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OGH vom 10.07.2008, 8Ob131/07h

OGH vom 10.07.2008, 8Ob131/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Kristina Silberbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Weyrgasse 6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Franz Josef H*****, wegen Herausgabe und Zahlung (Streitwert 9.847,69 EUR sA), über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 78/07y-9, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil das Handelsgerichts Wien vom , GZ 21 Cg 21/07k-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 971,04 EUR (darin enthalten 161,84 EUR an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.833,66 EUR (darin enthalten 110,94 EUR an USt und 1.168 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Gemeinschuldners (Schlosser) wurde am der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Mit Beschluss vom , der am in der Insolvenzdatei veröffentlicht wurde, stellte das Konkursgericht fest, der Masseverwalter habe Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Die Klägerin befand sich sowohl mit dem Gemeinschuldner als auch mit einer ihrer Firma ähnlich lautenden Schlosserei GmbH - bei der der Gemeinschuldner allerdings weder Organ noch Gesellschafter oder Prokurist ist - in Geschäftsbeziehung. Die Schlosserei GmbH legte am eine zweite Teilrechnung Nr. 20/06 über 12.000 EUR brutto, die in weiterer Folge auf den nunmehrigen Klagsbetrag von 9.847,68 EUR brutto korrigiert wurde. Die Klägerin überwies diesen Betrag am , verwendete dabei jedoch irrtümlich die in ihrem System gespeicherte Kontonummer des Gemeinschuldners, sodass der Betrag am Konkursanderkonto des beklagten Masseverwalters einlangte. Der Beklagte lehnte eine Rücküberweisung mit der Begründung ab, der Klägerin stehe nur eine Masseforderung zu, die aber wegen Massearmut nicht befriedigt werden könne. Seit dem Eingang der Fehlüberweisung gab es auf dem Konkursanderkonto keine Ein- und Ausgänge mehr. Der Kontostand übersteigt jedenfalls den von der Klägerin geforderten Betrag.

Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin zuletzt, den Beklagten schuldig zu erkennen, den von der Klägerin am irrtümlich auf das Konkursanderkonto überwiesenen Betrag von 9.847,68 EUR samt Zinsen herauszugeben; hilfsweise stellte sie auch ein entsprechendes Zahlungsbegehren in selber Höhe, gestützt auf eine Quantitätsvindikation. Das Geld sei noch abgrenzbar und unterscheidbar, da auf dem Konkursanderkonto keine anderen Ein- oder Ausgänge mehr verbucht worden seien.

