OGH vom 10.04.2003, 8ObA222/02h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Kaszanits und Alfred Klair als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Österreichische Bundesforste Aktiengesellschaft, Pummergasse 10-12, 3002 Purkersdorf, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Österreichischer Gewerkschaftsbund Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Teinfaltstraße 7, 1010 Wien, vertreten durch Mag. Martin Holzinger, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, 1010 Wien, Teinfaltstraße 7, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass die im Betrieb "Unternehmensleitung" beschäftigten Angestellten der Antragstellerin keinen Rechtsanspruch auf Gewährung eines dienstfreien Tages am 31. 12. haben, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Mit dem Bundesforstegesetz 1996, BGBl Nr 793/1996, wurde zur Fortführung des Betriebes "Österreichische Bundesforste" eine Aktiengesellschaft mit dem Firmenwortlaut "Österreichische Bundesforste AG" errichtet, welche in Abweichung von und unter Ausschluss der Wirkung des § 34 AktG mit entstand (§ 2 Abs 1 leg cit). Der Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesforste" ging mit dem gesamten ihm zuzurechnenden Vermögen, Rechten, Pflichten, Schulden und sonstigen Lasten, insbesondere auch aus dem mit dem Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesforste" abgeschlossenen Verwaltungsübereinkommen, einschließlich der Pensionsanwartschaften und Pensionsverpflichtungen als Sacheinlage mit kraft Gesamtrechtsnachfolge auf die Gesellschaft über (§ 2 Abs 2 leg cit). Gleichzeitig wurde der neuen Aktiengesellschaft die Kollektivvertragsfähigkeit als Arbeitgeber zuerkannt (§ 2 Abs 8 leg cit). Gemäß § 13 Abs 1 Bundesforstegesetz 1996 wurden die bisher beim Bund/Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesforste" beschäftigten Angestellten zu dem in § 2 Abs 2 genannten Zeitpunkt Arbeitnehmer der Gesellschaft, welche die Rechte und Pflichten des Bundes gegenüber diesen Arbeitnehmern sowie ehemaligen Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen, die zu dem in § 17 genannten Zeitpunkt Anwartschaften oder Ansprüche (gegenüber dem Bund hatten, fortsetzt. Gemäß § 17 Bundesforstegesetz 1996 trat das Bundesgesetz über den Wirtschaftskörper "Österreichische Bundesforste" mit Ablauf des außer Kraft. Gemäß § 13 Abs 6 des Bundesforstegesetzes 1996 trat mit diesem Zeitpunkt auch das Bundesgesetz über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten der Österreichischen Bundesforste (Bundesforste-Dienstordnung 1986) BGBl Nr 298, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl Nr 392/1996, mit Ausnahme des die Arbeitszeit betreffenden § 14 außer Kraft.
Die Antragstellerin begehrt die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung.
Sie brachte vor, dass zwischen ihr und dem Antragsgegner die Frage strittig sei, ob die im Betrieb der Unternehmensleitung (früher Generaldirektion) der Antragstellerin beschäftigten Angestellten einen Rechtsanspruch auf Gewährung eines dienstfreien Tages am 31. Dezember hätten.
Dazu behauptet die Antragstellerin folgenden Sachverhalt:
Die Antragstellerin schloss am mit dem Antragsgegner einen neuen Kollektivvertrag (KV neu), der rückwirkend mit in Kraft trat und gemäß seinem § 1 für alle seit neu eingetretenen und für die aus dem rechtlich unselbständigen Wirtschaftskörper Österreichische Bundesforste übernommenen Mitarbeiter gilt, die die Anwendung des Kollektivvertrages bis spätestens für sich unbedingt und freiwillig erklärten. Der KV neu, der für jene Mitarbeiter gilt, die nach dem von der Antragstellerin eingestellt wurden sowie für jene Angestellte, die von ihrem Übertrittsrecht Gebrauch machten, enthält keine Regelung, die vorsieht, dass der 31. Dezember generell dienstfrei ist. Ein Runderlass vom , der allen Mitarbeitern und deren Führungskräften zur Kenntnis gebracht wurde, sieht vor, dass die Mitarbeiter der Generaldirektion für die kommenden Jahre bis auf Widerruf von der Dienstleistung am 31. 12. befreit sind. Die Gewährung des dienstfreien Tages am 31. Dezember im ersten Jahr nach der Ausgliederung (1997) erfolgte mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die jederzeitige Widerrufbarkeit. 1998 erfolgte eine Regelung via e-Mail vom , wonach am 24. Dezember und am 31. Dezember mit dem Vorbehalt dienstfrei gegeben wurde, dass die Gewährung der dienstfreien Tage unpräjudiziell und ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolge und es sich dabei um ein klares Entgegenkommen des Vorstandes der Antragstellerin handle. Diese e-Mail wurde an alle Angestellten der Unternehmensleitung und deren Führungskräfte versendet. Im Jahr 1999 erfolgte eine dem Jahr 1998 entsprechende Regelung. Im Jahr 2000 fiel der 31. Dezember auf einen Sonntag. Im Jahr 2001 erklärte sich der Vorstand der Antragstellerin nach langwierigen Verhandlungen mit dem Zentralbetriebsrat und vorerst ablehnender Haltung wegen beträchtlicher Urlaubsrückstände schließlich bereit, den 31. Dezember für alle Angestellten freizugeben. Die Mitarbeiter wurden mit e-Mail vom verständigt, dass in diesem Jahr letztmalig am 31. Dezember freigegeben werde. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Urlaubsrückstände es nicht rechtfertigen würden, am 31. Dezember freizugeben. Auch in dieser e-Mail wurde darauf verwiesen, dass die Dienstfreistellung unpräjudiziell erfolge und keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründe.
