OGH vom 14.11.1996, 8ObA2313/96x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dr.Heinz Nagelreiter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ewald M*****, Maurer, ***** vertreten durch Dr.Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Ing.Franz K***** GmbH, ***** und 2.) Ing.Franz K***** GmbH & Co KG, ebendort, beide vertreten durch Dr.Helmut Weiser und Dr.Brigitte Weiser, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 22.261,01 brutto sA und Feststellung (Revisionsinteresse S 50.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 90/96p-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 28 Cga 307/94k-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 4.464,76 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 744,12 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis zu seiner am erfolgten Entlassung bei den beklagten Parteien als Bauarbeiter, zuletzt als Vorarbeiter, beschäftigt. Die Entlassung erfolgte wegen eines dem Kläger zum Vorwurf gemachten Diebstahls von Fliesen auf einer Baustelle, wobei der Kläger diese Fliesen in einem von ihm benützten (gemieteten) Kellerabteil der beklagten Partei verarbeitete.
Der Kläger begehrt mit dem Vorbringen, die Entlassung sei zu Unrecht erfolgt, restliche Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung sowie die Feststellung, sein Arbeitsverhältnis sei in einer seine Anwartschaft auf Abfertigung nach dem Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) wahrenden Weise gelöst worden, hilfsweise - laut Ergänzung des Klagebegehrens AS 43 - die urteilsmäßige Verpflichtung der beklagten Parteien, der Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) mitzuteilen, das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch Arbeitgeberkündigung beendet worden.
Die beklagten Parteien bestritten das Klagevorbringen, beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, der Kläger sei wegen des Diebstahls von Fliesen berechtigt entlassen worden; weiters habe der Kläger in einem außergerichtlichen Vergleich am die Berechtigung der Entlassung bestätigt und gegenüber seinem Arbeitgeber auf sämtliche Ansprüche verzichtet.
Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren ab. Es stellte unter anderem den Inhalt des zwischen den Streitteilen am geschlossenen außergerichtlichen Vergleiches (Beilage 1) fest, womit der Kläger die gerechtfertigte fristlose Entlassung bestätigte, auf alle weiteren Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verzichtete und sich zur Zahlung des Kaufpreises der Fliesen verpflichtete. Die zweitbeklagte Partei "verpflichtete" sich hierin, der BUAK die Beendigung des Arbeitsverhältnisses "durch Kündigung" mitzuteilen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Entlassung sei berechtigt erfolgt und "das Klagebegehren daher zur Gänze abzuweisen".
Das Berufungsgericht gab der vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge; es billigte die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Kläger habe den Tatbestand der Unterschlagung gemäß § 134 StGB - der Gewahrsamsbruch durch den Kläger sei nicht nachgewiesen, er habe daher lediglich die Verarbeitung der Fliesen und die Zueignung für sich oder den Hauseigentümer zu verantworten - gesetzt und sich somit vertrauensunwürdig im Sinne des § 82 lit d GewO gemacht. Auch das Eventualbegehren - Verpflichtung der beklagten Parteien, "der BUAK die fristlose Entlassung als einfache Kündigung mitzuteilen" - sei unberechtigt. Die BUAK sei nicht an die Meldung des Arbeitgebers gebunden. Der Kläger könne nicht seinen früheren Arbeitgeber zur Täuschung der BUAK über die Anspruchsvoraussetzungen verpflichten. Eine solche Verpflichtung verstieße gegen die guten Sitten.
Gegen den die Abweisung des Eventualbegehrens betreffenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteiles richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise dahin abzuändern, daß die beklagten Parteien zu verpflichten seien, der BUAK mitzuteilen, daß sein Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung beendet worden sei.
Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge aus, mit dem außergerichtlichen Vergleich sei die strittige Frage der Berechtigung der Entlassung verglichen worden. Der Kläger habe auf seine Ansprüche gegenüber den beklagten Parteien verzichtet, diese hätten sich dafür im Gegenzug verpflichtet, die entsprechende Mitteilung an die BUAK zu erstatten, um dem Kläger zumindest diese Ansprüche zu wahren. Dadurch sollte für beide Teile ein Prozeß vermieden werden. Von einer Täuschung der BUAK und von einer rechtswidrigen Verpflichtung der beklagten Parteien hiezu könne wegen des zwischen ihnen strittigen Sachverhaltes keine Rede sein. Ob eine solche Meldung gegenüber der BUAG eine dem Kläger günstige Wirkung habe, sei in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Eine Bindung der BUAK an die Meldungen des Arbeitgebers ist den Bestimmungen des BUAG nicht zu entnehmen. Aus § 22 BUAG iVm § 27 BUAG ergibt sich vielmehr, daß die BUAK die Anspruchsvoraussetzungen für Urlaub und Abfertigung selbständig zu prüfen hat, ohne daß eine Bindung an die Meldung des Arbeitgebers besteht. Hinsichtlich der Meldungen nach § 22 BUAG wird geradezu selbstverständlich deren Richtigkeit unterstellt; lediglich im Falle einer fehlerhaften Meldung kann der Arbeitgeber die Berichtigung der Vorschreibungen der von ihm zu leistenden Zuschläge in einem gesonderten Verwaltungsverfahren begehren. Sollte sich der Arbeitnehmer hinsichtlich seiner Ansprüche nach dem BUAG verkürzt erachten, so kann er den hier allein in Betracht kommenden Anspruch auf Abfertigung gemäß § 13 f Abs 1 BUAG nur gegenüber der Urlaubs- und Abfertigungskasse im gerichtlichen Verfahren geltend machen (§ 50 Abs 1 Z 5 ASGG). Wegen der selbständigen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen durch die BUAK ist ein Anspruch eines Bauarbeiters (im Sinne der §§ 1 bis 3 BUAG) gegenüber seinem Arbeitgeber, eine Meldung eines bestimmten Inhaltes zu machen, dh über die den Arbeitgeber ohnedies gemäß § 22 BUAG treffende Meldepflicht hinaus, nicht gegeben. Mangels einer Bindung der BUAK an ein in einem Verfahren zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschaffenes Urteil - diese müßte an den durch das Erfordernis der Personenidentität gezogenen Grenzen der Rechtskraft scheitern - ist ein Grund dafür, daß durch eine Wissenserklärung des Arbeitgebers oder durch eine prozessual erzwungene Wissenserklärung des Arbeitgebers die Rechtslage des Arbeitnehmers verbessert werden könnte und damit ein rechtliches Interesse nicht erkennbar.
