OGH vom 18.02.2020, 10ObS2/20x

OGH vom 18.02.2020, 10ObS2/20x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch MMag. Maria Größ, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, 1080 Wien, Josefstädterstraße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 67/19b27, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 1 Cgs 5/19k21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für seinen am geborenen Sohn R***** in der Variante Kinderbetreuungsgeldkonto (365 Tage) für den Zeitraum von bis . Strittig ist die Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs 1 Z 4 KBGG, nach der der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nur dann besteht, wenn der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.

Der Kläger ist argentinischer Staatsbürger. Seine Ehefrau (die Mutter von R*****) ist österreichische Staatsbürgerin und für den Höheren Auswärtigen Dienst im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) tätig. 2014 wurde sie an die Österreichische Botschaft in Brasilien versetzt, wo ihr Dienstort und Arbeitsplatz war. Diese Versetzung machte eine Übersiedlung von Österreich an den Dienstort nötig. Während der Zeit der Dienstzuteilung lebte sie mit dem Kläger und dem ersten gemeinsamen Kind in Brasilien. Am brachte sie in Brasilien ihren Sohn R***** zur Welt. Der Kläger ging in Brasilien keiner Berufstätigkeit nach, sondern kümmerte sich – auch im Anspruchszeitraum – um die Kinder. Seine Ehefrau hat ihren Steuersitz in Österreich und ist in Österreich sozialversichert. Der Kläger ist bei ihr mitversichert und hat Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung nach dem B-KUVG. Er hielt sich vor dem Anspruchszeitraum niemals in Österreich auf. Derzeit ist die Klägerin wieder in Österreich berufstätig.

Mit vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kinderbetreuungsgeld ab.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten begehrt der Kläger die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld in der Variante Kinderbetreuungsgeldkonto (365 Tage) für den Zeitraum bis samt Verzugszinsen. Er brachte– soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – vor, er habe während des gesamten Zeitraums seinen gewöhnlichen Aufenthalt an der Österreichischen Botschaft in Brasilien gehabt, sodass der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen durchgängig in Österreich gelegen gewesen wäre. Seine Ehefrau sei als Diplomatin im Dienst der Republik Österreich in Brasilien tätig gewesen. Es läge im Interesse der Republik, dass die gesamte Familie an den Dienstort ziehe. Für seine Frau gelte die Wohnsitzfiktion nach § 26 Abs 3 BAO, nach der in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte) wie Personen behandelt werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben. Das gleiche gelte für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, sowie für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören. Die Voraussetzung einer dauernden Lebensgemeinschaft sei erfüllt. Da Diplomaten aufgrund ihres stärkeren Bezugs zum Entsendestaat vom Sozialsystem des Empfangsstaates ausgenommen seien, stelle jegliche Verweigerung der Sozialleistungen des Entsendestaats eine Diskriminierung dar. Der abweisende Bescheid sei erst 13 Monate nach Antragstellung erlassen worden, weshalb Verzugszinsen gefordert werden.

Die wendete zusammengefasst ein, die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG sei nicht gegeben. Der Kläger habe sich nicht ständig in Österreich aufgehalten und habe weder engere persönliche noch wirtschaftliche Beziehungen zu Österreich gehabt. Sein Lebensmittelpunkt sei durchgehend in Brasilien gewesen. Die Wohnsitzfiktion nach § 26 Abs 3 BAO für österreichische Auslandsbeamte und deren Angehörige gelte ausschließlich für steuerliche Angelegenheiten und den Anspruch auf Familienbeihilfe, nicht aber für den Bereich des Kinderbetreuungsgeldes. Ein Anspruch auf Verzugszinsen bestehe für Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen nicht.

Das sprach dem Kläger Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von bis in Höhe von 12.337 EUR zu. Das Mehrbegehren auf Verzugszinsen in Höhe von 1.603,81 EUR wurde abgewiesen. Im Umfang der Abweisung des Verzugszinsenbegehrens erwuchs das Urteil des Erstgerichts in Rechtskraft.