Nach diesem Sachverhalt sei davon auszugehen, dass für den Zeitraum vor Ausgliederung Rechtsansprüche der Arbeitnehmer auf Gewährung einer Dienstfreistellung am 31. 12. nicht entstanden sein könnten, weil die Sondervertragsklausel des § 36 Abs 1 VBG iVm § 70 Abs 1 BF-DO 1986 Abweichungen sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Arbeitnehmers nur durch den Abschluss von Sonderverträgen erlaube, die nicht geschlossen worden seien. Die BF-DO habe keinen Anspruch auf einen dienstfreien Tag am 31. Dezember gekannt. Im ersten Jahr nach Ausgliederung sei der 31. Dezember unter Berufung auf den Runderlass aus 1992 freigegeben worden, der einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt enthalten habe. Der im Jahr 1992 erklärte Widerrufsvorbehalt wirke über den Ausgliederungszeitpunkt hinaus weiter. Die Antragstellerin sei gar nicht verpflichtet gewesen, nach der Ausgliederung einen neuerlichen Vorbehalt zu erklären. Sie habe dies 1998 dennoch getan. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung eines dienstfreien Tages am 31. Dezember sei daher nicht entstanden. Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages und den "Ausspruch", dass die Arbeitnehmer der Unternehmensleitung der Antragstellerin einen Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung am 31. Dezember hätten. Der Antragsgegner bezieht sich zusammengefasst darauf, dass bereits vor der Ausgliederung durch viele Jahre hindurch eine Dienstfreistellung am 31. Dezember ohne Verbindung mit einem Widerrufsvorbehalt erfolgt wäre. Die Dienstfreistellung am sei - genau wie in den Jahren zuvor - ebenfalls nicht unter Widerrufsvorbehalt gewährt worden. Jedenfalls sei die jederzeitige Widerrufbarkeit gerade nicht erkennbar gewesen. Der 1998 mittels e-Mail erklärte Widerrufsvorbehalt sei vom Betriebsrat beeinsprucht worden. Bei den KV-Verhandlungen 1998/99 habe zwar der Vorstand der Antragstellerin eine generelle Freigabe des 31. Dezember im KV nicht verankern wollen, er habe jedoch eindeutig zugestimmt, dass der 31. Dezember in der Unternehmensleitung so gehandhabt werde wie bisher. Das bedeute eine generelle Freigabe ohne Widerrufsmöglichkeit. Allein deshalb, weil der vorbehaltlos und ohne Einschränkung freigegeben worden sei, ergebe sich ein Rechtsanspruch sämtlicher Arbeitnehmer (also auch jener, deren Dienstverhältnis vor dem begründet worden sei und die nicht in den KV neu "migriert" seien) auf Dienstfreistellung am 31. Dezember.
Der Feststellungsantrag der Antragstellerin ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die von Amts wegen zu prüfende (9 ObA 222/98g; 9 ObA 170/99m ua) aktive und passive Antragslegitimation ist gegeben (zur Antragstellerin vgl § 2 Abs 8 Bundesforstegesetz 1996 - 9 ObA 332/99k; zum Antragsgegner RIS-Justiz RS0051126).
