätze --- % vom Umsatz

Tabakwaren, sofern diese zulässigerweise verkauft werden dürfen

5 % vom Umsatz

Kaffeeautomat 60 % vom Umsatz

Reifenumsätze sowie Umsätze aus Serviceleistungen, Autobahnvignetten und Telefonwertkarten sind pachtzinsfrei.

Die Umsatzpacht hat jedoch jährlich mindestens (Mindestpachtzins), wertgesichert

für das Shopgeschäft Euro 2.500,--

für das Waschgeschäft Bürstenwaschanlage oder Lanzenwaschanlage

Euro 12.000,--

für die Gastronomie Euro ---

zu betragen.

[...]

Der Pachtzins deckt lediglich die mit dem Bestand des Objektes verbundenen Steuern und Abgaben. Alle aus dem Betrieb des Pachtverhältnisses entstehenden Betriebskosten, Steuern und Abgaben und sonstigen Aufwendungen hat der TSU aus eigenem zu tragen."

Für die vertragsgemäße Führung der verpachteten Tankstelle ist bei optimalem Einsatz der Arbeitsressourcen und einer wöchentlichen, vom Pächter selbst zu erbringenden Arbeitszeit von 61 Stunden der Einsatz von 1,4 Vollzeit-Arbeitskräften erforderlich, wobei in dieser Konstellation keine Reserven für allfällige Krankenstände, Urlaube oder sonstige Abwesenheiten von Arbeitnehmern bestehen.

Der Kläger hat im Rumpfkalenderjahr 2004 (15. 7. bis 31. 12.) rund 0,5 Vollzeit-Arbeitskräfte, im Kalenderjahr 2005 1,6 Vollzeit-Arbeitskräfte, im Kalenderjahr 2006 rund 0,8 Vollzeit-Arbeitskräfte und im Rumpfkalenderjahr 2007 (1. bis 31. 1.) 0,7 Vollzeit-Arbeitskräfte beschäftigt. Er hatte während der überwiegenden Vertragsdauer selbst wöchentlich etwa 70 Stunden zu arbeiten.

Im (Rumpf-)Jahr 2004 hat der Kläger einen Überschuss in Höhe von 11.855,39 EUR, im Jahr 2005 einen Verlust von 4.505,52 EUR, im Jahr 2006 einen Überschuss von 15.640,10 EUR erzielt; auf Grundlage der vorläufigen Saldenliste, in der jedoch noch keine Inventurveränderungen erfasst sind, beträgt der Überschuss im (Rumpf-)Jahr 2007 1.693,20 EUR. Bei berichtigter Abgrenzung zwischen den Jahresabschlüssen ergibt sich für alle Jahre ein - zumindest knapp - positives Ergebnis, und zwar für das Jahr 2004 ca 7.800 EUR, für das Jahr 2005 ca 400 EUR, für das Jahr 2006 ca 14.920 EUR und für das Jahr 2007 ca 1.530 EUR.

In diesen Beträgen sind die Personalkosten des Pächters nur in der Form von Privatentnahmen - und zwar an „Eigenverbrauch PKW" in Höhe von 276,51 EUR (2004), 777,11 EUR (2005), 817,51 EUR (2006) und 48,97 EUR (2007) bzw für die Privatentnahmen aufgelaufener Zinsen berücksichtigt. Der Kläger hat weniger entnommen, als er aus betriebswirtschaftlicher Sicht auf Grundlage der von ihm erbrachten Arbeitsleistungen hätte entnehmen dürfen, und zwar im Jahr 2004 um 9.822,54 EUR weniger, im Jahr 2005 um 5.402,41 EUR weniger, im Jahr 2006 um 23.160,33 EUR weniger und im Jahr 2007 um 816,23 EUR weniger. Auch die vom Kläger für Steuerberatung aufgewendeten Beträge waren angemessen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht war die von der Beklagten an den Kläger verpachtete Tankstelle im Zeitraum vom bis unter Einhaltung der vertraglichen Bedingungen nicht gewinnbringend zu führen.

