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VfGH vom 04.10.1999, B2447/97

VfGH vom 04.10.1999, B2447/97

Sammlungsnummer

15586

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot durch Verhängung einer disiplinarrechtlichen Zusatzstrafe über einen Rechtsanwalt nach einer strafgerichtlichen Verurteilung; keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit durch Bestrafung des Rechtsanwaltes wegen schwerwiegender persönlicher Angriffe gegen einen Richter in einem Ablehnungsantrag

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Graz. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (im folgenden: Disziplinarrat) vom wurde er für schuldig erkannt, das Vergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er sich am in Graz durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand einen Sicherheitswachebeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchte, indem er dem Beamten, der an ihm wegen einer zuvor begangenen Übertretung der Straßenverkehrsordnung eine Lenkerkontrolle vornehmen wollte, sein Fahrrad gegen dessen Beine schob, ihn zu Boden riß und ihm dabei Verletzungen zufügte, das Diensthemd, die Diensthose und einen Goldhalskettenverschluß beschädigte und letztlich Sicherheitswachebeamte während der Ausübung ihres Dienstes beschimpfte, indem er sie als "ausgefressene Schweine, Arschlöcher, Idioten, Verbrecher, Diebe und dergleichen bezeichnete" (D 50/95).

Der Disziplinarrat erachtete § 10 Abs 2 RAO verletzt und verhängte über den Beschwerdeführer eine Zusatzstrafe in Form einer Geldbuße von S 15.000,--.

Dem Erkenntnis lag ein Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom , 11 E Vr 2088/95-16, bestätigt durch Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom , 9 Bs 156/96-24, zugrunde, wonach der Beschwerdeführer für schuldig erkannt wurde, daß er sich am , wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und im Rausch Handlungen begangen habe, die ihm außerhalb dieses Zustandes als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§15, 269 Abs 1 (1. Deliktsfall) StGB, der schweren Körperverletzung nach den §§83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und der Beleidigung nach den §§115 Abs 1, 117 Abs 2 StGB zugerechnet würden (§287 Abs 1 StGB). Den Urteilen lagen die Feststellungen zugrunde, der Beschwerdeführer habe sich anläßlich einer Geburtstagsfeier in einen pathologischen Rauschzustand versetzt, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß er alkoholintolerant sei und Alkohol bei ihm Zustände auslösen könne, von denen er in der Folge nichts mehr wisse. Die strafbaren Handlungen seien anläßlich einer an ihm wegen einer zuvor begangenen Übertretung der Straßenverkehrsordnung (§§5 Abs 1 und 7 Abs 5 StVO 1960) vorgenommenen Lenkerkontrolle erfolgt.

1.2. Mit weiterem Erkenntnis des Disziplinarrates vom , wurde der Beschwerdeführer des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes für schuldig erkannt, weil er in der Hauptverhandlung vom in dem beim Landesgericht für Strafsachen Graz damals anhängigen Strafverfahren, 12 Vr 2920/91, "die Beiziehung eines Sachverständigen dafür beantragte, ob der Vorsitzende in der Lage sei, der StPO entsprechende Beschlüsse fassen zu können" (D 35/92).

Der Disziplinarrat erachtete § 9 RAO als verletzt und verhängte über den Beschwerdeführer eine Zusatzstrafe in der Höhe von S 5.000,--.

