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OGH vom 15.07.2011, 8Ob143/10b

OGH vom 15.07.2011, 8Ob143/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Michael Enzinger, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Mahlerstraße 11, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I*****, vertreten durch Lattenmayer, Luks und Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Johann Erwin G*****, 2. Michael Albert G*****, beide vertreten durch Dr. Viktor Igaly Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Revisionsinteresse 50.642,12 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 56/10t 38, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 24 Cg 68/08w 34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.200,16 EUR (darin enthalten 366,69 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Nach den wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen haben die nunmehrigen Beklagten aufgrund eines rechtskräftigen Versäumungsurteils gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin Anspruch auf Zahlung über 30.000 EUR sA. Diese Forderung wurde auf einen der früheren Gemeinschuldnerin im Dezember 1995 gewährten und im Oktober 1998 ausgeweiteten Kredit gestützt. Im Zusammenhang mit der Ausweitung des Kredits wurde auch eine Garantieerklärung abgegeben.

II. Der klagende Masseverwalter hat die angemeldete Forderung im Konkursverfahren bestritten und begehrt nunmehr mit seiner Klage die Feststellung, dass die aufgrund des rechtskräftigen Versäumungsurteils geltend gemachte Forderung den Beklagten nicht zustehe. Er stützt dies zusammengefasst darauf, dass im Ergebnis der Kredit nicht der Gemeinschuldnerin, sondern einem Gesellschafter gewährt worden sei. Der Anspruch aus der Garantie sei bereits verjährt und im Übrigen wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Einlagenrückgewährung nichtig gewesen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten im Wesentlichen ein, dass sich der Kläger gegen ihre titulierte Forderung nicht mehr auf die Verjährung stützen könne.

III. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und gründete dies rechtlich zusammengefasst darauf, dass im Prüfungsprozess nach § 110 KO die inhaltliche Richtigkeit einer bereits mit Urteil festgestellten Forderung nicht mehr geltend gemacht werden könne, sondern sich der Prüfungsprozess auf Oppositions , Nichtigkeits oder Wiederaufnahmsgründe bzw Anfechtungseinreden beschränken müsse.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich der Beurteilung des Erstgerichts grundsätzlich an. Der Gläubiger, der bereits in einem Verfahren seinen Anspruch durchgesetzt habe, könne nicht dazu gezwungen werden, in einem neuerlichen Verfahren diesen nochmals nachzuweisen. Nach § 110 Abs 3 KO bestehe kein uneingeschränktes Bestreitungsrecht, sondern sei dies auf Anfechtungsgründe bzw die Behauptung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens, die fehlende Sachlegitimation iSd § 14 KO oder Oppositions , Nichtigkeits oder Wiedereinsetzungsgründe beschränkt.

Weder die Voraussetzungen für die Annahme eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens noch die sonstigen Ausnahmefälle seien gegeben. Eine allgemeine, insbesondere auf die Verjährung gestützte Einrede, könne aber im Verfahren nach § 110 KO gegen eine rechtskräftig zugesprochene Forderung nicht mehr geltend gemacht werden.

Den von der neueren Lehre und dem Schrifttum gegen diese Auffassung geltend gemachten Bedenken hielt das Berufungsgericht entgegen, dass der Masseverwalter und die anderen Gläubiger im Konkurs insoweit keinen eigenen, sondern nur einen aus der Position des Gemeinschuldners abgeleiteten Rechtsanspruch geltend machen könnten. Wesentlich sei auch, dass das Vertrauen des Gläubigers in die Rechtskraft eines von ihm erstrittenen Gerichtsurteils geschützt werde. Bei einer allgemeinen Ausweitung der Bestreitungsmöglichkeiten ergebe sich zudem ein Widerspruch zu den eingeschränkten Anfechtungsmöglichkeiten nach dem Anfechtungsrecht. Auch § 213 Abs 1 EO sehe ausdrücklich vor, dass der Verpflichtete nur gegen die Berücksichtigung solcher Ansprüche Widerspruch erheben könne, für die ein Exekutionstitel nicht vorliege.

Das Berufungsgericht erachtete aber die Revision als zulässig, da eine Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu den in der neueren Lehre und dem Schrifttum geäußerten Bedenken noch nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

IV.1. Die gegen dieses Urteil vom Kläger erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die wesentliche Begründung des Berufungsgerichts, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 110 Abs 2 KO (nunmehr IO) im Allgemeinen die inhaltliche Unrichtigkeit einer bereits titulierten Forderung nicht geltend gemacht werden kann, ist zutreffend. Es reicht daher auf die Richtigkeit dieser ausführlichen Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Verdeutlichend ist Folgendes festzuhalten:

IV.2. Unstrittig ist hier noch die Konkursordnung in ihrer Fassung vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl I 29/2010 (§ 273 Abs 1 InsO) anzuwenden.