Der beklagte Masseverwalter im Konkurs stellte das Klagevorbringen zum überwiegenden Teil außer Streit und anerkannte das Eventualbegehren mit der Maßgabe, dass nur 4 % Zinsen zustünden. Er brachte vor, der Klägerin stehe nur eine Masseforderung zu, nicht aber ein Aussonderungsanspruch. Die Masseforderung könne jedoch im Hinblick auf § 124a KO vom Beklagten nicht bezahlt werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache zur Gänze statt, wies jedoch das Zinsenbegehren, soweit es 4 % übersteigt, unbekämpft ab. Es ging im Wesentlichen davon aus, Gelder seien auch dann unterscheidbar, wenn sie auf einem Konto erlegt wurden. Der Leistungsgegenstand müsse in der Masse noch vorhanden und individualisierbar sein. Zur Aussonderung von Geld müsse der auszusondernde Anteil nachgewiesen werden. Dieser Beweis sei der Klägerin gelungen. Der Betrag sei deutlich abgrenzbar und unterscheidbar. Durch das Einlangen des irrtümlich überwiesenen Geldes sei lediglich Miteigentum entstanden, der Beklagte habe nicht originär Eigentum erworben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das Urteil dahingehend ab, dass es das Hauptklagebegehren abwies und nur dem eventualiter erhobenen Zahlungsbegehren stattgab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle bzw die Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 414 ff ABGB auf Buchgeld nicht einheitlich sei. Ein Aussonderungsanspruch setze ein dingliches oder persönliches Recht zur Aussonderung der in der Konkursmasse befindlichen Sachen voraus. Die Klägerin habe durch Giroüberweisung geleistet. Buchgeld bedeute lediglich eine Forderung des Kontoinhabers gegenüber der Bank, von einem Eigentum Dritter könne daher nicht die Rede sein. Die Überweisung sei außerdem nicht auf ein Treuhandkonto erfolgt. Die irrtümliche Zahlung habe zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse geführt, sodass der Klägerin nur eine Kondiktion gemäß § 1431 ABGB zustehe. Gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO sei ein solcher Anspruch eine Masseforderung, die auf Geldzahlung gerichtet sei. Die Masseunzulänglichkeit bewirke eine Exekutionssperre. Da die Klägerin den Anspruch erst nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit erworben habe, sei sie als Neumassegläubigerin anzusehen, deren Ansprüche jedoch nur dann vorrangig voll zu bezahlen seien, wenn diese im Zusammenhang mit der Restabwicklung stünden. Das treffe auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin, die beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Der Beklagte beantragt, die Revision wegen fehlender erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin releviert im Wesentlichen, dass eine Mengenvindikation nicht nur dann in Frage komme, wenn sich bereits bei Konkurseröffnung Fremdgelder auf einem Treuhandkonto des Gemeinschuldners befänden. Die Überweisung auf ein Treuhandkonto möge den Beweis erleichtern, dass keine Vermengung stattgefunden habe, sei aber nicht der einzige Fall, in dem Buchgeld von anderen Geldern unterscheidbar bleibe und Gegenstand der Aussonderung sein könne. Das Eigentum am Buchgeld bleibe trotz Überweisung auf ein Geschäftskonto aufrecht, wenn von dort keine Einnahmen und Überweisungen getätigt würden.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof Folgendes erwogen:

Allgemein ist vorweg festzuhalten, dass sich der Massegläubiger im Sinne der §§ 46, 47 KO vom Aussonderungsberechtigten nach § 44 KO dadurch unterscheidet, dass der Massegläubiger die Zugehörigkeit zur Sollmasse (Bartsch/Pollak, KO [1937] § 44 Anm 3) nicht bestreitet, sondern lediglich eine bevorzugte Befriedigung vor den anderen Konkursgläubigern aus der Verwertung der Masse geltend macht (Näheres s ua Engelhart in Konecny/Schubert, KO § 46 Rz 14 ff).

Nach der Rechtsprechung sind Guthaben auf einem Giro- oder Sparkonto Geldscheinen in den hier wesentlichen Aspekten gleichzusetzen und ist die Quantitätsvindikation nach den Miteigentumsregeln des § 415 ABGB auch auf Buchgeld anzuwenden, weil der Gemeinschuldner daran nicht originär Eigentum erworben hat, soweit es nicht infolge Vermengung nicht mehr der Eigentumsklage unterliegt (RIS-Justiz RS0010924 mwN; 8 Ob 4/94 = JBl 1995, 520; 8 Ob 29/95 = JBl 1996, 662; 6 Ob 2352/96t = SZ 70/63). In der Entscheidung 6 Ob 2352/96t (SZ 70/63) wurde etwa festgehalten, dass der Aussonderungsanspruch voraussetzt, dass sich ein bestimmter Anteil am Gemenge feststellen ließe (allgemein zum Erfordernis der Unterscheidbarkeit RIS-Justiz RS0064764 mwN).

