OGH vom 30.07.2015, 10ObS19/15i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen besonderer Höherversicherung gemäß § 248c ASVG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 90/14z 12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 37 Cgs 221/13f 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Revisionsverfahren strittig ist (allein) die Frage, ob in die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrags nach § 248c ASVG für das Jahr 2012 auch der auf den Dienstgeber entfallende Beitragsteil einzubeziehen ist.
In der hier maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten des SVAG BGBl I 2015/2 lautete § 248c Abs 2 ASVG (die wesentliche Textpassage ist durch Unterstreichung hervorgehoben):
„(2) Für die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrages sind die auf Grund einer Pflichtversicherung nach Abs. 1 nach dem geleisteten Beiträge zur Pensionsversicherung, die auf den (die) Versicherte(n) entfallen , mit einem Faktor zu vervielfachen. Dieser Faktor ist durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Lebensalters bei geschlechtsneutraler Bewertung des Einkommens festzusetzen.“
Der am geborene Kläger bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt seit eine Alterspension. Der Kläger übte während des Pensionsbezugs so auch durchgängig im Kalenderjahr 2012 eine versicherungspflichtige Erwerbs-tätigkeit als Arbeiter (Hausbesorger) aus. Die Beitragsgrundlagen aus dieser Erwerbstätigkeit betrugen im Kalenderjahr 2012 (einschließlich der Sonderzahlungsbei-tragsgrundlagen) insgesamt 10.291,54 EUR.
Mit Bescheid vom gewährte die beklagte Partei dem Kläger ab dem eine besondere Höherversicherung in Höhe von monatlich 6,19 EUR brutto.
Das Erstgericht wiederholte diesen bescheidmäßigen Zuspruch und wies das auf Zuerkennung eines über 6,19 EUR brutto monatlich hinausgehenden besonderen Höherversicherungsbetrags gerichtete Mehrbegehren ab. Seiner Berechnung legte das Erstgericht allein die Dienstnehmerbeiträge des Klägers (Beitragssatz 10,25 %) zugrunde.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (10 ObS 127/12t; 10 ObS 29/14h) sei der Höherversicherungsbetrag nach § 248c ASVG ausschließlich auf Grundlage der Dienstnehmerbeiträge zur Pensionsversicherung (10,25 %) und nicht auch der Dienstgeberbeiträge zur Pensionsversicherung (12,55 %) zu errechnen. Auch eine Verfassungswidrigkeit der Berücksichtigung allein des Dienstnehmeranteils der Pensionsversicherungsbeiträge (im Vergleich zum berücksichtigten Beitragssatz von 18,5 % für die Höherversicherung bei Selbständigen) sei nicht erkennbar, seien doch die einzelnen Sozialversicherungssysteme (ASVG, GSVG, BSVG) wegen ihrer unterschiedlichen Gestaltungen des Beitrags- und Leistungsrechts nicht miteinander vergleichbar.
Allerdings würden die zuletzt in der Literatur gegen die zitierte Rechtsprechung vorgetragenen, zum Teil neuen Argumente doch so gewichtig sein, dass von einer eindeutigen und geklärten Rechtslage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht gesprochen werden könne, weshalb die Revision zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des errechneten Betrags der besonderen Höherversicherung unter Berücksichtigung auch des Dienstgeberanteils. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt und ein Gesetzesprüfungsantrag angeregt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zum Zweck der Klarstellung vor allem im Hinblick auf die Novellierung mit dem SVAG BGBl I 2015/2 zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
In seiner Revision vertritt der Kläger zusammengefasst den Standpunkt, dass der besondere Steigerungsbetrag versicherungsmathematisch konzipiert und damit gezielt und bewusst vom sozialen Ausgleich ausgenommen sei. Aufgrund des zu wahrenden individuellen Äquivalenzverhältnisses sei der Gleichheitssatz zu beachten. Vor diesem Hintergrund sei die Berücksichtigung von lediglich 10,25 % bei Unselbständigen im Vergleich zu 18,5 % bei Selbständigen unsachlich und widerspreche dem Gleichheitssatz.
Dazu ist auszuführen:
1. Mit dem mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, in das ASVG eingefügten und am in Kraft getretenen § 248c ASVG wurde eine besondere Höherversicherung für erwerbstätige Pensionsbezieher geschaffen: Wird neben dem Bezug einer Alterspension eine pensionsversicherungspflichtige Erbwerbstätigkeit ausgeübt, so kommt es dadurch zu einer Erhöhung der Pension aus dem Titel der Höherversicherung, wenn Beiträge nach dem geleistet wurden. Aus diesen Beiträgen ergibt sich jeweils ab dem 1. Jänner des folgenden Kalenderjahres ein nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechneter besonderer Höherversicherungsbetrag, der zusätzlich zur Pension ausgezahlt wird. Dieser Betrag wird in der Folge jährlich den entrichteten Beiträgen folgend angepasst.