IV.3. Nach § 110 Abs 2 KO hat bei einer bereits vollstreckbaren Forderung der Bestreitende seinen Widerspruch mittels Klage geltend zu machen.

§ 105 KO regelt allgemein den Gegenstand der Prüfungsverhandlung zur Abgabe von Erklärungen zur Richtigkeit und Rangordnung der Forderungen.

§ 35 KO bestimmt im Rahmen der Regelungen über die Anfechtungsmöglichkeiten nach der KO, dass die Anfechtung nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass für die anzufechtende Handlung ein Exekutionstitel erworben wurde und legt ua auch fest, dass im Falle der Unwirksamerklärung der Rechtshandlung den Konkursgläubigern gegenüber auch die Wirksamkeit des Exekutionstitels erlischt.

IV.4.a. Im Revisionsverfahren ist nur diese allgemeine Wirkung der Rechtskraft zu beurteilen, nicht aber die noch im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten, aber im Revisionsverfahren nicht mehr aufrecht erhaltenen Einwendungen zum eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen und zur Einlagenrückgewähr oder die anderen vom Berufungsgericht genannten Ausnahmsfälle.

Die Rechtsprechung hat die Anfechtungsmöglichkeit nach § 110 Abs 2 KO dahin verstanden, dass damit nur allgemein und verfahrensrechtlich die Möglichkeit einer Bestreitung selbst solcher Forderungen, für die ein Exekutionstitel besteht, geschaffen wird. Es soll aber materiell rechtlich keine im Widerspruch zu den Grundsätzen der ZPO über die Rechtskraft bestehende Anfechtungsmöglichkeit geschaffen werden. Daher kann die bloße Behauptung der materiellen Unrichtigkeit gegen eine titulierte Forderung nach § 110 KO nicht geltend gemacht werden (RIS Justiz RS0065643 mwN zuletzt 5 Ob 339/65).

IV.4.b. Auch Lehre und Schrifttum gehen überwiegend davon aus, dass eine allgemeine inhaltliche Bestreitung der titulierten Forderungen wie hier etwa durch Geltendmachung von Verjährung bereits vor dem gerichtlichen Urteil nach § 110 bzw § 105 KO nicht erfolgen kann ( Rechberger/Thurner , Insolvenzrecht 2 , Rz 232; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger , Insolvenzrecht 4 , § 105 Rz 51 und § 110 Rz 36 ff; Fink , Das Verfahren in Arbeitsrechtssachen vor dem Konkurs und Ausgleichsgericht, DRdA 1988, 205 ff; insb 208; Chalupsky/Ennöckl/Holzapfel , Handbuch des österreichischen Insolvenzrechts, 200; Petschek/Reimer/Schiemer , Das österreichische Insolvenzrecht, 585; Wegan , Österreichisches Insolvenzrecht, 134; ausführlich Puschner , Konkurs und Europäische Menschenrechtskonvention, 80 ff; insb 86 88; ausführlich auch Riel , Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht, 125 ff).

IV.4.c. Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung über die verfahrensrechtliche Bindungswirkung und Art 6 EMRK hat nun Musger (JBl 1991, 499 f) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 53/42 (3 Ob 4/80) zu § 213 EO die Ansicht vertreten, dass so wie in der Exekutionsordnung auch nach § 110 KO bei der Nachprüfung der Forderungen sämtliche Einwendungen unabhängig davon, ob sie noch dem Gemeinschuldner zugestanden wären - erhoben werden können.

Konecny (Bekämpfung vollstreckbarer oder festgestellter Konkursforderungen, JBl 1995, 409) hat in weiterer Folge in seiner Analyse dazu und später im Kommentar ( Konecny/Schubert § 105 Rz 24 ff, § 110 Rz 20 ff) die Ansicht vertreten, dass auch bei vollstreckbaren Konkursforderungen eine inhaltliche Bestreitung möglich sein müsse. Diese sei nicht auf Fälle der Oppositions , Nichtigkeits oder Wiederaufnahmsklagen und Anfechtungseinreden beschränkt. Im Wesentlichen stützt er dies auf Art 6 EMRK und auf das damit verankerte Grundrecht auf ein rechtliches Gehör (der anderen Gläubiger) sowie den Ansatz, dass die prozessuale Feststellung einer Forderung keine Veränderung der materiellen Lage bewirke. Die Beteiligungsrechte der Konkursgläubiger seien nicht an das Vorliegen des Exekutionstitels, sondern an das tatsächliche Bestehen der angemeldeten Forderungen zu knüpfen. Ähnliches gelte auch für den Gläubigerwiderspruch bei Meistbotsverteilungstagsatzungen nach § 213 Abs 1 EO. Bei der Stimmrechtsfeststellung sei auch eine potentielle Beeinträchtigung der Rechte anderer Konkursgläubiger denkbar.

