OGH vom 20.09.1994, 10ObS180/94

OGH vom 20.09.1994, 10ObS180/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Josef Fellner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Renate Klenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Theresia S*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr.Günter Philipp, Rechtsanwalt in Mattersburg, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 57/94-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 17 Cgs 1155/93a-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger binnen vierzehn Tagen die einschließlich 338,24 S Umsatzsteuer mit 2.029,44 S bestimmten halben Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin bezieht von der Beklagten seit eine Alterspension. Mit Bescheid vom gewährte ihr die Beklagte dazu ab einen Hilflosenzuschuß. Diese pflegebezogene Geldleistung gilt nach § 39 Abs 1 Bundespflegegeldgesetz BGBl 1993/110 (BPGG) mit als rechtskräftig eingestellt. Nach § 38 Abs 1 leg cit war der Klägerin jedoch von Amts wegen mit Wirkung vom nach den Vorschriften des BPGG ein Pflegegeld in Höhe der Stufe 2 zu gewähren, das ihr als rechtskräftig zuerkannt gilt.

Mit Bescheid der Beklagten vom wurde das Pflegegeld mit Ablauf des Monates Juli 1993 mit der Begründung entzogen, daß eine Voraussetzung für die Gewährung, nämlich ein Pflegebedarf von mehr als 50 Stunden monatlich, weggefallen sei.

Das auf Weitergewährung des Pflegegeldes gerichtete Klagebegehren stützt sich darauf, daß sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Gewährung des Hilflosenzuschusses nicht wesentlich gebessert habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach den wesentlichen Feststellungen kann sich die am geborene Klägerin seit der Entziehung allein an- und auskleiden, die tägliche Körperreinigung vornhemen, Speisen, Getränke und Medikamente zu sich nehmen, die Notdurft verrichten, einfache Speisen zubereiten, die persönlichen Gebrauchsgegenstände reinigen, die kleine Wäsche waschen und die Wohnung oberflächlich reinigen. Zur großen Körperreinigung (in der Badewanne), zum Waschen der großen Wäsche, zur gründlichen Wohnungsreinigung und zu sämtlichen Einkäufen braucht sie Hilfe. Bei Bedarf kommt der Arzt auch ins Haus.

Zur Zeit der für die Gewährung des Hilflosenzuschusses maßgeblichen Untersuchung am und mindestens drei Monate danach konnte sich die Klägerin nicht allein an- und auskleiden, keine Speisen zubereiten, keine Wohnungsreinigung vornehmen, keine Wäsche waschen und auch nicht allein essen. Sie konnte auch keine Nahrungsmittel und Medikamente herbeischaffen.

Für die gründliche Körperreinigung in der Badewanne veranschlagte das Erstgericht einen monatlichen Zeitaufwand von vier Stunden, für die Hilfsverrichtungen Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, gründliche Reinigung der Wohnung, Pflege der großen Wäsche und die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn einen solchen von je zehn Stunden, insgesamt daher einen Pflegebedarf von 44 Stunden. Da deshalb ab nicht einmal Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 gebühre, sei eine Voraussetzung für die Gewährung des Pflegegeldes weggefallen und dieses nach § 9 Abs 2 BPGG zu entziehen.

