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OGH vom 22.06.1995, 8ObA244/95

OGH vom 22.06.1995, 8ObA244/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz und Hofrat Robert List als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat des S*****, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden Dr.Günther W*****, dieser vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr.Strommer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Ra 55/94-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 14 Cga 75/93p-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.135,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.522,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Angestelltenbetriebsrat der beklagten Partei begehrt die Feststellung, die beklagte Partei sei verpflichtet, die schematischen Gehaltsansätze der Betriebsvereinbarung mit der beklagten Partei ab auch in der Besoldungsgruppe IV um 3 % statt nur um 2 1/4 %, in der Besoldungsgruppe V bis zur Stufe 20 um 3 % statt 1 1/2 % und ab der Stufe 21 um 3 % statt um 1 % zu erhöhen und brachte hiezu vor, auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der beklagten Partei sei der Kollektivvertrag für die Angestellten der Sparkassen vom in der Fassung vom anzuwenden. Nach der "Überbindungsklausel" seien die Gehälter der Angestellten - abgesehen von einem hier nicht in Betracht kommenden (unterschiedlichen) Sockelbetrag - um 3 % anzuheben. Die beklagte Partei habe die Gehälter in den Besoldungsgruppen IV und V nur um einen geringeren Prozentsatz (degressiv) angehoben.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Überbindungsklausel beziehe sich nur auf Sparkassen, die beklagte Partei sei aber keine Sparkasse, sondern eine nach dem Sparkassengesetz eingerichtete Prüfstelle.

Außer Streit stehen die Voraussetzungen für diese Feststellungsklage, daß nämlich von 33 Arbeitnehmern der beklagten Partei 14 eine geringere (degressive) Valorisierung ihrer Gehälter erhielten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt; es ging von folgenden Feststellungen aus:

Der Kollektivvertrag betreffend Änderung des Sparkassen-Dienstrechtes in der Fassung des Kollektivvertrages vom , abgeschlossen am zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sparkassen und dem österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Geld/Kredit, lautet auszugsweise:

"§ 1 Geltungsbereich (1): Dieser Kollektivvertrag gilt einerseits für

die österreichischen Sparkassen, ......, den Sparkassen-Prüfungsverband, ......

§ 10 Besoldungsschema, § 162 Spk.DR hat zu lauten wie folgt:

"(1) Die Gehaltsansätze des Besoldungsschemas 1992 des Kollektivvertrages vom werden um S 190 aufgestockt und sodann um 3 % angehoben. Ab einem schematischen Gehaltsansatz über S 34.000,-- beträgt die Erhöhung 3 %; dieser Bezieherkreis erhält am eine Einmalzahlung von S 2.300,--.

(2) Überbindungsklausel:

Die schematischen Gehaltsansätze der Betriebsvereinbarungen der in Artikel II genannten Sparkassen werden um S 190,-- + 3 % erhöht. Ab einem schematischen Gehaltsansatz über S 34.000,-- beträgt die Erhöhung 3 %; dieser Bezieherkreis erhält am eine Einmalzahlung von S 2.300,--"" (./B).

Das Zusatzprotokoll zum Kollektivvertrag vom vom lautet: "Die Vertragspartner halten einvernehmlich fest, daß die vorliegende Überbindungsklausel (§ 10, 13, 14 KV 93) für den Kollektivvertrags-Abschluß 1993 gilt. Damit ist keine Änderung der materiellen Auswirkungen der bisher angewandten Überbindungsklausel verbunden."

In einem Sitzungsprotokoll (Protokoll-Auszug Nr 63) des Verwaltungsrates der beklagten Partei vom (./2) heißt es:

