OGH vom 12.09.1996, 8ObA2206/96m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Raimund Zimmermann und Peter Pulkrab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dagmar O*****, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Anna G*****, vertreten durch Dr.Alfons Klaunzer und Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen eingeschränkt S 85.783,79 brutto sA (Revisionsinteresse S 69.642,67 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 39/96i-21, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 42 Cga 64/95y-14, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 (einschließlich S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes in der Sache selbst zutreffend ist, genügt es, auf diese zu verweisen (§ 48 ASGG).
Den Ausführungen in der Revision und der Revisionsbeantwortung ist zu erwidern:
Entgegen dem Antrag in der Revisionsbeantwortung kann die Revision schon deshalb nicht als unzulässig zurückgewiesen werden, weil die Revision jedenfalls nach § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig ist, da es sich um ein Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses handelt und der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 50.000,- übersteigt: Ein Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses liegt nämlich auch dann vor, wenn die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht die im Verfahren entscheidende Hauptfrage ist. Es genügt, daß die Lösung der Frage der Beendigung eine Voraussetzung der Entscheidung über das Klagebegehren bzw dessen Höhe ist (Kuderna ASGG2 280 f). Gleiches muß gelten, wenn die Höhe des Zahlungsanspruchs von der Beendigungsmöglichkeit abhängt. Im vorliegenden Fall ist zwar die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst (ungerechtfertigte Entlassung) nicht mehr strittig. Die Höhe des Schadenersatzanspruchs der Klägerin wegen der ungerechtfertigten Entlassung hängt aber davon ab, ob ihr befristetes Arbeitsverhältnis zulässigerweise vor Ende der Befristung durch Kündigung beendet hätte werden können.
Auszugehen ist davon, daß auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Unternehmen der Beklagten der Kollektivvertrag für Arbeiter im österreichischen Hotel- und Gastgewerbe (Fassung ) anzuwenden ist. Die Klägerin wurde von der Beklagten mit schriftlichem Dienstvertrag vom als Zahlkellnerin mit Inkasso für die Zeit vom bis unter Vereinbarung einer 14-tägigen Probezeit eingestellt (P II). Im maschinschriftlich hinzugefügten Punkt P VII wurde unter dem Titel "sonstige Vereinbarungen" vorgesehen, daß das befristete Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis zu einem Monat vor Zeitablauf gekündigt werden kann und die Kündigungsfrist 14 Tage beträgt. Beim Einstellungsgespräch wurde mit der Klägerin der Dienstvertrag durchbesprochen, wobei auch die Kündigungsklausel erörtert wurde.
Das Berufungsgericht kam in seiner umfangreichen Begründung zur Ansicht, daß bei diesem befristeten Saisonarbeitsverhältnis die Kündigungsmöglichkeit zulässigerweise vereinbart wurde, so daß der am unberechtigt entlassenen Klägerin nur eine Kündigungsentschädigung während der fiktiven Kündigungsfrist von 14 Tagen in Höhe von S 16.141,12 brutto sA, nicht aber bis zum vereinbarten Ende des Beschäftigungsverhältnisses (weitere S 69.642,27 brutto sA) zustehen.
Soweit die Klägerin in ihrer Revision meint, die Kündigungsmöglichkeit sei durch Einreihung in P VII versteckt gewesen und damit nicht Bedingung des Einzelvertrages geworden, ist ihr entgegenzuhalten, daß gerade dieser Punkt durch die maschinschriftliche Einfügung erhöhten Auffälligkeitswert besaß und daß nach den getroffenen Feststellungen die Kündigungsklausel mit ihr erörtert wurde.
Die Klägerin gesteht zu, daß grundsätzlich auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine Kündigungsvereinbarung zulässig sein kann, meint aber bei Saisonarbeitsverhältnissen sei wegen ihrer Kürze eine solche nicht zulässig, weil die Dauer der Befristung und die Möglichkeit der Kündigung in keinem angemessenen Verhältnis stünden; überdies schließe der anzuwendende Kollektivvertrag bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine Kündigungsmöglichkeit aus.
