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VfGH vom 07.03.1985, B251/83

VfGH vom 07.03.1985, B251/83

Sammlungsnummer

10386

Leitsatz

ApothekenG; Ablehnung eines Antrages auf Halten einer ärztlichen Hausapotheke wegen Existenzgefährdung einer öffentlichen Apotheke gemäß § 29 Abs 1 iVm. § 10 Abs 3; bei Prüfung der Existenzgefährdung im Falle der Verpachtung der bestehenden Apotheke der Pachtzins nicht gewinnmindernd; Verletzung in der Erwerbsausübungsfreiheit durch - fälschliches - Unterstellen eines gegen Art 6 StGG verstoßenden Gesetzesinhaltes

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz lehnte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom den Antrag des Bf. (eines praktischen Arztes) ab, ihm das Halten einer ärztlichen Hausapotheke in Geinberg gemäß § 29 Abs 1 und § 10 Abs 3 des Apothekengesetzes, RGBl. 5/1907 idF vor der Nov. BGBl. 502/1984 (im folgenden kurz: ApG), zu bewilligen; dies deshalb, weil eine bestehende öffentliche Apotheke durch die angestrebte Hausapotheke in ihrer Existenz gefährdet würde.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Erwerbsausübungsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. a) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.

b) Auch die beteiligten Parteien haben sich geäußert, auch sie beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. § 29 Abs 1 ApG lautet:

"Die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke ist einem Arzte zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Wohnsitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und mit Rücksicht auf die Entfernung der nächsten derartigen Apotheke an dem Wohnorte des Arztes ein Bedürfnis nach einer Verabreichungsstelle von Heilmitteln besteht (§10, dritter Absatz)."

Aus der Zitierung des § 10 Abs 3 ApG ergibt sich, daß die Bewilligung zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke nicht nur dann zu verweigern ist, wenn kein Bedarf nach einer solchen Hausapotheke besteht, sondern auch dann, wenn - wie dies die bezogene Gesetzesstelle ausdrückt - "durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit der im Standorte oder in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheke oder des eine Hausapotheke führenden Arztes gefährdet wird".

2. Die bel. Beh. hat ihre ablehnende Entscheidung ausschließlich - ohne auf die Bedarfsfrage einzugehen - damit begründet, daß die bestehende (nahegelegene) öffentliche "Kaiser Josef Apotheke" in Altheim im Falle der Erteilung der Bewilligung zum Halten der geplanten Hausapotheke in ihrer Existenz gefährdet wäre.

Die Behörde ging - in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des VwGH - davon aus, daß eine Apotheke dann als existenzgefährdet anzusehen ist, wenn sie infolge der Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke (ärztlichen Hausapotheke) nicht mehr imstande wäre, die Kosten eines angestellten verantwortlichen Leiters aufzubringen, falls die Bestellung eines solchen an Stelle des Konzessionsinhabers notwendig werden sollte. Die für einen angestellten Apothekenleiter im (hier der Berechnung zugrunde gelegten) Jahr 1981 aufzuwendenden Kosten wurden mit 670000 S angenommen. Aufgrund einer im Jahre 1982 durchgeführten Rezeptzählung nahm die Behörde für den Fall der Bewilligung der geplanten Hausapotheke für das Jahr 1981 einen Rückgang des Umsatzes von etwa 7,3 Millionen Schilling um zirka 25 vH auf ungefähr 5,5 Millionen Schilling an. Daraus errechnete die Behörde einen "für die Existenzfähigkeitsprüfung maßgebenden Gewinn" von rund 450000 S, "wobei der gesamte Pachtschilling in der Höhe von 8,5 vH des Umsatzes als Aufwand anerkannt" wurde.

Hätte die Behörde den Pachtschilling nicht als Aufwand anerkannt, ergäbe sich ein jährlicher Gewinn von zirka 917000 S, ein Betrag, der weit über den von der Behörde selbst für die Existenzfähigkeit angenommenen Grenzbetrag von 670000 S läge.