2. Die hier maßgebliche, eingangs bereits angeführte Wortfolge in § 248c Abs 2 ASVG (idF BGBl I 2011/52) zur Berechnung des besonderen Höherversicherungsbetrags lautet:
„Beiträge zur Pensionsversicherung, die auf den (die) Versicherte(n) entfallen“.
In den beiden Vorentscheidungen 10 ObS 127/12t (= SZ 2012/126 = SSV NF 26/77; krit dazu Panhölzl , Die Höherversicherung in der PV gem § 248c ASVG wirtschaftlich vernachlässigbar oder doch besser als eine zweite Alterspension? DRdA 2014, 107) und 10 ObS 29/14h gelangte der Oberste Gerichtshof unter Heranziehung mehrerer Auslegungskriterien zur Auffassung, dass der besondere Höherversicherungsbetrag ausschließlich auf Grundlage der Dienstnehmerbeiträge zu errechnen ist.
2.1. In systematischer Auslegung wurde auf § 58 Abs 2 Satz 1 ASVG Bezug genommen, in dem in Bezug auf die Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge bzw die Beitragsvorauszahlung zwischen auf den Dienstnehmer und den Dienstgeber entfallenden Beiträgen differenziert wird, während in § 248c Abs 2 (idF BGBl I 2011/52) von den „auf den (die) Versicherte(n) entfallen“-den Beiträgen die Rede ist.
2.2. Im Rahmen der historischen Interpretation wurde auf die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 329 und 336) Bezug genommen, wonach der Zweck der Neuregelung darin liege, älteren Personen die Bereitschaft, weiterhin berufstätig zu sein, auch pensionsrechtlich zu honorieren und zu diesem Zweck die „von diesen Pensionisten“ nach dem entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge zu einer besonderen Höherversicherung anzurechnen. Damit wird unterstrichen, dass von der besonderen Höherversicherung nur diejenigen Pensionisten erfasst werden sollen, die neben der Alterspension einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen; daraus lässt sich aber kein Schluss darauf ziehen, dass der Gesetzgeber sowohl die Dienstnehmer- als auch die Dienstgeberbeiträge in die Berechnung der besonderen Höherversicherung einbeziehen wollte.
2.3. Die in den Gesetzesmaterialien zum Budgetbegleitgesetz 2003 angesprochene Kostenneutralität ( ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 340 ) ist nach der Begründung der Entscheidung 10 ObS 127/12t so zu verstehen, dass die Versichertengemeinschaft durch die Einführung des Höherversicherungsbetrags nicht zusätzlich belastet wird, sondern der entstehende Aufwand in dem von den erwerbstätigen Pensionisten geleisteten Pensionsver-sicherungsbeiträgen Deckung findet. Auch diese Ausführungen lassen keinen Rückschluss darauf zu, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen habe, auch den vom Dienstgeber zu tragenden Beitragsteil in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.
3. Wie erwähnt hat sich der Oberste Gerichtshof bei der in der Entscheidung 10 ObS 127/12t vorgenommenen Auslegung des § 248c Abs 2 ASVG nicht auf eine einzelne Auslegungsmethode gestützt, sondern auf eine Gesamtwürdigung unter Heranziehung mehrerer Kriterien. Vor allem bildete das Argument von Kietaibl (Zur Frage des Mehrfachpensionbezuges erwerbstätiger Pensionisten, ASoK 2012, 339 [343]), der Höherversicherungsbetrag stelle bei Gegenüberstellung von Beitragslast und Leistung im Ergebnis bloß eine „symbolische“ Leistung dar, keine zentrale Rolle.
4. Mit dem Sozialversicherungs Anpassungs-gesetz SVAG BGBl I 2015/2 wurde § 248c Abs 2 ASVG mit Geltung ab dahin geändert, dass der Ausdruck „den (die) Versicherte(n)“ durch den Ausdruck „die versicherte Person und ihren Dienstgeber“ ersetzt wurde. Die Gesetzesmaterialien (AB 417 BlgNR 25. GP 5) zeigen, dass es sich bei dieser Novellierung nicht um eine authentische Interpretation, sondern um eine Gesetzesänderung handelt, wird doch Folgendes ausgeführt:
„Im § 248c Abs. 2 ASVG und im Parallelrecht (besondere Höherversicherung für erwerbstätige PensionsbezieherInnen) werden für die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrages nur jene Pensionsbeiträge, die auf die versicherte Person entfallen, herangezogen. Damit werden unselbständig beschäftigte Versicherte gegenüber den nach dem GSVG und BSVG versicherten Selbständigen, deren überwiegender Pensionsbeitrag in die Höherversicherung einfließt (ausgenommen ist nur die Partnerleistung des Bundes), benachteiligt.
