OGH vom 08.07.1998, 9ObA125/98f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Mag Norbert Riedl und Dr.Brigitte Houdek-Kern als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gertrude Sch*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei G***** AG, ***** vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 6.065,73 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 206/97y-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 28 Cga 170/96s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 406,08 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt nach Einschränkung einen Betrag von S 6.065,73 brutto als Entgeltnachzahlungsdifferenz für den Zeitraum bis mit der Begründung, daß sie aufgrund der Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten nach der Gehaltstafel f und nicht nach der Gehaltstafel a zu entlohnen gewesen wäre.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die gesonderte Gehaltstafel f für Warenhäuser sei außerhalb des Regelungsbereiches gelegen, den die Kollektivvertragsparteien gestalten durften. Das Herausgreifen einzelner Kaufhäuser sei sachlich nicht gerechtfertigt und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz.
Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war im Kaufhaus St*****, einem Unternehmen der beklagten Partei vom bis als Verkäuferin beschäftigt. Gemäß dem anzuwendenden Kollektivvertrag für die Handelsangestellten Österreichs war sie im 10.Berufsjahr der Beschäftigungsgruppe 2 in der Gehaltstafel a eingestuft. Dieser Kollektivvertrag enthält eine gesonderte Gehaltstafel f, in der einzelne Warenhäuser namentlich aufgezählt sind, für die diese Gehaltstafel gilt. In der Gehaltstafel f sind taxativ neben einer Reihe anderer großer Kaufhäuser, Versandhäuser und Verbrauchermärkte auch das Warenhaus St*****, ein Unternehmen der beklagten Partei aufgezählt. Erst im Kollektivvertrag für die Handelsangestellten für das Jahr 1996 wurde zwischen den Kollektivvertragsparteien vereinbart, daß die Gehaltstafel f für die darin taxativ aufgezählten Warenhäuser nur für jene Handelsangestellten zwingend anwendbar ist, die vor dem in eines der darin aufgezählten Unternehmen eingetreten sind. Für neu eingetretene Handelsangestellte besteht seit die Möglichkeit, diese nach der Gehaltstafel a zu entlohnen. Der Differenzbetrag zwischen dem der Klägerin ausgezahlten Bruttogehalt und dem Bruttogehalt der Gehaltstafel f beträgt S 6.065,73.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus, daß die Beklagte an die Bestimmungen des Kollektivvertrages, darunter auch die Gehaltstafel f, die dem normativen Teil des Kollektivvertrages zugehöre, gebunden sei. Sondervereinbarungen seien nicht zulässig, soferne sie den Arbeitnehmer schlechter stellen. Die ungünstigere Einstufung in die Gehaltstafel a sei daher unwirksam.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Der Abschluß von Kollektivverträgen sei grundsätzlich eine fachliche Angelegenheit der Fachgruppe bzw des Fachverbandes aufgrund der Bestimmungen des Handelskammergesetzes. Kollektivvertragsangehörig seien ausschließlich die Mitglieder dieser Fachgruppe. Die Lohntafel f sei auf Arbeitgeberseite vom Bundesgremium der Warenhäuser abgeschlossen worden, das ein im Bereich der Sektion Handel errichteter Fachverband sei, der die Inhaber von Warenhäusern umfasse. Kollektivvertragsangehörig seien alle Kammermitglieder, die Mitglieder dieser Fachgruppe seien. Mangels eines anderen Vorbringens sei davon auszugehen, daß die Beklagte Mitglied dieses Bundesgremiums sei. Daß von dieser Kollektivvertragsregelung andere Mitglieder dieser Fachgruppe ausgenommen wären, sei nicht behauptet worden. Die Beklagte habe sich darauf gestützt, daß das Herausgreifen einiger Kaufhäuser in der Gehaltstafel f des Kollektivvertrages nicht nachvollziehbar sei. Inhaltlich sei damit zum Ausdruck gebracht worden, daß es noch andere Kaufhäuser gebe, die in der namentlichen Aufzählung nicht aufschienen. Die Zuordnung von Kammermitgliedern zu den einzelnen Fachgruppen sei durch autonomen Beschluß der Fachgruppe durchzuführen. Dieser käme daher im Rahmen dieser Gestaltungsbefugnis die Entscheidung über die Mitgliedschaft zu der Fachgruppe "Warenhäuser" zu. Es sei nicht unsachgemäß, daß in Verfolgung der jeweiligen Interessen der Fachgruppe entsprechend unterschiedliche Entgeltregelungen, wie sie in den Gehaltstafeln des Kollektivvertrages für Handelsangestellte zum Ausdruck kommen, von der Fachgruppe abgeschlossen werden können. Da die Beklagte nicht einmal behauptet habe, daß die in der Gehaltstafel f angeführten Arbeitgeber nicht sämtliche Mitglieder des Bundesgremiums der Warenhäuser umfaßt, der Abschluß eines Kollektivvertrages für eine Fachgruppe für ihre Mitglieder in dessen Wirkungsbereich falle und in der Lehre auch die Auffassung vertreten werde, daß Kollektivverträge möglich seien, deren Geltungsbereich auf einen einzelnen Betrieb beschränkt sei, sei von der Wirksamkeit der Lohntafel f auszugehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Ob nach § 29 Abs 4 Handelskammergesetz (= HKG) die Fachgruppen berufen sind, in ihrem räumlichen und fachlichen Wirkungsbereich Kollektivverträge zur Regelung der Arbeits- und Lohnverhältnisse abzuschließen (JBl 1996, 672) ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Der Kollektivvertrag für die Handelsangestellten, dessen integrierender Bestandteil die Gehaltstafeln sind, ist nämlich zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Handel (nunmehr Wirtschaftskammer Österreich) und der Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Handel, Verkehr, Vereine und Fremdenverkehr abgeschlossen worden und gilt räumlich für das gesamte Bundesgebiet. Beide Kollektivvertragspartner sind kollektivvertragsfähig (Cerny in Cerny/Haas-Laßnig/Schwarz, ArbVG Band II, 52, 55; Schrammel, Die Kollektivvertragsangehörigkeit gemäß § 8 Z 1 ArbVG ZAS 1993, 5). Der im Berufungsurteil zum Ausdruck kommenden Rechtsmeinung, daß die Gehaltstafel f eine von der Fachgruppe Bundesgremium für "Warenhäuser" abgeschlossene eigene, offenbar selbständig wirksame Entgeltregelung sei, kann nicht beigetreten werden. Die Zugehörigkeit der beklagten Partei zum Geltungsbereich des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten ist unbestritten. Mitgliedschaftsfragen sind ohnehin ausschließlich Angelegenheit der Selbstverwaltung der Handelskammerorganisation (JBl 1996, 672) und ergibt sich dies schon aufgrund des Zwangscharakters der Handelskammermitgliedschaft und der Zuordnung zu einer bestimmten Fachgruppe (JBl 1996, 672; DRdA 1997, 405; ASOK 1997, 356; Ind 1998/2423). Die Rechtssetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien bezieht sich nur auf ihr angehörige Mitglieder (Schrammel aaO, 5). Die Beklagte hat daher die Gehaltstafel f, die in den Regelungsbereich des § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG fällt, gemäß § 11 Abs 1 ArbVG anzuwenden.
Entscheidende Frage ist, ob die kollektivvertragliche Bestimmung der Gehaltstafel f durch Herausgreifen nur einiger Kaufhäuser in dieser Gehaltstafel eine unzulässige Einzelfallregelung bzw eine unsachliche dem Gleichheitssatz zuwiderlaufende Regelung darstellt.
Zunächst ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber die Betriebsverfassung grundsätzlich abschließend und damit absolut zwingend geregelt hat und eine Abänderung durch Kollektivvertrag nicht zulässig ist (8 ObA 269/95). Der Kollektivvertrag ist ein Instrument kollektiver Rechtssetzung und steht sohin nicht für Einzelfallregelungen zur Verfügung (Jabornegg, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtssetzung und richterliche Kontrolle JBl 1990, 205 [209]; Anm Holzer zu DRdA 1984/13). Kollektive Rechtssetzung bedeutet aber nur, daß es sich um Regelungen handelt, die für eine Mehrheit von Arbeitnehmern (Arbeitsverhältnissen) Bedeutung haben, die die Beziehungen zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft regeln (Strasser in ArbVG Handkommentar 1; Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht II3, 86). Daher verstößt die Geltungsbereichsfestsetzung durch die Gehaltstafel f auf einzelne Unternehmen nicht gegen gesetzliche Bestimmungen über den Kollektivvertrag, die eine solche Regelung unter der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber einem kollektivvertragsfähigen Verband der Arbeitgeber angehört, nicht verbieten (Cerny aaO, 68).
