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OGH vom 07.03.2002, 8ObA233/01z

OGH vom 07.03.2002, 8ObA233/01z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Dina P*****, vertreten durch Dr. Peter Birgmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. Peter Knirsch und Dr. Johannes Gschaider, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 18.168,21 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 18/01w, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 33 Cga 120/99d-12, bestätigt wurde, zur Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden in Ansehung des Hauptbegehrens dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil zu lauten haben:

“Das Hauptbegehren, es werde festgestellt, dass die von der beklagten Partei mit Schreiben vom ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses zur Klägerin zum unwirksam ist und dass das zwischen der Klägerin und der beklagten Partei abgeschlossene Dienstverhältnis über den mit allen sich daraus ergebenden Rechtsauswirkungen weiter aufrecht besteht, wird abgewiesen.”

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung über das hilfsweise erhobene Begehren, die von der beklagten Partei mit Schreiben vom ausgesprochene Kündigung des zwischen der Klägerin und der beklagten Partei bestehenden Dienstverhältnisses zum für unwirksam zu erklären, an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die bisherigen Verfahrenskosten wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die seit bei der Beklagten als Ausbildungsärztin beschäftigte Klägerin hatte am einen Verkehrsunfall. Sie befand sich dann ab im Krankenstand. Am kam es zu einem Gespräch zwischen der Klägerin, ihrem ärztlichen Vorgesetzten und dem Betriebsrat über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne dass dabei ein einvernehmliche Auflösung erzielt werden konnte. In weiterer Folge wurde dann der Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung der Klägerin zum verständigt und erteilte am einstimmig seine Zustimmung dazu. Daraufhin wurde die Klägerin mit Schreiben vom zum gekündigt. Sie befand sich aber am bereits in der fünften Schwangerschaftswoche, was sie mit entsprechender ärztlicher Bestätigung der Beklagten mitteilte. Am teilte die Klägerin der Beklagten jedoch mit, dass sie nicht mehr schwanger sei, worauf die Beklagte mit Schreiben vom selben Tag den Ausspruch zur Kündigung zum “wiederholte und bestätigte”. Eine neuerliche Befassung des Betriebsrates davor war nicht erfolgt. Die Klägerin begehrt nun einerseits die Feststellung, dass die Kündigung mit Schreiben vom unwirksam und ihr Arbeitsverhältnis über den weiter aufrecht sei; in eventu stellt sie das Begehren, dass diese Kündigung für rechtsunwirksam erklärt werde. Das Hauptbegehren begründete die Klägerin nicht näher, sondern brachte sogar noch vor, dass nach Auskunft des Betriebsrates dieser ordnungsgemäß von der Kündigung verständigt worden sei. Ihr Eventualbegehren stützte sie einerseits auf eine Anfechtung wegen eines verpönten Motives im Sinne des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG, da sie deshalb gekündigt worden sei, weil sie sich aufgrund ihres Arbeitsunfalles am berechtigt im Krankenstand befunden habe und die damit zusammenhängenden Ansprüche geltend gemacht habe. Weiters machte sie aber auch