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OGH vom 23.11.2010, 8Ob139/10i

OGH vom 23.11.2010, 8Ob139/10i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** M*****, vertreten durch Dr. Sepp Manhart, Dr. Meinrad Einsle und MMag. Dr. Rupert Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei N***** M*****, vertreten durch Mag. Marie Rose Eberle, Rechtsanwältin in Bregenz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 310/10a 43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung zum Verschulden der Eheleute an der Zerrüttung der Ehe hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0110837 [T1]) und begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0118125). Eine krasse Fehlbeurteilung des Sachverhalts durch die Vorinstanzen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, wird in der Revision ebenfalls nicht aufgezeigt.

Für den angestrebten Ausspruch des Mitverschuldens des klagenden Ehegatten nach § 61 Abs 2 EheG an der nach § 51 EheG ausgesprochenen Scheidung kommt es darauf an, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Klage ihrerseits den Kläger auf Scheidung wegen Verschuldens klagen hätte können (vgl Schwimann in Schwimann ABGB TaKomm § 61 EheG Rz 3). Der Revision ist auch grundsätzlich beizupflichten, dass in einer vom Ehegatten verschuldeten Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft eine schwere Eheverfehlung liegt, die ein Scheidungsbegehren rechtfertigt (vgl RIS Justiz RS0056267). Es kann aber einem um die Aufrechterhaltung der Ehe jahrelang ringenden Ehegatten nicht als Verschulden zugerechnet werden, wenn er letztlich in Erkenntnis des Scheiterns seiner Bemühungen den Willen zur Fortsetzung der Ehe verliert und diesem Willen entsprechende Handlungen, wie das Versperren der Ehewohnung oder ähnliches, setzt (RIS Justiz RS0057548).

Die Pflicht der Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen (§ 90 Abs 1 ABGB) ist auch, anders als die Pflicht zu Treue, anständiger Begegnung und Beistand, kein absolutes Gebot. Eine gesonderte Wohnungnahme der Ehegatten kann nicht nur vereinbart werden, sondern aus wichtigen persönlichen Gründen unter den Voraussetzungen des § 92 Abs 2 ABGB sogar gegen den Willen des anderen Teils gerechtfertigt sein. Diese wichtigen persönlichen Gründe müssen schon nach dem Wortlaut des § 92 Abs 2 ABGB nicht den Grad der Unzumutbarkeit des Zusammenlebens erreichen, die Trennung muss aber auf die Dauer ihres Vorliegens beschränkt sein. Insbesondere werden von der Rechtsprechung das eheliche Zusammenleben hervorgerufene psychische und damit verbundene körperliche Beeinträchtigungen mit der Gefahr dauernd krankhafter Schädigungen als wichtiger persönlicher Grund für die gesonderte Wohnungnahme gewertet (RIS Justiz RS0047292).

Im vorliegenden Verfahren ist von der bindenden (teilweise im erstgerichtlichen Urteil dislozierten) Feststellung auszugehen, dass die räumliche Trennung der Ehegatten einseitig auf Betreiben des damals bereits zur Scheidung entschlossenen Klägers erfolgte, weil er durch das Zusammenleben mit der behandlungsuneinsichtigen Klägerin im familiären Alltags und Berufsleben überfordert war. Gleichzeitig steht fest, dass die Beklagte aufgrund ihrer psychischen Erkrankung ihrerseits mit ihren häuslichen Aufgaben überfordert war und dann in einer Weise reagierte, dass sich sogar ihre beiden kleinen Kinder vor ihr oder um sie fürchteten. Unter diesen besonderen Voraussetzungen ist aber die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Kläger sein Bestehen auf gesonderter Wohnungnahme nicht als ehezerrüttendes Verschulden iSd § 61 Abs 2 EheG anzurechnen gewesen wäre, zumindest vertretbar.

Die Revisionsausführungen über eine Unterbindung des Kontakts der Beklagten zu ihren Kindern und die Verweigerung eines Zutritts zur Ehewohnung finden in den Feststellungen keine Deckung.