Diesem Disziplinarerkenntnis lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer war im Verfahren 12 Vr 2920/91 Verteidiger des Angeklagten B. L. In diesem Verfahren machte der Beschwerdeführer mehrmals die Ausgeschlossenheit des Senatsvorsitzenden mit der Begründung geltend, der Richter habe außerhalb der Hauptverhandlung Zeugen befragt bzw. eine Gutachtenserörterung mit einem Sachverständigen vorgenommen. Laut gerichtlichem Protokoll über die fortgesetzte Hauptverhandlung vom entgegnete der Staatsanwalt zu den Anträgen des Angeklagten auf Ablehnung des Senatsvorsitzenden, diesen Anträgen sei die Bestimmung des § 254 StPO entgegenzuhalten, wonach dem Vorsitzenden im Rahmen der diskretionären Gewalt auch ohne Antragstellung durch die Parteien die Möglichkeit eingeräumt werde, zur Erforschung der materiellen Wahrheit Beweise durchzuführen. Der Beschwerdeführer replizierte in der mündlichen Verhandlung, die diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden nach § 254 StPO reiche nicht soweit, Zeugen außerhalb der Hauptverhandlung zu befragen. Er vertrete daher die Rechtsansicht, daß das Verfahren durch einen kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richter geführt werde. Im Anschluß daran wurde der Beschwerdeführer vom Vorsitzenden ua. aufgefordert, entweder Anträge zu stellen oder andernfalls die Verhandlung nicht durch unzulässige Vorbringen zu verzögern. Daraufhin entgegnete der Beschwerdeführer wie folgt:

"Nachdem sowohl dem Vorsitzenden als auch dem Staatsanwalt bekannt ist, daß die Ausführungen des Verteidigers betreffend die Rechtsauslegung des § 254 StPO richtig sind und dennoch der Vorsitzende beschlossen hat, sich für nicht ausgeschlossen anzusehen, wird ausdrücklich die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fache der Rechtswissenschaft dazu beantragt, ob der Vorsitzende in der Lage ist, der StPO entsprechend Beschlüsse fassen zu können."

2. Den Berufungen des Beschwerdeführers gegen beide Straferkenntnisse gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) mit Erkenntnis vom keine Folge.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und darauf, nicht wegen einer strafbaren Handlung, wegen der der Beschwerdeführer bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut bestraft zu werden (Art4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK), geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerde hat gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken vorgebracht. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht entstanden. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2. Zum Faktum D 50/95:

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich, indem er wegen derselben Handlung zunächst von einem Strafgericht und nachfolgend von der Disziplinarbehörde verurteilt wurde, in dem durch Art 4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK garantierten Recht auf das "Verbot der Doppelbestrafung" verletzt.

2.2. Im Erkenntnis VfGH B191/99 vom ging der Verfassungsgerichtshof ua. auch auf die Frage ein, ob § 95 Abs 2 Z 1 Ärztegesetz 1984 dem Verbot der Doppelbestrafung entgegensteht. Nach dem Wortlaut des § 95 Abs 2 Z 1 Ärztegesetz 1984 machen sich Ärzte jedenfalls eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagsätzen verurteilt worden sind. Der Verfassungsgerichtshof führte dazu aus:

"Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang das genannte Verbot auf Disziplinarverfahren überhaupt Anwendung findet (vgl. zu dieser Frage Grabenwarter, Entscheidungsbesprechung zu EGMR vom , Gradinger gegen Österreich, JBl. 1997, 577 (582)). Es erscheint nämlich als legitimes Interesse der Standesgemeinschaft, sich im Falle schwerwiegender gerichtlicher Verurteilungen, denen - wie im hier vorliegenden Fall - Verhaltensweisen des Betroffenen zugrundeliegen, von denen regelmäßig auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht, sich in Wahrnehmung des sogenannten "disziplinären Überhanges" disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten. Es ist dies nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ein eigener, eine gesonderte disziplinäre Bestrafung rechtfertigender Aspekt, weswegen § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 auch nicht gegen Art 4 des

7. ZP zur EMRK verstößt (vgl. auch den Explanatory Report, Human Rights Law Journal 1985, 82 (86), wo jedenfalls die disziplinarrechtliche Verfolgung eines Beamten neben einer strafrechtlichen Verfolgung ausdrücklich als zulässig bezeichnet wird)."