Die Kollektivvertragsparteien sind als Normengeber an die Grundrechte, jedenfalls den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden, wobei von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auszugehen ist (Runggaldier, OGH: Verschlechterung einer kollektivvertraglichen Pensionsordnung durch nachfolgende Kollektivverträge zulässig? RdW 1993, 78; Jabornegg aaO, 214; Arb 11.099, 11.350; 9 ObA 2182/96i).
Dabei besteht für den Normengeber eine rechtspolitische Gestaltungsfreiheit sowohl in Ansehung der angestrebten Ziele als auch bezüglich der Auswahl der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel. Schranken sind die Verletzung des sich aus dem Gleichheitsgebot ergebenden Sachlichkeitsgebotes, wenn zur Zielerreichung völlig ungeeignete Mittel vorgesehen sind (VfSlg 11.636, 12.182). Eine rechtliche Ungleichbehandlung durch eine gesetzliche Regelung liegt vor, wenn an in bestimmter Hinsicht vergleichbare Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden (Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 Rz 1347; Holoubek, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ÖZW 1991, 72 f).
Die gesellschafts- und sozialpolitische Zielsetzung des Normengebers bei der Gehaltstafel f ist schon durch die Herausnahme von Warenhäusern unter Anführung bestimmter großer allgemein bekannter Waren- und Kaufhäuser offenkundig. Es sollte eine Differenzierung nach Leistungsfähigkeit und Größe vorgenommen werden, die es gestattet, höhere Arbeitgeberleistungen für Arbeitsverhältnisse bei diesen Waren- und Kaufhäusern aufzuerlegen und die Gestaltungsmacht der Arbeitgeber bezüglich der Lohnvereinbarungen in eine bestimmte Richtung zu fixieren. Daraus ist eine sachliche Rechtfertigung nicht zu bestreiten.
Die namentliche Aufzählung von bestimmten Warenhäusern ist daher grundsätzlich kein ungeeignetes Mittel zur Differenzierung (Jabornegg aaO, 216). Aus der offenkundigen Größe und Bekanntheit dieser Warenhäuser ist entgegen der Meinung des im Akt befindlichen Privatgutachtens (Schrank) die Gemeinsamkeit dieser Betriebe erkennbar, so daß die Sachlichkeitsanforderungen nicht verletzt werden. Ob dies aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar ist, weil es inzwischen Kaufhäuser gibt, die gleich groß sind, eine ähnliche Anzahl von Mitarbeitern, einen gleichartigen Kundenkreis oder eine ähnliche, ja sogar höhere wirtschaftliche Ertragskraft haben als die in der Gehaltstafe f genannten und die daher klare Wettbewerbsvorteile gegenüber den in der Gehaltstafel f angeführten Kaufhäusern haben, läßt allein eine exzessive, lediglich nicht zu beachtende Härtefälle nach sich ziehende Regelung zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen Sachverhaltsverwirklichung in den Jahren 1995 nicht erkennen. Die namentliche Nennung zeigt nämlich nicht, daß die Maßnahmen punktuell gezielt diese kleine spezielle Gruppe treffen und vergleichbare Unternehmer unbelastet bleiben sollten, sondern spricht der erkennbare Zweck der Regelung dafür, daß zur Zeit der Schaffung der Norm, das Gegenteil ist nicht einmal behauptet, diese Gruppe repräsentativ die großen überschaubaren Warenhäuser erfaßte, was die Regelung aber nicht unsachlich machte. Daß es inzwischen auch andere vergleichbare Kaufhäuser gibt, die von der Lohntafel f nicht erfaßt sind, läßt aber auch noch nicht die Absicht einer Regelung erkennen, die in exzessiver Form zu einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Fälle geführt hat und nicht nur im Laufe der Zeit eingetretene Härtefälle betrifft (Walter/Mayer aaO Rz 1350). Um auch nicht gleichheitswidrige Härtefälle zu beseitigen, hat der Normengeber der Gehaltstafel f ohnehin mit Wirkung ab ihre zwingende Wirkung genommen.
Der Revision ist daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.