"Nachdem gegen die Überbindung der Pensionskürzung seitens des Betriebsrates nunmehr bereits drei Jahre Einwendungen erhoben werden, in der Zwischenzeit zwei hochbezahlte Revisoren ohne Kürzung in Pension gegangen sind, ersucht Herr Dr.B***** den Verwaltungsrat um Erörterung, ob bei der Überbindung der KV-Valorisierung bis zu Überbindung der Pensionskürzungsregelung Retorsion angewendet werden soll. Herr Dr.B***** schlägt diesbezüglich vor, das Retorsionsrecht insoferne auszuüben, daß bei den definitiven Angestellten in der Besoldungsgruppe IV statt 3 % nur 2 1/4 %, in der Besoldungsgruppe V bis zur Stufe 20 1 1/2 % und ab der 21. Stufe 1 % linear erhöht werden. Der auf die vollen 3 % sich ergebende Differenzbetrag soll dem Sozialkreis zugewiesen und dort auf einem gesonderten Konto zinsbringend angelegt werden. Sollte die Pensionskürzung in der Betriebsvereinbarung vollzogen werden, soll der Differenzbetrag zuzüglich der anteiligen Zinsen den betroffenen Mitarbeitern ausbezahlt werden, ansonsten dient der Betrag ohne persönliche Zweckbindung der Abdeckung der Lasten aus künftigen Pensionen. Herr Dr.B***** wertet diesen Vorschlag als maßvolle Gegenmaßnahme, die nur die besserverdienenden definitiven Mitarbeiter betrifft, während bei den übrigen Angestellten die KV-Valorisierung 1993 voll überbunden wird. Der Differenzbetrag stellt den Erfolg der Pensionskürzung unter Berücksichtigung eines Anspareffektes dar und die Retorsion fällt sofort weg, wenn die Betriebsvereinbarung der Pensionsregelung des Kollektivvertrages 1990 angepaßt wird.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates beschließen gemäß § 9 Abs 2 Z 4 der Satzung einstimmig, die KV-Valorisierung 1993 mit Wirkung gemäß Sammelvorlage grundsätzlich in die Betriebsvereinbarung zu überbinden, wobei für definitive Angestellte der Besoldungsgruppe IV und V in Ausübung des Retorsionsrechtes die oben vorgeschlagenen Sonderreglungen gelten. Die ersparten Differenzbeträge sollen dem Rechnungskreis II zugewiesen und auf einem separaten Konto zinsbringend angelegt werden. Bei Überbindung der kollektivvertraglichen Pensionskürzung in die Betriebsvereinbarung soll diese Gegenmaßnahme rückgängig gemacht und der entsprechende Betrag zuzüglich anteiliger Zinsen den betroffenen Dienstnehmern ausbezahlt werden. Der Klage des Betriebsrates wird entgegengesehen."

Bei der beklagten Partei wurden bis zum Jahre 1993 kollektivvertragliche Erhöhungen gemäß Überbindungsklausel des jeweils gültigen Sparkassenkollektivvertrages regelmäßig durchgeführt.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, durch die regelmäßige Erhöhung der Gehälter im kollektivvertraglichen Ausmaß sei eine Betriebsübung entstanden, der die Ausübung des Retorsionsrechtes nicht entgegengehalten werden könne. Ein einseitiges Abweichen von dieser Übung sei unzulässig und deshalb die kollektivvertragliche Erhöhung entsprechend dem Klagebegehren vorzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag. Es führte aus:

Die beklagte Partei habe jeweils bis zum Jahr 1993 die kollektivvertraglichen Entgelterhöhungen gemäß der Überbindungsklausel durchgeführt. Die beklagte Partei sei im Geltungsbereich des Kollektivvertrages ausdrücklich genannt. Es sei lediglich eine Frage der Kollektivvertragsauslegung durch den normunterworfenen Arbeitgeber, dieser habe nunmehr bisher über Jahre auch unter Anpassung der Betriebsvereinbarung eine Überbindung der Erhöhung bzw Valorisierung vorgenommen und könne hievon einseitig, also ohne Mitwirkung der betroffenen Arbeitnehmer, nicht abgehen. Dadurch sei die beklagte Partei von ihrer bisherigen Kollektivvertragsauslegung einseitig abgegangen, andererseits sei die Überbindung in die Betriebsvereinbarung entgegen der bisherigen Übung einseitig geändert. Von einer Betriebsvereinbarung und einer Betriebsübung könne nicht einseitig abgegangen werden.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Revisionswerberin bringt vor, die "Überbindungsklausel" gemäß § 10 des Kollektivvertrages vom erfasse nicht den gesamten Geltungsbereich des Kollektivvertrages, sondern nur die Sparkassen. Daher werde die beklagte Partei nicht erfaßt, insoweit weiche der Kollektivvertrag von den früher geschlossenen ab, die regelmäßig alle in Art II genannten Dienstgeber erfaßt hätten. Die Überbindungsklausel stelle auf kollektivvertragliche Entgelte ab und sei eine zwingende, dh unabdingbare Ist-Lohn-Klausel. Eine solche Regelung sei nichtig, zumal sie in eine Betriebsvereinbarung eingreife, ohne eine abweichende Betriebsvereinbarung zuzulassen. Wenn hingegen die Ist-Lohn-Klausel schuldrechtlich wirksam sei, sei eine Junktimierung mit der von der beklagten Partei angestrebten Pensionskürzung zulässig. Die Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen das Günstigkeitsprinzip gemäß § 3 Abs 1 ArbVG. Durch den Kollektivvertrag werde in die Regelungsmacht der Betriebsvereinbarungspartner unzulässig eingegriffen, obwohl sich "der Kollektivvertrag" das Recht, eine Betriebsvereinbarung zu erlassen, nicht anmaßen könne. Der Kollektivvertrag könne nur das Mindestentgelt festlegen, Ist-Lohn-Regelungen seien unzulässig. Überdies werde gegen den Grundsatz der branchenweiten Tarifeinheit verstoßen, indem unterschiedliche, unabdingbare Gehaltsniveaus in einer Branche geschaffen würden. Bei einer nur schuldrechtlichen Wirkung der Überbindungsklausel sei eine Retorsion zulässig, die als Ausformung des in § 1052 ABGB anerkannten Zug-um-Zug-Grundsatzes zulässig sei, um die Belegschaftsvertretung zur Neuregelung der Pensionsregelungen (im Sinne einer Pensionskürzung) zu verhalten. Die frühere Anwendung anderslautender Kollektivvertragsregelungen begründe keine Betriebsübung.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedenfalls zulässig; in der Fassung des ASGG vor der Novelle 1994 hatte ein Ausspruch über die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes in besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 zu unterbleiben (§ 45 Abs 4 aF ASGG; ebenso § 46 Abs 3 Z 2 ASGG nF).

Die Revision ist nicht berechtigt.

Es ist der beklagten Partei zuzugeben, daß der Wortlaut des auszulegenden Kollektivvertrages in § 10 Abs 2 "Überbindungsklausel" die in Art II genannten Sparkassen nennt, während früher in vergleichbaren Regelungen der Ausdruck Dienstgeber verwendet wurde (zB KV 90, KV 91 vgl Blg 4 und 5). Der "KV 93" betreffend Regelungen des Sparkassen-Dienstrechtes zählt in seinem Geltungsbereich (§ 1) auch Arbeitgeber auf, die nicht als Sparkassen im engeren Sinne zu verstehen sind, sodaß zunächst als Auslegungshypothese angenommen werden kann, der Ausdruck "Sparkassen" in § 10 Abs 2 sei synonym für Dienstgeber bzw für die Umschreibung der Arbeitgeber des persönlichen Geltungsbereiches genannt. Während § 10 Abs 1 des KV 1993 Gehaltsansätze des Besoldungsschemas 1992 unmittelbar anhebt geschieht dies in § 10 Abs 2 mittelbar durch Einwirkung auf die Betriebsvereinbarungen der in Art II genannten Sparkassen. Dem liegt offensichtlich eine unterschiedliche Regelungstechnik der Entgelte bei den einzelnen Arbeitgebern im Rahmen des Geltungsbereiches zugrunde. Gemäß § 24 des Sparkassengesetzes (SpG BGBl 64/1976) ist die beklagte Partei eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit den dort näher angeführten Aufgaben. Hingegen sind Sparkassen die in § 1 SpG angeführten juristischen Personen des privaten Rechts (Gemeinde-, Vereinssparkassen, Sparkassenvereine und Aktiengesellschaften). Wegen des engen Sachzusammenhanges ist die beklagte Partei neben diversen Verbänden vom Geltungsbereich des Sparkassenkollektivvertrages erfaßt.

