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OGH vom 02.07.1968, 8Ob170/68

OGH vom 02.07.1968, 8Ob170/68

Norm

ABGB § 287;

ABGB § 473;

ABGB § 480;

ABGB § 492;

ABGB § 523;

ABGB § 1460;

Kopf

SZ 41/86

Spruch

Ein privatrechtliches Wegerecht kann auch an einem von einem größeren Personenkreis benützten Weg ersessen werden.

Eine solche Ersitzung ist hinsichtlich eines neben einer Straße verlaufenden Wallfahrerweges zugunsten einer Pfarrpfrunde möglich und gibt den Anspruch auf Beseitigung einer Einengung dieses Weges.

Entscheidung vom , 8 Ob 170/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Hartberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die klagende röm.-kath. Pfarrpfrunde St. S. als Repräsentantin der röm.-kath. Filialkirche Maria F. der Pfarre St. S. ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 122 KG. K., zu deren Gutsbestand die Weg-, bzw. Vorplatzparzelle 818/4 und die Baufläche 84 mit der Wallfahrtskirche Maria F. gehören. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ. 1 KG. K., zu deren Gutsbestand u. a. das Grundstück 277/1 Weide gehört. Die Klägerin macht das Bestehen der Dienstbarkeit des Gehweges auf einem in der Natur bereits vorhandenen Weg über das letztgenannte Weidegrundstück in einer Breite von 2.20 m zugunsten der ihr gehörigen Liegenschaft samt der darauf erbauten Wallfahrtskirche geltend. Sie begehrt die Feststellung dieser Dienstbarkeit und deren Verbücherung. Weiters begehrt sie, den Beklagten schuldig zu erkennen, den Weg in einer Breite von 2.20 m durch Befestigung des Erdreiches und Feinbeschotterung wiederum so herzustellen, daß ein gefahrloses Begehen des Weges gewährleistet ist.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wies es zurück.

Es stellte fest: Seit mehr als 30 Jahren sind die in der Wallfahrtskirche tätigen Geistlichen und die Wallfahrer unbeanständet auf dem gegenständlichen Weg zur Wallfahrtskirche gegangen. Der Weg stellt eine Abkürzung von der Gemeindestraße zur Kirche dar (Entfernung von der Wegabkürzung bis zur Kirche auf dem gegenständlichen Weg 257 Schritte, auf der Gemeindestraße 387 Schritte). Bis zum Jahre 1965 hatte der Weg eine begehbare Breite von mindestens 2.20 m, sodaß zwei Personen bequem nebeneinander gehen konnten. Im Frühjahr 1966 wurde die begehbare Fläche dadurch eingeengt, daß ein Teil des Weges mit Grobschotter und größeren Steinen belegt wurde. Das Erstgericht war der Ansicht, es sei zugunsten der Liegenschaft der Klägerin die Dienstbarkeit des Gehrechtes auf dem gegenständlichen Weg ersessen worden. Der Beklagte habe dieses Gehrecht durch die vorgenommene Änderung des Weges in unzulässiger Weise eingeengt. Die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hielt das Erstgericht nicht für begrundet. Geltend gemacht werde von der Klägerin nicht, wie der Beklagte meine, ein Gemeingebrauch, sondern die Ersitzung der Dienstbarkeit des Gehweges.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Beklagten, soweit sie sich gegen den in das Urteil aufgenommenen Ausspruch über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges richtete, zurück. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß es sich hier nicht um die Geltendmachung des Gemeingebrauches an einem öffentlicher Weg, sondern um die dem Privatrecht angehörige Ersitzung einer Wegedienstbarkeit handle, weshalb die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes gegeben sei. Im übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige.

Der Oberste Gerichtshof wies die Revision wegen Nichtigkeit zurück und gab der Revision im übrigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Eine Nichtigkeit nach § 477 (1) Z. 6 ZPO. soll darin gelegen sein, daß es sich um die Geltendmachung des Gemeingebrauches handle, worüber nicht das ordentliche Gericht, sondern die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe. Hiezu ist zu sagen, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem die aus dem gleichen Grund erhobene Nichtigkeitsberufung des Beklagten verworfen wurde, nicht revisibel ist, auch nicht im Wege einer auf § 503 Z. 1 ZPO. gestützten Revision (JBl. 1962 S. 560, RiZ. 1967 S. 128 f. u. a.).

Die Revision war daher, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, zurückzuweisen.