Der Verfassungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Folgte man der entgegengesetzten Auffassung der Beschwerde, käme es zur gleichheitswidrigen Konsequenz, daß Rechtsanwälte, deren disziplinarrechtlich zu ahndendes Verhalten einen gerichtlichen Straftatbestand erfüllt und dafür rechtskräftig verurteilt werden, in der Folge keiner disziplinarrechtlichen Sanktion ausgesetzt wären, wogegen Rechtsanwälte, deren gegen das Standesrecht verstoßendes Verhalten keinen gerichtlichen Straftatbestand verwirklicht, weiterhin disziplinarrechtlich sanktioniert werden können. Es kann daher nicht gefunden werden, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art 4 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht verletzt worden ist.

3. Zum Faktum D 35/92:

3.1.1. Der zu diesem Faktum den Schuldspruch erster Instanz bestätigende Ausspruch des angefochtenen Bescheides wurde im wesentlichen damit begründet, daß in einem Ablehnungsantrag enthaltene schwerwiegende persönliche Angriffe gegen einen Richter nur dann nicht disziplinär seien, wenn sie "etwas Negatives über einen Richter anführen, ohne über den zur Dartuung der Ablehnungsgründe notwendigen Inhalt hinauszugehen" (die belangte Behörde zitiert Strigl in AnwBl. 1995, 656). Gerade dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Es liege in der inkriminierten Aussage des Beschwerdeführers kein notwendiger Inhalt eines Ablehnungsgrundes - mangelnde Rechtskenntnis stelle gewiß keinen Ablehnungsgrund dar -, sondern es handle sich vielmehr um eine persönliche Verunglimpfung des Vorsitzenden. Es komme ihr der Sinn zu, dem Vorsitzenden würden die notwendigen Rechtskenntnisse fehlen, wobei dies durch ein Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt werden solle. Die Aussage sei in erkennbar beleidigender Absicht vorgenommen und könne sohin nicht den Schutz der freien Meinungsäußerung genießen.

3.1.2. Der Beschwerdeführer erachtet sich in bezug auf diesen Schuldspruch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf freie Meinungsäußerung und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt und meint, daß der in Frage stehende Beweisantrag nur darauf abstelle, durch einen Sachverständigen aus dem Fache der Rechtswissenschaft überprüfen zu lassen, ob das Verfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz durch einen ausgeschlossenen bzw. befangenen Richter geleitet werde, bejahendenfalls, ob die Voraussetzungen dafür, daß der Vorsitzende in diesem Strafverfahren gesetzeskonforme Beschlüsse fassen könne, nicht mehr vorlägen. Der Formulierung des Beweisantrages sei sohin nur die Überlegung zugrundegelegt, daß ein kraft Gesetzes ausgeschlossener oder befangener Richter nicht in der Lage sein könne, der StPO konforme Beschlüsse zu fassen. Der auf die Einholung eines Rechtsgutachtens abgestellte Beweisantrag sei daher sachlich gerechtfertigt und als zulässiges Angriffs- und Verteidigungsmittel iS des § 9 Abs 1 RAO zu werten.

3.2.1. Nach Art 13 Abs 1 StGG hat jedermann das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. Das Recht der freien Meinungsäußerung ist zwar nur innerhalb der gesetzlichen Schranken gewährleistet, doch darf auch ein solches Gesetz keinen Inhalt haben, der den Wesensgehalt des Grundrechtes einschränkt (vgl. VfSlg. 6166/1970, 10700/1985).

Nach Art 10 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfaßt. Art 10 Abs 2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, daß die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.

Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muß sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (Fall Sunday Times v. , EuGRZ 1979, 390; Fall Barthold v. , EuGRZ 1985, 173),


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a)
gesetzlich vorgesehen sein,
b)
einen oder mehrere der in Art 10 Abs 2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und
c) zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg. 12886/1991).