Den Kollektivvertragsparteien kann grundsätzlich unterstellt werden, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen, sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (Arb 10.480;

DRdA 1989/18, 291; infas 1988 A 21 = ind 1781; RdW 1995, 70). Wegen

des engen Sachzusammenhanges ist daher anzunehmen, daß die Kollektivvertragspartner mit dem Ausdruck "Sparkassen" lediglich einen gleichbedeutenden Ausdruck für "Dienstgeber" gebrauchen wollten; diese gleiche Bedeutung wird durch den im § 1 des Kollektivvertrages umschriebenen Geltungsbereich nahegelegt, sodaß der Ausdruck "Sparkassen" in dem Sinn verwendet worden sein könnte, daß er die in § 1 des Kollektivvertrages angeführten Dienstgeber umfaßt. Damit ist allerdings noch nicht ausgeschlossen, daß in § 10 Abs 2 absichtlich ein engerer Ausdruck, nämlich Sparkassen unter Ausschluß der Nicht-Sparkassen, gewählt wurde. Sollte hingegen abweichend vom umfassenden Geltungsbereich des Kollektivvertrages der in § 1 gebrauchte Begriff des vom persönlichen Geltungsbereich erfaßten Dienstgebers (im Sinne einer Hyperonymie bzw Inklusion) verstanden werden, hätten die Kollektivvertragspartner die Einschränkung des persönlichen Geltungsbereiches der in § 10 ganz allgemein beabsichtigten Valorisierung der Entgelte zumindest deutlicher vornehmen müssen, um den ungewöhnlichen Regelungszweck, die Valorisierung der Entgelte der einzelnen Dienstgeber unterschiedlich zu regeln (diversifizieren), unmißverständlich in der gemäß den §§ 6 f ABGB objektiv auszulegenden Norm zum Ausdruck zu bringen.

Das Zusatzprotokoll zum Kollektivvertrag vom , wonach die Vertragspartner einvernehmlich festhalten, daß keine Änderung der materiellen Auswirkungen der bisher angewendeten Überbindungsklausel mit der geänderten Wortwahl verbunden ist, bestätigt dieses Auslegungsergebnis im Sinne der zuvor gebrauchten Auslegungshypothese, der Ausdruck "Sparkasse" sei gleichbedeutend in dem besonderen Sachzusammenhang des Kollektivvertrages mit dem Ausdruck "Dienstgeber" gebraucht. Dieses Verständnis entspricht auch der einvernehmlichen Auslegung des Hauptverbandes der Sparkassen (Schreiben vom , Blg F). Es bedarf daher infolge der Klarstellung dieses Ergebnisses durch die Kollektivvertragspartner in einem auch sonst gebräuchlichen Vorgang (zB "Gemeinsame Erklärung" der Kollektivvertragspartner zum Generalkollektivvertrag zum UrlG vgl Cerny, Urlaubsrecht6, 137; Kuderna, Urlaubsrecht2, 138) nicht mehr des Rückgriffes auf die auch im Bereich der Kollektivverträge zulässige authentische Interpretation (SZ 61/182; infas 1994 A 54; zuletzt 9 Ob A 10, 11/95 mwN).

Damit ist klargestellt, daß der Sinn der "Überbindungsklausel" nur darin besteht, daß eine einheitliche Valorisierung unter Bedachtnahme auf die verschiedene Transformation - zum Teil unmittelbar durch den Kollektivvertrag, zum Teil durch Betriebsvereinbarungen - erfolgen soll. Für eine Verschiedenbehandlung der Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des Kollektivvertrages erfaßter Arbeitgeber ist kein rechtfertigender Grund erkennbar, schon gar keiner, der dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot entspräche.

