OGH vom 17.12.2019, 9ObA105/19k

OGH vom 17.12.2019, 9ObA105/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Q***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch Dr. H. Burmann em. – Dr. P. Wallnöfer – Mag. E. Suitner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 110 Ra 5/19z-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Verschmelzung zweier GmbH, die den Transfer des gesamten Vermögens der übertragenden an die übernehmende Gesellschaft bewirkt, ist ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0039592 [T1]). Die übernehmende Gesellschaft tritt in jeder rechtlichen Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft. Die einzelnen verschmolzenen selbständigen Gesellschaften werden zu einer einzigen Rechtsperson. Die Verschmelzung wird mit Eintragung im Firmenbuch wirksam (RS0060147). Von der übertragenden Gesellschaft begründete Dauerrechtsverhältnisse können von oder gegen die übernehmende Gesellschaft nur nach den dafür vertraglich und/oder gesetzlich maßgebenden Vorschriften beendet werden (RS0109661).

2.1 Als Ausfluss dieser Gesamtrechtsnachfolge ist die Klägerin als übernehmende Gesellschaft in das zwischen dem Beklagten und seiner vormaligen Arbeitgeberin – der übertragenden Gesellschaft – zum Zeitpunkt der Verschmelzung aufrechte Konkurrenzklauselverhältnis eingetreten.

2.2 Nicht das – zum Zeitpunkt der Verschmelzung bereits beendete – Arbeitsverhältnis, sondern das – erst mit dessen Beendigung in Kraft getretene – Konkurrenzklauselverhältnis ist auf die Klägerin übergegangen.

Auch wenn die Verschmelzung von Unternehmen die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 AVRAG erfüllen kann (vgl RS0118708), folgt daraus nicht, dass das Konkurrenzklauselverhältnis von der Gesamtrechtsnachfolge ausgenommen wäre.

Aus den vom Revisionswerber zitierten Literaturmeinungen ist nichts anderes abzuleiten: Die Frage, ob gemäß § 3 Abs 1 AVRAG ein nachvertragliches Konkurrenzverbot ex lege auf den Erwerber übergeht (idS etwa Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3§ 3 Rz 150) oder es hierfür einer Zession oder Vertragsübernahme bedarf (so insbesondere Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel 141 f; ders in Neumayr/Reissner, ZellKomm3§ 37 AngG Rz 38), stellt sich hier nicht, weil sich der Übergang des Konkurrenzklauselverhältnisses auf § 96 ff GmbHG gründet. Für diesen Fall wird der Ex-lege-Vertragspartnerwechsel aber auch in der Literatur nicht in Zweifel gezogen (Resch in Löschnigg, AngG II10§ 36 Rz 11; Kohlegger in Reissner, AngG3§ 37 Rz 38).

3. Grundsätzlich richtig ist, dass eine Konkurrenzklausel eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in sich birgt. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits klargestellt, dass eine Konkurrenzklausel im Einzelfall eine sachlich gerechtfertigte Beschränkung der Freizügigkeit sein kann, wenn sie sich als verhältnismäßig darstellt – was den nationalen Gerichten eine am Gemeinschaftsrecht orientierte Sachlichkeitsprüfung aufträgt –, zwingenden Gründen des Allgemeininteresses dient und sich unterschiedslos an Inländer und Ausländer richtet (RS0112404). Die sachliche Rechtfertigung der Konventionalstrafe ergibt sich dabei nicht nur aus der Ordnung des Wettbewerbs und der Förderung der Vertragstreue, sondern auch aus der – unionsrechtlich gleichfalls schützenswerten – Privatautonomie (vgl 8 ObA 196/99b).

Schon das Erstgericht hat die Auffassung vertreten, die gegenständliche Konkurrenzklausel entspreche den an sie im Sinne dieser Rechtsprechung gestellten Anforderungen, sodass kein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erkennen sei. Dem hält die außerordentliche Revision nur allgemeine Ausführungen zur Unzulässigkeit von Konkurrenzverboten unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten entgegen, ohne aufzuzeigen, warum die Konkurrenzklausel im konkreten Fall den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht genügen sollte. Eine erhebliche Rechtsfrage wird damit nicht dargelegt. Die in einem lauterkeitsrechtlichen Verfahren zwischen Mitbewerbern ergangene Entscheidung 4 Ob 125/14g spricht nicht den Parteien des Arbeitsvertrags das Interesse ab, (nachvertragliche) Konkurrenzverbote zu vereinbaren.

4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00105.19K.1217.000

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