Unter Berücksichtigung des aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu berücksichtigenden Unternehmerlohns für jene Zeiten, in denen der Kläger im Unternehmen Dienst versah - wobei die Zeiten unternehmerischer Zusatzleistungen wie Beratungen beim Steuerberater und Rechtsberatungen, Wege zum Finanzamt, Mitarbeiterbetreuung und dergleichen außer Acht bleiben - ergibt sich für den gesamten Zeitraum der Pacht ein Verlust in der Höhe von 69.278 EUR.

Mit Schreiben vom kündigte der Kläger den Tankstellenunternehmensvertrag unter Hinweis darauf, seine „wiederholten Ersuchen, mit der Beklagten auf partnerschaftlichem Wege dieser unhaltbaren Situation Abhilfe zu schaffen, seien nicht in der Art behandelt worden, die ihn in die Lage versetzt hätte, mit der Station unter Berücksichtigung branchenüblicher Kosten einen dem persönlichen Einsatz angemessenen Verdienst zu erzielen; ihm sei eine wirtschaftlich zumutbare Betriebsführung der Station nicht möglich".

Der Kläger hat der Beklagten während des aufrechten Vertragsverhältnisses Kunden zugeführt, aus denen die Beklagte Vorteile ziehen kann.

Der Kläger begehrte von der Beklagten eine Ausgleichszahlung in Höhe von 24.000 EUR. Die von ihm betriebene Tankstelle habe von Beginn an unter wirtschaftlich vernünftigen Gesichtspunkten zu den von der Beklagten vorgegebenen Konditionen nicht geführt werden können. Der Beklagten sei bei Vertragsabschluss bekannt gewesen, dass ihm langfristig signifikante Verluste erwachsen würden. Schon aufgrund ihrer betriebswirtschaftlichen Kenntnisse habe die Beklagte wissen müssen, dass die von ihr gezahlten Provisionen nicht ausreichen würden, ihm ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Nicht zuletzt aufgrund der Erklärung des zuständigen Gebietsleiters der Beklagten, dass er bei entsprechendem persönlichen Einsatz mit der Tankstelle einen angemessenen Gewinn erzielen werde, habe er sich zur Übernahme der Tankstelle bereit erklärt. Auch einen mündlich von der Gebietsleiterin der Beklagten am zugesagten Zuschuss von 23.000 EUR habe er nicht erhalten. Da der Betrieb der Tankstelle schwer defizitär gewesen sei und eine rücksichtslose Ausbeutung seiner Arbeitskraft dargestellt habe, sei er zur Abwendung weiteren finanziellen Schadens insbesondere zur Vermeidung seiner Zahlungsunfähigkeit gezwungen gewesen, den Tankstellenvertrag aufzulösen.

Die Beklagte habe ihm gegenüber während der Geschäftsbeziehung gegen ihre vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten insbesondere gemäß § 6 HVertrG verstoßen und ihm dadurch begründeten Anlass gegeben, das Vertragsverhältnis unter Wahrung seines Ausgleichsanspruchs aufzulösen. Im Übrigen verstoße die Verpachtung eines defizitären Unternehmens gegen § 879 ABGB und sei daher nichtig.

Die Beklagte sei auch zum Ersatz des ihm aus dem Vertragsabschluss entstandenen Schadens verpflichtet, dies deshalb weil dieser gegen österreichisches und europäisches Kartellrecht (Art 81 EG) verstoße. In der Entscheidung C-217/05 vom habe der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass Art 81 Abs 1 EG auf die zwischen dem Lieferanten und dem Tankstellenbetreiber bestehende Rechtsbeziehung Anwendung finde, wenn der Betreiber „in einem nicht unerheblichen Umfang ein oder mehrere finanzielle und kommerzielle Risiken des Absatzes an Dritte trage". Diese Voraussetzung sei schon allein dadurch erfüllt, dass der Kläger sämtliche mit dem Vertrieb der Waren verbundenen Betriebskosten habe tragen müssen.

Gemäß § 24 HVertrG berechne sich sein Ausgleichsanspruch mit 45.374,22 EUR bzw 57.960 EUR. Aus Gründen der prozessualen Vorsicht begehre er vorläufig lediglich einen Teilbetrag von 24.000 EUR.