Die Valorisierung in § 10 des Kollektivvertrages ist eine "schlichte" Ist-Lohn-Klausel, gegen deren Zulässigkeit überwiegend keine Einwände bestehen (Arb 10.290 = RdW 1984, 83 = DRdA 1985/21, 403; Grillberger, Kollektivvertragliche Ist-Lohnerhöhungen und einzelvertragliche Anrechnungsklauseln, DRdA 1992, 431 mwN FN 9). Die gegenteilige Ansicht von Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II, 78, der Kollektivvertrag könne keine dispositive Wirkung haben, wird von der Rechtsprechung nicht geteilt (vgl auch Tomandl, Dispositive Kollektivvertragsbestimmungen in Österreich, FS Floretta 1983, 639; 9 Ob A 20/94; vgl auch Marhold, Aktuelle Probleme des österreichischen Kollektivvertragsrechts, FS Kissel 1994, 735, 747 ff). Tomandl (Arbeitsrecht 13, 133) relativiert seine Bedenken gegen die schlichte Ist-Lohn-Klausel, indem er dispositive Bestimmungen des Kollektivvertrages als mögliche Deutung derselben ansieht.

Gegen den von der Revisionswerberin als unzulässig angesehenen Eingriff des Kollektivvertrages in Betriebsvereinbarungen bestehen keine Bedenken, wie aus § 29 ArbVG im Zusammenhalt mit § 3 Abs 1 ArbVG hervorgeht (vgl Grillberger, aaO, 437). Es ist kein Grund dafür erkennbar, weshalb Kollektivverträge eine Delegation an die Partner einer Betriebsvereinbarung (§ 29 ArbVG) nicht auch wieder rückgängig machen könnten (vgl Cerny, ArbVG Erl 5 zu § 29). Die als zulässig anzusehende "Öffnungsklausel" (zB zum Metallarbeiterkollektivvertrag-ARD 4491/19/93) gestattet solche Ergänzungen bzw Abweichungen zum Kollektivvertrag durch Betriebsvereinbarung (dazu Löwisch in Münch AR § 263 Rz 28).

Für ein Retorsionsrecht des Arbeitgebers findet sich in der österreichischen Rechtsordnung keine Grundlage. Frühere Regelungen zum Retorsionsrecht (zB § 38 Z 3 JN aF, vgl Fasching Komm I 255 f; Petschek/Stagel, Der österreichische Zivilprozeß, 40) sind aufgehoben. Aus den §§ 19 und 344 ABGB läßt sich kein derartiger Rechtfertigungsgrund ableiten. Aus diesen Regelungen im Zusammenhalt mit den §§ 102 und 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG läßt sich im Wege einer Gesamtanalogie vielmehr ein allgemeines Maßregelungsverbot des Arbeitgebers erschließen, wie es in § 612 a BGB ganz allgemein formuliert ist. Dies wird schließlich auch durch § 1295 Abs 2 ABGB bestätigt (vgl JBl 1994, 471).

Lediglich im Falle eines Zurückbehaltungsrechtes des Arbeitnehmers (RdW 1994, 357 = infas 1994 A 143 = ARD 4594/3/94) ist im Falle des Verzuges des Arbeitgebers eine Rechtsgrundlage für ein Leistungsverweigerungsrecht gegeben (Andexlinger, Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers, RdW 1994, 400; G.Krapf, OGH: Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers, DRdA 1995, 68). Ein vergleichbares Zurückbehaltungsrecht für den Arbeitgeber würde bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen den Arbeitnehmer sogar zum vorzeitigen Austritt (§ 26 Z 2 AngG) berechtigen und kann daher nicht rechtens sein. Es verstößt geradezu gegen Grundwertungen des Arbeitsrechtes, zu versuchen, einen (teilweisen) Verzicht auf Arbeitnehmerrechte (hier aus einer Pensionsvereinbarung) durch Retorsion zu "erzwingen", wenn dem Arbeitgeber eine Änderungskündigung nicht zu Gebote steht. Die von Tomandl (Arbeitsrecht 22/3, 21 f) erwogene Möglichkeit der Vertragsanpassung von unkündbaren Verträgen kommt hier nicht einmal ansatzweise in Betracht, denn ein auffallendes Mißverhältnis zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens wurde seitens der beklagten Partei für die Rechtfertigung ihrer Vergeltungsmaßnahme nicht einmal behauptet (Protokoll über die Sitzung des Verwaltungsrates der beklagten Partei vom ).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.