Nach herrschender oberstgerichtlicher Recht- sprechung (4 Ob 11/79, ZAS 1980/7 [zust Buschmann]; 4 Ob 105/85, DRdA 1986/19 [zust Petrovic]; 9 ObA 88-90/94; 8 ObA 305/95, WBl 1996, 246 ua) schließt zwar die Befristung eine Kündigung aus, doch können die Parteien auch bei einem für einen bestimmten Zeitraum eingegangenen Dienstverhältnis zusätzlich die Möglichkeit einer Kündigung zu einem früheren Termin vereinbaren. Es darf jedoch die vom Arbeitgeber einzuhaltende Kündigungsfrist nicht kürzer als die mit dem Angestellten für seine Kündigung vereinbarte sein. Das ist hier nicht der Fall; beide Teile haben die gleichen Kündigungsmöglichkeiten. Die Dauer des befristeten Dienstverhältnisses und die Möglichkeit der Kündigung müssen aber in einem angemessenen Verhältnis stehen (9 ObA 88-90/94; 8 ObA 305/95, WBl 1996, 246; in diesem Sinn auch Martinek/M u W Schwarz, AngG7 365; Egger, WBl 1993, 33f). Zur Frage, wann dies der Fall ist, liegt nur eine bescheidene Zahl oberstgerichtlicher Entscheidungen vor. Die E 9 0b 88-90/94 hielt den Verweis auf die Kündigungsmöglichkeiten des Gesetzes und des einschlägigen Kollektivvertrages ohne nähere Anführung von Daten für eine unbeachtliche Leerformel, die nicht den Grundsätzen einer vereinbarten Kündigungsmöglichkeit entspricht. Bereits in der E 4 Ob 124/78 wurde die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit auch im Falle eines auf die Dauer von 6 Monaten "zur Probe" abgeschlossenen Dienstvertrages bejaht, ohne auf die sich bei Vereinbarung der zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit im Falle kurz befristeter Arbeitsverträge ergebenden Fragen einzugehen. In der E 8 ObA 305/95, WBl 1996, 246, war diese Frage bei einem auf 2 Monate befristeten Arbeitsverhältnis nicht entscheidungswesentlich, weil das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmerseite erkennbar zur Erlangung einer Praxiszeit zur Anrechnung für die Schulausbildung eingegangen wurde und folglich nur ein Interesse an der gesamten Beschäftigungsdauer gegeben sein konnte; es wurde daher auch nur beiläufig erklärt, daß im übrigen die Zulässigkeit einer Kündigung bei einem 2 Monate dauernden Arbeitsverhältnis eher zu verneinen sein werde.
Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß auch bei typischen Saisonarbeitsverhältnissen, insbesondere auch bei solchen im Fremdenverkehr, in denen Arbeitsverträge häufig nur für eine Winter- oder eine Sommersaison abgeschlossen werden, selbst dann, wenn sie, wie im vorliegenden Fall, auf eine kalendermäßig genau fixierte Zeit abgeschlossen werden - nur solche gelten nach dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag (P 17 lit b 1.Satz) als befristete Arbeitsverhältnisse -, eine zusätzliche Kündigungsmöglichkeit vereinbart werden kann, sofern nur kein Mißverhältnis zwischen Gesamtdauer und Kündigungsmöglichkeit besteht. Ein solches liegt hier nicht vor: Die Kündigungfrist entspricht der des einschlägigen Kollektivvertrages bei Arbeitsverhältnissen auf unbestimmte Zeit (P 17 lit a); sie kann daher nicht als unangemessen kurz angesehen werden. Im letzten Monat besteht nach der Vereinbarung kein Kündigungsrecht. Diese Vertragsbestimmung schützt den Arbeitnehmer mehr, als wenn nur die kollektivvertragsrechtlichen Kündigungsregeln anzuwenden wären; sie bewahren ihn nämlich davor, knapp vor Saisonsende, also zu einer Zeit, wo er kaum noch einen anderen Arbeitsplatz für die Restzeit finden kann gekündigt zu werden.
Dem Kollektivvertrag kann entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht entnommen werden, daß er - mit zumindest einseitig zugunsten des Arbeitnehmers zwingender Wirkung - die einzelvertragliche Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen (P 17 lit b 1.Satz) verbieten würde.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher zu bestätigen; der Klägerin steht für die Zeit zwischen dem fiktiven Ende der zulässigerweise vereinbarten 14-tägigen Kündigungsfrist und dem Ende des auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses () keine Kündigungsentschädigung wegen ungerechtfertigter Ent- lassung zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.