In eventu stützte der Kläger sein Begehren auf Schadenersatz bzw auf offenes Entgelt, weil er de facto als Arbeitnehmer tätig gewesen sei.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete ein, dass dem Kläger kein Ausgleichsanspruch zustehe, weil er das Vertragsverhältnis selbst gekündigt habe. Sie habe auch keinen begründeten Anlass für diese Kündigung gegeben. Auch wenn sich der Betrieb wirtschaftlich nicht wunschgemäß entwickelt habe, könne dieses Risiko nicht auf sie als Verpächterin abgewälzt werden. Der Tankstellenunternehmensvertrag sei nicht sittenwidrig, Art 81 Abs 1 EG sei nicht anwendbar, weil das wesentliche Risiko im Zusammenhang mit dem Vertrieb der Treibstoffe von der Beklagten getragen worden sei. Auch die Höhe des Ausgleichsanspruchs sei nicht schlüssig dargetan worden und werde bestritten. Der Kläger sei auch kein Arbeitnehmer gewesen.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil das Klagebegehren dem Grunde nach als zu Recht bestehend. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus unter anderem folgende Feststellung: „Die Unmöglichkeit, die verpachtete Tankstelle wirtschaftlich zu führen, war der beklagten Partei bei der Verpachtung bekannt."

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG trotz Selbstkündigung des Handelsvertreters dann nicht verloren gehe, wenn dem Unternehmer zurechenbare Umstände hiezu begründeten Anlass gegeben haben. Es treffe zwar zu, dass den Unternehmer (hier gemeint: Pächter) grundsätzlich das Unternehmerrisiko treffe. Daraus sei für die Beklagte aber deshalb nichts gewonnen, weil ihr die Unmöglichkeit der wirtschaftlichen Führung der Tankstelle zu den vereinbarten Konditionen von vornherein bekannt gewesen sei. Das Recht des Klägers, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund aufzulösen, sei auch nicht durch Fristablauf verloren gegangen. Es könne ihm nämlich kein Vorwurf gemacht werden, dass er nach Erkennen der Unwirtschaftlichkeit zunächst durch verschiedene Maßnahmen versucht habe, um die Tankstelle doch noch wirtschaftlich zu führen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es erachtete die im Zusammenhang mit der oben kursiv wiedergegebenen Feststellung des Erstgerichts, wonach der Beklagten bei Vertragsabschluss die Unmöglichkeit der wirtschaftlichen Führung der Tankstelle bekannt gewesen sei, erhobene Mängelrüge der Beklagten als berechtigt, weil es das Erstgericht unterlassen habe, von der Beklagten geführte Zeugen zu diesem Fragenkomplex zu vernehmen. Die weiters erhobene Mängelrüge sowie die Tatsachen- und Beweisrüge der Beklagten erachtete das Berufungsgericht hingegen für nicht stichhältig.

Seine rechtliche Beurteilung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Unstrittig sei, dass das Handelsvertretergesetz (HVertrG) auf Tankstellenunternehmens- bzw Tankstellenpachtverträge anwendbar sei. Nach § 24 Abs 1 HVertrG gebühre dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses ein angemessener Ausgleichsanspruch, wenn und soweit er dem Unternehmen neue Kunden zugeführt oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert habe, zu erwarten sei, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen könne und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit dem betreffenden Kunden entgehenden Provisionen der Billigkeit entspreche. Nach Abs 3 Z 1 erster Fall leg cit bestehe der Anspruch nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst habe, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben. Ein begründeter Anlass, der dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch trotz Eigenkündigung wahre, könne grundsätzlich in jedem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Unternehmers bestehen. An einen begründeten Anlass seien geringere Anforderungen zu stellen als an einen wichtigen Grund. Es komme somit in keiner Weise auf ein Verschulden des Unternehmers an. Damit könne sogar ein vertragsgemäßes Verhalten des Unternehmers dem Handelsvertreter einen begründeten Anlass zur Kündigung des Vertragsverhältnisses geben, ohne dass dadurch der Ausgleichsanspruch gefährdet würde. Als Beispiele für derartige, dem Unternehmer zurechenbare, Umstände würden etwa die schlechte wirtschaftliche Lage in die das Unternehmen unter der Führung des Unternehmers geschlittert sei, ein wie immer geartetes betriebliches Verhalten, das für den Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit untragbar mache, wie zB Betriebsstilllegung oder Produktionseinschränkung, eine Verkleinerung des Vertretungsgebiets verbunden mit erheblichen Provisionseinbußen, ein starker Rückgang der Provisionseinnahmen infolge einer wesentlichen Verkleinerung des Warensortiments oder ganz allgemein wirtschaftliche Schwierigkeiten des Unternehmers oder schleppende Provisionszahlungen genannt. Die beispielhafte Aufzählung zeige, dass begründeter Anlass zur Eigenkündigung des Handelsvertreters ein Verhalten des Unternehmers sei, das er während des laufenden Vertragsverhältnisses gesetzt habe. Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten des Unternehmers, die wie hier den Handelsvertreter mehrere Jahre nach Vertragsabschluss berechtigen solle, den Handelsvertretervertrag unter Wahrung des Ausgleichsanspruchs aufzukündigen, sei von § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG jedoch nicht umfasst.