Auch Klicka hat allerdings bloß im Rahmen einer Fußnote ebenfalls aus dem Gedanken eines Spannungsverhältnisses zum Grundrecht auf rechtliches Gehör iSd Art 6 EMRK Bedenken an der Einschränkung der Bestreitungsmöglichkeiten geäußert ( Klicka , Die Fortsetzung eines nach Schluss der Verhandlung durch Konkurs unterbrochenen Zivilprozesses, RdW 1991, 106 f FN 13).

IV.5.a. Der Oberste Gerichtshof bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung im Sinne eines Ausschlusses von allgemeinen materiell rechtlichen Einwendungen, wie etwa hier der Verjährung (RIS Justiz RS0065643). Die herrschende Lehre verweist zutreffend darauf, dass die titulierte Forderung im Prüfungsprozess auf die Frage des Anfechtungsrechts wird später einzugehen sein nur mit jenen Mitteln bekämpft werden kann, die auch dem Gemeinschuldner zur Verfügung stünden. Die Rechtsposition des Masseverwalters und der anderen Gläubiger bei der Prüfung der Forderung eines Gläubigers, der bereits einen Titel zur Befriedigung erstritten hat und diese nunmehr im Konkursverfahren verfolgt, leitet sich aus jener des Gemeinschuldners ab. Der Gemeinschuldner wurde aber im Verfahren zur Erlangung dieses Titels ohnehin iSd Art 6 EMRK gehört ( Rechberger aaO; Fink aaO; Kodek aaO; ausführlich auch Puschner aaO und Riel aaO). Zutreffend verweist die herrschende Lehre auch darauf, dass dieser Ansatz in der Denkschrift zur Einführung einer Konkursordnung, einer Ausgleichsordnung und einer Anfechtungsordnung, 1914, 97, durchaus eine gewisse Stütze findet.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass eine allfällige „mittelbare“ Betroffenheit anderer Gläubiger durch Rechtsgeschäfte und Verfahrensdispositionen des (Gemein )Schuldners, die zur Verringerung des Haftungssubstrats infolge Verschlechterung der Vermögensposition des (Gemein )Schuldners führen, nur im Rahmen des Anfechtungsrechts geltend gemacht werden kann. Dann und nur dann soll - wie § 35 KO ja ausdrücklich anordnet - die im Verhältnis zwischen dem betroffenen Gläubiger und dem Schuldner im Rahmen eines dem Art 6 EMRK entsprechenden Verfahrens getroffene gerichtliche Feststellung nicht Bestand haben.

IV.5.b. In der Literatur wird darauf verwiesen, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ 53/42 im Rahmen des Widerspruchsrechts nach § 213 EO bei der Meistbotsverteilungstagsatzung anders entschieden habe. Dazu bedarf es allerdings einer genauen Analyse dieser Entscheidung. Damals ging es darum, dass auf der versteigerten Liegenschaft aufgrund eines Schuldscheins und einer Pfandbestellungsurkunde das Pfandrecht für eine Darlehensforderung einverleibt war. Die Verpflichtete war zur Zahlung eines Betrags bei Exekution in die verpfändete und versteigerte Liegenschaft verurteilt worden. Die Bestreitung der rechtskräftig zuerkannten Forderung erfolgte mit dem Argument, dass es sich bloß um einen fingierten Titel gehandelt habe. Dem Widerspruch wurde nicht Folge gegeben, aber allgemein auf die Beschränkung der Rechtskraft gerichtlicher Urteile auf die Parteien des Verfahrens hingewiesen. Damals ging es also darum, dass zwei Pfandgläubiger an der gleichen Pfandsache ein konkretes Recht begründet hatten. Damit hatte das Recht des vorrangigen Pfandgläubigers unmittelbar Auswirkungen auf die Befriedigungsrechte des nachrangigen Pfandgläubigers. Davon kann aber bei bloßen Auswirkungen auf den allgemeinen Vermögensstand eines Schuldners nicht ausgegangen werden, sodass insoweit jedenfalls im Rahmen der Konkursordnung (nunmehr IO) auf die Möglichkeiten des Anfechtungsrechts zu verweisen ist.

V. Im Ergebnis war daher der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

VI. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.