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OGH vom 21.03.2018, 9ObA13/18d

OGH vom 21.03.2018, 9ObA13/18d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** K*****, gegen die beklagte Partei B***** S*****, vertreten durch Dr. Günther Millner und Dr. Marisa Schamesberger, Rechtsanwälte in Graz, wegen 1.394,07 EUR brutto sA, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursstreitwert: 126,75 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 47/17d17, mit dem infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 36 Cga 23/17f10, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt, dass das Urteil insgesamt lautet:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei den Betrag von 1.318,02 EUR brutto samt je 8,58 % Zinsen aus 760,28 EUR seit und aus 557,74 EUR seit binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 76,05 EUR brutto samt je 8,58 % Zinsen aus 50,70 EUR seit und aus 25,35 EUR seit binnen 14 Tagen zu bezahlen sowie das Zinsenmehrbegehren, werden abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark 770 EUR an Aufwandersatz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 63,86 EUR (darin 10,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 64,88 EUR (darin 10,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark 485 EUR an Aufwandersatz für das Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten von bis als Küchenhilfe beschäftigt. Sie befand sich in dem am beginnenden Arbeitsjahr von bis (neun Tage), von bis (sechs Tage) und von bis zumindest in Krankenstand. Am sprach die Beklagte die Kündigung aus.

Die Klägerin begehrt Entgeltfortzahlung von 1.394,07 EUR brutto sA. Für die Zeit von bis (29 Kalendertage einschließlich der Feiertage am und ) habe sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung in voller Höhe und von bis (29 Kalendertage einschließlich des Feiertags am ) in halber Höhe. Nach der Entscheidung 9 Ob 2060/96y seien Feiertage nicht in den Entgeltfortzahlungszeitraum einzubeziehen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 1.267,32 EUR brutto samt je 8,58 % Zinsen aus 709,58 EUR seit und 557,74 EUR seit statt. Das Mehrbegehren von 126,75 EUR brutto sowie das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Da die Klägerin innerhalb des am beginnenden letzten Arbeitsjahres vor dem bereits 15 Tage Entgeltfortzahlung konsumiert habe, ende ihr Anspruch auf Fortzahlung des vollen Entgelts des laufenden Bezugs von insgesamt 6 Wochen (42 Tage) am . Danach gebühre der Klägerin von bis für 4 Wochen (28 Tage) das halbe Entgelt. Der Entscheidung 9 ObA 2060/96y sei nicht zu entnehmen, dass ein in den Entgeltfortzahlungszeitraum fallender Feiertag diesen verlängere.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen den klagestattgebenden Teil der Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge. Hingegen gab es der Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Teil der Berufungsentscheidung Folge, hob das Ersturteil im Umfang von 126,75 EUR brutto samt Zinsen und im Kostenausspruch auf, wies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Berufungsgericht vertrat in seinem Aufhebungsbeschluss zunächst die Auffassung, dass der Entgeltfortzahlungszeitraum des § 2 Abs 1 EFZG jedenfalls aufgrund von Feiertagen, die nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses gelegen seien, nicht verlängert werden könne, weil der Arbeitnehmer an diesen Tagen keinen Anspruch auf Feiertagsentgelt nach § 9 Abs 1 ARG habe. Was hingegen die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Feiertag am betreffe, so werde an der Entscheidung 9 ObA 2060/96y festgehalten. Danach sei für einen in einen Krankenstand fallenden Feiertag das Entgelt weiter zu bezahlen und dieser Tag nicht vom Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 2 Abs 1 EFZG in Abzug zu bringen. Die Regelungen des § 9 ARG gingen denen des EFZG vor, weil ausgehend von § 9 Abs 2 ARG die Arbeit an einem Arbeitstag, der auf einen Feiertag falle, schon a priori ausfalle, weshalb es ohne Belang sei, ob der Arbeitnehmer an diesem Tag gesund oder krank sei. Die Rechtssache sei aber noch nicht spruchreif. Die Regelung des § 9 Abs 1 ARG gelange nämlich nur dann zur Anwendung, wenn an diesem Feiertag keine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bestanden habe. Sei der Arbeitnehmer jedoch (ausnahmsweise) am Feiertag zur Arbeit eingeteilt, falle für ihn die Arbeitsleistung aufgrund der Krankheit, nicht aber wegen des Feiertags aus. Im fortgesetzten Verfahren sei daher mit den Parteien zu erörtern, ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, am zu arbeiten.