§ 26 Abs 3 BAO setze Ehegatten von Auslandsbeamten unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft den Auslandsbeamten gleich, weshalb auch der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers in Österreich zu fingieren sei. Der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld sei daher zu bejahen.

Das gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts in eine Klageabweisung ab. Die Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“ iSd § 26 BAO seien mit dem in § 2 Abs 1 Z 4 KBGG verwendeten Begriff des „Mittelpunkts der Lebensinteressen“ nicht inhaltsgleich. Aus § 26 BAO ließen sich daher für die Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ in § 2 Abs 1 Z 4 KBGG keine Ergebnisse ableiten. Zudem enthalte § 2 KBGG keinen Verweis auf die BAO. Die Gesetzesmaterialien zu § 2 KBGG ließen nicht erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers zur Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ auf die Bestimmungen der BAO zurückzugreifen sei. Auch § 25a KBGG verweise nicht auf die Bestimmungen der BAO. Aus der Gesamtabwägung aller Umstände ergebe sich nicht, dass der Kläger zu Österreich engere persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen habe, weshalb er die Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG (Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet) nicht erfülle.

Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vorhanden sei, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Abs 3 BAO ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für den mitversicherten Ehegatten bestehe, auch wenn die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG nicht erfüllt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1. § 2 regelt die Anspruchsvoraussetzungen für das Kinderbetreuungsgeld. Neben weiteren Voraussetzungen hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind, sofern für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz BGBl I 1967/376 (FLAG) besteht und der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben (§ 2 Abs 1 Z 1 und Z 4 KBGG).

2. Wie die Gesetzesmaterialien zu § 2 Abs 1 Z 4 KBGG ausführen, ergeben sich im Normalfall die Voraussetzungen des Mittelpunkts der Lebensinteressen und des rechtmäßigen Aufenthalts von Elternteil und Kind aus den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe (siehe § 2 Abs 8 FLAG, der für Personen mit mehreren Wohnsitzen ebenfalls auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt). Für jene Fälle, in denen ein Elternteil das Kinderbetreuungsgeld beanspruchen möchte, aber nicht Bezieher der Familienbeihilfe in eigener Person sei sowie aus Gründen der Rechtssicherheit würden diese Voraussetzungen auch im KBGG festgelegt. Die Voraussetzung des Mittelpunkts der Lebensinteressen in Östereich diene dazu, eine entsprechenden Nahebezug zu Österreich sicher zu stellen (ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 155 = zum Fremdenrechtspaket 2005, BGBl I 2005/100).

3. Nach der Rechtsprechung ist der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet dann anzunehmen, wenn sich eine Person ständig in Österreich aufhält und die Gesamtabwägung aller Umstände erbringt, dass diese Person zu Österreich die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (RS0130844). Der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person wird bei gemeinsamer Haushaltsführung regelmäßig am Ort des Aufenthalts ihrer Familie zu finden sein (10 ObS 65/06s SSV-NF 20/47 mwN; VwGH 2009/16/0125; 2008/15/0325 zu § 2 Abs 8 FLAG, dem die Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG nachgebildet ist; Burger-Ehrnhofer, KBGG3§ 2 KBGG Rz 45; ErläutRV 952 BlgNR 22. GP 155).

4. Der Kläger geht in seiner Revision davon aus, dass seine Ehegattin im Anspruchszeitraum die Familienbeihilfe für das Kind R***** bezogen hat. Als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes hat er den Nachweis zu erbringen, dass er und das Kind den Lebensmittelpunkt in Österreich hatten. Im Anspruchszeitraum fehlt es aber an einem Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, weil feststeht, dass er in Brasilien gelebt hat. Der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 KBGG, der Ort des Aufenthalts seiner Familie, lag nach der dargestellten Rechtsprechung in Brasilien.