Gegen die übrigen Ausgangspositionen, die die Behörde im angefochtenen Bescheid eingenommen hat, hat der Bf. keine Einwände erhoben. Die Sachverhaltsfeststellungen der Behörde finden in den Verwaltungsakten (insbesondere in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer) vertretbar ihre Deckung; die rechtlichen Wertungen und Schlüsse sind zumindest nicht denkunmöglich.

Strittig und maßgeblich ist sohin hier ausschließlich die Frage, ob hier der Pachtschilling bei der Beurteilung der Existenzgefährdung zu berücksichtigen ist oder nicht.

Hiezu wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf das Erk. des /0084, verwiesen, in welchem der VwGH nochmals ausdrücklich festgestellt habe, daß der dem Verpächter bezahlte Pachtzins gewinnmindernd, dh. dem erzielten Gewinn der Apotheke nicht zuzurechnen, sei. Der VwGH habe sich damit in ausdrücklichen Gegensatz zum Erk. des Z B92/77 (= VfSlg. 8765/1980), gesetzt, in welchem der VfGH festgestellt habe, daß es dem Gleichheitssatz und der Freiheit der Erwerbsbetätigung widerspreche, wenn bei der Beurteilung der Existenzgefährdung gemäß § 10 Abs 3 ApG der Pachtzins als gewinnmindernd behandelt, dh. dem erzielten Gewinn der Apotheke nicht zugerechnet werde. Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz sei als Verwaltungsbehörde nicht in der Lage, diesen Gegensatz in der Judikatur aufzulösen.

3. a) Die von der Behörde aufgezeigte Divergenz in der Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts besteht tatsächlich.

aa) Der VfGH legt im Erk. VfSlg. 8765/1980 folgendes dar:

"Der VfGH geht davon aus, daß bei Prüfung der Existenzgefährdung einer Apotheke objektive Merkmale zugrunde zu legen sind und auf die ausschließlich in persönlichen Verhältnissen des Apothekeninhabers gelegene konkrete wirtschaftliche Lage nicht Bedacht zu nehmen ist (im gleichen Sinn zB ) und daß es bei der Prüfung der Existenzgefährdung nur auf die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens, nicht aber auf die Rechtsform ankommen kann, in der das Unternehmen geführt wird. In diesem Sinne sind der gegenständliche Fall und der vom Beschwerdeführer herangezogene Vergleichsfall tatsächlich vergleichbar.

Ist ferner bei dauernder Verhinderung des Konzessionärs ein verantwortlicher Leiter zu bestellen und ist der Pächter nach dem Wortlaut des Gesetzes selbst wieder nur ein Sonderfall eines verantwortlichen Leiters (§4 Abs 1 erster Satz und Abs 3, § 17 Abs 1 dritter Satz und § 20 Abs 1 ApG), so ist kein Grund ersichtlich, warum im Falle der Verpachtung die Existenzfähigkeit von der Deckung zweier Einkommen, nämlich des dem Verpächter zufließenden Pachtschillings und des Unternehmerlohnes des Pächters, der in den Kosten des Apothekenleiters zum Ausdruck kommt ( Z 2133 und 2124/75), abhängt, während bei Apotheken, die vom Konzessionär als Alleininhaber oder als Gesellschafter geführt werden, bei denen die Notwendigkeit der Verpachtung aber wegen plötzlich eintretender Verhinderung des Konzessionärs jederzeit aktuell werden könnte, nur der Unternehmerlohn (Kosten des verantwortlichen Apothekenleiters) Deckung finden muß. Auch der Verpachtungszwang rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung (das Vorerk. VfSlg. 4558/1963 hat sich mit dieser Frage nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür befaßt). Zwar würde es auch zu einem gleichheitsmäßigen Ergebnis führen, einerseits bei verpachteten Apotheken den Pachtzins als Aufwand zu berücksichtigen und andererseits bei wirtschaftlich vergleichbaren, aber nicht verpachteten Apotheken einen fiktiven angemessenen Pachtschilling zu berücksichtigen, was dem Beschwerdeführer offenbar vorschwebt. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art6 dritter Fall StGG) gebietet aber, den die Erwerbsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des Apothekenrechtes im Zweifel einen Inhalt beizumessen, der nicht den wirtschaftlichen Schutz von Personen bewirkt, denen die Apotheke, sei es als Einzelunternehmer oder als Gesellschafter, gehört, oder die aus dem Betrieb in anderer Weise, zB als Pächter, einen Ertrag erzielen, sondern den Schutz der Apotheken zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln.