Soweit überhaupt vorvertragliche Informations- und Auskunftspflichten bestünden, die die Beklagte verletzt habe, könnten diese allenfalls einen Anspruch des Klägers auf Ersatz des Vertrauensschadens auslösen. Hätte die Beklagte dem Kläger vor Vertragsabschluss mitgeteilt, dass die ihm angebotene Tankstelle aus betriebswirtschaftlicher Sicht unter Einhaltung der Vertragsbedingungen nicht gewinnbringend geführt werden könne, hätte der Kläger aber wohl vom Vertragsabschluss Abstand genommen.

Der Kläger stützte den begründeten Anlass zur Kündigung ganz allgemein auch darauf, dass die Beklagte Schutz- und Sorgfaltspflichten gemäß § 6 HVertrG verletzt habe. Diese Bestimmung regle die Unterstützungspflichten des Unternehmers. Die Lehre führe diesbezüglich die „Treuepflicht", die Verschwiegenheitspflicht, die Pflicht des Unternehmers, den Handelsvertreter entsprechend auszustatten, allgemeine und besondere Informationspflichten sowie eine Gleichbehandlungspflicht an. Die vom Kläger genannte Pflicht der Beklagten, ihm eine Provision in einer bestimmten Höhe zu bezahlen, lasse sich aus den dargestellten Pflichten des Unternehmers jedoch nicht ableiten. Wie die Berufungswerberin zutreffend ausführe, könne der Umstand, dass sich das wirtschaftliche Unternehmen des Klägers nicht in gewünschter Weise entwickelt habe, ihr als Vertragspartner nicht ohne besondere Umstände zugerechnet werden. Der Kläger habe auch nicht behauptet, dass er das Unternehmen hätte wirtschaftlich führen können, wenn ihm die Beklagte den von der Gebietsvertreterin (gemeint wohl: angeblich) mündlich zugesagten Zuschuss von 23.000 EUR bezahlt hätte.

Der Kläger habe sich in erster Instanz allerdings auch auf die Sittenwidrigkeit des Vertrags gemäß § 879 Abs 1 ABGB sowie auf die Kartellrechtsverletzung berufen. Sittenwidrig seien nach ständiger Rechtsprechung Verträge, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergebe oder wenn bei Interessenkollisionen ein grobes Missverhältnis zwischen den verletzten und den geförderten Interessen vorliege (RIS-Justiz RS0045886). Sei der Beklagten tatsächlich bei Vertragsabschluss mit dem Kläger bekannt gewesen, dass es unter den von ihr im Handelsvertretervertrag vorgegebenen Bedingungen unmöglich sei, die Tankstelle bei durchschnittlichen Umsatzerwartungen wirtschaftlich zu führen, sei der Handelsvertretervertrag zweifellos durch sittenwidriges, ja geradezu listiges Verhalten der Beklagten, die damit auch gegen Treu und Glauben verstoßen hätte, zu Stande gekommen. Leite man als Rechtsfolge der Nichtigkeit des Vertrags eine Aufhebung des Handelsvertretervertrags ex tunc ab, sei der Vertrag nach § 877 ABGB rückabzuwickeln. Der Anspruch sei, wenn die Rückstellung des Geleisteten wie hier aufgrund des tatsächlich abgewickelten Vertragsverhältnisses unmöglich sei, auf ein angemessenes Entgelt gerichtet, dessen Höhe sich im Sinn des § 1431 ABGB nach dem verschafften Nutzen richte. Dieser vom Kläger der Beklagten verschaffte Nutzen liege im vorliegenden Fall in der Zuführung von Kunden. Als dem Kläger dafür zustehendes angemessenes Entgelt, sei der Betrag anzusehen, der ihm als Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG zustünde. Selbst ausgehend von einer Auflösung ex nunc stünde dem Kläger, weil der Handelsvertretervertrag tatsächlich gelebt und letztlich ordnungsgemäß beendet worden sei, ein Ausgleichsanspruch zu. Aufgrund dieser Überlegungen sei der von der Berufungswerberin gerügte Verfahrensmangel auch rechtlich entscheidungsrelevant.