5. Dem Rechtsstandpunkt des Klägers, § 26 Abs 3 BAO gelte auch für den Bereich des KBGG und führe dazu, dass sein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich zu fingieren sei (und er die Anspruchsvoraussetzung des Mittelpunkts der Lebensinteressen im Bundesgebiet nach § 2 Abs 1 Z 4 KBGG doch erfülle), kann nicht gefolgt werden:

5.1 Dass die Ehefrau des Klägers während ihrer Versetzung an die österreichischen Botschaft in Brasilien in Österreich steuer- und sozialversicherungspflichtig blieb, ergibt sich aus den auf sie anzuwendenden völkerrechtlichen Bestimmungen, nach denen Auslandsbeamtinnen und -beamte im Empfangsstaat nicht nach dem Universalprinzip besteuert werden und auch von den im Empfangsstaat geltenden Vorschriften über soziale Sicherheit befreit sind (Art 34 Abs 1 und Art 33 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 1966/60).

5.2 Darin liegt das Motiv für die Schaffung des § 26 Abs 3 BAO, wonach in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), wie Personen behandelt werden, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.

5.3 Auslandsbeamten und ihre Familienangehörigen unterliegen demnach der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich, auch wenn sie ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben haben Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, bei Auslandsbeamten und deren Familienangehörigen einen gewöhnlichen Aufenthalt zu fingieren, um eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich zu begründen (VwGH Ro 2018/13/0008 mwN). Nur im Weg dieser Fiktion bleibt daher eine wirtschaftliche Beziehung zum Bundesgebiet erhalten, wenngleich die persönliche Beziehung zum Ausland besteht.

6. Die in § 26 Abs 3 BAO normierte Fiktion eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ist nicht auf den Anwendungsbereich des KBGG übertragbar:

6.1 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 26 Abs 2 und 3 BAO) nicht ident mit dem Begriff des „Mittelpunkts der Lebensinteressen“. Der „Mittelpunkt der Lebensinteressen“ hat sowohl gemäß § 2 Abs 8 FLAG als auch gemäß § 2 Abs 1 Z 4 KBGG einen von den jeweils auf objektive Kriterien abstellenden Begriffen des „Wohnsitzes“ und des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinn der Abgabenvorschriften des § 26 Abs 1 und 2 BAO abweichenden Inhalt (VwGH 2009/16/0221; Ritz, BAO6§ 26 Rz 19).

6.2 Vor allem sprechen gegen das vom Revisionswerber gewünschte Ergebnis aber folgende Gründe:

6.2.1 Die Bundesabgabenordnung (BAO) gilt in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (§ 1 BAO). § 26 Abs 2 BAO definiert den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinn der Abgabenvorschriften dahin, dass jemand dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. § 26 Abs 3 BAO enthält die dargestellte Sonderregelung für Auslandsbeamte, die auch für deren Ehegatten gilt, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben sowie für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.

6.2.2 Sinngemäß gilt die BAO auch in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art 2 lit a Z 1 BAO). Als Beihilfen iSd § 2 lit a Z 1 BAO sind die Familienbeihilfe (§ 2 FLAG), die Schulfahrtbeihilfe (§§ 30a ff FLAG), die Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge (§§ 30m ff FLAG), die Kleinkindbeihilfe (§ 32 ff FLAG ) und der Mutter-Kind-Pass- Bonus (§§ 38d ff FLAG) anzusehen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 2 Rz 4). Für den Bereich der Familienbeihilfe hatte § 26 Abs 3 BAO zur Folge, dass für Auslandsbeamte eine Sonderregelung galt, nach der unabhängig von deren Dienstort (auch in Drittstaaten) die österreichische Familienbeihilfe zuerkannt wurde, ohne dass sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bzw den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Bundesgebiet nachweisen mussten (§ 2 Abs 1 FLAG;§ 2 Abs 8 FLAG; ErläutRV 111 BlgNR 26. GP 5).

