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OGH vom 08.04.2020, 8Ob139/19b

OGH vom 08.04.2020, 8Ob139/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. Mag. K***** L*****, und 2. E*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr. Hans Rant & Dr. Kurt Freyler Rechtsanwalt KG in Wien, gegen die beklagte und gefährdende Partei EM***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Waltl & Partner in Zell am See, wegen Auskunft, Leistung und Unterlassung, hier wegen einstweiliger Verfügung nach § 381 Z 2 EO, über den Revisionsrekurs der beklagten und gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 275/19y-5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Sankt Johann im Pongau vom , GZ 6 C 395/19g-2 abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach der Klage und dem Sicherungsantrag sind die klagenden und gefährdeten Parteien (fortan: Kläger) Wohnungseigentümer in zwei Apartmenthäusern und die beklagte und Gegnerin der gefährdenten Partei (fortan: Beklagte) eine Gesellschaft, die in beiden Häusern mehrere Wohnungen im Auftrag der jeweiligen Wohnungseigentümer verwaltet und vermietet. In den Häusern ist jeweils eine Hausschließanlage installiert, die es ermöglicht, mit sogenannten Keycards die einzelnen Wohnungen zu öffnen, wozu diese entsprechend codiert werden müssen. Das dafür notwendige Gerät befindet sich bei der Beklagten, sodass Codierungen von Keycards ausschließlich von ihr durchführt werden können. Die Beklagte verfügt über Generalkeycards, mit denen auch die Wohnungen der Kläger geöffnet werden können. Eine solche Generalkeycard hat die Beklagte ohne Zustimmung der Kläger an einen Malermeister weitergegeben, der im Auftrag der Beklagten ein Haus zwecks Feststellung notwendiger Malerarbeiten besichtigt hat.

Nach Ansicht der Kläger handelt es sich dabei um einen unzulässigen Eingriff in ihre Eigentumsrechte. Es liege dadurch auch eine konkrete Gefährdung des Eigentums der Kläger bzw ihrer Mieter vor, da mit der codierten Generalkeycard völlig unkontrolliert von den Klägern und ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung ihre Wohnungen geöffnet und daher auch betreten werden können, weshalb die Gefahr bestehe, dass die Kläger einen unwiederbringlichen Schaden erleiden.

Die Kläger begehren mit ihrer Klage von der Beklagten die Auskunft, wie viele Generalkeycards, mit welchen auch ihre Wohnungen geöffnet werden können, von ihr für die beiden Apartmenthäuser codiert wurden, die nachweisliche Vernichtung dieser Generalkeycards und die Unterlassung der Codierung weiterer Generalkeycards, mit welchen ihre Wohnungen geöffnet werden können, ohne ihre Zustimmung. Zur Sicherung ihrer Ansprüche begehrten die Kläger, bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Klage der Beklagten mit einstweiliger Verfügung a) aufzutragen, sämtliche von ihr codierten Generalkeycards für die beiden Apartmenthäuser, die auch die Wohnungen der Kläger öffnen, bei Gericht zur Verwahrung zu hinterlegen, sowie b) es ihr zu verbieten, ohne Zustimmung der Kläger Generalkeycards, mit welchen die Wohnungen der Kläger geöffnet werden können, zu codieren.

Das Erstgericht wies – ohne Anhörung der Beklagten – den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit der wesentlichen Begründung ab, es fehle an einem konkreten Vorbringen, woraus sich ein drohender unwiederbringlicher Schaden der Kläger ergeben solle. Das Antragsvorbringen beschränke sich auf einen Verweis auf die theoretische Möglichkeit der Gefährdung des Eigentums der Kläger bzw deren Mieter durch unkontrolliertes Betreten ihrer Wohnungen. Worin konkret die Unwiederbringlichkeit eines allfälligen Schadens liegen solle, sei nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung mit der Maßgabe, dass der Beklagten hinsichtlich des Sicherungsbegehrens a) aufgetragen wurde, sämtliche von ihr codierten und bereits an Dritte ausgegebenen Generalkeycards für die beiden Apartmenthäuser, die auch die Wohnungen der Kläger öffnen, einzufordern und zu deaktivieren. Das Rekursgericht erachtete den von den Klägern vorgetragenen Sachverhalt in seiner Gesamtheit als bescheinigt. Rechtlich führte es aus, dass ein Schaden dann unwiederbringlich sei, wenn ein Nachteil an Vermögen, Rechten oder Personen eingetreten sei und die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich sei und Geldersatz entweder nicht geleistet werden könne oder seine Leistung dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat sei. Bei Eingriffen in die Privatsphäre von Menschen sei Geldersatz nicht adäquat, weshalb immer ein unwiederbringlicher Schaden drohe. Gerade einen solchen Eingriff hätten die Kläger bescheinigt. Möge auch der Zweck der Ausfolgung einer Generalkeycard – vergleichbar mit einem Generalschlüssel, der nicht nur eine Haustüranlage, sondern auch bestimmte Wohnungen sperrt – vordergründig auf die Feststellung der Notwendigkeit von Erhaltungsmaßnahmen gerichtet gewesen sein, so machten die Kläger dennoch zutreffend eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre geltend. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zeige sich hier als geeignete Maßnahme, die unter Verwendung einer Generalkeycard jederzeit gegebene bzw drohende Verletzung der Privatsphäre hintanzuhalten. Die im Sicherungsantrag genannte Verwahrung bei Gericht sei untunlich, ihr Zweck aber erreicht, indem die Beklagte dazu verpflichtet werde, bisher an Dritte ausgegebene Generalkeycards, mit denen auch das Entsperren von Wohnungen der Kläger möglich sei, zurückzufordern und zu deaktivieren. Dadurch werde vom (Haupt-)Anspruch inhaltlich nicht abgewichen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage, ob allein die Einräumung der objektiven Möglichkeit eines Eingriffs in die Privatsphäre einen drohenden unwiederbringlichen Schaden verwirkliche, durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung noch nicht beantwortet sei.

