OGH vom 22.07.2010, 8Ob166/09h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) G***** L*****, und 2) R***** L*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 27.607,47 EUR sA und 53.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 155/09f 23, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die außerordentliche Revision der zweitklagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
II. Soweit die „außerordentliche Revision“ von der erstklagenden Partei erhoben wird, wird der Akt dem Erstgericht zur ordnungsgemäßen Behandlung im Sinn des § 508 ZPO zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die Kläger begehren den Ersatz des Kapitalverlusts, den sie aus mit einem rechtskräftig verurteilten Betrüger abgeschlossenen Vermögensverwaltungsverträgen erlitten haben. Die Erstklägerin nahm im Zeitraum 1999 bis 2006 und der Zweitkläger von 2003 bis ebenfalls 2006 mehrere Zahlungen an den Vermögensberater vor. Ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten stützen die Kläger auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten nach §§ 39 ff BWG sowie auf vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten zu Gunsten Dritter.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger, mit der sie die Stattgebung ihrer Klagebegehren anstreben.
Rechtliche Beurteilung
Zu Pkt I. des Spruchs:
1.1 Der Zweitkläger beruft sich zunächst darauf, dass den Meldepflichten der Finanzinstitute nach § 41 Abs 1 BWG Schutzgesetzcharakter iSd § 1311 ABGB zukomme.
In der Entscheidung 8 Ob 145/09w hat der erkennende Senat in einem gleich gelagerten Parallelfall unter anderem unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur zu vergleichbaren Bestimmungen des BWG (4 Ob 230/06m; 1 Ob 44/07p; 8 Ob 84/08y) dazu ausgesprochen, dass der Zweck der Geldwäschevorschriften des BWG, insbesondere auch der Meldepflichten nach § 41 leg cit, in der Heranziehung der Finanzinstitute zur Unterstützung der Aufsichts und Strafbehörden bei der Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung liege. Der Schutzzweck der Sorgfaltspflichten nach §§ 39 ff BWG sei demnach auf die Verfolgung von Allgemeininteressen gerichtet. Eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung von Vortaten könne aus diesen Bestimmungen nicht abgeleitet werden, weshalb sie nicht auf den Schutz einzelner Geschädigter aus den Vortaten gerichtet seien. Den §§ 40 und 41 BWG komme daher kein spezifischer Individualschutzzweck im Sinn des § 1311 ABGB zu.
Damit kann sich der Zweitkläger nicht auf eine deliktische Haftung der Beklagten aus einer Schutzgesetzverletzung berufen.
1.2 Zudem behauptet der Zweitkläger, dass der Vertrag zwischen der überweisenden Bank, bei der sein Konto geführt werde, und der beklagten Partei als Empfangsbank als Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter zu qualifizieren sei.
Verträge zwischen der überweisenden Bank und der Empfangsbank werden in der Rechtsprechung grundsätzlich als Verträge mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter beurteilt. In diesem Sinn haftet die Empfangsbank dem Überweisenden wie dem Überweisungsempfänger für Vermögensschäden, die aus dem Verschulden der Empfangsbank bei der Gestion mit dem überwiesenen Betrag entstehen. Es besteht aber keine allgemeine Pflicht eines Kreditinstituts, Schäden durch Untreue- oder Betrugshandlungen in einer fremden Sphäre hintanzuhalten (RIS Justiz RS0017127; 4 Ob 230/06m). Die vertraglichen Schutzpflichten beziehen sich nämlich auf die typische Vorgangsweise bei der Durchführung des Vertrags. Im Überweisungsverkehr treffen die Banken daher auf diesen bezogene Schutzpflichten (vgl Bollenberger , Zur Frage der Haftung der Bank wegen Durchführung von Überweisungen zu verbotenem Zweck, ÖBA 2009, 858 [868]). Im Fall der „zwischenbetrieblichen“ Überweisung betreffen die Schutz- und Sorgfaltspflichten daher deren korrekte Durchführung, so etwa die Nichtberücksichtigung eines Sperr und Treuhandvermerks (7 Ob 541/87), die Nichtdurchführung der Überweisung bei Eingabefehlern (1 Ob 503/92) oder die Vermeidung einer unberechtigten Überweisung durch Überprüfung der Übereinstimmung von Kontoinhaber und Kontonummer (1 Ob 672/90; 4 Ob 230/06m).
Die Meldepflichten der Finanzinstitute gegenüber der zuständigen Behörde nach § 41 BWG führen auch nach diesen Grundsätzen nicht zu erweiterten vertraglichen Pflichten gegenüber einem überweisenden Betrugsopfer. Sie sind damit nicht Inhalt der Schutzpflichten der Empfangsbank gegenüber den Auftraggebern von Überweisungen.
Mit seinen Ausführungen vermag der Zweitkläger die Zulässigkeit der Revision somit nicht zu begründen. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die von ihm erhobene außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Zu Pkt II. des Spruchs:
In Ansehung der „außerordentlichen Revision“ der Erstklägerin ist die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs im derzeitigen Verfahrensstadium nicht gegeben.
Nach § 55 Abs 1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche dann zusammenzurechnen, wenn sie von mehreren Parteien oder gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Streitgenossen nach dieser Bestimmung sind die Parteien dann, wenn sie in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt oder verpflichtet sind. Die Zahlungsbegehren der beiden Kläger resultieren weder aus einer Rechtsgemeinschaft noch lassen sie sich aus demselben Klagssachverhalt ableiten, sodass vom Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft nicht ausgegangen werden kann. Die Kläger haben dazu auch keine Behauptungen aufgestellt. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie aber nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN gegeben sind. Im gegenteiligen Fall sind sie getrennt zu behandeln (6 Ob 130/08y).
Da das Datum der Entscheidung des Berufungsgerichts nach dem liegt, richtet sich die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 3 ZPO idF der ZVN 2009, BGBl I 2009/52. Demnach ist die Revision unzulässig, wenn der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die (ordentliche) Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch eine außerordentliche Revision nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Dieser Antrag ist verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und vom Berufungsgericht zu behandeln. Der Oberste Gerichtshof ist erst dann zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel berufen, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass das ordentliche Rechtsmittel zulässig sei. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel als „außerordentliche Revision“ bezeichnet und in diesem Schriftsatz keinen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gestellt hat. Dabei handelt es sich nämlich um einen verbesserungsfähigen Mangel (RIS Justiz RS0109623).
Der Akt ist dem Erstgericht zur ordnungsgemäßen Behandlung der von der Erstklägerin erhobenen „außerordentlichen Revision“ zurückzustellen. Ob im konkreten Fall ein Verbesserungsverfahren einzuleiten ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.