Schulyok (in Konecny/Schubert, KO § 44 Rz 16) kritisiert die Rechtsprechung und weist darauf hin, dass es bei der Überweisung von Buchgeld nicht zu einem Eigentumserwerb durch den Kontoinhaber komme, sondern bloß die kontoführende Bank Eigentümerin werde. Eine sachenrechtliche Betrachtung scheide aus; der Gemeinschuldner könne nur ein Forderungsrecht gegen die kontoführende Bank erwerben. Ein auf einem Forderungsrecht gründender Aussonderungsanspruch könne aber nur dann Bestand haben, wenn der Gemeinschuldner im Falle der Insolvenz der kontoführenden Bank einen Aussonderungsanspruch habe. Da eine diesbezügliche Forderung jedoch nur eine Konkursforderung darstelle, könne der Gläubiger des Gemeinschuldners nicht besser gestellt sein als dieser selbst. Rabl (Die Aussonderung von Buchgeld, ÖBA 2006, 575 [580 ff])lehnt diese Argumentation Schulyoks als nicht überzeugend ab. Die Aussonderung der Forderung gegen die Bank im Konkurs des Gemeinschuldners setze nicht zwingend voraus, dass die Forderung auch im Verhältnis zur Bank Aussonderungsqualität besitze, da sonst Forderungen stets als Aussonderungsobjekt auszuschließen wären. Rabl spricht sich allerdings gegen eine Gleichsetzung von Bar- und Buchgeld ebenfalls aus. Eine Aussonderung von Buchgeld sei aus dem materiellen Recht heraus nicht zu begründen. Die Aussonderung nach § 44 KO setze grundsätzlich voraus, dass das Buchgeld als Forderung gegen die Bank dem Kläger nach den allgemeinen Grundsätzen im Sinne des § 44 Abs 1 KO oder über § 44 Abs 2 KO zugewiesen sei.

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falls ist aber hier ein Aussonderungsanspruch im Konkursverfahren im Sinne der bisherigen Rechtsprechung weiter zu bejahen.

Voraussetzung für einen Aussonderungsanspruch nach § 44 KO ist es, dass sich in der Konkursmasse eine „Sache" befindet, die dem Gemeinschuldner nicht (oder teilweise nicht) gehört und deshalb nicht zur Sollmasse zählt. Der Aussonderungsanspruch kann sich auf Sachen und Rechte im weiteren Sinne beziehen und ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen (Schulyok aaO § 44 Rz 3 mwN). Zweck der Bestimmung ist es, vom Konkursverfahren nur solche Vermögenswerte zu erfassen, die dem Gemeinschuldner tatsächlich gehören. Das vom Masseverwalter bei Eröffnung des Konkursverfahrens vorgefundene Vermögen (Istmasse) entspricht im Regelfall nicht der Sollmasse, weil zur Sollmasse zählende Vermögenswerte sich bei Dritten befinden oder von diesen beansprucht werden bzw Vermögen der Istmasse dem Gemeinschuldner weder rechtlich noch wirtschaftlich zuzuordnen ist; aus diesem Grunde obliegt es dem Masseverwalter, die Istmasse der Sollmasse anzugleichen und nicht zur Konkursmasse gehörende Vermögenswerte auszusondern (Schulyok aaO § 44 Rz 1).

Andererseits sieht § 46 Abs 1 Z 6 KO vor, dass zu begünstigten Masseforderungen auch Ansprüche aus einer „grundlosen Bereicherung" der Konkursmasse, die auf einen der Bereicherungstatbestände des ABGB gestützt werden können, gehören (RIS-Justiz RS0065108 mwN). Der historische Gesetzgeber wollte dem Berechtigten gemäß § 46 Abs 1 Z 6 KO einen Bereicherungsanspruch als Masseforderung etwa für den Fall einräumen, dass der Masseverwalter eine fremde Sache veräußert und den Erlös ununterscheidbar mit der Masse vermengt hat (Schulyok aaO § 44 Rz 75; Rabl aaO 577 f; 8 Ob 157/99t = EvBl 2000/103 mwN).

Im vorliegenden Fall kam es erst nach Konkurseröffnung zur irrtümlichen Überweisung des der Höhe nach unstrittigen Betrags. § 44 KO bestimmt nicht ausdrücklich, ob der (Aussonderungs-)Anspruch vor oder nach Konkurseröffnung entstanden sein muss. In den bisher entschiedenen Fällen betreffend Aussonderungsansprüche bei Buchgeld wurden die Überweisungen freilich regelmäßig vor Konkurseröffnung getätigt (Rabl aaO 581 f).

