OGH vom 29.11.2016, 9ObA102/16i

OGH vom 29.11.2016, 9ObA102/16i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Gerda Höhrhan Weiguni in der Rechtssache der klagenden Partei BUAK Bauarbeiter Urlaubs Abfertigungskasse, *****, vertreten durch Mag. Vera Noss, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei R***** Kft., *****, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte in Wels, wegen zuletzt 69.369,11 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 31/16d 67, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ob ein konkreter Betrieb unter jene in § 2 BUAG genannten und damit den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 BUAG fällt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0052432 [T5]), sofern keine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung vorliegt. Das ist hier nicht der Fall:

2. Unter Baueisenbieger und verlegerbetriebe werden jene Betriebe verstanden, die sich mit dem Vorbiegen bzw der Montage der für Bauten notwendigen Baueisen befassen (RV 426 BlgNR 13. GP 13 [„nur zur Klarstellung“]; Martinek/Widorn , BUAG 69). Warum es einer entsprechenden Einordnung entgegenstehen sollte, wenn das Vorbiegen bzw die Montage der für Bauten notwendigen Baueisen durch Schweißverbindungen mit Schweißnähten erfolgt, für die besondere Schweißerkenntnisse erforderlich sind, ist nicht ersichtlich.

3. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass für die Beurteilung der Tätigkeit auch nicht der Wortlaut der Gewerbeberechtigung des einzelnen Arbeitgebers maßgebend ist, sondern die Frage, ob die in einem Betrieb ausgeübte Tätigkeit dem Tätigkeitsumfang einer aufgezählten Betriebsart entspricht ( Martinek/Widorn , BUAG 67 f; Klinger , Praxiskommentar zum BUAG § 2 Anm 1 S 20; 9 ObA 120/14h; 9 ObA 150/11s; s auch die Rspr des VwGH Ra 2014/08/0069 Rs 4). Auf die gewerberechtlichen Befugnisse oder den Inhalt anderer Gewerbeberechtigungen der Beklagten kommt es daher nicht an.

4. Zu einer der aufgezählten Betriebsarten zählen nicht nur Betriebe, die im gesamten oder überwiegenden Tätigkeitsbereich der Betriebsart tätig werden, sondern auch jene, die sich auf einen kleineren Teilbereich spezialisiert haben ( Martinek/Widorn , BUAG 68). Hier hat die Beklagte insofern eine Teiltätigkeit ausgeübt, als die angelieferten halbfertigen Bewehrungsteile in Österreich zu größeren bogenförmigen Geflechten durch das Verbinden der Betonstähle zueinander verschweißt wurden. Anders als in der Entscheidung 9 ObA 120/14h (Herstellung stahlbewehrter Autobahn-Betonpoller) liegt hier auch keine reine (Massen )Produktion vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Tätigkeit des Baueisenbieger und verlegerbetriebs auch typischerweise witterungsabhängig. Dass die Beklagte selbst die konkreten Tätigkeiten in einer Halle durchführen lässt, kann an der Anwendbarkeit des BUAG nichts ändern (vgl auch 9 ObA 150/11s zur insofern vergleichbaren – verneinten – Frage, ob eine im Einzelfall saisonunabhängige Baumeistertätigkeit die Anwendbarkeit des BUAG ausschließt).

5. Auch aus den Ausführungen zum Vorliegen eines (grenzüberschreitenden) Mischbetriebs ist für die Beklagte nichts zu gewinnen: Geht man – aufgrund der räumlichen Trennung der beiden Standorte in Ungarn und Österreich – iSd § 3 Abs 2 BUAG von einer organisatorischen Trennung in Betriebsabteilungen aus, würden in Österreich Tätigkeiten verrichtet werden, die nach dem Gesagten ihrer Art nach dem BUAG unterliegen. Nach § 3 Abs 3 BUAG würden aber auch ohne organisatorische Trennung jene Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten verrichten, die ihrer Art nach in den Tätigkeitsbereich der Betriebe nach § 2 BUAG fallen, von den Bestimmungen des BUAG erfasst. Eine Diskriminierung im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (C 49/98 ua) ist hier nicht ersichtlich.

6. Dass der Klägerin mit der Bestimmung des § 25 Abs 2 iVm § 33h Abs 1 BUAG („... kann aus rücksichtswürdigen Gründen die Verzugszinsen herabsetzen oder erlassen“) ein relativ weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird, hat bereits das Berufungsgericht dargelegt. In der Literatur ( Klinger , BUAG 99) werden in diesem Zusammenhang Zahlungsverzögerungen erwähnt, die nicht auf Vorsatz beruhen (wenn es etwa saisonbedingt zu Liquiditätsengpässen kommt oder Fehler im Zuge des Überweisungsvorgangs auftreten). Auch auf das sonstige Zahlungsverhalten sei abzustellen. Die Gründe seien unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen ( Martinek/Widorn , BUAG 264). Wenn in der von der Beklagten ins Treffen geführten Klärung der Rechtslage hier im Ergebnis noch kein rücksichtswürdiger Grund für einen Zinsennachlass gesehen wurde, so ist dies nach Maßgabe des Falls vertretbar.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00102.16I.1129.000