Die Frage, ob der gegenständliche Tankstellenpachtvertrag überhaupt dem Art 81 EG unterliege, könne dahingestellt bleiben, weil die unmittelbar anzuwendende Nichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen das EG-Kartellverbot zwar absolut wirke, dies aber nicht für die gesamte Vereinbarung gelte, sondern für diejenigen Teile, die entweder selbst unmittelbar vom Verbot des Art 81 Abs 1 EG erfasst seien oder sich von den von diesem Verbot erfassten Teilen nicht sinnvoll abtrennen ließen. Da sich der Berufungswerber ausschließlich durch die Preisbindungsklausel beschwert erachte, sei daher allenfalls diese Klausel nichtig. Dass dem Kläger konkret dadurch ein Schaden entstanden sei, dass er den Treibstoff nicht zu einem anderen Preis an die Kunden verkaufen habe können, habe er aber weder im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht, noch behaupte er dies im Rechtsmittelverfahren.

Da dem Kläger ein Betrag in Höhe des Ausgleichsanspruchs zustehe, wenn feststehe, dass die Beklagte gewusst habe, dass sie ein wirtschaftlich nicht führbares Unternehmen verpachte, müsse auf einen eventualiter erhobenen Schadenersatzanspruch nicht näher eingegangen werden. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Rechtsfrage, ob auch ein dem Unternehmer zurechenbarer Umstand der bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgelegen sei, begründeter Anlass für die Kündigung des Handelsvertreters im Sinn des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG sein könne, soweit ersichtlich keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Zwischenurteil des Erstgerichts wiederherzustellen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Er ist auch berechtigt.

Der im Rechtsmittel vertretenen Rechtsansicht, dass es entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung für die Wahrung des Ausgleichsanspruchs nicht auf die (positive) Kenntnis der Beklagten von der bereits anfänglich vorliegenden Unmöglichkeit, die Tankstelle wirtschaftlich zu führen, ankommen könne, ist im Ergebnis beizupflichten.

Gemäß § 24 Abs 1 Handelsvertretergesetz (HVertrG) gebührt dem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unter bestimmten - im Gesetz genannten - Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Gemäß § 24 Abs 3 HVertrG besteht der Anspruch nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 leg cit darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit oder Gebrechen nicht zugemutet werden kann.

Die Anwendbarkeit des § 24 HVertrG auch auf Tankstellenpachtverträge wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach grundsätzlich bejaht (7 Ob 122/06a = ecolex 2006/429 mwN; 1 Ob 275/07h) und ist auch hier nicht strittig.

Ein begründeter Anlass der dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch trotz Eigenkündigung wahrt, kann grundsätzlich in jedem Verhalten (Tun oder Unterlassen) des Unternehmers bestehen (1 Ob 275/07h, Nocker HVertrG 1993 [2009] § 24 Rz 303; Tschuk Der Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, 87). Für den praktisch gleich geregelten § 89b Abs 3 dHGB wird in ständiger Rechtsprechung des BGH und in der herrschenden Lehre die Auffassung vertreten, dass an den „begründeten Anlass" weniger strenge Anforderungen als an einen wichtigen Auflösungsgrund zu stellen sind, sodass hiefür auch ein unverschuldetes oder sogar rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers genügen kann. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass dadurch eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbare Situation geschaffen wird (BGH VIII ZR 61/04 uva; Thume in Küstner/Thume/Otto Handbuch des gesamten Außendienstrechts8 Bd 2 Rz 22 mwN; ders in Röhricht/Grafv. Westphalen Handelsgesetzbuch3 129 f mwN; von Hoyningen/Huene in Münchner Kommentar zum Handelsgesetzbuch2 § 89b Rz 163 mwN; Raimond Emde in Staub HGB5 Rz 207 und 210 mwN; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn dHGB § 89b Rz 48 mwN; Hopt Handelsvertreterrecht3 § 89b Rz 57 f mwN).