geltend, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVB sei, da ihr insbesondere im Hinblick auf die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt für Jungmediziner eine längere Arbeitslosigkeit drohe. Schließlich stützte sie ihr Anfechtungsbegehren aber auch auf § 2a Abs 8 Gleichbehandlungsgesetz, da sie während ihres Arbeitsverhältnisses durch den leitenden Arzt sexuell belästigt worden sei, was sie auch noch näher konkretisierte. Die von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wendete zusammengefasst ein, dass die Kündigung nicht aus den von der Klägerin dargestellten Motiven erfolgt sei, sondern weil die Klägerin das Betriebsklima verschlechtert habe, nachteilige Äußerungen über die Beklagte verbreitet und keinen Kontakt mit dieser gehalten habe. Die Klägerin sei auch entgegen ihren Behauptungen nicht schwanger gewesen. Eine sexuelle Belästigung habe nicht stattgefunden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich aus dem einleitend dargestellten Sachverhalt, dass entsprechend § 105 Abs 1 ArbVG der Betriebsinhaber eines betriebsratspflichtigen Betriebes vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen habe. Die erste Verständigung könne hier nicht mehr als für die zweite Kündigung maßgeblich angesehen werden, da es sich um keinen “einheitlichen Kündigungsfall” gehandelt habe. Dem stehe der erhebliche Zeitraum von 38 Tagen zwischen den Kündigungen sowie der Umstand, dass die erste Kündigung rechtsunwirksam sei, entgegen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es stützte dies im Wesentlichen darauf, dass zwischen der ersten und zweiten Kündigungserklärung insoweit eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei, als die Klägerin bei Abgabe der zweiten Kündigungserklärung nicht mehr schwanger gewesen sei. Da die erste Kündigung nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes unwirksam sei, müsse der Arbeitgeber bei der neuerlichen Kündigung auf die allgemeinen Kündigungsschutznormen des § 105 ArbVG Bedacht nehmen. Die früher erteilte Zustimmung des Betriebsrates sei nicht mehr relevant, da dem Betriebsrat weder mitgeteilt worden sei, dass es die Kündigung der Klägerin infolge der Schwangerschaft unwirksam sei, noch dass im Zeitpunkt der zweiten Kündigung eine solche Schwangerschaft nicht mehr vorgelegen wäre. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Betriebsrat dann eine andere Stellungnahme abgegeben hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG jedenfalls zulässig und berechtigt. Die von der Beklagten geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen aber nicht vor (vgl § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Ist doch nach ständiger Rechtsprechung ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in der Revision nicht mehr bekämpfbar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 503 Rz 3). Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes geht aber auch der Einwand der Beklagten, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes es auf die tatsächliche Schwangerschaft und nicht nur die Bestätigung ankommt (vgl in diesem Sinne RIS-Jusitz RS0101807 zur Beweislast der Arbeitnehmerin) ins Leere, da die Feststellung über die damals bestehende Schwangerschaft für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar ist.