Das Berufungsgericht ließ in Ansehung des aufhebenden Teils der Entscheidung den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO zu, weil die Frage, wie im Falle eines Krankenstands an einem Feiertag vorzugehen sei, im Schrifttum kontroversiell diskutiert werde und dazu nur eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Klägerin hat keine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig; er ist, soweit er auch die Aufhebung bekämpft, berechtigt.

1. § 2 Abs 1 EFZG bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der nach Antritt des Dienstes durch Krankheit (Unglücksfall) an der Leistung seiner Arbeit verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen behält. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von acht Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis fünf Jahre, von zehn Wochen, wenn es 15 Jahre und von zwölf Wochen, wenn es 25 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch jeweils weitere vier Wochen behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf das halbe Entgelt.

Nach § 9 Abs 1 ARG behält der Arbeitnehmer für die infolge eines Feiertags oder der Ersatzruhe (§ 6) ausgefallene Arbeit seinen Anspruch auf Entgelt.

Fraglich ist, welche Regelung konkret anzuwenden ist, wenn die Voraussetzungen beider Entgeltfortzahlungstatbestände zusammentreffen, also ein Arbeitnehmer an einem Feiertag krank ist und ob dieser Feiertag bei der Maximaldauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs nach § 2 Abs 1 EFZG einzurechnen ist oder der Feiertag das Ende der Entgeltfortzahlung um einen Tag hinausschiebt.

2. Der Oberste Gerichtshof hat diese Fragen in der Entscheidung 9 ObA 2060/96y unter Berufung auf die in der Literatur von Vogt (Feiertag im Krankheitsfall, ecolex 1993, 472 f und 631 ff mwH) und Eibensteiner (Vergütung eines Feiertags im Krankheitsfall, ecolex 1994, 410 ff) vertretenen Ansichten bereits beantwortet: Da die Arbeit an einem Arbeitstag, der auf einen Feiertag fällt, schon a priori ausfällt, ist es ohne Belang, ob der Arbeitnehmer an diesem Tag gesund oder krank ist. Der dazu erhobene Einwand, die Arbeit sei nicht wegen des Feiertags, sondern wegen der Krankheit ausgefallen, könnte nur für den Fall zutreffen, dass Feiertagsarbeit zulässigerweise vereinbart worden wäre. Die gegenteilige Ansicht, dass im Fall der Kumulation von Krankenstand und Feiertag allein die Bestimmungen des EFZG anzuwenden seien, hätte überdies einen gleichheitswidrigen (gesunde – kranke Arbeitnehmer) Wertungswiderspruch zur Folge, so dass auch aus diesem Grund einer verfassungskonformen Interpretation der Vorzug einzuräumen ist.

3.1. Dieser Rechtsauffassung schloss sich auch der Verwaltungsgerichtshof an ().

3.2. Auch die herrschende Lehre tritt für einen Vorrang des Feiertagsentgelts vor dem Krankenentgelt ein ( in ZellKomm2§ 8 AngG Rz 88; , Entgeltfortzahlung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, DRdA 2011, 285 ff [287]; , Entgeltfortzahlungsgesetz5§ 2 Erl 12, § 3 Erl 4; in , AngG2§ 8 Rz 9; , Arbeitsverhältnis27 Kap 7.1; , Arbeitsrecht13 Rz 6/627; in Zellkomm2§ 9 ARG Rz 5).