Dieses Ziel kommt auch in den Regelungen des Apothekenverpachtungsgesetzes (ApVG) zum Ausdruck:

Die Behörde hat bei Genehmigung von Pachtverträgen zu prüfen, ob diese Bestimmungen enthalten, deren wirtschaftliche Auswirkungen die ordnungsgemäße Arzneiversorgung der Bevölkerung gefährden (§4 Abs 1 Z 2 ApVG). Würde demnach ein Pachtvertrag, der zur Genehmigung vorgelegt wird, einen Pachtschilling vorsehen, der dem Pächter nicht einmal einen Unternehmerlohn zumindest in der Höhe der Kosten eines Apothekenleiters garantiert, so würde dies die Existenzfähigkeit der Apotheke und damit auch die ordnungsgemäße Arzneiversorgung der Bevölkerung gefährden (s. auch VfSlg. 7515/1975), mag auch die prozentuelle Höhe des Pachtschillings sonst bei einer durchschnittlichen Apotheke wirtschaftlich gerechtfertigt sein. Die Möglichkeit der Existenzgefährdung wird bei Beurteilung der Angemessenheit des Pachtzinses zu berücksichtigen sein. In dieser Beziehung sind § 10 Abs 3 ApG und § 4 Abs 1 Z 2 ApVG als Einheit zu sehen.

Dazu kommt, daß § 10 ApVG ein Absehen von der Verpachtung vorsieht. Von dieser Möglichkeit wird aber vor allem dann Gebrauch zu machen sein, wenn die Apotheke nur einen Reingewinn in der Höhe der Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters abwirft, sodaß kein Ertrag verbleibt, aus dem ein Pachtschilling bezahlt werden könnte (in diesem Sinne auch die folgenden Erk. des VwGH zu § 10 ApVG: Z 1803 und 2271/54; 15. Feber 1959 Z 1514/57; Z 1167/66).

Stellt sich erst nach Genehmigung eines Pachtvertrages aufgrund geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse, zu denen auch die Errichtung von Konkurrenzapotheken gehört, heraus, daß die Verpachtung oder deren Bedingungen nunmehr zu einem wirtschaftlich nicht mehr vetretbaren, weil existenzgefährdenden Ergebnis führt, so stehen zivilrechtlich und apothekenrechtliche Maßnahmen zur Vermeidung dieses Ergebnisses offen. So ist der Pächter einer Apotheke, der vermeint, daß die Neuerrichtung einer Nachbarapotheke die Existenz seiner Apotheke gefährden könnte, keinesfalls gehalten, die Existenzgefährdung nur gemäß § 10 ApG zu Lasten des neuen Konzessionswerbers, also des Konkurrenten, geltend zu machen. Er kann schon während des Laufes des in der Regel äußerst zeitraubenden Konzessionsverfahrens einen Antrag nach § 6 ApVG stellen und damit erreichen, daß beide Aspekte der Existenzgefährdung, nämlich sowohl nach § 10 Abs 3 ApG als auch nach § 4 Abs 1 Z 2 ApVG, in beiden Verfahren behandelt werden.

Eine dem Gleichheitssatz und der Freiheit der Erwerbsbetätigung entsprechende Auslegung gebietet daher, in dem vom Beschwerdeführer herangezogenen Vergleichsfall einer verpachteten Apotheke den Pachtzins neben den Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters außer Betracht zu lassen, soweit der Pachtzins nicht Aufwendungen abgilt, die, würde sie der Pächter selbst tragen, bei ihm als Aufwand zu berücksichtigen wären (zB VwSlg. 6404 A/1964). Im gegenständlichen Beschwerdefall würde daher die Behandlung des Gewinnanteiles des Kommanditisten wie einen Pachtschilling, worauf das Beschwerdevorbringen hinausläuft, nicht zur Annahme der Existenzgefährdung führen. Der Pachtschilling im Vergleichsfall wäre ebenso wie der Gewinnanteil des Kommanditisten im gegenständlichen Fall bei Beurteilung der Existenzfähigkeit der Apotheke nicht als betriebswirtschaftlicher Aufwand zu berücksichtigen. Die in bezug auf die Berücksichtigung des Pachtschillings gegenteilige Ansicht des VwGH und der belangten Behörde wird vom VfGH nicht geteilt."