In der Berufung machte die Klägerin geltend, daß nach den erstgerichtlichen Feststellungen nicht verläßlich beurteilt werden könne, ob gegenüber der Gewährung des Hilflosenzuschusses eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Weiters seien nach § 1 Abs 4 Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz (in der Folge EinstV) für die gründliche Körperreinigung in der Badewanne täglich 2 mal 25 Minuten, monatlich daher 25 Stunden anzunehmen. Deshalb bestehe insgesamt ein Pflegebedarf von mehr als 50 Stunden monatlich und damit jedenfalls ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es führte aus, daß sich aus dem Vergleich des Leidenszustandes der Klägerin zur Zeit der Gewährung des Hilflosenzuschusses und zur Zeit der Entziehung des Pflegegeldes eine wesentliche Besserung ergebe. Während sie damals praktisch nichts allein habe tun können, könne sie nunmehr wesentliche Tätigkeiten ohne fremde Hilfe besorgen. Nur für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten sei ein auf einen Monat bezogener Zeitwert von 10 Stunden anzunehmen. Da die Klägerin zur Reinigung der Wohnung sowie zur Pflege der Wäsche nur teilweise fremde Hilfe benötige, sei für diese Hilfsverrichtungen nur ein Zeitwert von (zusammen) 10 Stunden monatlich zu berücksichtigen. Mangels medizinischer Notwendigkeit eines täglichen Wannenbades genügten vier Duschbäder pro Woche in der Dauer von jeweils 15 Minuten. Dies ergebe einen monatlichen Betreuungsaufwand von rund 4 Stunden. Da der gesamte Pflegebedarf durchschnittlich nur 24 Stunden monatlich betrage, habe die Klägerin (seit ) nicht einmal mehr Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1.

In der Revision beantragt die Klägerin, das Berufungsurteil durch Weitergewährung des Pflegegeldes in Höhe der Stufe 2, allenfalls der Stufe 1 ab abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor.

Auch die Rechtsrüge ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach § 1 Abs 1 EinstV sind unter Betreuung alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre. Zu diesen Verrichtungen zählen nach Abs 2 leg cit ua solche bei der Körperpflege, also auch im Zusammenhang mit einem Vollbad in der Badewanne oder einem Duschbad. Die Revisionswerberin verkennt jedoch, daß der im § 1 Abs 4 EinstV festgelegte zeitliche Mindestwert von 2 x 25 Minuten nur für die tägliche Körperpflege gilt. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß ein Duschbad - abgesehen von medizinischer Notwendigkeit, für die hier kein Anhaltspunkt besteht - nicht zur täglichen Körperpflege zählt und daß die in dieser Hinsicht pflegebedürftige Klägerin auch dann nicht der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, wenn sie pro Woche nur vier solche Bäder nehmen könne, ist richtig. Sie entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senates zum Hilflosenzuschuß (zB SSV-NF 2/12), gegen die in der Revision nichts vorgebracht wird. Dieser Senat hat den zeitlichen Betreuungsaufwand im Zusammenhang mit einem Wannenvollbad bereits in mehreren zum BPGG ergangenen Entscheidungen in Anlehnung an den im § 1 Abs 4 EinstV für eine tägliche Körperpflege festgelegten zeitlichen Mindestwert mit etwa 25 Minuten angenommen und ausgesprochen, daß jemand auch dann nicht der Verwahrlosung ausgesetzt wäre, wenn er wöchentlich nur zwei Wannenvollbäder nehmen kann, für die sich ein zeitlicher Betreuungsaufwand von etwa 3,5 bis 4 Stunden monatlich ergibt. Diese Ausführungen können auch für anstelle von Wannenbädern genommene Duschbäder gelten. In dieser Größenordnung wurde der Betreuungsaufwand vom Erstgericht zutreffend eingeschätzt.

Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß für die von der Klägerin benötigten Hilfsverrichtungen insgesamt ein Zeitaufwand von 40 Stunden pro Monat anzunehmen ist, wurde in der Berufung nicht bekämpft und wird in der Revision ausdrücklich als richtig bezeichnet. Berücksichtigt man neben diesem zeitlichen Hilfsaufwand den zeitlichen Betreuungsaufwand im Zusammenhang mit Bädern von etwa 4 Stunden pro Monat, ergibt sich seit nur mehr ein ständiger Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) von nur etwa 44 Stunden monatlich.

Unter diesen Umständen gebührt der Klägerin aber seit kein Pflegegeld mehr, weil für dessen hilfsweise begehrte Stufe 1 nach § 4 Abs 2 BPGG ein Pflegebedarf von durchschnittlich über 50 Stunden monatlich erforderlich wäre. Das Pflegegeld war deshalb nach § 9 Abs 2 BPGG zu entziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 lit b und Abs 2 ASGG.