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OGH vom 22.11.2005, 14Os116/05y

OGH vom 22.11.2005, 14Os116/05y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eck als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ing. Siegfried F***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom , GZ 21 Hv 66/05x-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, des Angeklagten und dessen Verteidigers Dr. Minichmayer zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landesgericht Linz zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Ing. Siegfried F***** wurde von der Anklage, er habe im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vorsätzlich unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Einkommenssteuer von 110.792,68 Euro dadurch bewirkt, dass er es als ehemaliger Geschäftsführer der Ing. F***** KEG unterlassen habe, für das Jahr 2000 Steuererklärungen einzureichen, in denen der Gewinn aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart zum enthalten gewesen wäre, und hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG begangen, „gemäß § 259 Z 3 StPO" freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt aus dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Die Tatrichter hielten es für wenig plausibel, „dass dem Angeklagten bereits im Dezember 2001, also zu einem Zeitpunkt, wo die Abgabe der Erklärung noch gar nicht erforderlich gewesen wäre, eine Steuererklärung selbst zur Abgabe beim Finanzamt mitgegeben worden wäre" (US 5). Sie bezogen sich dabei auf die Zeugenaussage des als Steuerberater tätig gewesenen Günter M*****, nach der eine dem Protokoll über die Vernehmung des Ing. F***** im Vorverfahren (ON 5) angeschlossene Beilage über den vorstehend erwähnten Übergangsgewinn diesem bei einer Besprechung im Dezember 2001 (noch) nicht ausgefolgt worden sei. Dem Vernehmungsprotokoll angeschlossene, auf den datierte Noten, welche die Übermittlung der Einkommenssteuererklärungen für Ing. F***** und dessen Gattin betrafen und in welchen auf die zu erwartenden Nachzahlungen hingewiesen wurde, hat das Schöffengericht dabei übergangen und solcherart den Nichtigkeitsgrund der Z 5 (zweiter Fall) verwirklicht, was die Beschwerdeführerin zutreffend rügt.

In Stattgebung deren Nichtigkeitsbeschwerde musste das angefochtene Urteil demnach aufgehoben und die Sache an das Landesgericht Linz verwiesen werden (§ 288 Abs 2 Z 1 StPO).

Die von der Staatsanwaltschaft darüber hinaus unter dem Aspekt der Z 9 lit a vorgetragene Kritik, wonach anlässlich des erfolgten Freispruchs zu Unrecht nicht (rechtlich) geprüft worden sei, „ob es der Angeklagte zumindest fahrlässig unterließ, diese Abgabenerklärungen beim Finanzamt einzureichen", weil dieser „im Falle eines fahrlässigen Verhaltens zumindest das Finanzvergehen der Fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs 1 FinStrG" zu verantworten habe, bedarf aufgrund des Erfolgs der Mängelrüge keiner Erörterung.

Anzumerken bleibt dazu Folgendes:

Angesichts des in tatsächlicher Hinsicht bejahten Verdachts einer zumindest fahrlässigen abgabenrechtlichen Pflichtverletzung hätte das Schöffengericht - insoweit ist der Staatsanwaltschaft beizupflichten - als Freispruchsgrund statt § 259 Z 3 StPO den § 214 FinStrG in den Urteilssatz aufzunehmen gehabt.

Die rechtsirrige Aufnahme des § 259 Z 3 StPO in den Urteilssatz bewirkt jedoch keine Nichtigkeit des Urteils.

Zum einen ist die Missachtung des § 214 Abs 3 FinStrG, wonach ein Freispruch wegen Unzuständigkeit - der nach § 214 Abs 2 FinStrG auch dann zu ergehen hat, wenn ein Schuldspruch aus anderen Gründen nicht gefällt werden kann - stets in den Urteilssatz aufzunehmen ist, nicht mit ausdrücklicher Nichtigkeit bedroht, was für die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO erforderlich wäre. Zum anderen wird die unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO vom Obersten Gerichtshof zu beantwortende „Frage, ob die dem Angeklagten zur Last fallende Tat eine zur „Zuständigkeit der Gerichte gehörende strafbare Handlung begründe", vom Unterschied zwischen einem Freispruch nach § 214 FinStrG und einem solchen nach § 259 Z 3 StPO nicht berührt, sodass auch dieser Nichtigkeitsgrund nicht zur Anwendung kommen kann.

Der von einer bisher vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (vom , 2002/13/0222; wo von der bis dahin ständigen [mit derjenigen des Obersten Gerichtshofes übereinstimmenden] Rechtsprechung dieses Höchstgerichtes abgegangen wird) verlangten verfassungskonformen Auslegung des Nichtigkeitsgrundes dahin, dass dieser auch die Richtigstellung eines Urteilssatzes ermögliche, welcher an Stelle des § 214 FinStrG den § 259 Z 3 StPO als Freispruchsgrund nennt, steht nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die Wortlautgrenze der Vorschrift entgegen.

Für die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens nach Art 89 Abs 2 B-VG besteht kein Anlass, weil Art 4 des 7. ZPMRK nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes zwar ein subjektives Recht gewährt, nicht erneut vor Gericht gestellt zu werden, nicht aber ein Informationsrecht darüber, ob im Anschluss an einen gerichtlichen Freispruch mit einer Fortsetzung des Finanzstrafverfahrens durch die - als Gericht iS der MRK einzustufende - Finanzstrafbehörde gerechnet werden muss (§ 54 Abs 5 FinStrG; vgl demgegenüber Art 6 Abs 3 lit a

MRK).