Zutreffend wendet sich die Beklagte aber gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Verständigung des Betriebsrates, die zu dessen Zustimmung am zu einer Kündigung zum führte, nachdem zuerst die Kündigungserklärung vom zum erfolgte, nicht mehr für die hier maßgebliche Kündigung vom ebenfalls zum ausreichend sei.

Nach § 105 Abs 1 ArbVG hat der Betriebsinhaber vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers den Betriebsrat zu verständigen, der dann innerhalb von fünf Arbeitstagen hiezu Stellung nehmen kann. Zweck dieser Bestimmung ist es, dass der Betriebsrat Kenntnis von der Kündigungsabsicht des Betriebsinhabers erlangt (vgl auch = RdW 2000/662). Um im Rahmen der Mitwirkungsbefugnisse des § 105 ArbVG schon bei allfälligen Beratungen und Verhandlungen innerhalb der fünftägigen Frist zur Stellungnahme einerseits die Interessen eines Arbeitnehmers aber auch der gesamten Belegschaft wahrnehmen zu können (vgl etwa zuletzt ; ferner auch Pircher, Soziale Gestaltung und Prinzipien im allgemeinen Kündigungsschutz, JBl 2001, 694 ff) wird in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass zwischen der Verständigung im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG einerseits und der Kündigungserklärung andererseits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Dies wird aber dann bejaht, wenn es sich um einen einzigen Kündigungsfall handelt und die Kündigung zum ersten zulässigen Termin oder innerhalb einer Frist von wenigen Wochen ausgesprochen wird (vgl so die ständige Judikatur RIS-Justiz RS0051425 mzwN etwa SZ 63/172, 9 ObA 237/94 = Arb 11.362 = RdW 1995, 436, SZ 70/217, grundlegend dazu = RdA 1986/10 mit teilweise kritischer Glosse von Pfeil, mit der sich der Oberste Gerichtshof jedoch bereits in der Entscheidung vom zu 9 ObA 237, 238/94 = Arb 11.362 = RdW 1995, 436 auseinander gesetzt hat). Der Fall, dass eine Kündigung wegen Rechtsunwirksamkeit der ersten Kündigung wiederholt wird, wird als typischer Fall für so einen Zusammenhang hervorgehoben (vgl dazu 9 ObA 237, 238/94 = Arb 11.362 unter Hinweis sowohl auf Pfeil aaO, als auch Floretta in Floretta/Strasser ArbVG, 669; ferner dazu, dazu dass eine “unwirksame Kündigung nicht die Verständigung” konsumiert auch = RdA 1986, 63 = infas 1986 A 2). Gerade dem zuletzt von Pfeil (vgl DRdA 2002, 44) hervorgehobenen Erfordernis, dass aus der Verständigungserklärung ersichtlich sein soll, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem “Zeithorizont” es zu einer Kündigung kommen soll - üblicherweise der nächste übliche Kündigungstermin, hier der - wurde im vorliegenden Fall besonders entsprochen, da der Betriebsrat nach den Feststellungen sogar ausdrücklich von diesem Kündigungstermin verständigt wurde. Soweit sich das Berufungsgericht - ohne dass dazu ein Vorbringen von der Klägerin erstattet worden wäre - auf relevante Änderungen während des Zeitraumes bezieht, ist es auf die Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 9 ObA 237, 238/94 = Arb 11.362 = RdW 1995, 436 zu verweisen, in der die Relevanz verneint wurde; im Übrigen war dem Betriebsrat auch im Rahmen der Verständigung eine Schwangerschaft der Klägerin nicht bekannt. Auch dass die Schwangerschaft durch eine “Fehlgeburt” beendet worden wäre, ergibt sich weder aus den Feststellungen noch aus dem Vorbringen der Klägerin.

Die vom Berufungsgericht zur Stützung seiner Ansicht herangezogene Meinung von Knöfler (Mutterschutzgesetz12, 190 = § 10 Erläuterungen Punkt 5) bezieht sich nur darauf, dass dann, wenn die Schwangerschaft beendet wird bei einer dann zulässigen Kündigung die Bestimmungen des Kündigungsschutzes zu beachten sind, nicht jedoch darauf, wann die Verständigung von der Kündigungsabsicht zu erfolgen hat. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles kann auch dahingestellt bleiben, inwieweit der allgemeine Kündigungsschutz neben dem besonderen Kündigungschutz nach dem Mutterschutzgesetz weiter aufrecht bleibt (vgl dazu, dass dieser zu beachten wäre Floretta/Spielbüchler/Strasser Arbeitsrecht I4, 391; gegen einen solchen zusätzlichen allgemeinen Kündigungsschutz bis zum Ablauf des ersten Jahres Knöfler aaO, 218 f; eindeutig gegen das Bestehen des allgemeinen Kündigungsschutzes neben den besonderen Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz Schrammel in Tomandl/Schrammel Arbeitsrecht 24, 239, ebenso Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung 208 ff insb 234). Ist doch zwischen der Kündigung selbst, die während der Schutzfrist nicht ausgesprochen werden darf (Arb 10.969 = DRdA 1992/20 [Petrovic]) und der Verständigung von der Kündigungsabsicht, für die dies nicht zutrifft, zu unterscheiden (vgl dazu ausführlich = infas 1985 A 3 = RdA 1986/10 zu einem Kündigungsschutz nach einem Kollektivvertrag mit insoweit zustimmender Glosse von Pfeil). Insgesamt war daher das Feststellungsbegehren der Klägerin abzuweisen und werden im fortgesetzten Verfahren die für das Eventualbegehren geltend gemachten Anfechtungsgründe zu prüfen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 2 ASGG sowie 52 ZPO.