3.3. Die Kritik an dieser Rechtsprechung (insbesondere Schrank, Krankenstände: Verlängern Feiertage wirklich die Entgeltfortzahlungsdauer?, ecolex 2001, 387 ff [391]; ders Arbeitszeit Kommentar4 § 9 ARG Rz 22; Binder, Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007/17, 100 ff [109 f]; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 24) stützt sich im Wesentlichen auf die Bestimmung der Anspruchsdauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach „Wochen“. Es bedürfte daher einer gesetzlichen Unterbrechungsanordnung für den Lauf des Krankenentgeltzeitraums, um eine solche zu bewirken. Diese fehle jedoch.

4. Diese Überlegungen geben keinen Anlass, von der Entscheidung 9 ObA 2060/96y abzugehen. Entscheidend ist nach Ansicht des Senats noch immer die Überlegung, dass dem Entgeltfortzahlungsgesetz zugrunde liegt, dass ein Tag, an dem normalerweise gearbeitet würde, von der Entgeltfortzahlung erfasst wird, wenn wegen Krankheit (oder Unfall) nicht gearbeitet werden kann. Eine Arbeitsverhinderung kann nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 11/13b; 9 ObA 10/18p). An einem Feiertag, an dem der Arbeitnehmer im Regelfall nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, ist er auch nicht „an der Leistung seiner Arbeit verhindert“ (vgl § 2 Abs 1 EFZG).

5. Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache– wie es hier der Fall ist – zur Entscheidung reif ist (RIS-Justiz RS0043853). Im Rekursverfahren gegen Aufhebungsbeschlüsse gilt das Verschlechterungsverbot nicht (RIS-Justiz RS0043853 [T10, T 12]).

6.1. Die Klägerin hat sich schon im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich auf die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 2060/96y vertretene Rechtsauffassung gestützt. Es wäre diesfalls an der Beklagten gelegen, ein Vorbringen dahin zu erstatten, dass die Klägerin ausnahmsweise am eine Arbeitspflicht getroffen hätte (vgl RIS-Justiz RS0120056 [T4]; RS0037300 [T2, T 41]). Die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils durch das Berufungsgericht, um einer Partei erst das Nachholen von allenfalls versäumtem Vorbringen zu ermöglichen, ist nicht zulässig (RIS-Justiz RS0042444; Kodek in Rechberger, ZPO4§ 496 Rz 4).

Für die Frage der ausnahmsweisen Arbeitspflicht der Klägerin am Feiertag des trifft daher die Beklagte die Beweislast. Dieser gesetzliche Feiertag, für den somit keine Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs 1 EFZG gebührt, schiebt daher das Ende der Entgeltfortzahlung um einen Tag hinaus. Der Klägerin gebührt daher – auf Grundlage der unstrittigen Berechnung der Vorinstanzen – ein weiterer Betrag von 50,70 EUR an Entgeltfortzahlung.

6.2. Die Feiertage, die erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegen ( und ), sind hingegen in die Entgeltfortzahlungsdauer einzuberechnen und verlängern daher die Anspruchsdauer nach § 2 Abs 1 EFZG nicht. Für einen Feiertag, der nicht in den Zeitraum des noch aufrechten Arbeitsverhältnisses fällt, gebührt kein Feiertagsentgelt nach § 9 Abs 1 ARG. Der auf diese Feiertage von der Klägerin geltend gemachte Teilbetrag von 76,05 EUR (ein Feiertag 2016 zu 100 % und ein Feiertag 2017 zu 50 %) ist daher abzuweisen.

Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben, der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluss aufzuheben und zufolge Spruchreife durch Endurteil in der Sache selbst, wie im Spruch ersichtlich, zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf § 43 Abs 2 1. Fall ZPO in Verbindung mit dem Aufwandersatzgesetz und der Aufwandersatzverordnung. Die Klägerin ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil ihres Anspruchs unterlegen. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 43 Abs 1, 50 ZPO in Verbindung mit dem Aufwandersatzgesetz und der Aufwandersatzverordnung.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00013.18D.0321.000

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