Im übrigen wäre es unabhängig von der Wissenserklärung des Arbeitgebers dem Kläger nicht verwehrt, der BUAK gegenüber seine Ansprüche mit dem von ihm zu erbringenden Beweis, die zunächst vom Arbeitgeber erstattete Meldung sei irrig oder unrichtig erfolgt, geltend zu machen. Eine Mitwirkung des Arbeitgebers kann für das Ermittlungsverfahren der BUAK nach dem Verwaltungsverfahren (§§ 25 Abs 5 und 7, 25 a Abs 7, 27 Abs 3 BUAG iVm § 49 Abs 5 AVG) und an dem gerichtlichen Beweisverfahren gemäß § 333 ZPO erzwungen werden.
Losgelöst von der Erklärung des Arbeitgebers über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und von der Richtigkeit dieser Erklärung bleibt es dem Kläger unbenommen geltend zu machen, eine Abfertigung stehe ihm gemäß § 13 c Abs 4 Z 4 BUAG zu, weil die Entlassung nach Behauptung des Arbeitnehmers unberechtigt erfolgt sei. Aus § 13 c Abs 7 BUAG kann ein Umkehrschluß dahin gezogen werden, daß den Arbeitgeber eine Mitteilungspflicht für die zur Beurteilung der Anrechnung nach Abs 1 erforderlichen Angaben trifft; eine vergleichbare Mitteilungspflicht betreffend die Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 13 c Abs 4 BUAG fehlt. Es ist daher, selbst wenn im Sinne der Rechtsmittelausführungen des Klägers von der Annahme ausgegangen wird, dem außergerichtlichen Vergleich - einvernehmliche Rücknahme einer unberechtigten Entlassung und deren Ersetzung durch eine Arbeitgeberkündigung - liege keine die BUAG benachteiligende oder betrügerisch täuschende Handlung bzw Kollusion zugrunde, keine Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Klägers gegenüber den beklagten Parteien auf Abgabe einer - als richtig unterstellten - Wissenserklärung vorhanden.
Sollte der außergerichtliche Vergleich zwischen den Streitteilen in der Absicht erfolgt sein, die BUAK zu täuschen, so ist den Ausführungen des Berufungsgerichtes zuzustimmen, daß die Durchsetzung einer Verpflichtung zur Abgabe einer falschen Wissenserklärung im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB ebenso sittenwidrig ist wie zB ein den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds belastender Sozialplan (vgl die
"Glückstopf"-Entscheidung EvBl 1991/4, 16 = ind 2017 = RdW 1991, 151
= ecolex 1990, 632 = infas 1990 a 116 = WBl 1990, 305 = AnwBl 1991, 59 = ZAS 1991/15, 169; ähnlich SZ 61/249 = Arb 10.759 = ind 1924 = RdW 1989, 138 = EvBl 1989/67, 243 = infas 1989 a 74).
Wenn es den Parteien des Arbeitsvertrages auch zusteht, eine unberechtigte Entlassung einvernehmlich in eine Arbeitgeberkündigung umzuwandeln, so ist es ihnen also jedenfalls verwehrt, zu Lasten der BUAK eine solche zu fingieren.
Ein klarer Hinweis auf einen solchen sittenwidrigen Vorgang ist hier - neben dem "Anerkenntnis" des Klägers im Vergleich vom , daß der Ausspruch der fristlosen Entlassung am zu Recht erfolgte und daher die Rechtsfolgen einer gerechtfertigten fristlosen Entlassung eintreten - der ausdrückliche Verzicht des Klägers auf anteilige Sonderzahlungen für das Jahr 1994. Wäre die Entlassung tatsächlich zu Unrecht erfolgt und nicht beabsichtigt, von der BUAK die Leistung einer Abfertigung zu erschleichen, so wäre kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Kläger im Falle einer tatsächlich unberechtigten Entlassung deren Richtigkeit gegenüber den beklagten Parteien ausdrücklich anerkennen und auf seinen anteiligen Anspruch auf Sonderzahlungen verzichten sollte.
Es handelt sich im vorliegenden Falle somit um ein nichtiges Scheingeschäft, nämlich Anerkennung der Folgen der berechtigten Entlassung im Verhältnis zwischen den Streitteilen verbunden mit dem Versuch einer Leistungserschleichung gegenüber der BUAK (zu den strafrechtlichen Folgen eines vergleichbaren Scheingeschäftes P.Bydlinski in Anm zu ZAS 1986/17, 123, 126).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.