Die Umstände, die Anlass für die Kündigung geben, müssen dem Unternehmer zurechenbar sein. Zurechenbar bedeutet aber nicht, dass sie der Unternehmer verschuldet haben muss. Die Zurechenbarkeit soll nur zum Ausdruck bringen, dass nicht auch Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegen, wie etwa höhere Gewalt, den Handelsvertreter zu einer ausgleichswahrenden Kündigung berechtigen. Zuzurechnen sind daher alle in die Unternehmersphäre fallenden Umstände (1 Ob 275/07h mwN).

Der Begriff des „begründeten Anlasses" ist weit auszulegen (Nocker HVertrG Rz 314; Tschuk aaO, 88; Petsche/Petsche-Demmel Handelsvertretergesetz § 24 Rz 123). Auch eine aus dem betrieblichen Verhalten des Unternehmers entwickelte wirtschaftliche Lage kann einen begründeten Anlass darstellen; entscheidend ist, dass das Verhalten einen vernünftigen und billig denkenden Handelsvertreter zur Kündigung veranlassen kann, weil ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (von Hoyningen/Huene in MünchKomm § 89b Rz 163; Thume in Röhricht/Graf v. Westphalen aaO Rz 129; ders Handbuch des gesamten Außendienstrechts Rz 24). So wird beispielsweise auch mangelndes wirtschaftliches Entgegenkommen des Unternehmers als „begründeter Anlass" angesehen (von Hoyningen/Huene aaO Rz 165).

In seiner Entscheidung 1 Ob 275/07h hat der Oberste Gerichtshof den Ausgleichsanspruch eines Tankstellenpächters bejaht, der durch die vertraglich zulässige Entscheidung des Unternehmers hinsichtlich der Umrüstung der vormaligen Selbstbedienungstankstelle auf Bedienungsstation vor eine Situation gestellt wurde, eine durchaus erkennbare und nicht unwahrscheinliche Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage hinnehmen zu müssen. Mag auch in der zitierten Entscheidung das Verhalten des Unternehmers während des aufrechten Bestehens des Vertragsverhältnisses gesetzt worden sein, kann eine Anwendung der zitierten Grundsätze auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt zu keinem anderen Ergebnis führen. Wie bereits dargelegt, soll die Formulierung, dass die Umstände, die Anlass für die Kündigung geben, dem Unternehmer „zuzurechnen" sein müssen, lediglich zum Ausdruck bringen, dass nicht auch Umstände, die gänzlich außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegen, wie etwa höhere Gewalt, den Handelsvertreter zu einer Kündigung unter Wahrung des Ausgleichsanspruchs berechtigen. Berücksichtigt man, dass die Branchenkenntnis des Tankstellenunternehmens in der Regel weit umfassender ist, als jene des Tankstellenpächters und der Unternehmer daher wesentlich leichter die wirtschaftliche Situation einer bestimmten Tankstelle beurteilen kann, handelt es sich bei der Vorgabe der vertraglichen Bedingungen für den Betrieb einer Tankstelle, bei denen für den Tankstellenpächter kein Verhandlungsspielraum besteht, um einen, der Sphäre des Unternehmers zurechenbaren Umstand. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall gar nicht behauptet, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, seine eigenen Vorstellungen in die Gestaltung des Vertragsverhältnisses einfließen zu lassen oder, dass er sich sehenden Auges in einen unwirtschaftlichen Vertrag eingelassen hätte.

