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OGH vom 22.10.2007, 9ObA120/07y

OGH vom 22.10.2007, 9ObA120/07y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gökhan S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.800,-- sA, über den Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 30/07a-16, womit über Rekurs der beklagten Partei die Beschlüsse des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 17 Cga 83/06f-4a, und vom , GZ 17 Cga 83/06f-12, aufgehoben bzw abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der über Antrag des Klägers erlassene Zahlungsbefehl vom wurde nach Zustellversuchen am 31. 8. und am am beim zuständigen Postamt hinterlegt. Der Beginn der Bereithaltefrist ist auf dem Rückschein mit ausgewiesen.

Als am der Obmann des Beklagten den Zahlungsbefehl beim Postamt beheben wollte, war die Sendung nicht auffindbar. Auch bei einem weiteren Abholversuch des Obmanns am , somit am letzten Tag der Hinterlegungsfrist, war der Zahlungsbefehl unauffindbar.

Am folgte das Erstgericht den Zahlungsbefehl dem bei Gericht nachfragenden Obmann des Beklagten aus, der daraufhin noch am selben Tag Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhob. Mit Beschluss vom (dem Beklagten zugestellt am ) wies das Erstgericht diesen Einspruch als verspätet zurück. Am (ON 4a) gab der Obmann des Beklagten beim Erstgericht den oben festgestellten Sachverhalt zu Protokoll und beantragte die Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls. Im Laufe einer zur Bescheinigung des behaupteten Sachverhalts durchgeführten Tagsatzung vom beantragte er überdies die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Einspruches gegen den Zahlungsbefehl.

Mit Beschluss vom (ON 12) wies das Erstgericht diese Anträge des Beklagten ab. Da das ZustG eingehalten worden und kein Hinweis vorhanden sei, dass der Zahlungsbefehl nicht am abholbereit gewesen sei, sei die Zustellung formell wirksam. Der Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls sei daher abzuweisen. Für den Obmann der Beklagten sei das Aktenzeichen aus der Hinterlegungsanzeige erkennbar gewesen. Er habe überdies gewusst, dass die Einspruchsfrist vier Wochen betrage und dass er bei Gericht auf elektronischem Weg einen Zahlungsbefehl erhalten könne. Dass er dennoch bis zum mit seiner Nachfrage bei Gericht zugewartet habe, sei als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren, sodass die beantragte Wiedereinsetzung nicht bewilligt werden könne. Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Rekursgericht den Beschluss vom (ON 4a) ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Ferner änderte es den Beschluss vom (ON 12) iS der Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls und der Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Zahlungsbefehl sei dem Beklagten nicht wirksam durch Hinterlegung zugestellt worden. Stumvoll (in Fasching/Konecny2 II/2 § 87 ZPO § 17 ZustG Rz 12 bis 13) kritisiere zu Recht die formale Sichtweise des VwGH, nach der alle „Zustellfehler" im Zusammenhang mit der Abholfrist die bereits eingetretene Wirksamkeit der Zustellung (durch Hinterlegung) nicht beeinträchtigten. Auch die Entscheidung 8 ObA 184/98m, die der Auffassung des VwGH entspreche, sei - wie Stumvoll zu Recht ausführe - nur vor ihrem speziellen Tatsachenhintergrund zutreffend. Stumvoll sei zu folgen, dass der Zustellvorgang als Einheit zu sehen sei und dass die Zustellung nicht wirksam sei, wenn auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens der Postorgane der Versuch, die Sendung zu beheben, misslinge. Der Zahlungsbefehl sei daher erst durch die Aushändigung an den Obmann des Beklagten am rechtswirksam zugestellt worden, weshalb das Erstgericht den am selben Tag erhobenen Einspruch des Beklagten zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen habe.

Der Obmann des Beklagten habe am - und damit noch innerhalb der gegen den Zurückweisungsbeschluss offen stehenden Rekursfrist - unter Angabe des oben wiedergegebenen Sachverhalts „das Rechtsmittel gegen die vom Erstgericht erfolgte Vollstreckbarkeitsbestätigung" zu Protokoll gegeben. Aufgrund des eindeutig erkennbaren Inhalts dieses Rechtsschutzantrags - der Obmann habe sich offensichtlich gegen die Zurückweisung seines Einspruchs als verspätet wehren wollen - sei dieser Antrag inhaltlich notwendigerweise auch als Rekurs gegen den Beschluss über die Zurückweisung des Einspruchs zu verstehen. Ein anderes Verständnis würde den Antrag von vornherein wirkungslos machen, da ein in Rechtskraft erwachsener Beschluss über die Zurückweisung des Einspruchs jedenfalls die Rechtskraft des Zahlungsbefehls zur Folge habe. Dem daher bereits im Protokollarantrag vom enthaltenen Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss sei Folge zu geben und dieser Beschluss ersatzlos zu beheben.