Es sollen daher künftig auch die auf den Dienstgeber entfallenden Beitragsteile für die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrages berücksichtigt werden.
Bei der Aufteilung der Beitragslast zwischen den Dienstgeber/inne/n und den Dienstnehmer/inne/n muss immer auch ins Kalkül gezogen werden, dass sich diese Aufteilung letztlich im lohnrechtlichen Bereich widerspiegelt, weil davon die KollektivvertragspartnerInnen betroffen sind. Die Überführung der Partnerleistung in eine Höherversicherung ist durch ihre Ausprägung als Finanzierungsanteil des Bundes zur Pensionsversicherung infolge fehlenden Konnexes zum Erwerbseinkommen nicht vorgesehen. Auf den Finanzierungscharakter der Partnerleistung, der sich aus den §§ 27 Abs. 2 GSVG und 24 Abs. 2 BSVG ergibt, nimmt die gegenständliche Änderung keinen Einfluss.
Mit der vorgeschlagenen Maßnahme wird ein zusätzlicher Anreiz für ältere Personen geschaffen, auch nach Erreichung des Regelpensionsalters einer Beschäftigung nachzugehen.“
Der Gesetzgeber geht also bei dieser Novellierung davon aus, dass nach der bis geltenden Gesetzeslage nur die Dienstnehmeranteile in die Berechnung des besonderen Höherversicherungsbetrags einzubeziehen sind; gerade diese gesetzliche Lage soll geändert werden.
5. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, von seiner bisherigen Auslegung des § 248c Abs 2 ASVG (in der bis geltenden Fassung) abzugehen.
6. In der Revision werden erneut verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung allein des Dienstnehmerbeitrags (unter Außerachtlassung des Dienstgeberbeitrags) aufgeworfen; diese wurden vom Berufungsgericht bereits behandelt und abgelehnt.
6.1. Bereits in den seinerzeitigen Gesetzesmaterialien zu § 248c ASVG (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336) war festgehalten worden, dass nicht einmal gegen das Fehlen einer direkten Leistungsauswirkung der zusätzlichen Beitragsleistung von erwerbstätigen Pensionsbeziehern verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, da diese Personen trotz ihrer Erwerbstätigkeit die volle Pension beziehen, obwohl diese nicht durch eigene Beitragsleistungen im versicherungsmathematischen Sinn gedeckt ist. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass entsprechende Bedenken erst recht nicht mehr seit Einführung des § 248c ASVG bestehen (in diesem Sinn auch Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV Komm [118. Lfg 2015] § 248c ASVG Rz 6 mit Hinweis auf VfGH B 418/90, VfSlg 12.739). Insoweit sieht der Oberste Gerichtshof weiterhin keinen Raum für eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung an sich; in Bezug auf die versicherungsmathematische Präzisierung könnte höchstens die Verordnung über den Faktor für die Bemessung des besonderen Höherversicherungsbetrags (BGBl II 2004/523) gesetzwidrig sein ( Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV-Komm [118. Lfg 2015] § 248c ASVG Rz 11).
6.2. In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht sieht der Oberste Gerichtshof auch keine verfassungsrechtlich relevanten Bedenken gegen die Differenzierung hinsichtlich der Höhe der zu berücksichtigenden Beitragssätze nach dem ASVG (10,25 % gemäß § 51 Abs 3 Z 2 ASVG iVm § 248c ASVG) einerseits und dem GSVG (18,5 % gemäß § 27 Abs 2 Z 1 iVm § 143 GSVG) bzw dem BSVG (s § 24 Abs 2 Z 1 iVm § 134 BSVG) andererseits. Selbst bei Annahme eines individuellen Äquivalenzverhältnisses zwischen Beitrag und Leistung im Fall des § 248c ASVG (in diesem Sinn Panhölzl , DRdA 2014, 107 [109 ff] und Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV Komm [118. Lfg 2015] § 248c ASVG Rz 14) steht der Ansicht des Revisionswerbers entgegen, dass auch Beitragsleistungen der Pflichtversicherung, die nach Erreichung des Regelpensionsalters neben dem Bezug einer Alterspension geleistet werden, dem die Pflichtversicherung prägenden Solidaritätsprinzip unterliegen. Dies unterstreichen auch die gesetzgeberischen Intentionen bei Einführung des § 248c ASVG (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 336).
6.3. Der Oberste Gerichtshof hegt daher keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 248c Abs 2 ASVG in der hier noch anzuwendenden Fassung, weshalb dem vom Kläger angeregten Gesetzesprüfungsantrag nicht nahegetreten wird.
7. Insgesamt ist der Revision daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Aktuelle berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00019.15I.0730.000