Die von Teilen der Lehre und (deutschen) Rechtsprechung vertretene Auffassung (OLG Köln 19 U 92/06; Nocker HVertrG Rz 306), wonach das „wirtschaftliche Risiko" ausschließlich der Tankstellenpächter trägt, ist jedenfalls hier zu relativieren. Soweit etwa die zitierte Entscheidung des OLG Köln davon ausgeht, dass der Handelsvertreter bezüglich des Abschlusses und Inhalts frei sei und er daher die wirtschaftlichen Konsequenzen seines Handelns grundsätzlich selbst zu tragen habe, ist darauf hinzuweisen, dass hier der Vertragsinhalt von der Beklagten vorformuliert war und nicht einmal diese behauptet, dass ein Verhandlungsspielraum für den Kläger bestanden habe. Im Übrigen ist hier nicht mehr strittig, dass nicht schlechtes Wirtschaften des Klägers zur prekären wirtschaftlichen Situation führte, vielmehr die Tankstelle unter den vertraglichen Bedingungen - bei Berücksichtigung eines dem Tankstellenpächter zumutbaren Einsatzes eigener Arbeitskraft - von vornherein nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte. Wenn nun aber - wie hier - der Tankstellenpächter gar nicht die Möglichkeit hatte, unter zumutbaren Voraussetzungen zu bestehen, sondern nur vor die Wahl gestellt war, das Vertragsverhältnis zu für ihn völlig unzumutbaren Bedingungen (persönliche Arbeitsleistung von überwiegend 70 Stunden wöchentlich) fortzusetzen oder früher oder später in die Insolvenz zu schlittern - kann kein Zweifel daran bestehen, dass die wirtschaftliche Situation der Tankstelle ausschließlich der Sphäre des Unternehmers zuzurechnen ist. Thume („Außendienstrecht" Rz 85 f) zitiert eine (unveröffentlichte) Entscheidung des Landgerichts München wonach der Ausgleichsanspruch einem Tankstellenpächter zuerkannt wurde, der nach Einführung eines Rabattsystems durch den Unternehmer vor die Alternative gestellt war, entweder die Rabatte zu gewähren und damit auf einen Teil seiner Provision zu verzichten oder Umsatzverluste in Kauf zu nehmen; diese Zwangssituation wurde als Zwangslage beurteilt, in der der Tankstellenpächter nur die Möglichkeit hatte, „zwischen zwei Übeln" zu wählen. Nicht anders stellt sich aber im Ergebnis die vorliegende Situation dar. Im Übrigen judiziert der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die vorzeitige unternehmerseitige Auflösung des Handelsvertretervertrags wegen Insolvenz des Handelsvertreters nur dann zum Entfall von dessen Ausgleichsanspruch führt, wenn den Handelsvertreter an der Insolvenz ein Verschulden trifft (RIS-Justiz RS0111007; 8 ObA 45/08p). Es wäre nun ein Wertungswiderspruch, würde man dem Handelsvertreter den Ausgleichsanspruch versagen, wenn er zur Vermeidung einer Insolvenz, die nicht in seinem Einflussbereich liegt, sondern vielmehr ihre Ursache in der ausschließlich im Interesse des Unternehmens vorgenommenen, vertraglichen Gestaltung hat, das Vertragsverhältnis von sich aus kündigt. Zusammenfassend ist daher auszuführen: Wenn das Verhalten des Unternehmers, der grundsätzlich über umfassende Branchenkenntnis und weitreichende Information über die Ertragsfähigkeit seiner Betriebe verfügt oder jedenfalls verfügen kann, in der Vorgabe vertraglicher Bedingungen für den Betrieb der Tankstelle besteht, bei denen eine wirtschaftliche Führung unter zumutbaren Voraussetzungen von vornherein nicht möglich ist, bleibt bei Selbstkündigung durch den Handelsvertreter der Ausgleichsanspruch gewahrt. In diesem Fall kann von einem in der Sphäre des Handelsvertreters gelegenen Umstand (Nocker HVertrG Rz 303) ebenso wenig die Rede sein, wie davon, dass es sich um Umstände handelt, die außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmers liegen.

Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Handelsvertreter unter Einsatz eigener Ressourcen (Geldmittel, überdurchschnittlicher Arbeitseinsatz) versucht, dennoch einen entsprechenden Ertrag zu erwirtschaften und erst nach gewisser - je nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilenden Zeit, die hier aber keinesfalls überschritten wurde -, das Scheitern seiner diesbezüglichen Bemühungen zur Kenntnis nehmen muss.

Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist daher dem Grunde nach zu bejahen, ohne dass es auf die vom Berufungsgericht für erforderlich erachtete, bei Vertragsabschluss vorliegende positive Kenntnis der Beklagten von der Unmöglichkeit, die Tankstelle gewinnbringend zu führen, ankäme.

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und das Zwischenurteil des Erstgerichts wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.