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OGH vom 27.01.2009, 8Ob162/08v

OGH vom 27.01.2009, 8Ob162/08v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** & W*****, gegen die beklagte Partei Dkfm. Dr. Rudolf G*****, vertreten durch Putz & Partner Rechtsanwälte (OG) in Wien, wegen 5.589,13 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 17 R 199/07x-27, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom , GZ 4 C 85/06p-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte, der als Steuerberater tätig war, hatte vor 1997 seinen Klientenstock an eine Wirtschaftstreuhand KG und einen Steuerberater übertragen. Hieraus entstanden diverse Rechtsstreitigkeiten. Im Oktober 2001 beaufragte der Beklagte die klagende Partei damit, ihn in der Angelegenheit der Übertragung des Klientenstocks zu beraten und zu vertreten. Zwischen Oktober 2001 und September 2002 erbrachte die klagende Partei zahlreiche anwaltliche Leistungen. Der Beklagte beauftragte die klagende Partei auch mit der Vertretung im Verfahren 4 C 1819/01f des Bezirksgerichts Mödling, in dem der Beklagte von der Wirtschaftstreuhand KG auf Ausstellung einer Rechnung mit Umsatzsteuerausweis über das für die Überbindung des Klientenstocks geleistete Entgelt geklagt worden war. Bereits vor Klagseinbringung war der Beklagte außergerichtlich aufgefordert worden Rechnung zu legen und diese mit dem Datum der vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung (über die Höhe des zu leistenden Entgelts) zu versehen. Der Beklagte lehnte dies aus steuerrechtlichen Gründen ab. Im Zug der Vorbereitung der ersten Tagsatzung in diesem Verfahren teilte der Beklagte der ihn vorerst betreuenden Rechtsanwältin Dr. H***** mit, dass der Klagsanspruch zu bestreiten sei, weil er bereits durch Übermittlung einer Rechnung vom das Klagebegehren erfüllt habe. Weiters teilte der Beklagte der Anwältin mit, dass die neuerliche Ausstellung einer Rechnung unzulässig sei und eine neuerliche Umsatzsteuerverpflichtung auslösen würde, sowie dass er die strittige Rechnung gemeinsam mit anderen Urkunden an die Wirtschaftstreuhand KG übersandt und dass diese die Unterlagen unstrittig erhalten habe. In weiterer Folge erörterte der Beklagte mit der Anwältin, ob der Vorprozess durch Übermittlung eines Rechnungsduplikats vermieden werden könnte. Der Beklagte fragte in diesem Zusammenhang die Anwältin, ob er zur Übermittlung eines Rechnungsduplikats verpflichtet sei. Diese erteilte ihm die Auskunft, dass das dann nicht der Fall sei, wenn die klagende KG die Rechnung bereits erhalten habe. Eine Empfehlung, die Rechnungskopie zu schicken, sprach die Anwältin nicht aus. Einen Auftrag, ein Rechnungsduplikat an die klagende KG zu übermitteln, erteilte der Beklagte daraufhin nicht. Die Anwältin klärte den Beklagten über die Folgen eines Anerkenntnisses und Erfüllung des Klagsanspruchs während eines Verfahrens, insbesondere über die kostenrechtlichen Konsequenzen nicht auf. Allerdings klärte sie den Beklagten darüber auf, dass die Frage, ob die Rechnung bereits übermittelt worden sei oder nicht, ausschließlich von der richterlichen Beweiswürdigung abhänge und der Prozessausgang damit ungewiss sei. Der Beklagte beauftragte die klagende Partei danach mit der Bestreitung des Klagebegehrens.

In der Tagsatzung vom legte die (hier) klagende Partei dem Gericht und der Gegenseite (klagende KG) eine Kopie der Rechnung vom vor. Eine in der Tagsatzung vom angestrebte vergleichsweise Einigung scheiterte daran, dass beide Seiten Kostenersatz begehrten. Mit Urteil vom wurde der Beklagte zur Rechnungslegung und Zahlung der Prozesskosten an die klagende KG verpflichtet. Die im Auftrag des Beklagten von der klagenden Partei erhobene Berufung blieb erfolglos. Mit Aufforderungsschreiben vom , dem ein Leistungsverzeichnis angeschlossen war, begehrte die klagende Partei vom Beklagten die Bezahlung der Honorarforderung in Höhe von 5.589,13 EUR. Der Beklagte leistete keine Zahlung.

