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OGH vom 22.10.2007, 9ObA102/06z

OGH vom 22.10.2007, 9ObA102/06z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Lisa *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 1/06t-17, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 26 Cga 38/05f-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.189,44 (darin EUR 198,24 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Am teilte die Klägerin der Beklagten das Bestehen einer Schwangerschaft mit. Mit der am zu 34 Cga 160/04d des Arbeits- und Sozialgerichts Wien eingebrachten Klage begehrte die Arbeitgeberin die gerichtliche Zustimmung zur Entlassung der Klägerin. Mit Urteil vom wurde der Beklagten (dort Klägerin) die Zustimmung zur Entlassung der Klägerin (dort Beklagten) erteilt. Dieses Urteil wurde beiden Parteien am zugestellt und erwuchs daher am in Rechtskraft. Am hat die Klägerin ihre Tochter zur Welt gebracht. Mit Schreiben vom teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie mangels Ausspruchs einer Entlassung von einem aufrechten Dienstverhältnis ausgehe und Karenzurlaub in Anspruch nehmen werde. Mit Schreiben vom sprach daraufhin die Beklagte „die fristlose Entlassung zum , dem Zeitpunkt an dem das Urteil in Rechtskraft erwachsen ist" aus. Dieses Schreiben ging der Klägerin am zu.

Die Klägerin begehrte die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis zur Beklagten ungeachtet der mit Schreiben vom ausgesprochenen Entlassung aufrecht bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es hat dabei die Frage, ob die Entlassung verspätet erfolgt und daher - im Hinblick auf den aufrechten Bestandschutz der Klägerin - unwirksam ist, zutreffend bejaht. Es kann insoweit auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Lediglich ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Zur angeblichen Nichtigkeit des Verfahrens wegen der zu 34 Cga 160/04d des Arbeits- und Sozialgerichts Wien rechtskräftig entschiedenen Sache: Hier macht die Beklagte einen bereits vom Berufungsgericht verneinten Nichtigkeitsgrund geltend. Dies ist im Revisionsverfahren jedoch unzulässig (Kodek in Rechberger ZPO³ § 503 Rz 2 mwN).

Zur Rechtsrüge:

Nach der zu § 120 Abs 1 ArbVG ergangenen Rechtsprechung ist das Urteil, mit dem die Zustimmung zu einer Entlassung eines Arbeitnehmers erteilt wird, eine Rechtsgestaltungsentscheidung (RIS-Justiz RS0051226), mit welcher dem Arbeitgeber der Ausspruch der Entlassung erst erlaubt wird. Das Urteil ist aber nicht gleichbedeutend mit der Lösungserklärung, diese hat der Arbeitgeber vielmehr nach der gerichtlichen Zustimmung unter Einhaltung der hiefür maßgebenden Vorschriften aus dem Beendigungsrecht vorzunehmen, um eine gültige Lösung zu bewirken (9 ObA 2025/96a). Dieser Grundsatz ist auch auf andere Bestandschutzregelungen, die die Zustimmung des Gerichts zu einer Entlassung vorsehen, anwendbar, insbesondere zu derjenigen nach § 12 MuttSchG.

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass nicht nur die Klage auf Zustimmung zur Entlassung unverzüglich einzubringen ist, sondern im Falle der (vorherigen) Zustimmung des Gerichts zur Entlassung auch diese vom Arbeitgeber ohne Verzug auszusprechen ist, um seiner Obliegenheit zur Unverzüglichkeit nachzukommen (so zB Kuderna, Entlassungsrecht², 45 zu §§ 120, 122 Abs 2 ArbVG; ausdrücklich zu § 12 MuttSchG: Weiß in Mazal/Risak Arbeitsrecht II „XIX Der besondere Bestandschutz" Rz 29). § 12 Abs 6 APSG trifft - bei vergleichbarer Interessenlage - sogar die ausdrückliche Anordnung, dass eine Entlassung nur zulässig ist, wenn sie unverzüglich nach der Entscheidung des Gerichts ausgesprochen wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat schon im Falle der beabsichtigten Entlassung eines Betriebsrats ausgesprochen (4 Ob 59/64 = SZ 37/102), dass der Arbeitgeber nach Zustellung der Gerichtsentscheidung, mit der die Zustimmung erteilt wird, unverzüglich die Entlassung auszusprechen hat.

In Fortsetzung dieser Rechtsprechung wie auch im Anschluss an die oben zitierte Literatur (insbes. Weiß, aaO) ist die Unverzüglichkeit der Entlassungserklärung auch für den gleich gelagerten Fall der Entlassung einer Schwangeren zu fordern. Da diese Erklärung hier erst fünf Wochen nach Eintritt der Rechtskraft (!) des Urteils über die Zustimmung zur Entlassung ausgesprochen wurde, kann von einer Unverzüglichkeit derselben nicht mehr die Rede sein. Soweit die Beklagte darauf verweist, schon durch die Einbringung der Klage auf die Unzumutbarkeit einer weiteren Beschäftigung der Klägerin hingewiesen zu haben, übersieht sie, dass sie damit erst die Voraussetzung zur notwendigen Rechtsgestaltung durch das Gericht geschaffen hat (s oben). Das erforderliche unverzügliche Handeln nach Zustimmung durch das Gericht kann dadurch nicht ersetzt werden. Auch ein rechtlicher Feststellungsmangel liegt nicht vor. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nie behauptet, dass die Klägerin - insbesondere nach Fällung des Urteils über die Zustimmung zur Entlassung - zu erkennen gegeben habe, „den ernstlichen Entlassungswillen der Beklagten weiterhin zu akzeptieren". Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf ein Telefongespräch vom Bezug nimmt, ist ihr entgegenzuhalten, dass Beweisergebnisse allein (hier: die Aussage der Klägerin) entsprechendes Tatsachenvorbringen nicht ersetzen können (RIS-Justiz RS0038037 uva). Zutreffend haben daher die Vorinstanzen die von der Beklagten nunmehr begehrte Feststellung als „überschießend" unterlassen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.