bb) Der VwGH bleibt im Erk. vom , Z 81/08/0084 - wenngleich sie etwas einschränkend -, bei seiner bisherigen Rechtsprechung und meint hiezu - in Antwort auf das zitierte Erk. des VfGH - (auszugsweise) folgendes:

"... Zur Frage der Berücksichtigung des Pachtzinses als Betriebsaufwand bei der Existenzgefährdungsprüfung nach § 10 Abs 3 ApG hat der VwGH im Erkenntnis vom , Z 109/64, Slg NF Nr. 6404/A, ausgesprochen, daß selbst bei einer nicht dem Verpachtungszwang unterliegenden Apotheke insofern auf die konkrete Regelung des Pachtverhältnisses Rücksicht genommen werden müsse, als die dem Verpächter obliegenden Leistungen, soweit sie sich auf die Instandhaltung bzw. Erneuerung des Apothekenanlagevermögens bezögen, vom Pachtschilling abgezogen werden müßten; sei doch eine angemessene Instandhaltung bzw. Erneuerung des Apothekenanlagevermögens für die Erhaltung der Existenzfähigkeit der Apotheke unerläßlich. Soweit deren Vornahme dem Verpächter obliege und daher die dafür erforderlichen Kosten nicht schon in der vom Pächter aufgestellten Erfolgsrechnung als Aufwand für die Instandhaltung und Abschreibung enthalten seien, müßten diese Kosten durch einen entsprechenden Abzug vom Pachtschilling berücksichtigt werden. Der Gerichtshof hält nicht nur an dieser Auffassung fest, sondern ergänzt sie - im Einklang mit dem obzitierten Erkenntnis des Z B92/1977, Slg. 8765 - dahin, daß jedenfalls jener Teil des Pachtzinses als Betriebsaufwand zu werten ist, der Aufwendungen (des Verpächters) abgilt, die, würde sie der Pächter selbst tragen, bei ihm als Aufwand zu berücksichtigen wären. Denn unter dem nach den obigen Grundsätzen entscheidenden Gesichtspunkt einer Prüfung der konkreten Aufwandsstruktur der (gefährdeten) Apotheke ist es ohne Bedeutung, ob der Apothekeninhaber solche Aufwendungen selbst tätigt oder von dritten Personen vorgenommene - in welcher Form immer - aus dem Ertrag der Apotheke abgilt. ...