Auch dem Rekurs gegen den Beschluss vom sei stattzugeben. Da rechtzeitig gegen den Zahlungsbefehl Einspruch erhoben worden sei, sei die Bestätigung der Vollstreckbarkeit des Zahlungsbefehls aufzuheben. Der gesonderten Aufhebung der Bestätigung der Rechtskraft bedürfe es nicht. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zurückzuweisen, da es an einer zu restituierenden Versäumnis fehle.

Da die Rechtsauffassung des Rekursgerichts nicht mit der Begründung der Entscheidung 8 ObA 184/98m konform gehe, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, mit dem zwar nach dem Wortlaut seines Rechtsmittelantrags nur die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses vom (ON 12) begehrt wird, der aber angesichts seiner Anfechtungserklärung (der angefochtene Beschluss wird „vollinhaltlich" bekämpft) und nach seinem Inhalt gerade noch erkennbar auch die Wiederherstellung des Beschlusses vom (ON 4a) anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, dass unter den hier gegebenen Umständen der Zahlungsbefehl dem Beklagten erst mit der Ausfolgung durch das Gericht zugestellt wurde, ist zutreffend. Entgegen der Meinung der zweiten Instanz steht diese Rechtsauffassung durchaus im Einklang mit der vergleichbare Fälle betreffenden Vorjudikatur des Obersten Gerichtshofs.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 7 Ob 773/79 - damals noch zum mittlerweile aufgehobenen § 104 ZPO - ausführte, setzt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung voraus, dass die Postsendung auch tatsächlich beim Zustellpostamt zur Abholung bereitgehalten wurde (vgl nunmehr § 17 Abs 3 1. Satz ZustG). Nur dann kann der Empfänger der an ihn gerichteten Aufforderung, die für ihn bestimmte Postsendung beim Zustellpostamt abzuholen, entsprechen. Kann daher das mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu haltende Zustellstück vom Empfänger nicht behoben werden, weil es am Postamt nicht auffindbar ist, ist die Zustellung durch Hinterlegung - mangels Bereithaltung des Zustellstückes - unwirksam (7 Ob 773/79; ebenso - zu Rechtslage nach dem ZustG - 8 Ob 106/03a; zust Gitschthaler in Rechberger³ § 87 [§ 17 ZustG] Rz 6). Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 8 ObA 184/98m steht dazu nicht im Widerspruch. Sie betrifft - worauf auch schon das Rekursgericht hingewiesen hat - den Fall der Verweigerung der Ausfolgung der hinterlegten und auch zur Abholung bereitgehaltenen Sendung (im Anlassfall wurde die hinterlegte Sendung dem neuen Geschäftsführer einer GmbH nicht ausgefolgt, weil er den vom Postbeamten verlangten Nachweis seiner Stellung nicht vorlegen konnte). Diese Entscheidung ist daher mit der hier zu beurteilenden Konstellation nicht vergleichbar. Gleiches gilt auch für die von der zweiten Instanz unter Berufung auf Stumvoll (in Fasching/Konecny² § 87 ZPO [§ 17 ZustG] Rz 13) wegen ihrer „formalen Sicht" kritisierten Entscheidungen des VwGH, die regelmäßig ebenfalls Fälle betreffen, in denen dem Empfänger das Zustellstück mangels Vorlage eines Ausweises nicht ausgefolgt wurde (so etwa VwGH, , GZ 91/01/0199; VwGH, , GZ 93/01/0950; ebenso VwGH, , GZ 2005/21/0344).

Im hier zu beurteilenden Fall ist der Beurkundung auf dem Rückschein zu entnehmen, dass der Zahlungsbefehl am beim Postamt hinterlegt wurde. Dass er (jemals) zur Abholung bereit gehalten wurde, steht nicht fest und ist auch den am Rückschein befindlichen Beurkundungen nicht zu entnehmen (dort ist lediglich der in Aussicht genommene Beginn der Abholungsfrist angeführt). Vielmehr ist davon auszugehen, dass in der Folge das Zustellstück nicht bereitgehalten wurde, zumal es bei zwei Behebungsversuchen nicht aufgefunden und deshalb nicht ausgefolgt werden konnte. Wie in den der zitierten Vorjudikatur zugrunde liegenden Fällen ist daher davon auszugehen, dass der Hinterlegung der Sendung am mangels nachfolgender Bereithaltung der Sendung zur Abholung keine Zustellwirkung zukam. Damit erweist sich aber die angefochtene Entscheidung als zutreffend. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 51, 40 ZPO.