Der Oberste Gerichtshof hat seiner rechtlichen Beurteilung den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt ohne weitere Prüfung zugrundezulegen. Der Antragsgegner kann gegen den vom Antragsteller behaupteten Sachverhalt im Tatsachenbereich nichts vorbringen. Er ist auf rechtliche Argumente beschränkt (RIS-Justiz RS0109384). Dem Antragsgegner ist es in einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG verwehrt, dem Antrag des Antragstellers nicht nur durch den Antrag auf Abweisung des Feststellungsantrages, sondern überdies durch einen auf Feststellung des gegenteiligen Rechtes oder Rechtsverhältnisses gerichteten Gegenantrag entgegenzutreten (RIS-Justiz RS0085670). Der Gegenantrag des Antragsgegners ist daher verfehlt.
Ausgehend davon, dass der rechtlichen Beurteilung der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt ohne weitere Prüfung zugrundezulegen ist, ergibt sich, dass auf Grundlage dieses behaupteten Sachverhaltes das von Amts wegen zu prüfende Feststellungsinteresse (vgl RIS-Justiz RS0085712; zuletzt 9 ObA 108/01z) zu verneinen ist: Ein Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG muss einen Sachverhalt enthalten, der ein Feststellungsinteresse begründet. Die Formulierung der Bestimmung deckt sich mit jener des § 228 ZPO. Danach kann das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten oder Rechtsverhältnissen mit Feststellungsklage dann geltend gemacht werden, wenn ein rechtliches Interesse an dieser Feststellung besteht. Sein Fehlen führt nach ständiger Rechtsprechung zur Abweisung der Klage mit Urteil (vgl SZ 71/51 mwN).
Ausgehend von den allein maßgeblichen Sachverhaltsbehauptungen der Antragstellerin erfolgte die Dienstfreistellung am 31. Dezember immer unter Widerrufsvorbehalt. Dass vor dem Runderlass 1992 - wie vom Antragsgegner behauptet - der 31. Dezember immer ohne Widerrufsvorbehalt freigegeben worden wäre, brachte die Antragstellerin gerade nicht vor. Der Antragsgegner bezweifelt nicht, dass unter Zugrundelegung der Annahme, dass sämtliche Dienstfreistellungen - auch jene nach Ausgliederung am - immer unter ausdrücklichem Widerufsvorbehalt erfolgten, der den Mitarbeitern zur Kenntnis gelangte, kein Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung am 31. Dezember entstehen konnte. Wurde - wie von der Antragstellerin behauptet - die Dienstfreistellung immer unter ausdrücklichem Widerrufsvorbehalt gewährt und die Unverbindlichkeit zum Ausdruck gebracht, konnte nach ständiger Lehre und Rechtsprechung ein Rechtsanspruch der Angestellten der Antragstellerin nicht entstehen (vgl Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht9 382 ff; DRdA 2001/35, 358 [Mayr]; RIS-Justiz RS0028297). Nur wenn die Zuwendung - die auch in der Gewährung freier Tage liegen kann - nicht unter ausdrücklicher Betonung des freiwilligen, unverbindlichen und jederzeit widerruflichen Charakters der Zuwendung gewährt wurde, verliert sie den Charakter der Freiwilligkeit (RIS-Justiz RS0014154). Gerade diese Sachverhaltskomponente behauptet aber der Antragsteller nicht, sondern nur der Antragsgegner. Damit bedarf es aber hier auch keiner Beantwortung der Frage, ob im Hinblick auf die von der Antragstellerin erwähnte "Sondervertragsklausel" vor der Ausgliederung überhaupt ein Rechtsanspruch auf Dienstfreistellung entstehen konnte. Es bedarf aus diesem Grund auch keiner Unterscheidung zwischen den neu eingetretenen Arbeitnehmern der Antragstellerin bzw den in den "KV neu" übergewechselten Arbeitnehmern einerseits und jenen Arbeitnehmern, die die Anwendung des Kollektivvertrages nicht in Anspruch nahmen.
Daraus folgt, dass zwischen den Parteien kein Recht oder Rechtsverhältnis auf Basis des behaupteten Sachverhaltes strittig ist, sondern nur der Sachverhalt selbst, insbesondere die Frage, ob die Gewährung der Dienstfreistellung unter Widerrufsvorbehalt erfolgte (wie von der Antragstellerin behauptet) oder nicht (wie vom Antragsgegner behauptet).
Damit fehlt es aber an der unabdingbaren Voraussetzung für die Zulässigkeit des Feststellungsantrages nach § 54 Abs 2 ASGG. Mangels rechtlichen Interesses war der Antrag abzuweisen.