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass auch Rabl und Schulyok die Aussonderungsmöglichkeit jedenfalls bei treuhändig gehaltenen Forderungen bejahen (Rabl aaO 581; Schulyok aaO § 44 Rz 3 mit Hinweis auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise; ferner RIS-Justiz RS0107635 und RS0010499 jeweils mwN; vgl zur Inkassozession auch RIS-Justiz RS0113774 und 3 Ob 229/99v = SZ 73/99).

Der beklagte Masseverwalter ist - wie bereits ausgeführt - verpflichtet, Sachen, die nicht zur Masse gehören, auszuscheiden. Dies umfasst aber auch die Verpflichtung, Sachen, die sich nie in der Masse befunden haben und auch nicht zur Masse gehören, nach Konkurseröffnung gar nicht in diese aufzunehmen.

Dass im hier zu behandelnden Fall der Überweisungsbetrag direkt auf dem Konto des Gemeinschuldners in dessen Verfügung gelangt wäre, wurde nicht festgestellt. Der Kontovertrag des Gemeinschuldners erlischt regelmäßig mit der Konkurseröffnung (Weber-Wilfert/Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, KO § 26 Rz 40 mwN; Lovrek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht IV4, § 114 Rz 3; RIS-Justiz RS0033010), jedoch kann der Masseverwalter die Kontoverbindung fortsetzen (G. Kodek, Handbuch Privatkonkurs, Rz 222) und damit wohl auch die Überweisung auf sein „Anderkonto" verfügen. Es geht hier also um den Anspruchserwerb des Masseverwalters selbst. Der Masseverwalter unterliegt einer umfassenden Pflichtbindung auch gegenüber den Aussonderungsgläubigern (Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak/Buchegger III3 § 81 Rz 81; RIS-Justiz RS0110546; zur unzulässigen Berücksichtigung von Sonderinteressen RIS-Justiz RS0065386). Dementsprechend hat er das Entstehen einer Zugehörigkeit von Forderungen zur Masse, wenn diese Forderungen keinerlei Bezug zur Masse oder zum Gemeinschuldner haben - also unstrittig eine Grundlage dafür, dass der Gemeinschuldner diese Forderung im Sinne des § 1 Abs 1 KO nach Konkurseröffnung noch „erlangt" (Buchegger in Bartsch/Pollak/Buchegger I4 § 1 KO Rz 117; Petschek/Reimer/Schiemer [1973], Das österreichische Insolvenzrecht, 228 ff), nicht besteht - zu unterbinden. Er hat abgrenzbare Forderungen, soweit die Zugehörigkeit zur Masse entgegen dieser allgemeinen Verpflichtung des Masseverwalters nach der Konkurseröffnung begründet wurde, wieder auszuscheiden. Dies gilt daher fallbezogen auch, soweit bloß durch das irrtümliche Anführen einer unrichtigen Kontonummer eine unstrittig nicht dem Gemeinschuldner zustehende und für diesen bestimmte Geldforderung auf das Anderkonto („Treuhandkonto") des Masseverwalters gelangt. Dass die Vereinbarungen des Kontovertrags diesem Ergebnis hier entgegenstehen würden (Rabl, Die Aussonderung von Buchgeld, ÖBA 2006, 575 [583]), releviert der Beklagte nicht. Dass es seit dem Eingang der Fehlüberweisung auf dem Konkursanderkonto keine Ein- und Ausgänge mehr gab und der Kontostand jedenfalls den von der Klägerin geforderten Betrag übersteigt, steht fest. Der Aussonderungsanspruch ist daher zu bejahen.

Es war daher der Revision Folge zu geben und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen (vgl zur mangelnden Teilrechtskraft des zweitinstanzlichen Entscheidung über das Eventualbegehren 8 Ob 504/87).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.