Aus diesen Bestimmungen" (§6 Abs 2 und § 10 letzter Satz Apothekenverpachtungsgesetz - ApVG) "ergibt sich, daß der Gesetzgeber zwar die Fortführung einer Apotheke als Witwenfortbetrieb aufgrund der dem früheren Apothekeninhaber erteilten Konzession billigt, aber grundsätzlich durch einen Pächter und nur ausnahmsweise durch einen verantwortlichen Leiter (siehe auch Pfindtner - Neubert, IV/d/6, und Erkenntnis des Slg. 6901). Den Regelungszweck des durch das Apothekenverpachtungsgesetz normierten Verpachtungszwanges hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Z 1803, 2271/54, darin erblickt, im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten einem zur Führung der Apotheke befugten Pharmazeuten die Gelegenheit zur auch wirtschaftlich selbständigen Führung der Apotheke zu bieten. Als angestellter Apothekenleiter ist er zwar der Behörde gegenüber für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich, allein es fehlt ihm die wirtschaftliche Selbständigkeit. Gerade von dieser aber erwartet sich der Gesetzgeber eine auch den öffentlichen Interessen besser Rechnung tragende Geschäftsführung. Neben der im Interesse der bestmöglichen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung vorgenommenen und zweifellos im Vordergrund stehenden Stärkung der Unabhängigkeit des verantwortlichen Apothekenleiters (als Pächter) beabsichtigt der Gesetzgeber, wie die Österreichische Apothekerkammer in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführt, in bezug auf Witwen und Deszendentenfortbetriebe auch eine Sicherung des nötigen Unterhaltes der zur Fortführung berechtigten Personen. Den Vorzug, den der Gesetzgeber der Führung des Witwenfortbetriebes durch einen Pächter gibt, würde aber in letzter Konsequenz durch die grundsätzliche Nichtberücksichtigung jenes Teiles des vom Pächter einer solchen Apotheke zu leistenden Pachtzinses, der nicht als Äquivalent der obgenannten Aufwendungen und Abschreibungen aufzufassen ist, zunichte gemacht werden. Denn nach dieser Auffassung stünde § 10 Abs 3 ApG der Schaffung eines so dichten Netzes von Apotheken, das zu der vom VfGH im obgenannten Erkenntnis näher dargelegten Außerkraftsetzung bestehender Pachtverträge hinsichtlich von Witwenfortbetrieben zwänge, weil nach Abzug des relevanten Pachtzinsteiles dem Pächter nicht einmal mehr ein Unternehmerlohn in der Höhe der Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters verbliebe, nicht entgegen. Diese mit dem genannten primären Regelungszweck (aber auch dem Versorgungsgedanken) des Apothekenverpachtungsgesetzes in Widerspruch stehende Konsequenz, durch die die Ausnahme zur Regel werden könnte, legt es nahe, sich der vom VfGH vertretenen Auffassung, diesen Pachtzinsteil bei der Existenzgefährdungsprüfung grundsätzlich außer acht zu lassen, in den gemäß § 1 Abs 1 ApVG dem Verpachtungszwang unterliegenden Fällen nicht anzuschließen, sondern die vom VwGH in Punkt 2. des obgenannten Beschlusses zitierte Judikatur aufrecht zu erhalten.

Nun meint allerdings der VfGH, es sei kein Grund ersichtlich, warum im Falle der Verpachtung die Existenzfähigkeit von der Deckung zweier Einkommen, nämlich des dem Verpächter zufließenden Pachtschillings und des Unternehmerlohnes des Pächters, der in den Kosten des Apothekenleiters zum Ausdruck komme, abhänge, während bei Apotheken, die vom Konzessionär als Alleininhaber oder als Gesellschafter geführt würden, bei denen die Notwendigkeit der Verpachtung aber wegen plötzlich eintretender Verhinderung des Konzessionärs jederzeit aktuell werden könnte, nur der Unternehmerlohn (Kosten des verantwortlichen Apothekenleiters) Deckung finden müßte.

Dieser Argumentation ist folgendes entgegenzuhalten: Nach der dargestellten Judikatur zur Existenzgefährdung im Sinne des § 10 Abs 3 ApG steht im Vordergrund der diesbezüglichen Erwägungen nicht die Frage, ob aus dem künftigen Ertrag der (gefährdeten) Apotheke eine oder mehrere Personen ein Einkommen werden beziehen können, sondern, ob unter Berücksichtigung der konkreten Aufwandsstruktur der Apotheke auch in Hinkunft aus dem Ertrag die Kosten eines angestellten verantwortlichen Apothekenleiters bestritten werden können. Freilich wird danach in jenen Regelfällen, in denen der Apothekeninhaber selbst die Apotheke führt, nur geprüft, ob auf Grund der konkreten Aufwandsstruktur aus dem Ertrag dieser Apotheke die Kosten eines verantwortlichen Apothekenleiters bestritten werden können, und daher in jenen Fällen, in denen der voraussichtliche Ertrag der Apotheke nur ausreichen wird, um die Kosten eines solchen Apothekenleiters zu bestreiten, dem Apothekeninhaber zugemutet, bei theoretisch möglichen künftigen Verhinderungsfällen aus der Apotheke keinen Ertrag zu beziehen. Auch findet nach den obigen Darlegungen der Umstand allein, daß die Apotheke von mehreren Gesellschaftern betrieben wird, ebensowenig Beachtung wie die (weder gesetzlich noch faktisch erzwungene) Überlassung der Führung der Apotheke an einen verantwortlichen Leiter. Ist aber der Apothekeninhaber zB durch längere Zeit krankheitsbedingt an der persönlichen Führung der Apotheke verhindert (zu ergänzen: und wird er daher gemäß § 1 Abs 2 ApVG in Verbindung mit den §§2 und 10 ApVG in absehbarer Zeit die Apotheke verpachten müssen), so sind die daraus erwachsenden Aufwendungen bei der Prüfung der konkreten Aufwandsstruktur der Apotheke im Rahmen der Bedachtnahme auf atypische Verhältnisse bei der Existenzgefährdungsprüfung zu berücksichtigten. Umso mehr muß dies dann zutreffen, wenn die (gefährdete) Apotheke im Zeitpunkt der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides, mit dem eine Konzession zum Betrieb und zur Errichtung einer neuen Apotheke bewilligt wurde, bereits aufgrund eines nach § 1 Abs 1 ApVG bestehenden Verpachtungszwanges verpachtet wurde.