Die klagende Partei begehrte mit ihrer am eingebrachten Klage vom Beklagten diesen Betrag sA als zustehendes offenes Anwaltshonorar.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung, dass ihn die klagende Partei fehlerhaft beraten und damit ihren Honoraranspruch verwirkt habe. Bei rechtmäßigem Verhalten im Vorverfahren wäre der dortige Klagsanspruch anzuerkennen und Kostenersatz gemäß § 45 ZPO zu verlangen gewesen. Die klagende Partei habe es unterlassen, den Beklagten darüber aufzuklären, ob er verpflichtet sei, der klagenden KG eine Rechnungskopie zu übermitteln, sodass im Fall einer für die beklagte Partei negativen Feststellung im Vorverfahren der Prozessverlust durch sofortige Übermittlung einer Rechnungskopie hätte vermieden werden können. In diesem Fall hätte nach einer notwendigen Klagseinschränkung auf Kosten die Frage geklärt werden müssen, ob der Beklagte Anlass zur Klagsführung gegeben habe, was zu verneinen gewesen wäre, weil die klagende KG in der Vorkorrespondenz nur die Neuausstellung einer Rechnung verlangt habe.

Der Beklagte wendete überdies die ihm im Verfahren vor dem Bezirksgericht Mödling zu 4 C 1819/01f entstandenen Prozesskosten von 2.620,63 EUR (exklusive USt) der Klagsforderung als Gegenforderung compensando ein und erhob hinsichtlich aller, nicht mit dem Verfahren vor dem Bezirksgericht Mödling im Zusammenhang stehenden Honoraransprüche der klagenden Partei den Einwand der Verjährung. Das Erstgericht erkannte auf der Grundlage des eingangs (zusammengefasst) wiedergegebenen Sachverhalts die Klagsforderung als zu Recht bestehend sowie die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Klagsbetrags. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der klagenden Partei aufgrund einer ordnungsgemäßen Vertretung des Beklagten im bezirksgerichtlichen Verfahren das hierfür gebührende Honorar zustehe. Der Beklagte habe die klagende Partei mit der Beratung und Vertretung in Angelegenheiten der Übertragung des Kundenstocks beauftragt und seien sowohl die außergerichtliche Beratung, das Firmenbuchverfahren sowie das Verfahren vor dem Bezirksgericht Mödling dem selben Problemkreis zuzuordnen, weshalb Verjährung des Honoraranspruchs nicht eingetreten sei. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Beklagten das Ersturteil und sprach (zunächst) aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht erachtete die Tatsachen- und Beweisrüge des Beklagten als nicht berechtigt und führte in rechtlicher Hinsicht zusammenfassend aus: Ausgehend von den Feststellungen habe für die klagende Partei kein Anlass bestanden, die Frage eines Anerkenntnisses des auf Ausstellung einer Rechnung gerichteten Klagebegehrens mit dem Beklagten zu erörtern. Ebenso wenig könne in der unterlassenen Empfehlung, der im Vorverfahren klagenden KG, eine Rechnungskopie zu schicken, ein Beratungsmangel gesehen werden. Die klagende KG habe die Ausstellung einer Originalrechnung begehrt, weil sie bisher eine solche nicht erhalten habe. Hierzu sei der Beklagte auch verurteilt worden, weil seinem Einwand, bereits Rechnung gelegt zu haben, nicht gefolgt worden sei. Der klagenden Partei könne daher eine „Schlechtvertretung" nicht nachgewiesen werden. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Abschluss der Tätigkeit in einer bestimmten Rechtssache zu laufen. Stünden mehrere Rechtssachen in einem so engen Zusammenhang, dass sie als Ganzes zu betrachten seien, beginne die Verjährungsfrist nicht zu laufen, ehe alle Rechtssachen abgeschlossen seien. Sämtliche der von der klagenden Partei erbrachten Leistungen stünden im Zusammenhang mit der Übergabe des Klientenstocks und den daraus resultierenden Entgeltansprüchen des Beklagten. Eine Trennung in einzelne Causen sei daher nicht gerechtfertigt, weshalb der klagenden Partei sämtliche geltend gemachten Honoraransprüche, die im Einzelnen der Höhe nach nicht strittig seien, zustünden.

Über Antrag des Beklagten gemäß § 508 Abs 1 ZPO änderte das Berufungsgericht den Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO doch zulässig sei. Der Frage, ob es zu der den Anwalt treffenden Aufklärungspflicht, deren Verletzung seine Tätigkeit wertlos mache, gehöre, mit dem Mandanten auch die „Prozesskostenthematik" zu erörtern und diesem dabei Möglichkeiten, die Verfahrenskosten gering zu halten, darzulegen, komme über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Hiezu fehle es auch noch an höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof hiebei auf die Wiedergabe der Zurückverweisungsgründe beschränken.