Ein Verwaltungsakt, der in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung eingreift, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ua. dann verfassungswidrig, wenn ein verfassungsmäßiges Gesetz denkunmöglich angewendet wurde (VfSlg. 3762/1960, 6166/1970, 6465/1971). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung liegt auch dann vor, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt (vgl. VfSlg. 10700/1985, 12086/1989, 13612/1993, 14233/1995).

3.2.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes fordert das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung eine besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung eines Rechtsanwaltes als strafbares Disziplinarvergehen (vgl. 13122/1992, 13612/1993, 14006/1995, 14233/1995). Konkret ist aber die Ansicht der belangten Behörde, daß die inkriminierte Äußerung des Beschwerdeführers - welche hinsichtlich ihres protokollierten Wortlautes von der Beschwerde nicht in Streit gezogen wurde - den Rahmen dessen, was durch das Recht auf freie Meinungsäußerung noch geschützt ist, überschreitet, jedenfalls vertretbar. So ist es bereits aufgrund der vom Beschwerdeführer gewählten Formulierung keineswegs ausgeschlossen, in seinem "Antrag" eine beleidigende Äußerung gegenüber dem Vorsitzenden zu erblicken. Daß der Beschwerdeführer mit dem Beweisantrag allenfalls nur vordergründig ein der Verteidigung dienliches sachliches Vorbringen bezwecken wollte, vermag auch der Umstand zu erhellen, daß von einem Rechtsanwalt die Kenntnis um die Aussichtslosigkeit eines derartigen Antrages auf Einholung eines Rechtsgutachtens in einem derartigen Fall angenommen werden kann; der Beschwerdeführer mußte wissen, daß Bestimmungen der StPO nicht Beweisgegenstand sind ("iura novit curia"). Zusätzlich läßt sich aus den Verwaltungsakten entnehmen, daß das Verhältnis zwischen Vorsitzendem und Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz alles andere als frei von Friktionen bezeichnet werden kann. Aufgrund dieser Gesamtbetrachtung ist die Auslegung der - mehrdeutigen - Äußerung durch die belangte Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

Wenn man der Äußerung den Sinn, den ihr die belangte Behörde beimißt, zugrundelegt, ist es offenkundig, daß eine so verstandene Äußerung für die Vertretung einer Partei nicht iS des § 9 Abs 1 RAO dienlich ist. Wenn daher die belangte Behörde von einer beleidigenden, für die Vertretung einer Partei nicht dienlichen Äußerung des Beschwerdeführers ausgeht und in der Folge § 9 Abs 1 RAO dahingehend versteht, daß derartige Äußerungen den Anordnungen dieser Gesetzesstelle widersprechen, wird dem Gesetz weder ein verfassungswidriger, gegen Art 10 EMRK verstoßender Inhalt unterstellt, noch denkunmöglich vorgegangen (vgl. VfSlg. 12796/1991, 14233/1995). Ob von der belangten Behörde das Gesetz richtig angewendet wurde, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen. In dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Meinungsfreiheit ist der Beschwerdeführer sohin nicht verletzt.

3.3.1. Auch der vom Beschwerdeführer erhobene Vorwurf der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes trifft nicht zu.

3.3.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften käme eine Gleichheitsverletzung nur dann in Frage, wenn den Rechtsgrundlagen fälschlicherweise ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre oder wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

3.3.3. Nichts dergleichen liegt vor. Die Behörde hat den für die Beurteilung maßgebenden Sachverhalt in einem eingehenden Verfahren ermittelt; die Würdigung der Beweise und die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist - wie bereits unter Punkt II.3.3.2. dargestellt - jedenfalls vertretbar.

Auch der sub titulo des Gleichheitsgrundsatzes gemachte Hinweis auf VfSlg. 13612/1993 und 14006/1995 geht fehl, da aufgrund der diesen Erkenntnissen zugrundeliegenden Sachverhalte nicht von unzulässigen, der Verteidigung nicht dienenden Vorbringen ausgegangen werden konnte.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt somit nicht vor.

4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.