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OGH vom 26.02.2019, 8Ob166/18x

OGH vom 26.02.2019, 8Ob166/18x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Dr. Sebastian Schumacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 353.688,78 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 102/18h-34, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 62 Cg 104/14b-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.094,74 EUR (darin 515,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger (ein Arzt) wollte Ende 2006 einen Teil seines Vermögens investieren. Er war seit 20 Jahren Kunde bei der beklagten Bank und sprach seinen Berater auf die in einer Anzeigetafel genannte Immobilieninvestition an. Es folgten zwei ausführliche Beratungsgespräche im Jänner 2007, nach denen sich der Kläger entschied, 350.000 EUR in den „Sachwert Rendite-Fonds Holland 68“ der MPC ***** AG (im Folgenden: MPC) zu investieren. Der Berater teilte ihm mit, dass eine Provision an die Bank zu zahlen sei („Agio“), aufgrund der langjährigen Kundenbeziehung reduziere die Bank als Sonderkondition das Agio auf 3 % (statt 5 %). Der Berater wies den Kläger aber nicht darauf hin, dass weitere 3 % der vom Kläger geleisteten Investitionssumme von der MPC an die Beklagte zurückflossen. Von dieser (zusätzlichen) Provisionszahlung wusste der Berater nichts. Bei der Beklagten waren darüber nur wenige Personen informiert. Hätte die Beklagte zusätzlich zu den 3 % Agio keine weiteren Vergütungen von der MPC erhalten, hätte sie diese Veranlagungen nicht in ihr Produktportfolio aufgenommen und dem Kläger wäre die Veranlagung in den geschlossenen Fonds in einem Beratungsgespräch nicht empfohlen worden. Wenn der Kläger von dieser weiteren Provisionszahlung gewusst hätte, hätte er nicht dieses Produkt gekauft, sondern stattdessen in eine Vorsorgewohnung investiert. Bei dieser Geldanlageform wäre das eingesetzte Kapital erhalten geblieben.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung von 353.688,79 EUR sA Zug um Zug gegen die Abgabe des Angebots, ihr die Ansprüche betreffend die Kommanditanteile aus dem Treuhandvertrag abzutreten, sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Ansprüche, die gegen ihn im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft noch geltend gemacht werden.

Die Beklagte wandte im zweiten Rechtsgang insbesondere ein, sie habe sich in keinem Interessenkonflikt befunden. Schon mangels Kenntnis der Berater von der Innenprovision habe diese für die Anlageempfehlung keine Rolle gespielt.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Frage, ob der beklagten Bank beim ihr obliegenden Nachweis einer fehlenden Interessenkollision eine Beweiserleichterung zu gewähren sei, bisher nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gewesen sei und für eine Vielzahl noch gerichtsanhängiger Fälle von Bedeutung sei. Gleiches gelte für die Frage, ob es zur Beurteilung des Vorliegens eines Interessenkonflikts auf den Horizont der Beklagten oder jenen des konkreten Beraters ankomme.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger beantwortete ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1.1 Der Oberste Gerichtshof hat in seiner im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung 8 Ob 109/16m bereits klargestellt, dass die Beklagte im vorliegenden Fall verpflichtet war, den Kläger auf weitere – einen möglichen Interessenkonflikt herbeiführende – Provisionen hinzuweisen, und dass die (schuldhafte) Verletzung dieser Aufklärungspflicht nach dem festgestellten Sachverhalt einen Schaden beim Kläger verursacht hat (§ 511 Abs 1 ZPO). Es konnte nur noch nicht abschließend beurteilt werden, ob dieser Schaden auch im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung stand.

1.2.1 Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs begründet eine Verletzung der Pflicht zur Offenlegung der Innenprovisionen – unabhängig von deren Höhe – dann einen Anspruch auf Ersatz des im Erwerb der nicht gewünschten Anlage liegenden Schadens, wenn der Berater nicht nachweist, dass der Erwerb der Anlage mangels Vorliegens einer Interessenkollision nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der Pflichtverletzung steht (RIS-Justiz RS0131382).

1.2.2 Dazu hat der Oberste Gerichtshof ausgeführt, dass eine Interessenkollision im konkreten Fall dann zu verneinen wäre, wenn die Beklagte die strittigen Beteiligungen auch dann empfohlen hätte, wenn sie dafür (abgesehen vom offen gelegten Ausgabeaufschlag) keine Vergütung von ihrem Vertriebspartner erhalten hätte. In diesem Fall wäre kein unzulässiges besonderes Eigeninteresse der Beklagten am Vertrieb (gerade) dieser Beteiligung vorgelegen. Die Beweislast für diesen Umstand trifft die Beklagte (8 Ob 109/16m; in diesem Sinne auch 2 Ob 99/16x, 7 Ob 95/17x und 2 Ob 172/17h).

2.1 Es steht nunmehr fest, dass die Beklagte, hätte sie keine weiteren Vergütungen von der MPC erhalten, die Veranlagungen nicht in ihr Produktportfolio aufgenommen hätte und dem Kläger die Veranlagung, auf die dieser durch eine Werbung in der Bankfiliale der Beklagten überhaupt erst aufmerksam wurde, nicht empfohlen worden wäre. Überdies hat das Erstgericht (disloziert) „spezifische interne Maßnahmen zur Vertriebsunterstützung“ (Bereitstellung von Unterlagen, Produktpräsentationen, Schulungen unter anderem durch Vertreter der MPC, Informationsreisen und Bonifikationen in Form von Golddukaten) festgestellt.