Der vom Rechtsmittelwerber gerügte Mangel des Berufungsverfahrens (gänzliches Übergehen von Tatsachen und sonstigem Parteivorbringen) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit seinen Ausführungen zur Verjährungsproblematik zeigt der Rechtsmittelwerber - soweit er sich nicht ohnehin unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt entfernt -, keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf. Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Beginn der Verjährung des Anwaltshonorars die Beendigung des Auftragsverhältnisses maßgeblich (RIS-Justiz RS0021878; RS0019324 ua). Nur dann, wenn ein Rechtsanwalt bei einer Dauervertretung verschiedene Causen zu erledigen hat, die in keinem engen inneren Zusammenhang miteinander stehen, liegen mehrere miteinander nicht zusammenhängende Aufträge vor, sodass für den Honoraranspruch aus jedem der Auftragsverhältnisse eine eigene Verjährungsfrist läuft (RIS-Justiz RS0021878 [T1]; RS0019630; 6 Ob 286/99y). Der Oberste Gerichtshof hat ausgesprochen, dass in diesem Sinn in einem engen Zusammenhang alle Leistungen stehen, die der Durchsetzung oder der Abwehr ein- und desselben Anspruchs dienen (3 Ob 543/95). In der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen, dass die aufgrund des der klagenden Partei vom Beklagten erteilten (umfassenden) Auftrags, diesen im Zusammenhang mit der Übertragung des Klientenstocks zu beraten und zu vertreten, erbrachten Leistungen in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass die Honorarforderungen daraus nur gemeinsam verjähren, kann keine das korrigierende Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erfordernde gravierende Fehlbeurteilung erblickt werden. Auch mit seinen Ausführungen zur behaupteten „Schlechtvertretung" durch die klagende Partei zeigt der Rechtsmittelwerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Gemäß § 9 RAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet, die Rechte seiner Partei mit Gewissenhaftigkeit zu vertreten; diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewaltgeber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft umsichtig und redlich zu besorgen. Daraus ergeben sich für den Anwalt eine Reihe von Pflichten, wie unter anderem Warn-, Aufklärungs-, Informations- und Verhütungspflichten, die alle Ausprägung der „Kardinalspflicht" des Rechtsanwalts sind, nämlich die Pflicht zur Interessenwahrung und zur Rechtsbetreuung (RIS-Justiz RS0112203). Ein Rechtsanwalt hat bei Wahrung der Interessen seiner Auftraggeber so vorzugehen, wie es ihm aufgrund der erhaltenen Informationen und seiner sonstigen Kenntnisse als sachgerecht erscheinen muss (RIS-Justiz RS0038695 [T4]); auch bei Anlegung des in § 1299 ABGB normierten Sorgfaltsmaßstabs ist der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, die Richtigkeit der ihm von seinem Klienten erteilten Information in Zweifel zu ziehen, solange er nicht für ihre Unrichtigkeit erhebliche Anhaltspunkte hat (RIS-Justiz RS0026628). Unter welchen Voraussetzungen aber ein Rechtsanwalt infolge (völliger) Wertlosigkeit seiner Tätigkeit seinen Honoraranspruch - wie es der Beklagte hier vermeint - „verwirkt" hat und ob die Voraussetzungen für die Bejahung einer Anwaltshaftung für Vertretungshandlungen vorliegen, kann immer nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und begründet daher ebenfalls keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0116278 [T1]; 6 Ob 247/04y). Der Rechtsmittelwerber führt einerseits aus, dass er keineswegs verpflichtet gewesen sei, statt der ihm vorgeschriebenen neuen Rechnung mit aktuellem Datum unaufgefordert eine in der Qualität andere Leistung, nämlich eine Kopie der fristgerecht im Jahr 1997 gelegten und der klagenden KG eingeschrieben übermittelten Rechnung zu übersenden. Andererseits wirft er jedoch der klagenden Partei als (schweren) Vertretungsmangel vor, dass diese nicht unaufgefordert die ihr zur Verfügung gestellte Kopie der Rechnung der (im Vorverfahren) klagenden KG oder dem Gericht frühzeitig übermittelt bzw ihm nicht empfohlen habe, dies zu veranlassen.

In der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ausgehend vom festgestellten Sachverhalt für die klagende Partei keine Veranlassung bestanden habe, die Frage eines Anerkenntnisses des Klagebegehrens zu erörtern und ebensowenig in der Verneinung eines haftungsbegründenden (und den Honoraranspruch verwirkenden) Beratungsfehlers aus der unterlassenen Empfehlung, der im Vorverfahren klagenden KG eine Rechnungskopie zu schicken, liegt - ausgehend von der vom Berufungsgericht zur Gänze unverändert übernommenen erstgerichtlichen Feststellungsgrundlage - keine unvertretbare Rechtsansicht. Die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein sofortiges Anerkenntnis im Vorverfahren eine Kostenersatzpflicht der klagenden KG ausgelöst hätte, stellt sich angesichts des stets den Anspruch der Klägerin im Vorverfahren bestreitenden Prozessstandpunkts des Beklagten letztlich daher nicht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).