6.2.3 Das Kinderbetreuungsgeld ist nicht zu den von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten „Beihilfen aller Art“ iSd § 2 lit a Z 1 BAO zu zählen:

6.2.4 Das Kinderbetreuungsgeld fällt in die Zuständigkeit des gesetzlichen Krankenversicherungsträgers (§ 25a KBGG). Es wird somit nicht von einer Abgabenbehörde des Bundes nach den Bestimmungen der BAO zuerkannt oder zurückgefordert (§ 2 lit a Z 1 BAO).

6.3.5 Der Ansicht des Revisionswerbers, der Krankenversicherungsträger sei ebenfalls als Abgabenbehörde iSd § 2 lit a BAO anzusehen, weil der Krankenversicherungsträger „Sozialversicherungsabgaben“ einhebe und Versicherungsleistungen auszahle, ist entgegenzusetzen, dass der Begriff der „Abgabenbehörden“ in § 49 BAO dahin definiert wird, dass es sich dabei um die mit der Einhebung der im § 1 bezeichneten öffentlichen Abgaben und Beiträge betrauten Behörden der Abgabenverwaltung des Bundes, der Länder und Gemeinden handelt. § 52 BAO verweist hinsichtlich der Abgabenbehörden desBundes auf das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010 (AVOG 2010), das als Abgabenbehörden des Bundes das Bundesministerium für Finanzen, die Finanzämter und die Zollämter nennt.

6.3.6 Dass § 26 Abs 3 BAO bei der Entscheidung über Ansprüche auf Kinderbetreuungsgeld nicht zu berücksichtigen ist, ergibt sich weiters aus § 25a KBGG, in dem für das Verfahren in Angelegenheiten des Kinderbetreuungsgeldes (taxativ) auf die für Leistungssachen der Krankenversicherungsträger geltenden Bestimmungen des ASVG, GSVG, BSVG und des B-KUVG, nicht aber auf die BAO verwiesen wird.

7. Anhaltspunkte dafür, dass der in § 25a KBGG fehlende Verweis auf die BAO eine planwidrige Unvollständigkeit darstellt, die durch Analogie zu schließen wäre, fehlen:

Als Argument für das Vorliegen einer Gesetzeslücke führt der Revisionswerber ins Treffen, es läge eine massive Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Auslandsbeamten und ihren Angehörigen gegenüber Personen mit Wohnsitz im Inland vor, wenn sich die Wohnsitzfiktion nur auf die Abgabenpflicht, nicht aber auf das Kinderbetreuungsgeld beziehen sollte. Analogie ist aber trotz Sachargumenten für Gleichbehandlung jedenfalls dann unzulässig, wenn Gesetzeswortlaut und gesetzgeberische Absicht klar in die Gegenrichtung verweisen (P. Bydlinski in KBB5§ 7 ABGB Rz 2 mwN; 4 Ob 542/91). Im vorliegenden Fall deuten weder § 2 Abs 1 Z 4 KBGG und die dazu vorhandenen Gesetzesmaterialien noch die (taxative) Aufzählung in § 25a KBGG darauf hin, dass der Gesetzgeber des KBGG den Auslandsbeamten und deren Angehörigen den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld zuerkennen wollte. Die bloße subjektive Ansicht des Revisionswerbers, diese Regelungen seien unvollständig, rechtfertigt noch nicht die Annahme einer Lücke.

8. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Kläger, der sich vor und während des Anspruchszeitraums nicht in Österreich aufgehalten hat, sondern mit seiner Familie durchgehend in Brasilien gelebt hat, nicht gelungen sei, den Nachweis des Mittelpunkts der Lebensinteressen in Österreich zu erbringen.

Die Revision des Klägers erweist sich daher als nicht berechtigt.

9. Zur Kostenentscheidung:

Dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse einen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit nahelegen, hat der Kläger weder in seiner Revision behauptet noch ergeben sich solche Anhaltspunkte aus der Aktenlage (RS0085829 [T1]). Er hat daher die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

10. Die Parteienbezeichnung der beklagten Partei war auf „Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau“ zu berichtigen (§ 9 Abs 1 BKUVG idF des SVOG BGBl I 2018/100).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00002.20X.0218.000

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