OGH vom 27.01.2021, 9ObA1/21v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Frick (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat für das wissenschaftliche Personal der ***** Universität *****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ***** Universität *****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Interesse: 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 41/20x20, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der klagende Betriebsrat begehrte gemäß § 54 Abs 1 ASGG zuletzt die Feststellung, dass in Ansehung der von ihm als Belegschaftsorgan repräsentierten Mitarbeiter, soweit diese sowohl dem Kollektivvertrag für Arbeitnehmer/innen der Universitäten als auch dem KA-AZG unterliegen, bei der Ermittlung des Grundstundenlohnes (Normallohnes) bei der Berechnung von Überstunden die Grundvergütung (das laut KV sogenannten Bruttomonatsentgelt) zuzüglich die Ärztezulage, die KA-AZG-Zulage sowie die Strahlenzulage oder die Infektionsgefährdungszulage, soweit diese dienstvertraglich gebühren, ohne Berücksichtigung der jeweiligen Sonderzahlungsanteile solcher Zulagen, anzusetzen/
einzubeziehen sind und dieser Betrag mit 1/160 als Grundstundenlohn (Normallohn als Basis für die Überstunde vor dem Überstundenzuschlag) zu Grunde zu legen ist, soweit solche Mehrarbeitsstunden/Überstunden iSd § 68 Abs 1 iVm § 55 des KV in Geld abzugelten sind. Hilfsweise stellte er ein Eventualbegehren dahin, dass der so angesetzte Betrag mit 1/173 als Grundstundenlohn zugrunde zu legen ist, sofern diese Berechnung günstiger ist als die Berechnung in sinngemäßer Anwendung des § 55 Abs 3 Z 2 des genannten Kollektivvertrags mit einem 1/160 von bloß der Grundvergütung (Grundgehalt bzw laut KV Bruttomonatsentgelt), soweit solche Mehrarbeitsstunden/Überstunden iSd § 68 Abs 1 iVm § 55 des KV in Geld abzugelten sind.
[2] Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab. Das Berufungsgericht wies auch das Eventualbegehren mangels Schlüssigkeit, hilfsweise auch mangels inhaltlicher Berechtigung beider Begehren ab. Das Hauptklagebegehren beruhe auf unzulässigen rosinentheoretischen Grundsätzen, das Eventualbegehren könne in den strittigen Fragen nur einzelfallbezogen beantwortet werden.
Rechtliche Beurteilung
[3] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[4] Wie etwa zu 9 ObA 5/20f ausgeführt, sind die von der Rechtsprechung zur Frage der Bestimmtheit von Feststellungsbegehren entwickelten Grundsätze auch auf die besonderen Feststellungsverfahren – hier nach § 54 Abs 1 ASGG – anzuwenden (RS0037479). Auch in Feststellungsklagen muss das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis inhaltlich und umfänglich genau und zweifelsfrei bezeichnet werden. Die Notwendigkeit der Bestimmtheit des Klagebegehrens ergibt sich hier zwar nicht, wie beim Leistungsurteil, aus der Erwägung, dass es zur Zwangsvollstreckung geeignet sein müsse, wohl aber aus dem prozessökonomischen Zweck und der Funktion der Feststellungsklage und ihrer Rechtskraftwirkung (RS0037437; vgl RS0038905 [T5]). Ist ein Begehren unbestimmt, kann das Urteil die Aufgabe der Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nicht erfüllen. Es ist daher erforderlich, das Feststellungsbegehren ausreichend zu individualisieren (9 ObA 87/11a Pkt 2.).