Der Unterschied der dargestellten Fallkonstellationen und damit der Grund für die verschiedene Betrachtungsweise liegt im folgenden: Da nach § 10 Abs 3 ApG die Existenzgefährdung bestehender konkreter Apotheken zu prüfen ist, kann nur auf ihre konkrete Aufwandsstruktur im oben näher dargestellten Sinn Bedacht genommen werden, was die Einbeziehung künftiger absehbarer Umstände nicht ausschließt (vgl. Erkenntnisse vom , Z 1794/69, und vom , Z 2851/76); bloß theoretisch mögliche künftige Verhinderungen des Apothekeninhabers an der Führung seiner Apotheke müssen dementsprechend aber von einer solchen Prüfung ausgenommen werden; eine Bedachtnahme auf sie würde überdies eine durch die bestehende Sachlage nicht gerechtfertigte, über den Unternehmerlohn des Apothekeninhabers hinausgehende Einkommenssicherung zur Folge haben. Die weder rechtlich noch faktisch erzwungene vom Regelfall abweichende Betriebsform der (gefährdeten) Apotheke oder eine Überlassung der Apothekenführung an einen verantwortlichen Apothekenleiter rechtfertigt deshalb keine Berücksichtigung der daraus erwachsenden Aufwendungen, weil diese Umstände in den vom Apothekeninhaber selbst korrigierbaren persönlichen Verhältnissen gründen. Ist aber - wie im Beschwerdefall - der Apothekeninhaber im maßgeblichen Zeitpunkt bereits in einer solchen Weise an der Führung der Apotheke gehindert, die gemäß § 1 Abs 1 ApVG schon zu einer Verpachtung auf Grund des Apothekenverpachtungsgesetzes geführt hat, so müssen auch die allein daraus erwachsenden ortsüblichen Aufwendungen bei der Existenzgefährdungsprüfung berücksichtigt werden, weil nur so dem vom Gesetzgeber in diesem Fall verankerten Primat der Führung einer Apotheke durch einen Pächter Geltung verschafft werden kann."

b) Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von seiner im Erk. VfSlg. 8765/1980 vertretenen Auffassung (s. oben II.3.a.aa) abzurücken; auch das Erk. des /0084 (s. oben II.3.a.bb), vermag ihn dazu nicht zu bewegen.

aa) Die Bestimmungen der §§28 ff. ApG, wonach zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke eine behördliche Konzession erforderlich ist, greifen in das durch Art 6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung ein. Dieses Recht kann durch Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei eingeschränkt werden, solange nicht der Wesensgehalt dieses Grundrechtes berührt oder in anderer Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen wird (vgl. zB und die dort zitierte weitere Vorjudikatur). Wenn aber die Verfassung dem Gesetzgeber konkrete Schranken setzt, so muß der VfGH prüfen, ob die Behörde dem Gesetz nicht einen Inhalt unterstellt hat, der diese Schranken übersteigt (vgl. Spielbüchler, Floretta-FS, 1983 - insbesondere S 306 f. - und die dort enthaltenen Judikaturhinweise).

