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OGH vom 18.07.2002, 10ObS199/02s

OGH vom 18.07.2002, 10ObS199/02s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann E*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Mag. Stefan Geisler und Mag. Markus Gredler, Rechtsanwälte in Zell am Ziller, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauerlände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 32/02w-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 45 Cgs 301/00d-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, wonach der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Invaliditätspension nach § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/43, nicht erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Den Revisionsausführungen ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

In der Pensionsversicherung richtet sich die Beurteilung, ob der Versicherungsfall eingetreten ist und auch die anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind sowie in welchem Zweig der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, nach den Verhältnissen zum Stichtag (§ 223 Abs 2 ASVG). Ob die Anspruchsvoraussetzungen (Eintritt des Versicherungsfalles, Erfüllung der Wartezeit usw) erfüllt sind, ist daher nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Stichtages zu beurteilen. Es genügt daher nicht, dass die Voraussetzungen für eine Versicherungsleistung zu einem beliebigen Zeitpunkt vorliegen (10 ObS 189/01v uva; RIS-Justiz RS0084524; Teschner/Widlar, MGA, ASVG 68.ErgLfg Anm 7 zu § 223; Teschner in Tomandl, SV-System 14.ErgLfg 387; Grillberger, Österreichisches Sozialrecht5 80; Resch, Sozialrecht2 98 ua). Der Stichtag ist bei Anträgen auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit der Tag der Antragstellung, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Tag der Antragstellung folgende Monatserste. Im vorliegenden Fall war somit im Hinblick auf die am erfolgte Antragstellung (zunächst) zum Stichtag das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für die vom Kläger begehrte Versicherungsleistung zu prüfen.

Auf Grund des vom Berufungsgericht im ersten Rechtsgang gefällten und in Rechtskraft erwachsenen Teilurteiles ist davon auszugehen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension für den Zeitraum bis nicht vorlagen, weil Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG infolge der Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mangels Vorhandenseins eines Berufsschutzes nicht gegeben war.

Mit trat gemäß § 587 Abs 1 ASVG idF SVÄG 2000, BGBl I 2000/43, die Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG in Kraft. Sie lautet:

"Als invalid gilt auch der Versicherte, der das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, einer Tätigkeit, die er in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen der Tätigkeit zu berücksichtigen." Gemäß § 587 Abs 6 ASVG idF SVÄG 2000 ist diese Bestimmung nur auf Versicherungsfälle anzuwenden, in denen der Stichtag nach dem liegt.

Es entspricht der Judikatur des erkennenden Senates, dass dann, wenn eine Änderung des Gesundheitszustandes, eine Gesetzesänderung oder eine sonstige Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (etwa auch die Erreichung eines bestimmten Lebensalters, wenn dies zur Anwendung geänderter Voraussetzungen für den Anspruch auf die begehrte Leistung führt) während des Verfahrens eintritt, die sich daraus ergebende Änderung bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist. Es wird durch diese Änderungen, sofern sie für den erhobenen Anspruch von Bedeutung sind, ein neuer Stichtag ausgelöst und die Anspruchsvoraussetzungen sind zu diesem (neuen) Stichtag zu prüfen (SSV-NF 3/134 ua; RIS-Justiz RS0085973, RS0084533). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof auch in der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 10 ObS 319/88 (= SSV-NF 3/1) ganz allgemein ausgesprochen, dass es nicht nur auf die Verhältnisse am Stichtag ankommt, sondern dem Klagebegehren auch dann stattzugeben ist, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erst nach dem Stichtag eintreten und dass diesbezüglich § 86 ASGG sinngemäß anzuwenden ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anspruchsvoraussetzungen zu einem vor Schluss der Verhandlung erster Instanz liegenden Stichtag erfüllt sind (SSV-NF 3/134 ua). In der Entscheidung 10 ObS 302/01m wurde ausgeführt, dass unter diesen Voraussetzungen auch Gesetzesänderungen wie die des § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 zu berücksichtigen sind, da insoweit kein Austausch des Versicherungsfalles (Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit gemäß § 222 Abs 1 Z 2 ASVG) oder der Art der begehrten Leistung (Invaliditätspension) im gerichtlichen Verfahren vorliegt. Es wird daher durch die Vollendung des 57. Lebensjahres des Versicherten ein neuer Stichtag ausgelöst und es sind die Anspruchsvoraussetzungen zu diesem neuen Stichtag zu prüfen. Es war daher nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichtes zu prüfen, ob der Kläger infolge Vollendung seines 57. Lebensjahres am , also während des gerichtlichen Verfahrens erster Instanz, nach § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG 2000 als invalid anzusehen ist. Es wird auch vom Revisionswerber nicht bestritten, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach der novellierten Bestimmung des § 255 Abs 4 ASVG zum Stichtag oder zu einem späteren vor Schluss der Verhandlung erster Instanz () liegenden und damit ebenfalls in Betracht kommenden Stichtag schon deshalb nicht vorliegen, weil der Kläger in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag eine sein Leistungskalkül übersteigende Tätigkeit nicht mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat. Einer Prüfung der Berechtigung seines Begehrens auf Gewährung einer Pension zu einem bestimmten Stichtag ist aber entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hinsichtlich aller dafür erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen die zum jeweiligen Stichtag geltende Rechtslage zugrunde zu legen (10 ObS 175/01k ua; RIS-Justiz RS0115809; Teschner/Widlar aaO ua), zumal die Stichtagsregelung zwingender Natur ist und daher auch das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zum Stichtag in der Regel einheitlich zu beurteilen ist.

Da die Vorinstanzen somit zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Invaliditätspension (auch) nach § 255 Abs 4 ASVG verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.