[5] Die Beurteilung der Bestimmtheit einer Feststellungsklage hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0037437 [T5]) und ist daher im Allgemeinen
– abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung – nicht revisibel. Das ist auch hier nicht der Fall:
[6] Nach der zum Normallohnbegriff des § 10 AZG
– auch für die hier maßgebliche zwingende Bestimmung des § 5 Abs 3 KA-AZG – entwickelten Rechtsprechung sind in den Normallohn als Berechnungsgrundlage für den Überstundenzuschlag alle bei Leistung der betreffenden Arbeit in der Normalarbeitszeit regelmäßig gewährten Zuschläge und Zulagen mit Entgeltcharakter wie die im (dort vorliegenden) KollV vorgesehenen Schmutzzulagen, Erschwerniszulagen, Gefahrenzulagen und Nachtarbeitszulagen einzubeziehen. Eine abweichende Regelung durch KollV ist nur bezüglich der in § 10 Abs 2 (nun: Abs 3) Satz 2 AZG genannten Berechnungsart zulässig, nicht aber bezüglich der Berechnungsgrundlage (RS0051222 [T1]). Lediglich Aufwandsentschädigungen, Sonderzahlungen, nicht an die Arbeitsleistung anknüpfende außerordentliche Entgeltbestandteile (wie Kinderzulagen und Familienzulagen) und Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer ganz bestimmten, vom Arbeitnehmer während der Überstundenarbeit nicht verrichtete Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgelts aus (RS0051222 [T2]). Nur jene Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer ganz bestimmten Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgelts aus, wenn der Arbeitnehmer diese bestimmte Arbeitsleistung während der Zeit seiner Überstundenarbeit nicht erbringt. Erhält er jene Entgeltbestandteile aber auch für die Zeit seiner Normalarbeit ohne Rücksicht darauf, ob er die betreffende Leistung erbringt, dann sind diese Entgeltbestandteile auch in den Normallohn einzubeziehen. Wenn jedoch in solchen für die Normalarbeitszeit gewährten Entgeltbestandteilen ein Überstundenentgelt im Sinne des § 10 AZG bereits enthalten ist, sind sie bei der Berechnung des für die Überstundenarbeit gebührenden Entgelts nicht zu berücksichtigen (RS0051838; s auch RS0051884).
[7] Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und der mannigfachen Einwände des Beklagten hielt das Berufungsgericht fest, dass die Begehren die nach dem Klagsstandpunkt einzubeziehenden Zulagen nur insoweit erfassten, als sie „dienstvertraglich gebührten“, und vermisste eine Präzisierung der Klage und Prozessbehauptungen in Bezug auf die konkrete Art und die konkreten Anspruchsvoraussetzungen der angesprochenen Zulagen, ohne die aber nicht beurteilt werden könne, ob sie normallohnrelevante Zulagen im Sinn des angezogenen Normallohnbegriffs seien. Das Eventualbegehren spezifiziere auch die unterschiedlichen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rechtsgrundlagen und Berechnungsmodi für den angestrebten Günstigkeitsvergleich nicht hinreichend und beziehe Überstundenentgeltberechnungsmodalitäten auch auf Mehrarbeitsstundenentgelte.
[8] Dem hält der Kläger in seiner Zulassungsbeschwerde nur entgegen, die Beklagte habe gar nicht substanziell bestritten, dass die angesprochenen Zulagen bei der von ihr vorgenommenen Ermittlung des Grundstundenlohns (generell) außer Betracht blieben. Die Wendung „soweit diese [Zulagen] dienstvertraglich gebühren“ trage dem Umstand Rechnung, dass die Zulagen eben nur in solchen Arbeitsverhältnissen zu berücksichtigen seien, in denen diese auch tatsächlich aufgrund der verrichteten Tätigkeit geschuldet seien. Mit dieser Kritik verfehlt der Kläger aber die Entscheidungsbegründung des Berufungsgerichts und nimmt nicht auf die differenzierende Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Zulagen in der Bemessungsgrundlage für Überstundenzuschläge Bedacht. Eine grobe Fehlbeurteilung der Schlüssigkeit und Bestimmtheit des Klagebegehrens durch das Berufungsgericht, die als Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, wird in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.
[9] Unterliegt aber schon die vom Berufungsgericht primär herangezogene Begründung mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht der inhaltlichen Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, so kann die Richtigkeit einer vom Berufungsgericht nur hilfsweise herangezogenen Begründung gleichfalls nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RS0042736 [T2]).
[10] Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00001.21V.0127.000 |
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