Die Frage, ob aus dem festgestellten Sachverhalt die von der Klägerin geltend gemachte Ersitzung der Dienstbarkeit des Wegerechtes abgeleitet werden kann, ist allerdings auch bei der rechtlichen Beurteilung der Sache von entscheidender Bedeutung. Doch kann auch den Ausführungen in der Revision, mit denen dargetan werden soll, daß die Ersitzung einer privatrechtlichen Dienstbarkeit nach der Sachlage nicht vorliege, nicht gefolgt werden. Die Tatsache allein, daß der gegenständliche Weg von einer großen Zahl von Personen benützt wurde, kann nicht, wie der Beklagte meint, nur so verstanden werden, daß nur ein Gemeingebrauch, keinesfalls aber eine privatrechtliche Dienstbarkeit in Betracht komme. Die Benützung eines Weges durch eine größere Anzahl von Personen hindert nicht die Ersitzung einer privaten Wegservitut (vgl. Klang Komm.[2] II S. 5 bei Anm. 8), wenn für den Eigentümer der dienstbaren Liegenschaft erkennbar ist, daß ein vom Gemeingebrauch verschiedenes eigenes Recht in Anspruch genommen wird (vgl. EvBl. 1961 Nr. 296 S. 393). Letztere Voraussetzung muß hier als gegeben angesehen werden. Handelt es sich doch um einen direkt zu der gegenständlichen Kirche führenden Abkürzungsweg, was allein schon die Annahme nahe legen muß, daß die in der Kirche tätigen Geistlichen den Weg nicht etwa bloß deshalb benützten, weil auch andere Leute auf diesem Weg gingen, sondern weil sie der Meinung waren, daß dem Eigentümer der mit der Wallfahrtskirche versehenen Liegenschaft ein Recht auf eine solche Benützung zustehe. Daran vermag auch nichts zu ändern, daß der Weg nicht nur von den in der Kirche tätigen Geistlichen benützt wurde, sondern auch von den die Wallfahrtskirche aufsuchenden Wallfahrern. Begreift doch die Dienstbarkeit des Wegerechtes gemäß § 492 ABGB. auch das Recht in sich, auch andere Personen auf dem Servitutsweg zu sich kommen zu lassen. Die Beurteilung kann hier nicht anders ausfallen wie etwa im Falle eines zu einem Gasthaus führenden Servitutsweges, der auch von den Gästen des Gastwirtes benützt werden kann, ohne daß dadurch der Weg den Charakter eines Servitutsweges verlöre (vgl. Klang Komm.[2] II 531 bei Anm. 2).

Es handelt sich auch nicht, wie der Beklagte meint, um die Ersitzung zugunsten einer Kapelle, sondern um die Ersitzung einer Dienstbarkeit zugunsten der Eigentümerin der gegenständlichen, mit einer Wallfahrtskirche versehenen Liegenschaft als des herrschenden Gutes. Die im Sinne der von den Vorinstanzen zutreffend herangezogenen gesetzlichen Bestimmungen als juristische Person anzusehende Klägerin kann nicht anders behandelt werden wie ein sonstiger Eigentümer einer Liegenschaft. Daß der Berichtigung der Eigentümerbezeichnung im Grundbuch in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung zukommt, hat schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt.

Den vom Beklagten zur Begründung seiner Ansicht, daß es hier um den Gemeingebrauch an einem Wege gehe, herangezogenen Entscheidungen lagen anders geartete Sachverhalte zugrunde. Fehlt es doch hier schon deshalb an den zur Ersitzung eines Wegerechtes zugunsten einer Gemeinde durch Gemeingebrauch erforderlichen Voraussetzungen, weil es sich lediglich um einen neben der ohnehin bereits vorhandenen Gemeindestraße verlaufenden Abkürzungsweg handelt. Daß der Weg, wie der Beklagte behauptet, auch von Leuten benützt wurde, die nicht zu den Personen gezählt werden können, die die Eigentümerin der herrschenden Liegenschaft im Sinne des ihr nach § 492 ABGB. zustehenden Rechtes auf dem Servitutsweg zu sich kommen lassen konnte, vermag dem Recht der Klägerin keinen Abbruch zu tun. Die vom Beklagten behauptete Abweisung einer von der Klägerin gegen ihn im Jahre 1966 hinsichtlich des gleichen Weges angestrengten Besitzstörungsklage ist für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache nicht präjudiziell. Auch der Hinweis auf die Bestimmung des § 1475 ABGB., auf die sich der Beklagte mit Rücksicht auf seine langjährige Abwesenheit im Ausland berufen zu können glaubt, schlägt schon deshalb nicht durch, weil eine mehr als 30jährige Ersitzungszeit festgestellt wurde, die Verjährungszeit nach § 1475 ABGB. aber nicht weiter als bis auf 30 Jahre ausgedehnt wird (vgl. Klang Komm.[2] 595 bei Anm. 12 und 13).

Warum der gegenständliche Fußweg keinen zur Begründung einer Wegeservitut hinreichenden Vorteil gemäß § 473 ABGB. - hier der bequemeren und schnelleren Erreichbarkeit - für die Eigentümerin des herrschenden Gutes haben soll, ist nicht einzusehen. Solche neben einer allgemein befahrenen Straße verlaufende Fußwege haben für die Fußgeher einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Was die Breite des Fußweges anlangt, so kommt es nicht, wie der Beklagte meint, darauf an, wie breit im allgemeinen derartige Fußwege sind. Maßgebend ist vielmehr, daß der gegenständliche Weg, nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanzen immer in einer Breite von

2.20 m benützt wurde, sodaß zwei Personen bequem nebeneinander gehen konnten. Bei dieser Sachlage erscheint die vom Beklagten vorgenommene Einengung des benützbaren Teiles des Weges in der Tat eine unzulässige Einschränkung der Ausübung des Wegerechtes. Die Beseitigung solcher der Ausübung der Dienstbarkeit entgegenstehenden Hindernisse kann der Servitutsberechtigte begehren (Entscheidung vom , GlUNF. 3957), und zwar von jedermann, der die Störung zu verantworten hat.