2.2 All dies zeigt aber ein besonderes Eigeninteresse der Beklagten am Vertrieb (gerade) dieses Produkts. Dass der Berater von der (zusätzlichen) Innenprovision keine Kenntnis hatte, ist jedenfalls dann irrelevant, wenn die beklagte Bank durch spezielle vertriebsfördernde Maßnahmen – wie hier – Einfluss auf dessen Beratungstätigkeit und die Anlageentscheidung des Kunden nimmt. Eine unabhängige Beratung ist damit – anders als die Rechtsmittelwerberin meint – trotz Unkenntnis des Beraters von den Provisionszahlungen nämlich nicht sichergestellt.

2.3 Bei Vorliegen entsprechender (positiver) Sachverhaltsfeststellungen bedarf es nicht des Rückgriffs auf die Anwendung von Beweislastregeln, weil es dann keine Rolle mehr spielt, wen die Beweislast trifft, wenn die zu beweisende Tatsache (oder das Gegenteil dieser Tatsache) ohnehin feststeht (RIS-Justiz RS0039939 [T23]; RS0039875 [T1 bis T 4]; RS0039872 [T1 und T 2]).

Das Erstgericht ist „zur Überzeugung“ gelangt, „dass seitens der Beklagten dem Kläger die Veranlagung ohne Innenprovision nicht empfohlen worden wäre“. Es hat daher unter Anwendung des Regelbeweismaßes der ZPO (RIS-Justiz RS0110701) das Gegenteil der Tatsachenbehauptungen der Beklagten (positiv) festgestellt.

Damit stellt sich in diesem Fall aber auch die zweite vom Berufungsgericht und der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nicht, ob der Beklagten für den Nachweis einer fehlenden Interessenkollision eine Beweiserleichterung zugutekommen hätte können (vgl 3 Ob 242/99f).

3. Auch im Übrigen gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, die die Revision zulässig machen würde:

3.1 Mit ihrer Behauptung, der Kläger habe kein Entgelt an die Beklagte geleistet, setzt sich die Beklagte über den bereits im ersten Rechtsgang festgestellten Sachverhalt und die Beurteilung zu 8 Ob 109/16m hinweg.

3.2 Sekundäre Feststellungsmängel, die die Beklagte rügt, lägen nur dann vor, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen nicht festgestellt worden wären (RIS-Justiz RS0053317 [T5]), was im vorliegenden Fall nicht zutrifft. Wurden zu einem bestimmten Thema Tatsachenfeststellungen getroffen, mögen diese auch von den Vorstellungen einer Partei abweichen, kann sie diesbezüglich keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend machen (RIS-Justiz RS0053317 [T1]).

3.3 Das Berufungsgericht hat sich entgegen den Revisionsausführungen mit der Beweisrüge befasst und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung des Erstgerichts angestellt und in seinem Urteil festgehalten (RIS-Justiz RS0043150). Im Revisionsverfahren kann die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen nicht mehr angefochten werden. Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (8 Ob 27/13y).

3.4 Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die mit Mängelrüge zu bekämpfen ist. Soweit das Berufungsgericht die Anwendung des § 273 ZPO – wie hier in Ansehung der Entwicklung der hypothetischen Alternativanlage – billigte, ist daher eine nochmalige Überprüfung im Revisionsverfahren nicht möglich (RIS-Justiz RS0040364 [T7]). Der bei Anwendung des § 273 ZPO vom Richter nach den Verhandlungsergebnissen nach freier Überzeugung vorzunehmenden Schätzung kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0121220). Maßgebend für die Ermittlung des Anlageschadens ist die typische – etwa durch Indizes belegte – Entwicklung der Anlageart, für die sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte; mögliche Ausreißer nach oben oder unten, etwa durch Verwirklichung eines atypischen Risikos (Insolvenz, Veruntreuung), sind unbeachtlich (4 Ob 67/12z; 10 Ob 112/17b; 1 Ob 73/18w). Einen gravierenden Fehler bei der Anwendung des richterlichen Ermessens (vgl RIS-Justiz RS0007104), der an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte, zeigt die Beklagte mit der Behauptung, dass trotz allgemein steigender Immobilienpreise in Wien der Wert einzelner Immobilien etwa wegen Leerständen oder dergleichen sinken könne, daher nicht auf.

3.5 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein Feststellungsinteresse des Klägers liege trotz eines Verzichts des einzigen Gläubigers der KG auf Rückforderung nach § 171, 172 Abs 4 dHGB und einer Freistellungserklärung sowohl der MPC als auch der Treuhandkommanditistin vor, weil die Qualität der Freistellungsverpflichtung mit der Bonität der MPC-Gruppe stehe und falle und daher das Risiko einer Rückforderung weiterhin nicht gänzlich ausgeschlossen sei, begegnet keinen Bedenken. Nur wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis ausgeschlossen werden können, ist dem Geschädigten das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden abzusprechen (RIS-Justiz RS0038826). Dem Einwand der Beklagten, die MPC und die Treuhandkommanditistin könnten ihre Freistellungsverpflichtungen erfüllen, es seien genügend Mittel bei der KG vorhanden und weitere Ausschüttungen prognostiziert, hat bereits das Berufungsgericht das Neuerungsverbot entgegengehalten.

4. Die Revision war aus diesen Gründen als unzulässig zurückzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00166.18X.0226.000

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