Die Beklagte beantragt in ihrem Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Zur erheblichen Rechtsfrage verweist sie auf die Zulassungsbegründung des Rekursgerichts und releviert ergänzend, dieses habe zu prüfen verabsäumt, inwiefern tatsächlich eine abstrakte Gefährdung verwirklicht und ob nicht das beauftragte Malerunternehmen passivlegitimiert sei.

Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Voranzustellen ist, dass der zu beurteilende Sicherungsanspruch ausdrücklich auf den Eigentumseingriff und damit nicht auf Bestimmungen des WEG gestützt wird. Die Beklagte wird auch nicht als Verwalter der Eigentümergemeinschaft sondern als Verwalter und Vermieter einiger Wohnungseigentümer angesprochen, weshalb auch keine Verwalterpflichten im Sinne des § 20 WEG und deren allfällige Durchsetzung Verfahrensgegenstand sind. Es liegt daher keine (außerstreitige) Angelegenheit nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG vor.

2.1. Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 ist Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen.

2.2. Sogar der Mieter einer Wohnung ist nach Rechtsprechung und Lehre grundsätzlich nicht gehalten zu dulden, dass der Vermieter einen Schlüssel zum Bestandobjekt besitzt. Behält sich der Vermieter einen Schlüssel zurück, wird grundsätzlich das Recht des Mieters zur ausschließlichen Nutzung des Bestandobjekts verletzt (1 Ob 754/82 = MietSlg 35.186; RS0021505; Pesek in Schwimann/Kodek, ABGB4§ 1098 Rz 15; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1098 ABGB Rz 58; Pletzer aaO § 1096 ABGB Rz 104). Zudem wird sein – zivilrechtlich aus § 16 ABGB abgeleitetes (6 Ob 106/03m [Pkt 3]; 1 Ob 222/12x [Pkt 5]; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3§ 16 ABGB Rz 116) – Recht auf Privatsphäre beeinträchtigt (Schinnagl/Groeschl, Schlüssel: Anzahl, Reserveschlüssel, Verlust und Schlüsselübergabe bei Rückstellung, Der Mieter 2014, 32; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht14 [2019] § 535 BGB Rz 523). Ob es sich hierbei um einen zurückbehaltenen oder nachträglich hergestellten und ob es sich um einen mechanischen oder elektronischen Schlüssel („Keycard“) handelt, kann jeweils keinen Unterschied machen.

2.3. Wenn bereits der nur obligatorisch nutzungsberechtigte Mieter nicht dulden muss, dass der Vermieter einen Wohnungsschlüssel zurückbehält, so hat umso mehr der dinglich zur ausschließlichen Wohnungsnutzung berechtigte Wohnungseigentümer grundsätzlich das Recht, exklusiv die Schlüssel zu seiner Wohnung zu besitzen. Hat ohne seine Zustimmung ein anderer einen Schlüssel zu seiner Wohnung, wird demnach grundsätzlich sein Recht, das Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, beeinträchtigt. Vor allem aber wird in einem solchen Fall permanent die Privatsphäre des Wohnungseigentümers oder der mit seiner Einwilligung die Wohnung benützenden Personen (Angehörige oder Mieter) verletzt, weil stets damit gerechnet werden muss, dass – gleichgültig ob man gerade an- oder abwesend ist – ein Fremder unerwünscht und ob seines Schlüssels auch grundsätzlich nicht hinderbar in die Wohnung gelangt.

Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass hier ein Eingriff in die Privatsphäre der Kläger bzw ihrer Mieter vorliegt, kann sich ausreichend auf Rechtsprechung zu vergleichbaren Fragen stützen.

3. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass bei einem Eingriff in die Privatsphäre ein Geldersatz nicht adäquat ist, weshalb von einem unwiederbringlichen Schaden iSd § 381 Z 2 EO auszugehen ist, hält sich ebenfalls im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl 8 Ob 155/06m; 4 Ob 140/07b [Pkt 5]; RS0011399 [T3]; E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3§ 381 Rz 11 mwN).

4. Ausgehend vom bescheinigten Sachverhalt war es die Beklagte, die durch Herstellung einer auch den Zugang zu den Wohnungen der Kläger ermöglichenden Keycard und deren ohne Zustimmung der Kläger erfolgten Weitergabe an einen Dritten die Möglichkeit schuf, dass dieser jederzeit sich Zutritt zu den Wohnungen der Kläger verschaffen könnte. An der Passivlegitimation der Beklagten ist daher nicht zu zweifeln.

5. Der Beklagten gelingt es insgesamt nicht, eine Rechtsfrage von der in § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 78 und 402 Abs 4 EO) umschriebenen Qualität aufzuzeigen, weshalb der Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00139.19B.0408.000

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