§29 Abs 1 iVm. § 10 Abs 3 ApG knüpft die Bewilligung zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke (ua.) an die Voraussetzung, daß durch die Neuerrichtung die Existenzfähigkeit der im Standort oder in der Umgebung bestehenden öffentlichen Apotheken oder des eine Hausapotheke führenden Arztes nicht gefährdet wird. Diese, die Erwerbsausübungsfreiheit jener Person, die eine neue Apotheke errichten will, einschränkende Vorschrift wäre nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten und auch sachlich zu rechtfertigen wäre (vgl. das soeben zitierte hg. Erk. G70/84).

Das Ziel, das klaglose Funktionieren der Heilmittelversorgung der Bevölkerung zu sichern, liegt - ohne daß dies eines weiteren Nachweises bedarf - im öffentlichen Interesse. Es ist auch an sich gerechtfertigt, zur Erreichung dieses Zieles die infolge Errichtung neuer Apotheken mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken zu berücksichtigen, da die bestehende Apotheke sonst ihrer Betriebspflicht (§13 ApG) allenfalls nicht ordnungsgemäß nachkommen, so etwa nicht über das hiefür erforderliche Heilmittellager verfügen könnte.

bb) Zur Gewährleistung der Existenzfähigkeit der bestehenden Apotheke ist aber nur erforderlich, daß diese soviel Ertrag abwirft, um bei pharmazeutisch ordnungsgemäßer und wirtschaftlich rationeller Betriebsführung ihr Bestehen zu sichern. Außer den betriebswirtschaftlichen Kostenfaktoren sind jene Kosten zu berücksichtigen, die für einen angestellten verantwortlichen Apothekenleiter tatsächlich aufgewendet werden oder aufzuwenden wären, wenn ein solcher eingestellt werden würde (vgl. VfSlg. 8765/1980 und die dort zitierte Judikatur des VwGH). Der sachliche Grund, auf die mögliche Existenzgefährdung bestehender Apotheken Bedacht zu nehmen, liegt ausschließlich in der erwähnten Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, nicht aber etwa darin, dem momentanen Apothekenkonzessionsinhaber (oder seiner Witwe) ein bestimmtes Einkommen oder eine Alters- bzw. Witwenversorgung zu sichern; so kann es hiebei nicht auf die in den persönlichen Verhältnissen des Apothekeninhabers gelegene wirtschftliche Lage ankommen, beispielsweise darauf, daß die Apotheke in Form einer Personengesellschaft geführt wird. Das öffentliche Interesse an der Arzneimittelversorgung gebietet nicht, dafür vorzusorgen, daß die bestehende Apotheke als Gewinn nicht bloß die Kosten eines angestellten Apothekenleiters, sondern auch noch einen dem Konzessionsinhaber als Verpächter zufließenden Pachtschilling abwirft (ausgenommen eine allfällige Tangente des Pachtschillings für Aufwendungen, die der Verpächter tragen müßte, wenn er die Apotheke selbst betreiben würde). Das öffentliche Interesse verlangt nämlich nur, daß die bestehende Apotheke - also das Unternehmen als solches - ordnungsgemäß geführt wird, nicht aber, daß sie von einer bestimmten Person in bestimmter Rechtsform betrieben werden kann. Insbesondere gebietet das öffentliche Interesse an einer bestmöglichen Arzneimittelversorgung nicht, Apotheken, die nicht vom Konzessionsinhaber geführt werden, zu verpachten; ihr ordnungsgemäßer Betrieb kann auch anders gewährleistet werden.

