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OGH vom 29.06.2005, 9ObA10/05v

OGH vom 29.06.2005, 9ObA10/05v

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Robert B*****, kaufmännischer Angestellter, *****, vertreten durch Mag. Martin Hengstschläger, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei T*****KEG, *****, vertreten durch Dr. Anton Moser, Rechtsanwalt in Traun, wegen EUR 2.000,-- sA und Ausstellung einer Arbeitsbestätigung (EUR 2.000,--), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 111/04m-16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 6 Cga 7/04h-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis zum bei der Beklagten als „freier Mitarbeiter" beschäftigt. Das Vertragsverhältnis endete durch einvernehmliche Auflösung. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag enthält keine Verpflichtung zur Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Ein solches wurde auch nicht ausgestellt.

Am schloss der - anwaltlich vertretene - Kläger mit der Beklagten im Verfahren 2 C 1676/00v des Bezirksgerichtes Linz-Land einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, dem Kläger S 155.000,-- an Kapital und kapitalisierten Zinsen sowie S 50.000,-- an Kosten zu zahlen. Ferner wurde vereinbart, dass „mit diesem Vergleich ... sämtliche gegenseitigen Forderungen verglichen und bereinigt" sind. Im Rahmen der Vergleichsverhandlungen hatten die Parteien auch die Frage der Ausstellung einer Bestätigung über die Tätigkeit des Klägers besprochen.

Der Kläger begehrte nunmehr die Ausstellung einer Dienstbestätigung und die Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von EUR 2.000,--. Er sei für die Beklagte als freier Mitarbeiter im Immobiliengeschäft tätig gewesen. Trotz wiederholter Urgenzen habe er keine Bestätigung über seine Tätigkeit erhalten. Diese benötige er als Praxisnachweis für den Antrag auf Zulassung zur Maklerprüfung. Sein Anspruch darauf ergebe sich als Nebenpflicht aus der abgeschlossenen Mitarbeitervereinbarung, aber auch aus der analogen Anwendung des § 1163 ABGB. Durch den mit der Beklagten abgeschlossenen Vergleich habe der Kläger nicht auf ein Dienstzeugnis verzichtet. Mangels Möglichkeit zur Ablegung der Maklerprüfung sei ihm bei seinem jetzigen Dienstgeber ein Verdienstausfall von EUR 10.860,30 entstanden, den er mit vorerst EUR 2.000,-- geltend mache.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Vergleich vom entfalte umfassende Bereinigungswirkung. Im Übrigen habe der Kläger als freier Mitarbeiter keinen Anspruch auf ein Dienstzeugnis. Das Schadenersatzbegehren sei überdies deshalb nicht berechtigt, weil der Kläger neben dem Praxisnachweis zahlreiche weitere Zulassungsvoraussetzungen für die Maklerprüfung nicht erfülle. Der behauptete Schaden sei konstruiert. Sein nunmehriger Dienstgeber sei eine Ein-Mann-Gesellschaft, die „wirtschaftlich" ihm selbst gehöre; er habe seine Mutter als Gesellschafterin und Geschäftsführerin nur vorgeschoben.

Im Laufe des Verfahrens brachte der Kläger - ohne allerdings dazu näheres Tatsachenvorbringen zu erstatten - vor, er sei Arbeitnehmer. Sein Begehren auf Ausstellung einer Bestätigung über eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter ließ er unverändert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Abgesehen davon, dass der Kläger als freier Dienstnehmer nach herrschender Meinung überhaupt keinen Anspruch auf ein Dienstzeugnis habe, entfalte die Generalklausel in dem am abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich umfassende Bereinigungswirkung. Diese Bereinigungswirkung erfasse alle Forderungen, an die die Parteien denken konnten, somit auch einen allfälligen - während der Vergleichsverhandlungen besprochenen, im Vergleich jedoch nicht enthaltenen - Anspruch auf ein Dienstzeugnis. Da die Beklagte somit nicht rechtswidrig gehandelt habe, bestehe auch kein Schadenersatzanspruch.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

Zwar werde in der Lehre vereinzelt die Meinung vertreten, dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf die Ausstellung eines Dienstzeugnisses sowohl während des aufrechten Arbeitsverhältnisses als auch nach dessen Ende wirkungslos sei. Warum allerdings der Zeugnisanspruch - im Gegensatz zu vermögensrechtlichen Ansprüchen - nach Vertragsbeendigung und ohne Vorliegen einer Drucksituation unverzichtbar sein solle, sei nicht einsichtig. Der Kläger habe daher wirksam auf ein Dienstzeugnis verzichtet.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die - auch im Rechtsmittelverfahren - völlig unkonkretisiert gebliebene Behauptung des Klägers, er sei Arbeitnehmer, braucht nicht näher erörtert zu werden; ebenso wenig die Frage, ob der freie Dienstnehmer überhaupt Anspruch auf ein Dienstzeugnis hat. Auch auf die Frage, ob und inwieweit die Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit des Verzichtes des Arbeitnehmers auf unabdingbare Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis auf das freie Dienstverhältnis übertragen werden kann, braucht nicht eingegangen zu werden. Selbst wenn man nämlich davon ausginge, dass der Kläger Arbeitnehmer gewesen wäre, müsste sein Klagebegehren aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen erfolglos bleiben.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche eines Dienstnehmers unwirksam, solange sich dieser in der typischen Unterlegenheitsposition des Arbeitnehmers befindet („Drucktheorie"; Arb 12.253; 9 ObA 13/04h uva).

Verschiedentlich wurde aber - allerdings ohne nähere Begründung - die Auffassung vertreten, dass dem Anspruch auf Dienstzeugnis insofern eine Sonderstellung zukomme. Im Gegensatz zu unabdingbaren vermögensrechtlichen Ansprüchen könne auf diesen Anspruch auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam verzichtet werden (Adler/Höller in Klang, ABGB² V 356; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG § 39 Erl 2).

Dem Berufungsgericht ist aber beizupflichten, dass insofern zwischen vermögensrechtlichen und sonstigen Ansprüchen kein qualitativer Unterschied besteht, der eine unterschiedliche Behandlung im Zusammenhang mit der Zulässigkeit eines Verzichtes rechtfertigen könnte (ebenso Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis [1989] 126). Der Oberste Gerichtshof teilt daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein Verzicht auf den Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses nach Wegfall der arbeitsvertragstypischen Drucksituation zulässig und wirksam ist.

Die Bereinigungswirkung eines anlässlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossenen Generalvergleichs bezieht sich im Zweifel auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen, die für die Parteien erkennbar waren, unabhängig davon, ob sie diese tatsächlich bedacht haben (Neumayr in KBB, § 1389 Rz 2 mwN). Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass die Bereinigungswirkung des Vergleiches den Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses umfasst, weil die Parteien an den Anspruch hier nicht nur denken konnten, sondern sogar ausdrücklich darüber gesprochen haben.

Von einer arbeitsvertragstypischen Drucksituation konnte zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein, zumal das Vertragsverhältnis bereits eineinhalb Jahre aufgelöst war.

Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Bereinigungswirkung des Vergleiches den (behaupteten) Anspruch auf Ausstellung einer Dienstbestätigung umfasst und dass das darauf gerichtete Klagebegehren - ebenso wie das davon abgeleitete Schadenersatzbegehren - nicht berechtigt ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.