Das FinStrG kennt schließlich ohnehin keine andere Art des Freispruchs durch die Gerichte als § 214 FinStrG, sodass nach Maßgabe des Gesetzeswortlautes jeder Freispruch vom Vorwurf eines Finanzvergehens als ein solcher nach § 214 FinStrG aufzufassen und eine planwidrige Lücke des die Vorschrift des § 281 StPO ergänzenden § 218 FinStrG, welche zu gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung berechtigen würde, nicht auszumachen ist. So wird der Inhalt einer Entscheidung nicht durch deren Form, sondern durch deren Wesen bestimmt (statt aller: 14 Os 161/96, EvBl 1997/89). Der Oberste Gerichtshof sieht den Zweck der von der Rechtsprechung vorgenommenen Differenzierung zwischen Freisprüchen nach § 259 Z 3 StPO und solchen nach § 214 FinStrG denn auch bloß darin, bei Vorliegen entsprechender Indizien für ein finanzstrafbehördlich zu ahndendes Verhalten die Verwaltungsbehörde durch Anführung der zuletzt genannten Bestimmung zur Wahrnehmung ihrer Kompetenz zu veranlassen, insbesondere bei tateinheitlichem Zusammentreffen von gerichtlich strafbaren Handlungen mit strafbaren Handlungen, die in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallen (vgl § 214 Abs 1 FinStrG). So gesehen drückt die Anführung dieser Vorschrift im Erkenntnis nur eine besondere Art von Anzeige aus (vgl für den umgekehrten Fall § 54 Abs 1 FinStrG), worin die Rechtsauffassung des Gerichtes zum Ausdruck kommt, dass ein in den Entscheidungsgründen in tatsächlicher Hinsicht für möglich gehaltenes Verhalten des Freigesprochenen einem der Beurteilung durch die Finanzstrafbehörde vorbehaltenen Finanzvergehen subsumierbar sein könnte. Ebensowenig wie eine solche rechtliche Beurteilung die Finanzstrafbehörde bindet, bindet sie eine im Freispruchsgrund des § 259 Z 3 StPO zum Ausdruck kommende verfehlte rechtliche Beurteilung eines - wie hier - in tatsächlicher Hinsicht in den Entscheidungsgründen bejahten Tatverdachts (Seiler/Seiler FinStrG § 214 Rz 3, 7, 10, 12; Dorazil/Harbich FinStrG § 214 Anm 7, E 6, 9, 10, 21 f; Fellner FinStrG § 214 Rz 1, 2 [anders als Fellner meint, bezieht sich die in 13 Os 72/00 mit dem Wort „verfehlt" zum Ausdruck gebrachte Kritik allerdings auf den Umstand, dass das Erstgericht bei der rechtlichen Beurteilung des in tatsächlicher Hinsicht für möglich gehaltenen tatsächlichen Verhaltens hinsichtlich § 49 Abs 1 lit b FinStrG auf Fahrlässigkeit statt richtigerweise auf Vorsatz abgestellt hat]; eingehend Ratz, WK-StPO § 281 Rz 627 ff). Der Vollständigkeit halber wird in Erinnerung gerufen, dass Art 4 des

7. ZPMRK nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes umgekehrt dem von einer in Rechtskraft erwachsenen finanzstrafbehördlichen Entscheidung Betroffenen bis zu deren Außerkraftsetzen ein subjektives Recht gewährt, nicht wegen der selben Tat vor ein Strafgericht gestellt zu werden (14 Os 65/03, EvBl 2004/98). Die daran unter Hinweis auf die Möglichkeit einer vorläufigen Einstellung nach § 54 Abs 4 FinStrG geübte Kritik von Dorazil/Harbich (FinStrG § 54 Anm zu E 5; wo zudem mit einer vom Obersten Gerichtshof - wie bereits mehrfach erneut - abgelehnten Zusammenfassung gleichartiger Taten aufgrund der Rechtsfigur des sogenannten fortgesetzten Deliktes operiert wird [dagegen richtungweisend bereits Friedrich, ÖJZ 1991, 155 und Burgstaller, Platzgummer-FS, 97; daran anknüpfend Ratz in WK2 Vorbem §§ 28-31 Rz 83 ff) übergeht, dass diese Vorschrift trotz ihres Auftrags, einen allenfalls eingeleiteten Strafvollzug zu unterbrechen, am Fortbestand einer bereits ergangenen Entscheidung nichts ändert (vgl demgegenüber § 54 Abs 6 FinStrG; ebensowenig könnte eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung durch vorläufige Einstellung nach § 412 StPO außer Kraft gesetzt werden [vgl 15 Os 18/02 = RZ 2003/13 = JBl 2003, 196; 11 Os 167/02). Da Art 4 Abs 2 des

7. ZPMRK auf innerstaatliches Recht verweist, scheidet auch eine unmittelbar auf diese Konventionsbestimmung gestützte Befugnis zur Wiederaufnahme aus (aM Dorazil/Harbich aaO Pkt 4).

Die von Dorazil/Harbich aaO zuletzt angestellte Überlegung, dass schon der unverändert gebliebene Wortlaut des § 54 FinStrG dessen Grundrechtskonformität beweise, verläuft schließlich zirkulär (wieder anders übrigens Fellner, JSt 2004, 79, der meint, dass nachträgliches Außerkraftsetzen der bereits ergangenen finanzstrafbehördlichen Entscheidung nach § 54 Abs 6 FinStrG dem Grundrechtsgebot genügt).