Hätte § 10 Abs 3 ApG den von der bel. Beh. angenommenen Inhalt, daß nämlich im Falle einer Verpachtung der bestehenden Apotheke auch der Pachtzins gewinnmindernd ist, so verstieße diese Gesetzesvorschrift gegen Art 6 StGG. Sie würde nämlich die Erwerbsfreiheit des neuen Apothekers bzw. des Arztes, der beabsichtigt, eine Hausapotheke zu halten, in einer Weise einschränken, die durch das öffentliche Interesse nicht geboten und auch sonst sachlich nicht zu rechtfertigen wäre; vielmehr ist davon auszugehen, daß es an sich im Interesse der Bevölkerung liegt, die Medikamente benötigt, wenn eine weitere Apotheke (Hausapotheke) eröffnet und so der Weg zur nächsten Medikamenten-Verkaufsstelle verkürzt wird. Es müssen daher besondere - streng zu prüfende - Umstände vorliegen, die diese Neueröffnung dennoch als dem öffentlichen Interesse widerstreitend erscheinen lassen; derartige Umstände können nur darin liegen, daß eine der Apotheken infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten außerstande wäre, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, weshalb es für die Bevölkerung günstiger ist, wenn eine neue Apotheke (Hausapotheke) nicht errichtet wird.

cc) Das Gesetz erlaubt aber eine Auslegung, die dieses verfassungswidrige Ergebnis vermeidet:

§10 Abs 3 ApG bestimmt nicht ausdrücklich, wann die Existenzgefährdung der bestehenden Apotheke anzunehmen ist. Wenn die bel. Beh. meint, für den Fall, daß der Apothekenkonzessionär außerstande ist, die Apotheke selbst zu betreiben, seien die aus der Pacht erwachsenden Kosten bei der Existenzgefährdungsprüfung (stets) zu berücksichtigen, so ist diese Interpretation im Hinblick auf das ApVG zwar denkbar. Diese Auslegung findet auch im wiederholt zitierten Erk. des VwGH Z 81/08/0084 ihre Stütze, allerdings nur insoweit, als es sich um einen Fall handelt, in dem der Apothekeninhaber im maßgeblichen Zeitpunkt bereits in einer solchen Weise an der Führung der Apotheke gehindert ist, die gemäß § 1 Abs 1 ApVG schon zu einer Verpachtung geführt hat.

Diese - an sich verständliche - Auslegung führte aber - wie in der vorstehenden sublitbb) nachgewiesen - auch für den vom VwGH angeführten Fall zu einem verfassungswidrigen Ergebnis und ist nicht zwingend.

Vielmehr spricht schon der Wortlaut des § 10 Abs 3 ApG eher gegen eine solche Interpretation. Es liegt nicht fern, daraus zu entnehmen, daß die vorgesehene Prüfung der Existenzgefährdung nach objektiven Merkmalen durchzuführen ist und nicht nach der zufälligen konkreten Konstellation der bestehenden Apotheke; dann aber hat auch eine etwa bereits erfolgte Verpachtung in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben.

Dem steht das ApVG nicht entgegen: Wenn die Apotheke verpachtet wird, hat die Behörde - wie schon im hg. Erk. VfSlg. 8765/1980 dargetan - nach den iS der Erwerbsfreiheit auszulegenden Vorschriften des § 4 Abs 1 Z 2 und des § 6 ApVG iVm. § 4 Abs 3 ApG auf die Gestaltung der abzuschließenden Pachtverträge und auch der bereits abgeschlossenen Pachtverträge entsprechend einzuwirken, also den Pachtzins erforderlichenfalls ganz niedrig zu halten. So ermöglicht das Gesetz wohl den Witwenfortbetrieb, sichert ihn jedoch nicht ab. Außerdem bietet § 10 ApVG die Möglichkeit, ausnahmsweise von der Verpachtung der Apotheke abzusehen; das Gesetz erlaubt es also, anstelle der Verpachtung einen verantwortlichen Apothekenleiter zu bestellen. Schließlich hat der Konzessionsinhaber aber - wenn ihm etwa der genehmigte Pachtzins zu niedrig erscheint - auch die Möglichkeit, seine Apotheke auf andere Weise wirtschaftlich zu verwerten.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die bel. Beh. bei Erlassung des angefochtenen Bescheides dem § 10 Abs 3 ApG fälschlicherweise einen gegen Art 6 StGG verstoßenden Inhalt unterstellt hat. Sie hat damit den Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit verletzt (vgl. Spielbüchler aaO).

Der Bescheid war infolgedessen aufzuheben.